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Allgemeine Encyclopädie HIS-Data
5139-1-34-204-3
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Artikel: ENCYKLOPÄDIE
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Siehe auch: 1. Sect. 2. Th.: Über encyclopädisches Studium
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ENCYKLOPÄDIE (orientaliische) ⇨

     
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  ENCYKLOPÄDIE (Enkyklopädie). Dieses Wort stammt aus dem Griechischen (von èn, in, kyklos, der Kreis, und paideía, Erziehung, der Unterricht) und bedeutet ursprünglich den Unterricht in einem gewissen Kreise von Kenntnissen und Fertigkeiten, die daher auch enkyklia mathēmata, disciplinae encycliae, genannt wurden. Aus Quintilian's Institutio oratoria I, 10 erhellet, daß Griechen und Römer mit jenem Worte vorzugsweise den Inbegriff derjenigen Kenntnisse und Fertigkeiten bezeichneten, welche bei diesen Völkern ein Jüngling sich angeeignet haben mußte, wenn er auf den Namen eines gebildeten Menschen Anspruch machen wollte. ♦
  Dahin rechneten sie vornehmlich Grammatik, Arithmetik, Geometrie, Musik, Astronomie, Dialektik und Rhetorik, mithin die sogenannten sieben freien Künste und Wissenschaften, die man im Mittelalter wieder in das Trivium und Quadrivium abtheilte, sodaß die drei ersten in den niedern oder Trivialschulen, die vier letzten aber in den höhern Bildungsanstalten gelehrt wurden. In neuern Zeiten hat man auch schriftliche Werke, in welchen ein Inbegriff von gewissen Kenntnissen oder Fertigkeiten auf eine mehr oder weniger umfassende und wissenschaftliche Weise dargestellt wird, Encyklopädien, und eine solche Darstellungsart encyklopädisch genannt. ♦
  Beziehen sich solche Werke auf die Wissenschaften, so heißen sie wissenschaftliche, beziehen sie sich aber auf die Künste, so heißen sie Kunstencyklopädien. Beide sind entweder universale oder partikulare Encyklopädien, je nachdem sie entweder alle oder nur einige, in näherer Verbindung stehende Wissenschaften oder Künste umfassen. So hat man philologische, historische, mathematische, philosophische u. a. Encyklopädien, welche insgesammt partikular sind. ♦
  Ist in einem solchen Werke blos ein allgemeiner Ab- oder Umriß der darin behandelten Wissenschaften oder Künste gegeben, also gleichsam nur ihre äußere Gestalt gezeichnet, ohne in ihren innern Gehalt tiefer einzudringen, so heißt eine solche Encyklopädie eine generale, formale oder äußere, im Gegentheil aber eine speciale, materiale oder innere. In jener ist die Darstellung summarisch, in dieser mehr oder weniger ausführlich. Durch jene will man sich mittels eines allgemeinen Überblicks auf einem gegebenen Gebiete des menschlichen Wissens oder Könnens eigentlich nur orientiren, durch diese aber mittels eines mehr oder weniger, eingehenden Studiums belehren. ♦
  Endlich unterscheidet man auch noch systematische und alphabetische Encyklopädien, je nachdem bei der Darstellung eine systematische oder alphabetische Anordnung der behandelten Gegenstände befolgt wird. Im letzten Falle entstehen encyklopädische Wörterbücher. Von dieser Art war die große französische Encyklopädie, welche Diderot, D'Alembert, Castillon, Helvetius, Marmontel und andere französische Gelehrte zu Paris in den J. 1751- 1773 herausgaben (Encyclopédie, ou Dictionnaire raisonné des Sciences, des arts et metiers. 28 Bände Text und 6 Bände Kupfertafeln in Fol.), und die man vorzugsweise mit dem Namen der Encyklopädisten bezeichnete.
