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Allgemeine Encyclopädie HIS-Data
5139-1-1-259-3
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Werk Bearb. ⇧ 1. Th.
Artikel: ACCISE
Textvorlage: Göttinger Digitalisierungszentrum
Siehe auch: HIS-Data Ac
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Inhalt:
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Accismus ⇨

     
Forts. S. 259 Sp. 1 ACCISE (Ungeld).♦
I. I. Etymologisch und historisch. Die üblichste, wo nicht einzige Art der Abrechnung und Empfangsbescheinigung über gemeine und einzelne Leistungen waren im Mittel-Alter Kerbstöcke, die aus zwei gleichen Hölzern bestanden, welche Geber und Nehmer der Leistung zusammenfügten, und mit Einschnitten über den Leistungsbetrag versahen, wie es noch jetzt auf dem platten Lande bei Herrendiensten und Zinsentrichtungen geschieht. In streitigen Fällen nahm man auch wohl seine Zuflucht zu Reliquien. Auf letztere legte zum Beispiel, wenigstens in Soest, der Steuerpflichtige die Finger und bekräftigte damit die Behauptung, eine Zahlung
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  geleistet zu haben 1), die der Einnehmer ableugnete.♦
  In der Kindheit des Steuerwesens waren, mit Ausnahme des Zolls, alle eigentliche Steuern unmittelbar, d.i. sie wurden unbedingt und ein für alle Mal auf die steuerbaren Gegenstände gelegt, ohne Rücksicht auf deren wechselnde, bald größere, bald geringere Nutzung, und sie bestanden großentheils in dem, was man jetzt bäuerliche Last nennt. Von jenem Umstande des Anmerkens der Zahlung auf Kerbstöcken führten in der ersten Zeit mehrere Abgaben den Namen Kerben. So dürfen wol die dafür gebrauchten gleich bedeutenden lateinischen Wörter des Mittelaltcrs übersetzt werden. Lateinisch sind dieselben gebildet, weil alle Urkunden, in denen sie zuerst vorkommen, von Geistlichen (also in der damaligen Kirchensprache) abgefaßt sind. Es sind die beiden Ausdrücke: Tallia und Cisa. Tallia ist häufig verändert in Tallagium, Tolta, Touta, Toilt. Statt Cisa ist gewöhnlich geschrieben: scissio, incisio, incisura. In einigen Schweizer-Gegenden heißt noch jetzt eine gewisse Steuer der Schnitz.
  So allgemein verbreitet war bei öffentlichen Geldleistungen die Sache und der Name der Kerben, daß selbst in spätern Zeiten der Ausdruck fortdauerte, als längst bessere Mittel, eine Rechnung zu belegen, eingeführt waren; unter andern in der Rheinpfalz hießen solche Rechnungsbelege noch gegen das Ende des 16. Jahrh. Kerffzettel 2). In den frühern Jahrhunderten des Mittelalters haben die unmittelbaren oder Grundsteuern den Namen Kerben, lateinisch Tallia oder Cisa geführt. In der Grafschaft Montfort ward eine Tallia von Weinbergen und Häusern entrichtet 3). — Die Häuser, die das Kloster Altenburg in der Stadt Marburg besaß, wurden im Jahre 1288 durch einen Schluß der Stadtbehörde von der Tallia befreiet 4).— Die Mitglieder des Hochstifts zu Hamburg wurden 1337 ebenfalls von der Tallia freigesprochen, die bis dahin auf den Stiftswohnungen und deren Zugehörungen gehaftet hatte 5).
  Jetzt fragt sich aber, wie denn die mehrfache Besteurung des Verbrauchs der nothwendigsten Lebensmittel für dieselbe die Benennungen: Cise, Accise und Ungeld, entstanden sind? Wir beschränken uns bei der Beantwortung auf die kurze Entstehungsgeschichte der Besteuerung der Getränke, nämlich des Biers, Meths und Weins, da von diesen das ganze zahlreiche Geschlecht jener Steuern abstammt, insbesondere da die, in den rheinischen Städten zuerst vorkommende, Besteuerung der Bereitung des Getreides zum Backen (Mahlgeld) ganz nach dem Muster der Tranksteuer eingeführt worden ist. Die Mahlmühlen, zu deren Anlegung Grundeigenthum und ein bedeutender Kostenaufwand erfodert wurden, waren im Mittelalter das sicherste und bequemste Mittel zur Be-
 
  • 1) s. Jus susat. antiq. ap. Emminghaus, memorabil. susat. p. 110.
