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Allgemeine Encyclopädie HIS-Data
5139-1-1-379-9-3
Erste Section > Erster Theil > Adel
Werk Bearb. ⇧ 1. Th.
Artikel: ADEL: II. (rechtlich)
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⇧ S. 388 Sp. 2    
  Adel II. (rechtlich). In bürgerlicher Beziehung ist der Adel die Eigenschaft, vermöge welcher blos wegen seines Standes ein Staatsbürger gesetzlich gegründete Vorrechte vor andern Staatsbürgern genießt; er wird Erb- oder Geburtsadel dann genannt, wenn der adeligen Person das Recht, die Standeseigenschaft mit allen Vorrechten auf die Nachkommen zu vererben, zusteht, was jedoch nicht nothwendig zum Adel gehört, da sonst der in einigen neueren Staaten gebildete Adel gar nicht diesen Namen verdiente. ♦
  Adel als Stand betrachtet, hat A) auf das öffentliche Recht in so fern eine Beziehung, als er 1) in der Monarchie als der höchste bevorzugte Stand erscheint, den Glanz der Fürstenwürde erhöht, und im unmittelbaren Verhältnisse zum Regenten steht; als er 2) häufig in eine eigene Kaste sich bildet, welche zwischen Regenten und Volk sich stellt, und mit allen Nachtheilen, welche entarteter Kastengeist nach sich zieht, den gefährlichsten Aristokratismus herbei führt; 3) in so fern seine Vorrechte dem Adel Macht geben, und Einfluß sichern, welcher, wenn er auch nicht gesetzlich ausgesprochen ist, durch die That, durch besondern Vorbehalt von Hof- oder Militärstellen für Adelige, und so durch Zurücksetzung aller Nichtadeligen sich bewährt. 4) Wichtig sind hier auch gewisse einträgliche Vorrechte des Adels, z. B. Steuerfreiheit, oder doch leichtere Behandlung des Adels, wodurch die Lasten auf die übrigen Nichtadeligen zum großen Nachtheile derselben gewälzt werden. 5) Vorzügliche Beziehung haben jene Vorrechte, welche dem Adel einen gesetzlichen Einfluß auf die Staatsverwaltung sichern. Dahin ist vorzüglich die Landtagsfähigkeit des Adels zu rechnen, ein Recht, welches in manchen Ländern persönliches, in andern Real- Vorrecht ist 1). Eine besondere staatsrechtliche Beziehung hatte,
 
  • 1) S. Art. Landstände, Rehberg über den teutschen Adel Kap. III. Weber über Rittergüter §. 24. 41.
S. 389 Sp. 1 ADEL
  so lange der teutsche Reichsverband nicht aufgelöst war, ein Theil des Adels, der unmittelbare Reichsadel, welcher als mitconstituirender Stand des teutschen Reichs erschien, und selbst Herrscherrechte genoß 2). Durch Auflösung des teutschen Reichs bildete sich aus den zuerst regirenden, durch die Bundesacte aber einem Souverain unterworfenen Fürsten und Grafen die Classe der Standesherren (s. Standesherr, Reichsritterschaft). - Eine neue, frühere Rechte wieder herstellende Verfassung erwartet der unmittelbare Reichsadel von dem teutschen Bunde 3). -♦
  B) In privatrechtlicher Hinsicht erscheint der Adelsstand 1) als ein Grund von Vorrechten, welche den Adeligen als solchen in Bezug auf Privatrechte zustehen; 2) er erzeugt neue, nur dem Adel angehörige, Rechtsverhältnisse, und bringt 3) durch den Wunsch, die Familie glänzend und blühend zu erhalten, Veränderungen in den übrigen Rechtsverhältnissen hervor. Wichtigen Einfluß auf die Bildung der Adelsverhältnisse haben in den letzten Jahrzehnten besonders zwei Ereignisse geäußert: I) die Auflösung des teutschen Reichs, II) die französische Revolution.
