HIS-Data
Allgemeine Encyclopädie HIS-Data
5139-1-14-236-1
Erste Section > Vierzehnter Theil
Werk Bearb. ⇧ 14. Th.
Artikel: BUCHHANDEL (historisch)
Textvorlage: Göttinger Digitalisierungszentrum S. 242 : 236
Siehe auch: HIS-Data Buc
Hinweise: Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Bearbeitung
⇦ Buchdruckerkunst (ihre Geschichte)
BÜRSTENMACHER ⇨

   
Forts. S. 236 Sp. 1 BUCHHANDEL (historisch). Schon die frühesten Anfänge dieses Geschäfts bei den Griechen und Römern, über welche nur einzele und unzusammenhängende Nachrichten vorhanden sind, zeugen von einer ziemlich vollständigen mercantilischen Ausbildung. Bei den Römern, wo es meist Freigelaßne waren, welche sich mit demselben befaßten, finden sich Spuren eines eigenthümlichen Verlags (so scheint Tryphon die Xenia und Apophoreta des Martialis, und Quinctus Pollius Valerianus dessen Jugendgedichte gehabt zu haben, vgl. Martial. I, 114. und XIII., 3.), Beweise von Honorarzahlungen und Beispiele von gleichzeitiger Besorgung verschiedener Ausgaben.♦  
  Nach Lessings scharfsinniger Erklärung (Werke I, 240 ff.) erhellt nämlich aus einem Epigramme des Martialis (I, 3.), daß es von diesem Schriftsteller zwei Ausgaben gab: eine kleine tragbare in Taschenformat, welche bei dem Freigelassenen des Julius Lucensis verkauft wurde, und eine größere für Bibliotheken bestimmte, zu deren Aufbewahrung Schränke gehörten und die bei Atrectus zu ha-  
S. 236 Sp. 2 BUCHHANDEL  
  ben war. Den Bedarf an Exemplaren lieferten Abschreiber, welche im Solde dieser Buchhändler standen und für ihre Rechnung arbeiteten. Auch in den Kolonien, namentlich zu Lyon (Plinii epist. II, 1.), vorzüglich aber zu Alexandrien, wurde dieser Handel lebhaft betrieben.  
  Im höhern Mittelalter nahm er durch die Entstehung der Klöster und durch die Thätigkeit der Mönche für die Vervielfältigung des Lesebedarfs eine etwas andere Richtung. Da sich die Sammellust meist auf die Klöster beschränkte und diese ihren Bedarf sich selbst verschafften, so war wenig Gelegenheit vorhanden, auf den Kauf zu arbeiten, und das wenige, was in dieser Art geschah, ging wol blos von den Klöstern aus. Erst etwa seit dem 12. Jahrhunderte erwachte, zunächst in Paris, durch das Bedürfniß der Studirenden angeregt, das frühere Geschäft wieder, und es traten daselbst unter dem Namen Stationarii wieder besondere Händler mit Büchern auf. Im 15. Jahrhundert erscheinen ebendergleichen Händler auch in Italien wieder (Ebert zur Handschriftenkunde I, 106 ff.), und das Geschäft erhielt, seitdem sich die Lese- und Samlerlust mehrte, einen weitern Umfang.  