  • 2) s. Churfürstlicher Pfalz Landts- Ordnung. Heidelberg 1582. tit. 13. Fol. 69.
  • 3) s. Consuetudines provinciae montis fortis, ap. Marten. et Dur. thesaur. T. I. pag. 831.
  • 4) s. Urkunde der Bürgerschaft zu Marburg vom J. 1288, bei Guden. cod. dipl. T. II. p. 260.
  • 5) s. Vertrags-Urkunde des Domcapitels und des Senats zu Hamburg vom J. 1337, bei Lambec. rer. Hamburg. I. II. p. 82.
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  steuerung, da anfangs ihre Seltenheit von selbst den Mühlenzwang ergab, der bald genug als oberherrliches Recht erschien.♦
  Bei den Mühlen konnte das Zinswesen seine vollständige Anwendung finden; das war bei der Brauerei nicht der Fall. Diese, ein germanisches Gewerbe, erfoderte zu ihrem Betrieb im Großen nichts als kupferne Kessel und Hopfen; der letztere ward urkundlich im 10. Jahrh. in Deutschland kunstmäßig gebauet, und, so weit sich die Geschichte der teutschen Städte verfolgen läßt, findet sich Erwähnung von Braukesseln, als Gemein- oder Innungs-Eigenthum. Auch in den übrigen Ortschaften, auf Klöstern und Burgen, ward nun die Bierbrauerei ein für die Grundherrschaft ergiebiger Ertragszweig, ein kaufmännisches Gewerbe, dessen Nutzung mit den Einkünften von dem Marktzoll, d.i. dem Standgelde der Verkäufer, mit dem Prägschatze von den Münzen und den Gebühren von dem Wechslergewerbe, zusammengestellt wird.♦
  Da in solchen Orten das Brauwesen bald anfing ins Große zu gehen, so daß die Geschäfte der Wirthschaftsbeamten zu sehr dadurch vermehrt wurden, so ward hie und da diese Zugehörung der Landgüter einzeln verpachtet; die meisten fürstlichen Grundherrschaften aber veräußerten mit dem Münzrecht und dem Rechte, die Abgaben von den Wechslerbänken zu heben, auch die Brauereigerechtigkeit an die eben in der Entwickelung begriffenen Bürgerschaften, doch so, daß auf ihrem Wirthschaftshofe fortdauernd so viel Getränke bereitet wurde, als zum Bedarf des Hofgesindes erfoderlich war, auch der Verkauf desselben ihnen vorbehalten blieb, die Bürger also blos zu ihrem eigenen Gebräuche Bier brauen sollten. Denn die meisten nährten sich noch von dem Ackerbau und unterhielten ziemlich große Wirthschaften.♦
  Nach und nach aber ging auch das vorbehaltene Recht an die Bürgerschaften über. In einem gemeinschaftlichen Brauhause bereiteten sich die Hauseigenthümer nach einer gewissen Reihefolge ihr Getränk: das sogenannte Reihebrauen. Als die Unsicherheit auf dem platten Lande zunahm, und die befestigten Städte die Niederlage der überschießenden Getreidevorräthe wurden, blühete in ihnen die Brauerei nicht blos als Gewerbe des innern, sondern auch des auswärtigen Vertriebes, und ward eben dadurch Gegenstand der Besteuerung. Aus jener Zeit schreibt sich, daß es in mehreren Städten mehrere Brauberechtigte als gangbare Brauhäuser, Brauinhaber und Brauer gibt.
  Drei Zeiträume sind nun in der Geschichte der Be- steuerung des Brauereigewerbes zu unterscheiden; sie können mit denselben Namen bezeichnet werden, die bei Vervielfältigung der Auflagen auf diesen ergiebigen Nahrungszweig herkommlich wurden: Cise, Accise, Ungeld.
  Die Städte, woraus sich überhaupt das mittelbare Besteuerungswesen herschreibt, legten entweder für ihre Kämmerei, oder für die Schatzkammer der Fürsten, eine Abgabe auf jedes Gebräu, oder auf die Brauerei überhaupt, und erhöhten, oder ließen darnach die Bierpreise erhöhen. Hierin lag ein Keim zum Verfall des städtischen Brauwesens, weil die Brauereien auf dem platten Lande dieser Abgabe nicht unterlagen. Gleichzeitig mit dem Bier ward auch der Wein versteuert. In Cöln wird schon um 1270 eine Zyse vom Wein erwähnt,
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  der vom Zapfen verkauft wird 6); in Heidelberg mußte jeder, der Wein verkaufte, eine landesherrliche Kerbe entrichten; doch ward bei der Stiftung der Universität denjenigen Studenten, die Bursarii hießen, das Vorrecht bewilligt, von dem ihnen gelieferten Wein jährlich ein bis zwei Fuder steuerfrei zu verkaufen 7).