  I) So lange das teutsche Reich bestand, war der Adel auch in einer besondern Beziehung zum Kaiser und Reich, während nach Auflösung des Reiches der Adel eine provinzielle Beschränktheit erhalten hat, immer nur in einem einzelnen Staat und in Bezug auf diesen betrachtet werden muß. Die Verleihung des Adels ist Recht eines jeden Souverains, wird auf einer Seite dadurch ein Act der Willkür, und so oft von nicht achtungswürdigen Verdiensten um den Fürsten allein abhängig, während auf der andern Seite nach besonderen Verfassungen 4) die Verleihung an Bedingungen z. B. Verdienste, und hinlängliches schuldenfreies Vermögen geknüpft wird. Bei der Eintheilung des Adels ist die ältere Ansicht, nach welcher alle Fürsten, Grafen und Dynasten, welche Land und Leute regiren, und Sitz und Stimme auf Reichstagen haben, zum hohen Adel gehören, nicht mehr brauchbar, da die jetzt noch als Souveraine regirenden Fürsten nicht einem gewissen Stande der Staatsbürger, und daher auch nicht dem Adel angehören können.
  II) Eine bedeutende Umgestaltung litt der Adel durch die französische Revolution. Indem man sich gewöhnte, Geistlichkeit und Adel als die Stände anzuklagen, welche die Gräuel der Revolution veranlaßten, versuchte man auch den Adel als ein die rechtliche Gleichheit der Staatsbürger störendes Verhältniß darzustellen, und drang auf Abschaffung oder Beschränkung der Adelsvorrechte; darauf beziehen sich die von 1790 bis jetzt für oder gegen den Adel erschienenen Schriften 5). Man vergaß bei diesem Hasse gegen den Adel, daß die Geschichte aller Völker Beispiele der Ungleichheit der Stände aufzeigt, daß erst durch Ungleichheiten eine wohlthätige Wechselwirkung und
 
  • 2) Pütter histor. Entw. der Staatsverf. des teutsch. Reichs. I. Theil S. 268. Gönner Staatsrecht. §. 58.
  • 3) s. seine Foderungen in der Schrift: Ansicht über die künftigen staatsrechtl. Verhältnisse des unmittelbaren Reichsadels in Teutschland. 1814.
  • 4) s. baierisches Edict über die Verhältnisse des Adels von 1808.
  • 5) s. Ersch Literatur der Jurisprudenz und Politik No. 1047-1056 und (v. Gagern) Resultate der Sittengeschichte. II. Theil. Die Fürnehmen, oder Aristokratie. Wien. 1812.
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  Reibung entstehe, daß jeder Adel auf Verdienste seiner Idee nach zurückweise (insignem nobilitatem aut patrum merita principis dignationem etiam adolescentulis assignant — Tacitus, fast wörtlich nach Aristoteles: der Adel soll nichts anders seyn, als die in einer Familie durch mehrere Geschlechter fortgeerbte Tugend, mit eben so erblichem Reichthum verbunden); daß Erbreichthum, den nur ein müßiger Pöbel zerstören könnte, doch wol nicht schlimmer sey, als Erbrang, und daß das, was man als Gleichheit aller Stände verlangt, wol nichts anderes werde, als Gleichheit der Sklaverei. —- ♦