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  Das erste encyklopädische Werk schrieb wahrscheinlich Speusipp, der Schwestersohn, Schüler und Nachfolger Platon's, von welchem Diog. Laert. (IV, 2) berichtet, er habe zuerst das Gemeinschaftliche in den Wissenschaften betrachtet und sie so viel als möglich mit einander verbunden, vermuthlich in dem Werke, welches nach dem Zeugnisse desselben Schriftstellers (IV, 5) den Titel führte: Dialogoi tōn peri tēn pragmateian homoiōn, in zehn Büchern, die aber sämmtlich verloren gegangen sind. Auch Varro's jetzt verlorene neun Bücher: Rerum humanarum et divinarumantiquitates und Disciplinarum, desgleichen des ältern Plinius noch vorhandene Historia naturalis können als Versuche solcher encyklopädischen Werke aus dem Alterthume angesehen werden. ♦
  Das Mittelalter machte ebenfalls dergleichen Versuche, welche den Titel Summae oder Specula führten. Das berühmteste, umfassendste und gehaltvollste Werk dieser Art ist von einem Dominikaner des 13. Jahrh., Namens Vincentius Bellovacensis (von Beauvais), verfaßt, und führt den Titel: Speculum historiale, naturale et doctrinale, wozu noch kurz darauf von einem Ungenannten als Supplement ein Speculum morale kam (zuletzt herausgeg. zu Douay in 4 Foliobänden). ♦
  Hierauf folgten im 16. Jahrh. Ringelberg's Cyclopaedia (Basel 1541), Paul Scalich's (Paulus de Scala) Epistemon, Encyclopaedia s. orbis disciplinarum tum sacrarum tum profanarum (Basel 1559), und Reisch's Margarita philosophica (Freiburg 1503. 4.) erschien in der Ausgabe von 1583 zu Basel unter dem Titel einer Encyklopädie. ♦
  Im 17. Jahrh, erschienen Martini's Idea methodica (Herborn 1606), Alsted's Encyclopädia (Ebendas. 1620. 2 Bde. Fol.) und Baco's treffliches Werk voll neuer und kühner Ansichten: De dignitate et augmentis scientiarum (Leyden 1645. 12. und in seinen Opp. Frankf. a. M. 1665. Fol.). ♦
  Im 18. Jahrh, folgten nun immer mehre und größere encyklopädische Werke. Großen Einfluß gewann zu Anfange des 18. Jahrh, der gelehrte Morhof durch seinen Polyhistor. Was für Encyklopädie bis dahin geschehen, findet man in dem Abschnitte de methodis variis *). In der Art der französischen, und zum Theil noch früher als diese Encyklopädie, erschienen in Italien Pivati's Dizionario scientifico e curioso sacro profano (Venedig 1746—1751. 10 Bde. in Fol.), in England Universal english Dictionary of arts and Sciences von Harris (Lond. 1704. 2 Bde. Fol.), Chambers' Cyclopaedia or a universal dictionary of arts and sciences (Dublin 1740. 2 Bde. in Fol.). ♦
  England wurde am reichsten an Werken dieser Art. Außer dem durch Rees neu bearbeiteten Werke von Chambers (London 1786. 5 Bde.) erschienen
 
  • *) Morhof sagt: Est scilicet quaedam scientiarum cognatio et conciliatio, unde et enkyklopaideian vocant Graeci, ut in una perfectus dici nequeat, qui ceteras non attigerit. Sellulariarum, vilium et sordidarum artium alia ratio est, quibus nulla inter se est conjunctio: ex quarum ingenio liberales illae censendae non sunt. Fabrilia qui tractat, impune ignorare sutoriam potest: at in liberalibus illis conspirant omnes, manusque jungunt.
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  die: Encyclopaedia by Hall (1788), vermehrt von Lloyd (1796); Encyclopaedia Londinensis by Wilkes (1796); The english Encyclopaedia (1800); Edinburgh Encyclopaedia by Brewster (seit 1810); British Encyclopaedia by Nicholson (1809); Encyclopaedia britannica by Napier (wovon die erste Ausgabe 1778 erschienen war; Napier besorgte die sechste Ausgabe und seit 1830 die siebente); Imperial Encyclopaedia (herausgeg. von Johnson und Exley 1814); Encyclopaedia metropolitana (seit 1815); EncyclopaediaPerthensis (herausg. von Miller, seit 1816); Encyclopaedia Edinensisby Millar (seit 1816); Cyclopaedia by Abr. Rees (1819); Cabinet- Cyclopaedia (herausgeg. von Lardner seit 1829), wird noch fortgesetzt; eine Bibliothek von Handbüchern, in neun Cabinete abgetheilt; als Anhang dazu erscheint seit 1831 Cabinet-Library; auf dieselbe Weise eingerichtet ist The library of general knowledge (herausgegeben von Gleig seit 1830). Kleinere Encyklopädien erschienen unter dem Titel: Pocket Encycl., von Kendall 1811 und von Millard 1813).