  Bei dem Fortgange zu dem zweiten von den entworfenen Zeiträumen, zu der, eben so der Sache als dem Worte nach verunstalteten Accise, ist zuvörderst von der Sache zu handeln, und der Unterschied derselben von der Cise anzugeben, woraus die Herleitung des Wortes von selbst folgen wird. Immer in Geldnoth, und außer Stande, einen andern Gegenstand der Besteuerung ausfindig zu machen, legten die fürstlichen und städtischen Wirthschafter neben der bisherigen unmittelbaren Steuer, der Bier-, Meth- und Wein-Cise, noch eine mittelbare auf diese Getränke, die in den einzelnen Fällen der Ausübung des Rechts der Bereitung und des Verkaufs gehoben wurde, von Einnehmern, die nun genug von der Schreibekunst verstanden, um Einnahme-Bücher zu führen. Da diese Abgabe ein Zusatz zu der alten Leistung der Cise war, so ward sie Ad-Cisia genannt, zusammengezogen accisia, dann verändert in accisa, wie von Tallia das Wort Attallia vorkommt. Als Beweis für diese Erklärung des Worts kann eine Stelle aus Gramage's Alterthümern von Antwerpen gelten (S. 91), welche so lautet: „illud, quod accedit supra pretium rei, accisam vocant.“ Du Cange glaubt, die Steuer habe diesen Namen von den ständischen Assisen oder Sitzungen in Frankreich erhalten, in denen sie sey beschlossen worden; die zufällige Ähnlichkeit beider Wörter hat ihn zu dieser Meinung verleitet.♦
  Eine Accise vom Bier, auch genannt Bierpfennig, Biergeld, kommt schon im 13. Jahrh. in Cöln vor 8), im 14. in Magdeburg 9); vom Meth in Ulm schon 1255 10); vom Wein in Aachen §11) und Speyer 12). Der Verdruß aller Einwohner über diese städtische Abgabe ist so alt, wie die Abgabe selbst; der allgemeine Unwille, gesteigert durch die lästige Hebungsart, nannte sie nur mala tolta, niederländisch mala toula, in England Evil toilt, ein Name, der sogar in der Magna charta vom J. 1215 gebraucht ist.
  In Deutschland äußerte sich auf diese Welse der Zorn über den Mißbrauch der Besteuerung der Getränke nur dann erst, als es dem Steuerwitz gelang, dieselben mit einer dritten Auflage zu belasten: und hiemit gehen wir über zu dem letzten unserer Zeiträume. Da die Bier- und Meth-Brauer, so wie die Weinschenker, nicht nur überhaupt die Gewerbsteuer der Cise, sondern in den einzelnen Fällen, z. B. von jedem Scheffel Malz, jedem Fuder Wein, die Accise bezahlen mußten: so stiegen be-
 
  • 6) s. Cronica van Cölln. fol. 269, verso.
  • 7) s. Ruperts, Pfalzgrafen am Rhein, Urkunde vom J. 1386, bei Tolner, cod. dipl. Palat. p. 126.
  • 8) s. Conrads, Erzbischofs von Cöln, Urkunden vom J. 1257 und 1262, bei Lünig Reichs-Archiv, T. XVI. S. 919. 924.
  • 9) s. Pomarii Chron. Magd. Leben Burchards.
  • 10) s. Urk. der Bürgerschaft von Ulm, bei (v. Wölkern) hist. Norimberg. diplom. p. 131.
  • 11) s. Nopp, Chron. Aquens. p. 19-20.
  • 12) s. Lehmann, Speyersche Chronik. S. 748.