  Die einmal gereizte Stimmung gegen den Adel bewirkte wenigstens, daß in den teutschen Staaten manche Veränderungen vorgingen; die alten Adelsvorrechte, deren Genuß Ungerechtigkeit gegen die übrigen Stände war, z. B. Steuerfreiheit, wurden dem Adel entzogen, oder doch sehr beschränkt; vorzüglich suchten neuere Gesetze die ältere Gebundenheit der Güter durch Familienfideicommisse aus staatswirthschaftlichen Gründen aufzuheben, sogleich man wieder, angeblich um den Glanz des Adels durch Reichthum zu erheben, nach dem Muster des französischen Adelsinstituts 6) sogenannte Majorate einführte (s. Art. Majorat). In einigen Ländern brachte man auch mit den neugestifteten militärischen und Civilorden die Einrichtung in Verbindung 7), daß die mit solchen Orden decorirten Personen zur Führung eines adeligen Prädicats und Wappens für ihre Person und zur Fortvererbung des adeligen Titels berechtigt seyen, und zwar so, daß der adelige Titel nur auf einen ehelichen oder adoptirten Sohn vererbt werden darf, wenn ein zur anständigen Führung des Adels genügendes eigenes Vermögen nachgewiesen werden kann. Dieser neue Adel (Verdienstadel genannt) ist treflich in den Göttinger Anzeigen 1814. St. 6. gewürdigt. — ♦
  Noch verlor der alte Adel, welcher durch das Verbot der Mißheirathen sich bisher rein erhalten und von allen übrigen Ständen abgesondert hatte, durch die von ungünstigen Umständen herbeigeführte Sitte der ehelichen Verbindung mit Nichtadeligen, so wie durch die Armuth, in welche der Adel verfiel, indem der Aufwand nicht mehr im Verhältnisse stand mit den Einkünften, wo Kriege, neue Besteuerung, Aufhebung der Fideicommisse, und der alten adeligen Stifter die Lasten vermehrten, Einkünfte raubten, und die oft große Schuldenlast zur öffentlichen Kentniß brachten, dem Adel häufig seinen Glanz und seine Achtung raubte. Unter solchen Umständen wurde das ältere Adelsverhältniß bedeutend verändert, der rechtliche Zustand desselben in den verschiedenen Ländern, ist nicht gleichförmig; er hängt ab von dem Einflusse, welchen die französische Herrschaft unmittelbar oder mittelbar auf teutsche Staaten geäußert hat, von Parteien, welche auf die Gesetzgebung einwirken können, und. selbst von den finanziellen Verhältnissen des Adels 8).
 
  • 6) s. Statuten vom 1. März 1808; europ. Annalen 1808. Stück 5. No. 4. A. Keil Statuten und Verordnungen über den Adel in Frankreich, und die Majoratsgüter. Cöln 1810. —
  • 7) s. baier. Edict vom 22. Dec. 1812. Regirungsblatt 1813. K. Hanöv. Verord. vom 29. Dec. 1845. 12. August 1816. —
  • 8) Über den Zustand des Adels vor der Auflösung des teutschen Reichs s. die bekannten Schriften von Struben, Riccius, Scheidt, auch bei Runde Grunds. des gem. teutsch. Privatrechts.{1} §. 337—422. v. Schlieffens Nachrichten von einigen Häusern des Geschlechts der von Schlieffen. Cassel 1784. H W. Lawätz Bibliographie interessanter und gemeinnütz. Kenntnisse. Halle 1793 I Theil. 1 Bd. S. 131. unter dem Worte: Adel. Allgemeines Adelsarchiv der östreich. Monarchie. Wien 1789. Schraders Lehrbuch der Holstein. Rechte. II. Bd. S. 131. v. Kampz Jahrbücher für die preußische Gesetzgebung. II. Bd. S. 320. Curtius Handbuch des in Chursachsen geltenden Civilrechts. I. Bd. S. 221. Preuß. Landrecht. II. Thl. Titel IX. Über neuere Verhältnisse des Adels s. C. Fr. Suntinger Untersuchungen über die Verhältnisse des privilegirten Erbadels zu den Staatsinteressen in dem Staatengebilde Europa’s. Wien 1812. Baier. Edicte über die Verhältnisse des Adels von 1808 u. f. Badische Grundverfassung der verschiedenen Stände vom 4. Juni 1808, besonders No. 21 und 22. Würtemberg. Adelsstatut als Entwurf - Beilage II. zum Entwurfe der Verfassung für das Königr. Würtemberg vom Könige der Ständeversammlung mitgetheilt.