  In Teutschland erschienen: Allgemeines Lexikon der Künste und Wissenschaften von Jablonski (1721), vermehrt 1748 und 1776. Großes vollständiges Universallexikon aller Wissenschaften und Künste (Leipzig und Halle 1732—1754. 68 Bde. in Fol., gewöhnlich das Zedler'sche Lexikon von seinem Unternehmer genannt){1}; Teutsche Encyklopädie oder allgemeines Realwörterbuch aller Künste und Wissenschaften (Frankf. a. M. 1778 fg. 4. mit Kupfern in Fol.; noch nicht vollendet). ♦ {1} HIS-Data 5028
  Der vorliegenden Encyklopädie hier zu gedenken, würde unnöthig sein: dagegen ist zu bemerken, daß das Brockhaus'sche Conversationslerikon, welches von der fünften Auflage an auch den Titel: Allgemeine teutsche Real-Encyklopädie für die gebildeten Stände erhielt (auch das Pierer'sche Universallexikon — 1835 — erhielt den Titel als Vollständiges encyklopädischen Wörterbuchs), mehre ausländische Nachahmungen, die zum Theil Übersetzungen sind, veranlaßt hat. Hierzu gehört die von Franz Lieber (einem nach Amerika ausgewanderten Berliner) in Verbindung mit Wigglesworth und Bradford herausgegebene Encyclopaedia Americana (seit 1829), die von Partington (seit 1832) herausgegebene British Cyclopaedia und die in Paris (seit 1833) erscheinende Encyclopedie des gens du monde. — ♦
  Die schon erwähnte französische Encyklopädie wurde zu Genf, Lausanne, Yverdon, Lucca und Livorno nachgedruckt, was auf jeden Fall eine große Theilnahme an derselben beweist. Gleich Anfangs hatte man derselben materialistische und sensualistische Tendenzen in den philosophischen Artikeln, frivole Behandlung theologischer und moralischer Artikel zum Vorwurf gemacht, und da man auch Gefahr von ihren politischen Artikeln besorgte, weshalb auch diese Encyklopädie von der Polizei mit Arrest belegt wurde, deren Verkauf jedoch von der Regierung wieder freigegeben werden mußte, sieht man, wie sehr ihr auch die Encyklopädisten verhaßt waren. Unleugbar hat sie auf ihre Zeit bedeutend eingewirkt; je länger aber, um so mehr traten auch ihre Mängel hervor,
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  und es trat nun an ihre Stelle die Encyclopédie méthodique par ordre de matières (seit 1782, bis jetzt noch nicht beendigt, 188 Bände). — ♦
  An systematischen Formal-Encyklopädien, denen man auch den Namen der Wissenschaftskunde gegeben hat, ist unser Zeitalter besonders reich, indem Geßner, Sulzer, Eschenburg, Zöllner, Buhle, Koch, Witte, Erh. Schmid, Straß, Krug, Jäsche, Hefter, v. Kronburg herausgegeben haben. Krug hat auch seinem Versuch einer systematischen Encyklopädie der Wissenschaften (Wittenb. und Leipz. 1796 und Jena 1797. 2 Thle.) in Verbindung mit mehren Gelehrten ein encyklopädisches Handbuch der wissenschaftlichen Literatur (Leipz. und Züllich. 1804—1813. 2 Bde.) als dritten Theil des Ganzen, und als ein besonderes Werk den Versuch einer systematischen Encyklopädie der schönen Künste (Leipz. 1802) folgen lassen. ♦
  Die materialen Encyklopädien sind nur neben einander bestehende Partikular- oder Special-Encyklopädien, wie die von Klügel u. A. (Der einzelnen Special-Encyklopädien wird unter den betreffenden Wissenschaften gedacht werden.) — ♦
  Übrigens haben nicht blos die Griechen und Römer und die gebildetern Völker des neuern Europa das Bedürfniß encyclopädischer Werke gefühlt, sondern auch die morgenländischen Völker, über deren hierher gehörige Werke der folgende Artikel Auskunft gibt.
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Stand: 1. Januar 2019 © Hans-Walter Pries