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  greiflich in solchen Städten die Preise der Getränke, und der Gedanke lag nahe, sich solche von außen kommen zu lassen. Das entging nicht der Scharfsicht der öffentlichen sowol fürstl. als reichsstädtischen Wirthschafter. Fortan mußte also auch von den in die Stadt eingeführten Getränken eine Abgabe, und zwar am Thore, geleistet werden. Zum Unterschiede von dem Land- und dem Markt-Zoll, nannte die Regirung die neue Auflage Thor-Zoll; aber der Unmuth des großen Haufens machte einen andern Namen geltend, er nannte sie Unrecht, Ungeld. Irrig meint Joh. v. Müller in der Beurtheilung einer geschichtlichen Schrift über das Steuerwesen, das letztere Wort heiße eigentlich Umgeld. Es liegt aber derselbe Begriff zum Grunde, wie in den Wörtern: Unpflicht, Unlaß.♦
  Als Zoll wird die neue Abgabe ausdrücklich dargestellt, z. B. in einer Urkunde des Herzogs Stephan von Bayern 13) vom J. 1307: quod Ungeld dicitur, et de novo superadditum est, novum theloneum. So sagt auch Welser, in der Chronik von Augsburg bei dem Jahre 1373: „Zoll, so man Ungeld nennt," und Paul v. Stetten, in der Geschichte derselben berühmten Reichsstadt (S. 81. 84): „Ungeld oder Zoll unter dem Thor." Im Lateinischen ward die Abgabe Indebitum genannt, z. B. in Gassar's Augsburgischen Jahrbüchern: indebitum de vino, quod vulgo Ungeld dicitur 14).
  Die Fürsten und ihre Steuerräthe waren nicht wenig aufgebracht, daß sich überall das Gepräge behauptete, welches der neuen Leistung von dem Volk aufgedrückt war; sie verboten, den Ausdruck ferner zu gebrauchen, in dem Wahn, eine Sache, die sich so unter dem Volke verliert, werde damit abgeschafft seyn, daß ein Gesetz dagegen gegeben wird. Eine Urkunde des Herzogs Albert von Sachsen vom J. 1252 enthalt die bemerkenswerthe Stelle: exactio, quae, sicut prohibitum est, Ungeld dicitur apud vulgum 15).♦
  Doch haben nicht wenige teutsche Landesherren Urkunden ausgestellt, in welchen sie selbst jene Benennung gebrauchen. So bedient sich in einer solchen vom J. 1208 der Markgraf Albert von Brandenburg für diese Abgabe des Namens Unrecht 16), und der Herzog Stephan von Bayern nannte in der oben angeführten den neuen Thorzoll Ungeld; ja der Erzbischof Siegfried von Cöln ist so treuherzig, in einer Urkunde vom J. 1286 die Abgabe, die hier praethelonium genannt ist, mittelbar dadurch selbst als unrechtmäßig zu bezeichnen, daß er sie dem rechtmäßigen Zolle (justo theloneo) entgegensetzt 17). Von den vielen Städten, in welchen die Thor-Abgabe vom Bier, Meth und Wein seit dem 13. Jahrh. urkundlich erwähnt wird, sind die östreichischen, rheinischen und niederländischen die vorzüglichsten Beispiele. Das Drückende der Abgabe mußte den Unwillen der Einwohner reizen; in Augsburg betrug sie vom Wein den zehnten Theil des Werths, vom Bier und Meth sogar den siebenten. Wie in dieser Reichsstadt, so war in verschiedenen andern
 
  • 13) Monumenta Boica. T. XVII. p. 36.
  • 14) s. bei Mencken, scriptt. rer. Germ. T. I. p. 1464.
  • 15) s. bei Lambec. rer. Hamburg. l. III. p. 38.
  • 16) s. bei Lenz, Markgräflich- Brandenburgische Urkunden. S. 19.
  • 17) s. bei Dithmar. cod. dipl. ad Teschenmacher. annal. Cliv., Jul. etc. p. 4.
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  die gehässige Steuer eingeführt; ja es scheint, daß auf den Einfall, den Getränken am Thore aufzulauern, zuerst die Steuergesetzgeber in den reichen niederländischen Freistädten gekommen sind. Als von den Rathsherren zu Lüttich im J. 1283 eine Abgabe auf die eingehenden Lebensmittel gelegt wurde, und auch die Stifts- und Kloster-Geistlichen ihre hereingebrachren Vorräthe derselben unterwerfen sollten, wurden diese so entrüstet, daß sie sämmtlich die Stadt verließen und dieselbe in den Kirchenbann thaten 18).