{1} Anm. 8 ergänzt von S. 390
S. 390 Sp. 1 ADEL
  Über die besondern Rechtsverhältnisse des Adels bemerken wir{1} folgendes:
  I. Bei den Eintheilungen des Adels mag 1) an der Stelle der ältern nicht anwendbaren Eintheilung in hohen und niederen Adel besser jetzt von Rangclassen des Adels gesprochen werden; in die erste Classe gehören dann die mediatisirten Fürsten und Grafen; andere Classen werden von den entweder mit dem Titel: Grafen, Freiherren, Ritter, Edle von, ausgezeichneten Adeligen gebildet. 2) Dagegen kann die Eintheilung in alten und neuen Adel nicht entbehrt werden, wobei alter Adel derjenige ist, welcher auf eine gewisse Reihe adeliger Vorfahren sich stützt, deren Zahl zu bestimmten Vorrechten qualifizirt. 3) Auch dje Eintheilung in Ur- oder Geburts- und Briefadel kann beibehalten werden, letzterer ist der von einem Landesherrn einem Nichtadeligen durch einen Gnadenbrief verliehene Adel (s. Art. Briefadel.)
  II. Die Vererbung bei dem teutschen Geschlechtsadel war und ist meistens unbeschränkt, im Gegensatze des engländischen Adels 9), erlaubt auf alle Nachkommen, welche durch Männer, durch Ehe zur rechten Hand, von Adeligen abstammen; wobei aber in mehreren teutschen Staaten durch Legitimation und Adoption nicht nachgeholfen werden kann 10), obgleich einige Staaten die Transmission durch Adoption, doch mit landesherrlicher Genehmigung 11), andere unbedingt 12) zulassen, während bei dem neuen Verdienstadel die Transmission beschränkt ist, gar nicht auf Töchter, und auch nur auf einen vom adeligen besonders zu benennenden Sohn geht.
  III. Persönliche, dem Adel überhaupt ohne Rücksicht auf alten oder neuen Adel zustehende Vorrechte sind 1) das Recht auf besondere Auszeichnungen durch Titel, z. B. Hochwohlgeboren, und andere gewöhnlich durch Hofordnungen bestimmte Auszeichnungen 13). 2) das Recht, besondere adelige Wappen zu führen (s. Art. Wappen). 3) Anspruch auf die mit dem Kirchenpatronate verbundenen Ehrenrechte, Kirchengebet etc. 14). 4) Vorzugsweiser Anspruch auf Pfründen, zu deren Erwerbung nicht besonders alter Adel gehört. 5) Freiheit
 
  • 9) s. Schmalz Staatsverfassung von Großbrittanien. S. 30-42.
  • 10) Runde teutsches Privatrecht S. 369. 370.
  • 11) Preuß. Landrecht, II. Thl. Tit. II. §. 684.
  • 12) Baier. Adelsedict Kap. II. §. 6.
  • 13) Römer Staatsrecht i. Sachsen. Thl. III. S. 138.
  • 14) Preuß. Landrecht. II. Thl. Tit. IX. §. 43.
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  von kleinern Abgaben, z. B. Accise. 6) Befreiungen von mehreren die übrigen Bürger bindenden Anordnungen, z. B. das Recht, bei Verheirathungen das Aufgebot zu unterlassen, Recht der Haustrauung, der Haustaufe etc. 15).
  IV. Zu den Vorrechten des alten Adels gehört 1) Stiftsfähigkeit als das Recht, in gewisse Domcapitel und andere Stifter aufgenommen zu werden, wenn nach den Statuten des Stifts der Candidat eine gewisse Anzahl von Ahnen haben muß (s. Ahnenprobe und Domstifter). 2) Vorrecht der Aufnahme in gewisse Orden, deren Statute altadelige Glieder fodern 16) (s. Orden}. 3) Vorrecht, besondere, meistens Hofämter, zu erlangen, deren Besitzer gewisse Ahnenzahl haben müssen, z. B. Kammerherrenstellen.