  Die rechte Begründung aber fand es in der Buchdruckerkunst. Die leichten Mittel der Vervielfältigung, welche die letztere darbot, machten die Bücher recht eigentlich zur Ware und zum Gegenstande eines höhern, vielverzweigten Geschäfts. Anfangs besorgten die Buchdrucker den Vertrieb ihrer Erzeugnisse selbst, wie noch vorhandne Verlagskataloge von Bämler (Allg. liter. Anzeiger 1798. S. 1889.) und Mentelin (Dibdin aedes Althorp. II, 131. tour III, 295.) beweisen.♦  
  Gegen Ende des 15. Jahrhunderts aber standen, zuerst in Italien, besondre Buchhändler auf, welche für ihre Rechnung (ad suam instantiam, a sua instanza) drucken ließen, wie anfangs Lucantonio Giunta zu Venedig, und seit 1508 Johann Rinman zu Augspurg, der sich zuerst den Titel eines Buchführers beilegte. Neben ihnen trieben auch die Buchdrucker noch geraume Zeit lang ein zum Theil sehr ausgebreitetes Handelsgeschäft fort, wie das Beispiel der Manucci zu Venedig, der Etienne's zu Paris und Koburger's zu Nürnberg beweist. Besonders großen Einfluß erhielten in dieser Beziehung die ebengenannten Manucci. Zwar hatten schon Faust und Schöffer Paris besucht (daß letzterer bereits 1485 die frankfurter Messe bezogen habe, ist zur Zeit noch nicht hinreichend bewiesen); aber der Welthandel, den Venedig trieb, hob und unterstützte auch diesen literarischen Warenverkehr. Aldus machte bis in das innerste Teutschland direkte Geschäfte: der nürnberger Drucker und Händler, Koburger, hielt ein reiches Sortimentslager und hatte eine Commandite in Lyon.♦  
  Im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts erscheinen in dieser Hinsicht vorzüglich die italiänischen und französischen Händler thätig. Die frankfurter und (seit der Mitte des Jahrhunderts) auch die leipziger Messen wurden von ihnen besucht, sie hatten Niederlagen in Frankfurt, und Pietro Valgrisi aus Venedig errichtete 1560 auch zu Leipzig eine Filialhandlung. So entstanden besondere Büchermessen und Büchermeßkataloge. Gegen Ende des Jahrhunderts nahm die Thätigkeit der Italiäner wieder ab, dagegen traten die betriebsamen Niederländer und Holländer in die Schranken und übten eine Thätigkeit,  
S. 237 Sp. 1 BUCHHANDEL  
  welche sich über ein Jahrhundert erhielt. Den meisten Einfluß scheint in dieser Hinsicht Plantin in Antwerpen gehabt zu haben, welcher bereits die Messen zu Frankfurt bezog und seine Geschäfte bis nach Spanien ausdehnte.♦
  Im 17. Jahrhundert herrschte die Thätigkeit der holländischen Buchdrucker und Buchhändler vor. Die Elzeviers, Blaeu's und Jansson's bemächtigten sich des Büchermarkts, selbst bis in die scandinavischen Reiche hinauf, und scheinen dem Geschäfte zuerst die innere technische Einrichtung und Verfassung gegeben zu haben. Um dieselbe Zeit wendete sich aber die Büchermesse von Frankfurt nach Leipzig und hatte sich gegen Ende des Jahrhunderts fast ganz an letztern Ort gezogen. Ob der Grund davon vielleicht in einer Rivalität der teutschen Buchhändler lag, die sich zu Frankfurt von den Ausländern überstimt und beengt fanden, wagen wir nicht zu entscheiden; fast aber wird es wahrscheinlich, wenn man sich der allmäligen Abnahme des ausländischen Verkehrs erinnert, welche sich genau seit dieser Zeit nachweisen läßt.♦  
  Im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts löste sich der engere Verein zwischen dem teutschen und ausländischen Buchhandel immer mehr auf, und die Teutschen bildeten ihr Geschäft auf neue eigenthümliche Weise aus, indem sie sich immer mehr blos auf den neuen Verlag beschränkten und den Handel mit alten und seltenen Büchern, welche der ausländische Buchhandel noch bis auf diese Zeit beibehalten hat, allmälig aufgaben. Die Geschichte des neueren Buchhandels und das Technische dieses Zweiges des Handels, s. unter Handel.
   
HIS-Data 5139-1-14-236-1: Allgemeine Encyclopädie: BUCHHANDEL HIS-Data Home
Stand: 14. Februar 2018 © Hans-Walter Pries