 
II. Accise. II. Staatswirthschaftlich.
  1) Mit den europäischen Kriegen entwickelte sich das Accisewesen in seiner jetzigen Gestalt, und erhielt zuerst dort, wo der städtische Reichthum überwiegend ward, den weitesten Umfang: in den Niederlanden. Accise oder Verbrauchssteuern bilden jetzt den bedeutendsten Theil der mittelbaren Abgaben und begreifen alle öffentlichen Gefälle, welche von dem inneren Verbrauche der Waaren entrichtet werden. Sie sind den Zöllen am nächsten verwandt und von ihnen nur dadurch unterschieden, daß sie die Waaren bei ihrer letzten Bestimmung, die Zölle aber dieselben auf dem Wege dahin treffen.♦
  Die Accise trifft in der ausübenden Staatswirthschaft jede Waare, die verbraucht wird, von der geringsten Gartenfrucht bis zum feinsten Gewürz. Das erstere war namentlich in dem preuß. Städten der Fall, und ist als eine den Grundertrag bei seinem Eigenthümer treffende, also mit dem Wesen der Accise unverträgliche, und überdem nur an Plackereien ergiebige Abgabe aufgehoben. Alle Accise wollten die Physiokraten aufgehoben wissen; weil sie nur das auf einem kostbaren Umwege liefere, was der Landertrag allein liefern könne und müsse (s. Physiokratie).♦
  Die Unhaltbarkeit dieser Lehre ist allgemein anerkannt (s. Struensee's Abhandlung über wichtige Gegenstände der Staatswirthschaft); nicht so entschieden ist die Frage erledigt: ob die Accise das ganze Land treffen, oder sich auf die Städte beschränken solle. Für das Erstere wird angeführt: daß nach dem Gesetze der Gleichheit keine einseitige Steuer zulässig ist, daß der freie Verkehr beschränkt wird, und daß die städtischen Gewerbleute gegen die auf dem platten Lande, wenn hier keine Accise ist, benachtheiligt werden; ferner daß diese Steuer von den Unterthanen unmerkbar, oft nur in Bruchpfennigen entrichtet, und durch keine andere besser ersetzt wird; endlich, daß sie nur dann gut bewacht werden kann, wenn sie allgemein ist.♦
  Für das zweite wird gesagt: daß sich das Steuerwesen dem Einkommen der Volksstände so anfügen müsse, daß jegliches Vermögen gleichmäßig getroffen werde; dieses geschehe auf dem platten Lande vorzugsweise durch die Grundsteuer und in den Städten durch die Accise; auf jenem greife Erzeugung und Verbrauch so eng in einander, daß die Accise dort nicht blos den Verbrauch, sondern zugleich die Erzeugung treffe; daß die Entrichtung der Accise auch für die Landleute weit lästiger sey, als für die Städte, wegen ihrer Entfernung yon den Steuerämtern, wegen ihrer alle Hände beschäftigenden Feldarbeit in der Ernte u. s. w.; und daß die Erhebung der Accise dort häufig dem Staate
 
  • 18) s. Magnum chronicon Belgicum, ap. Pistor.cur. Struv. T. III. p. 294.
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  mehr koste, als sie einbringe. In so fern aber städtische Gewerbe: Brauereien, Branntweinbrennereien, auf dem Lande getrieben würden, falle der Grund der Befreiung von selbst weg. Nach der ersten Meinung sind die Steuerverfassungen von Frankreich und England eingerichtet, die zweite war die altteutsche Ordnung, der sich jene Länder noch durch ihre städtischen Aufschlage (Octrois) nähern. Wenn die Staatsbedürfnisse so gering sind, daß die ersten Lebensbedürfnisse der Verbrauchssteuer nicht unterliegen, so fällt die Hauptschwierigkeit bei ihrer Anlage von selbst weg, da die Kaufmannswaaren von den Städten aus vertrieben, also in denselben am schicklichsten versteuert werden; in einem solchen glücklichen Zustand ist aber in Europa nur die Schweiz; und selbst die amerikanischen Freistaaten haben darauf in dem letzten Kriege Verzicht leisten müssen.♦
  Die Erhebung der Accise geschieht entweder durch Annahme eines jährlichen Abfindungsbetrags (abonnement), nach einem Überschlage von dem reinen Steuertrag, der erfolgt seyn würde; oder die Erhebung geschieht durch Annahme jedes einzelnen Steuersatzes von öffentlichen Einnehmern. Die erste Erhebungsweise vermeidet. Plackereien, Unterschleife, Bestechungen, und läßt sich mit unbedingtem Vortheil anwenden, wenn die steuerbare Waare zunächst bei ihrem Verbraucher sich noch in Einer Hand angehäuft findet, z. B. der Wein in Ländern, die keinen Weinbau haben. Ist dieses nicht der Fall und die Waare in vielen Händen zerstreut, z. B. Schlachtvieh, so hat sich noch kein Mittel bewährt, um die Erhebung der Abfindungsbeträge gleichmäßig zu bestimmen und sicher zu stellen. Indeß ist diese Aufgabe Gegenstand wissenschaftlicher Forschung geblieben. (Sartorius Steuerverfassung des Königreichs Hannover; v. Cöln: keine Accise mehr?) Den Abfindungsbetrag für ganze Gemeinen festzusetzen, ändert das Wesen der Accise, verwandelt die mittelbare in eine unmittelbare Besteuerung, und enthält das Geständniß, daß man der Accise nicht bedürfe, in so fern die unmittelbare Besteuerung des Grundeigenthums, des Viehes, der Köpfe u. s. w., welche ihre Stelle dann vertritt, keine Schwierigkeiten macht.