  V. Noch besitzt der Adel andere wichtige dingliche Rechte, welche mit dem Besitz eines adeligen oder Ritterguts verbunden sind. Bei dieser Bestimmung des Begriffs eines adeligen Guts entscheidet nicht die Qualität des Besitzers, auch nicht die Ausübung einzelner gewöhnlich mit dem Besitze von Rittergütern verbundener Rechte; als adeliges Gut gilt vielmehr in den meisten teutschen Staaten nur dasjenige, welches ursprünglich einer Person von Adel verliehen worden ist, und in den Adelskatastern oder Matrikeln als adeliges Gut eingetragen ist 17), daher auch sehr oft ein gewisses Normaljahr am besten entscheidet (s. Art. Rittergut). ♦
  Vorrechte dieser adeligen Güter waren: 1) einst die Steuerfreiheit des Besitzers, daraus erklärbar, weil die Steuerpflicht auf dem Grundunterthanennexus ruhte, die Adeligen ohnehin im Feld als Ritter dienten, und später als die einflußreichsten Landstände bei der Steuerverwilligung für sich sorgten. Dies Vorrecht ist zwar, weil es die Last auf die übrigen Unterthanen wälzt, in den meisten teutschen Staaten durch neuere Constitutionen beschrankt 18), und zwar so, daß die Rittergutsbesitzer gewöhnlich eigene, auch besonders benannte Steuern, z. B. Ritterpferdgeld, Dominikalsteuern etc. bezahlen (s. Art. Steuern und Steuerfreiheit). ♦
  2) Häufig erhielten die Rittergutsbesitzer auch besondere Befreiung von Einquartierung, weil die Adeligen ohnehin in älteren Zeiten als Ritter Kriegsdienste thaten, und in dieser Hinsicht ihre Wohnung Kriegslasten genug trug. Die Bildung stehender Heere veränderte schon Manches in diesem Vorrecht, obwol meistens noch die Adeligen die Bestätigung des Privilegiums zu erhalten wußten 19). Erst in neuerer Zeit wurde aus Gründen, welche die Beschränkung der Steuerfreiheit herbeiführten, dies Vorrecht theils ganz aufgehoben, theils sehr eingeschränkt, um so mehr als die Kriege auf eine drückende Weise sich vermehrten, und eine neue Ansicht von der Einquartierung, als einer allgemeinen Kriegslast, keine Befreiungen Einzelner rechtfertigte (s. Art. Einquartierung). ♦
  3) Andere, gewöhnlich in neuern Zeiten aus oben angeführten Gründen sehr beschränkte,
 
  • 15) Curtius sächsisch. Civilrecht. I. Thl. 224-27. -
  • 16) Fr. Gottschalk Almanach der Ritterorden mit Abbildungen. Leipz. 1817.
  • 17) Stengel und Eisenberg Beitr. Zur Kenntniß und Justizverfass. in den preuß. Staaten. VIII. Bd. S. 35.
  • 18) Baier. Constitution. Tit. I. §. 5.
  • 19) s. Hagemanns Landwirthschaftsrecht. S. 326. Curtius sächsisch. Civilrecht. I. Bd. S. 237.
S. 391 Sp. 1 ADEL
  Vorrechte enthalten Befreiungen von kleineren, die übrigen Unterthanen treffenden Lasten, z. B. Landfolgen, Lieferungen in Magazine, Kriegsfuhren u. s. w. ♦
  4) Dagegen gewährt der Besitz des Ritterguts noch in einigen Ländern vorzugsweisen Anspruch auf gewisse adelige Stellen, z. B. der Kreishauptleute 20). ♦
  5) Das dem Besitzer solcher Güter zugesicherte Recht der Landtagsfähigkeit oder das vorzugsweise Stimmrecht gehört in das öffentliche Recht (s. Art. Landstände). ♦
  6) Meistens haben die Adeligen in den teutschen Staaten gewisse Realgerechtigkeiten mit dem Besitze von Rittergütern zu erwerben gewußt, als die Forst- Jagd- Braugerechtigkeit etc.; diese sind aber nicht sowol als wesentliche mit dem Besitz eines jeden Ritterguts verbundene Vorrechte, sondern vielmehr als zufällig von Adeligen erworbene, und auf ihre Güter übertragene Gerechtigkeiten zu betrachten. Zugleich ist bei allen Vorrechten der Rittergüter immer auf ihre besondere Rechte verändernde Eigenschaft der Amts- und Schriftsässigkeit Rücksicht zu. nehmen (s. Art. Amts- u. Schriftsässigkeit).