  Die Erhebung jedes einzelnen Steuersatzes von öffentlichen Einnehmern erfodert♦
  1) die genaueste Bestimmung jener Steuersätze, welche bei Kaufmannswaaren sich nach Maß und Gewicht leicht ordnen lassen, nicht so bei Bier und Branntwein, die im Augenblick ihrer Verfertigung versteuert werden müssen, und nach einer künstlichen Berechnung ihres Ergebnisses aus dem Betrag des Malzes, aus dem Inhalte der Braupfanne und der Blase, so wie aus der Güte des Getränkes; bei Mahlen und Schlachten dagegen ist es, so wie bei Kaufmannswaaren, besonders die Aufsicht gegen Unterschleif, welche Schwierigkeit macht;♦
  2) erfodert diese Erhebungsweise der Landaccise so viele Einnehmer, als es Ortschaften gibt; und eine verhältnißmäßige Anzahl von Aufsehern. Dadurch wird sie sehr kostbar und nimmt im Durchschnitt ein Zehntel der ganzen Einnahme weg. Aus diesen beiden Erfodernissen ergibt sich, daß die Acciseverwaltung zu den verwickeltesten Staatsgetrieben gehört; und die Erfahrung, besonders in Frankreich, hat gelehrt, daß dieses Getriebe durch Verpachtung der Accise
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  keinesweges vereinfacht, sondern noch erschwert wird, weil die Staatsverwaltung nicht blos mit den Steuerpflichtigen und Steuererhebern, sondern überdem mit den Pächtern zu thun, und für Steueränderungen sich die Hände gebunden hat. Man verpachtet daher jetzt nur die Gegenstände, wovon sich der Staat den Alleinhandel beilegen kann, z. B. Tabak; aber auch solche Verpachtungen haben in volk- und geldreichen Ländern gegen sich, daß sie weniger einträglicher als die Accise, und eine unnöthige und schädliche Beschränkung der Gewerbfreiheit sind.
  Die Gesetzgebung, über das Accisewesen muß sich auf die Kenntniß von dem Geldbedarf des Staates, von dem Bevölkerungsstand und dem Waarenverbrauch gründen; und sie hat zwei ganz verschiedene Überschläge zu machen, 1) bei den entbehrlichen Waaren, in Hinsicht, daß die Gewerbsamkeit nicht gestört werde; 2) bei den unentbehrlichen Waaren, in Hinsicht, daß dem gemeinen Mann sein Lebensunterhalt nicht verkümmert werde. In ersterer Hinsicht bilden sich die Überschlage aus den Erfahrungen über die Waarenpreise, den steigenden und fallenden Absatz und Geldwerth, mit Beziehung auf den inneren Wohlstand und die äußeren Handelsverhältnisse. In der zweiten Hinsicht berechnet man das Durchschnitts-Einkommen vom Taglohn, die Durchschnitts-Ausgabe und das Verhältniß des Steuersatzes für den gemeinen Arbeiter zu beiden. Je geringer die Accise ist, desto ergiebiger ist sie verhältnißmäßig.
 
III. Accise. III. Politisch.
  Die Bedingungen einer vernünftig gewählten und angeordneten Steuer sind nach Adam Smith (s. Lüders Nationalindustrie Th. III. S. 510)
  1) daß jedes Staatsglied im Verhältnisse zu seinem Einkommen zu den Staatsabgaben beiträgt. (Gleichheit der Vertheilung),
  2) daß jeder in der Zeit und auf die Weise seinen Beitrag entrichtet, die ihm die angemessenste,
  3) daß kein Contribuent über Druck und Willkür zu klagen berechtigt ist; und endlich
  4) daß so wenig als möglich von dem, was das Volk gibt, auf dem Wege zur Staatskasse verloren geht.
  Den ersten beiden Bedingungen genügt ein gut eingerichtetes Accisesystem. Gleichmäßigkeit der Vertheilung ist die vortheilhafteste Seite desselben. Die Accise trifft die Consumtion unmittelbar; der Regel nach bestimmt das Einkommen den Betrag der letztern, mithin wird die erstere Foderung hier vollständiger erfüllt, als bei irgend einer andern Auflage. Die Zeit und Weise, wie der Betrag eingefodert wird, ist zweckmäßig, denn die Steuerzahlung wird von dem Fabrikanten und Kaufmann so vorgeschossen, daß der Consument und eigentliche Steuerpflichtige von der Steuererlegung häufig gar nichts weiß, und sie geschieht in so kleinen Beitragen, daß eine Zahlungsunfähigkeit nie eintreten kann. Weniger empfehlungswerth erscheint die Accise in dem Verhältnisse zu der dritten und vierten Foderung: jede Steuer berechtigt zu Klagen über Druck und Willkür, welche ein großes Officianten-Personal nothwendig macht, deren Erhebung häufig eine Einmischung in die häuslichen und bürgerlichen Verhältnisse.des Lebens, Gewerbes und der industriellen
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  Thätigkeit, fodert, und in der Ausübung zu einer Menge, die bürgerliche Freiheit beschränkenden, Formalitäten führt. So trifft denn die Accise besonders, was häufig den indirecten Abgaben zum allgemeinen Vorwurf gemacht wird, daß sie das Streben der Staatsbürger, den Auflagen zu entgehen, also den Kampf mit der Regirung aufregt, unablässig Zwangsgesetze, Verbote, inquisitorische Formen fodert, die Freiheit beengt, die Staatsbürger in rastloser Unruhe erhält und ihre heiligsten Gefühle empört. Derjenige Zug aber, durch welchen sich die Accise in ihrer jetzigen Organisation am unvereinbarsten mit dem ethischen Principe der National-Ökonomie ausspricht, ist ihr hoher Nachtheil für die Moralität. (Siehe von Soden's National-Ökonomie, Th. 4. S. 446).♦
  Was von der Accisesteuer in Hinsicht der gleichmäßigen Vertheilung und der Erhebungsart Empfehlendes gesagt ist, wirkt bei der letzten und vierten jener aufgestellten Bedingungen einer zweckmäßigen Auflage wieder nachtheilig, indem gerade dadurch ein sehr zusammengesetzter Erhebungsmechanism, ein großes Personale und bedeutende Administrationskosten nothwendig werden. So groß letztere erscheinen mögen, wenn sie in den Staatsrechnungen bis zu 10 oder 12 Procent der ganzen Erhebung steigen, so wird doch hiebei der Theil der Administrationskosten noch ganz außer Acht gelassen, welchen das Publicum zur Erhaltung der schlecht besoldeten zahlreichen subalternen Officianten hergeben muß, um sich auf leidliche Weise gegen Belästigungen zu sicherrn, oder die Schleichwege der immer beabsichtigten Steuerumgehung straflos betreten zu können, (s. Schmal; Staatswirthschaft S. 323).♦
  Da indeß die Finanzadministrationen nur die in ihre Kasse fließende Summe, nicht den Verlust des Gesamteigenthums der Staatsbewohner in Anschlag zu bringen pflegen, so haben sie es sich und dem Accisesystem zum großen Verdienst anzurechnen versucht, daß durch diese Besteuerung der zur inländischen Consumtion eingehenden Fabrikwaaren aller Art , der inländische Gewerbsfleiß geweckt und der Flor inländischer Fabriken befördert würde. Diese Art der Vertheidigung enthält aber die härteste Anklage, denn sie sagt klar: daß man durch die Accise die einländischen Fabrikanten monopolisirt und die Staatseinwohner noch dazu für ein Monopol bezahlen läßt.♦
  Manche Accisegesetzgebungen sind mit ihrer Wirksamkeit nicht dabei stehen geblieben, im Verfolg des Monopolsystems, die Einbringung gewisser Fabrikwaaren und Lebensbedürfnisse mit einer unerhört hohen, zu dem Preise des Gegenstandes in gar keinem Verhältnisse stehenden Steuer zu belegen. Diese Maßregel wurde theils erweitert bis zu entschiedenem Verbot der Einfuhr, theils untersagte der Staat den ganzen Handel mit einzelnen Waarengattungen, und behielt sich denselben zu eigener Benutzung des Monopols vor, um, wie es immer zu gehen pflegt, wenn die Regirung in die Kategorie der Kaufleute und Fabrikanten tritt, der Nation den Bedarf desto theurer und schlechter verkaufen zu können. Aus jener Maßregel entstand der Begriff der Contrebande; die mit der Wahrnehmung der Verkaufsmonopole beauftragten Administrationen hingegen wurden Regie genannt, (daher Tabaks- Kaffe- Salz-Regie u. s. w.)