  VI. Mehrere dem Adel eigenthümliche Rechtsverhältnisse erklären sich aus dem durch Gesetze selbst begünstigten Streben, 1) den Adel als Stand abgeschlossen und rein zu erhalten; 2) jeder adeligen Familie durch Verhinderung, daß das Vermögen nicht der Familie entzogen werde, ihren Glanz und ihre Blüthe zu sichern.
  A) Aus diesen Rücksichten erklären sich die in mehrern Staaten gesetzlich verliehenen Privilegien, nach welchen die als adelige anerkannten Güter gar nicht an bürgerliche Personen kommen konnten; diese Bestimmung ist in einigen Staaten ganz aufgehoben, in anderen früher dahin verändert worden, daß nur Bauern, wenn sie nicht eine andere Lebensart wählen, vom Besitz ausgeschlossen sind, z. B. in Sachsen 21); nach anderen Landesgesetzen aber, z. B. den preußischen 22), kann nur durch besondere Erlaubniß des Landesherrn das adelige Gut an Bürgerliche kommen.
  B) Auf ähnliche Art hatte besonders der landsässige Adel, z. B. in Altenburg, Baiern etc. das Einstandsrecht erworben, so daß der Adel dies Recht in Ansehung der im Lande liegenden adeligen Güter im Fall ihrer Veräußerung ausüben konnte 23) (s. Art. Einstandsrecht). Auch dies Recht ist in neuerer Zeit dem Adel, z. B. in Baiern, durch die Aufhebung der Edelmannsfreiheit vom 20. April 1808 entzogen worden.
  C) So hatte auch der Adel überall das in Baden 24) mit dem Namen: Stammgutsrecht belegte Recht, seine Verlassenschaft zum Vortheile der Nachkommenschaft und zum Glanze der Familie mit Untheilbarkeit und Unveräußerlichkeit zu belegen, woraus sogenannte Familienfideicommisse entstanden (s. Art. Familienfideicommiß), an deren Stelle, wie bereits bemerkt ist, hin und wieder Majorate getreten sind (s. Art. Majorat).
 
  • 20) Curtius sächsisches Civilrecht. I. Band. S. 243. -
  • 21) Ebendas. I. Bd. S. 229.
  • 22) Preußisches Landrecht. II. Thl. Tit. IX. §. 51 etc.
  • 23) Walch das Näherrecht. S. 451-456.
  • 24) Grundverfassung der verschiedenen Stände vom 4ten Juni 1808.
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  D) Dies oben bezeichnete Streben wirkte auch auf die Erbfolge, bei welcher besonders der Zerstückelung und Trennung der Güter vorgebeugt werden mußte, daher auch der Adel eigene die Theilbarkeit vermeidende Erbfolgeordnungen, als Seniorat, Majorat, Primogenitur, Minorat (s. diese Artikel), einführte, und
  E) durch besondere Anordnungen zu vermeiden suchte, daß durch weibliche Erben das Vermögen nicht der Familie, und den den Glanz und Namen derselben erhaltenden männlichen Nachkommen entzogen würde, daher der Adel früh darauf bedacht war, das weibliche Geschlecht zurück zu setzen, und durch die entweder bei jeder Familie ausdrücklich auszustellende, oder gesetzlich präsumirte Verzichte der adeligen Töchter die Erbfähigkeit derselben zu beschränken (s. Art. Fräuleinverzichte), mit welcher Anordnung im Falle des Aussterbens des Mannsstamms die viel bestrittene Lehre von der Regredienterbschaft in Verbindung steht (s. Art. Regredienterbschaft).
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Stand: 28. Oktober 2017 © Hans-Walter Pries