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  Mit dem ganzen Mechanism des Finanzwesens hatte die Accise ihre erste Ausbildung in Frankreich und dann in Holland erhalten; dort erweckte die Erfindung der stehenden Heere, hier die dadurch nothwendig gewordene Bezahlung der Miethtruppen, den großen Aufwand der Staatskassen, welchem zu Folge man auf neue Mittel sinnen mußte, um die immer steigenden Ausgaben zu decken. Noch bis in den letztern Zeiten, wo die Erweiterung der staatswirthschaftlichen Routine allgemeine Staatskassen einführte, blieb in den meisten Ländern der Ertrag der Accise besondern, zur Bezahlung der Kriegsleute, errichteten Kassen vorbehalten.♦
  Im Laufe des 18. Jahrh. ward das System der stehenden Heere und seiner Erhaltungsquelle, die Accise, in keinem Staate mit größerer Thätigkeit ausgebildet, als im Preußischen. Wie hier die Zahl der Regimenter in dem Verhältnisse zu der Größe der Monarchie unter Friedrich dem lI. auf eine beispiellose Weise wuchs, so vervielfältigten sich die Titel des Accisewesens, dem sein Nachfolger Friedrich Wilhelm der II. gleich bei seinem Regirungsantritt (1787) durch Aufhebung der Regie eine besondere Aufmerksamkeit bewies. Schon Guibert bemerkt, daß Friedrich der II. die untrüglichsten Aufschlüsse über Staatswirthschaft nicht benutzt habe, und in diesem Puncte hinter seinem Jahrhundert zurück geblieben sey.
  Wirft man mit historischer Umsicht einen Blick auf Europas Staaten, und auf die Motive, welche deren Besteuerung- und Accisesystem erzeugten: so wird man finden, daß den Finanzadministrationen nur ein geringer Theil der bei diesen Auflagen gerügten Mängel beizumessen ist; die eiserne Nothwendigkeit entschuldigt viele Mißgriffe, da Europas Regirungen unter der drückenden Last eines alle pecuniären Hilfsquellen erschöpfenden Militairsystems und dadurch entstandene Schulden und Pensionslast, erliegen. Jedoch da die Völker laut aussprechen und die Regirungen deutlich erkennen, wie eine dem Zeitgeist und den großen gemachten Erfahrungen zusagende Organisation des gesammten Steuerwesens nothwendig und für die Erhaltung der Staaten unerläßliche Bedingung geworden: so ist nun auch endlich der Zeitpunct gekommen, wo man aus den vielfach von Statistikern und Calculatoren aufgehäuften Rechnungen die Resultate ziehen, und auch in Ansehung der Accise benutzen sollte.
  Als Haupterfodernisse jedes vernünftigen Accisewesens kann man angeben:
  1) bei den entbehrlichen Waaren, daß durch die Besteuerung die Gewerbsthätigkeit nicht gestört werde;
  2) bei den unentbehrlichen Waaren, daß der größten Volksclasse, den Dürftigen, der Lebensunterhalt nicht verkümmert werde. In erster Hinsicht sind zu beobachten; die Waarenpreise, der steigende und fallende Absatz und der Geldwerth, mit Beziehung auf den innern Wohlstand und die äußern Handelsverhältnisse. In der zweiten Hinsicht gibt das Durchschnittseinkommen des Tagelohns, die Durchschnittsausgabe zur Anschaffung der ersten Lebensbedürfnisse und das Verhältniß des Steuersatzes für den gemeinen Mann, zu beiden, die Norm. - Alle Erfahrun-
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  gen bestätigen, daß die Accise um so ergiebiger ist, je geringer die Steuersätze sind.
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Stand: 30. Oktober 2017 © Hans-Walter Pries