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⇦ S. 26: §. 5 |
S. 26 (Forts.) |
Zum CAP. 2. §. 3. |
Scan 908 |
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§ 6. |
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DAß in den Landen und Fürstenthümern, wo Landstände sind,
die städte, flecken und dörffer der Prälaten, Herren, Ritterschafft, wie auch
die Land-städte selbst und deren angehörige dorffschafften, nicht mit in die
Fürstliche Ämter gerechnet werden, hat seine offenbahre ursach, denn zu
fürstlichen ämtern werden allein diejenigen unterthanen gezogen, welche ohne
mittel mit Erbherrschafft und gerichtbarkeit dem landes-herrn unterworffen
sind:* Denn man muß wol unterscheiden die Erb-Herrschafft, und die
Landes-herrschafft. Es könte einer ein Landes-Fürst und Regent seyn, (wie denn
dergleichen bey unsern uhralten vorfahren vielleicht viele mögen seyn gefunden
worden, oder auch etlicher orten, und in gewissen provincien noch gefunden
werden,) der nicht einen einigen ihme ohne mittel zuständigen unterthanen,
sondern eitel mit gerichten erblichbeliehene stände und unter-obrigkeiten, und
also keine eigene zu blossen gerichts-sachen, oder haußhalt bestellte amtleute
hätte. Und |
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S. 27 |
Von der Landes- und Erbherrschafft. §. 6. |
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allein von gewissen renten, die ihme die stände geben, oder
von, tribut, zöllen und dergleichen, lebete. Wo man auch in einem regiment, so
erst neu aufzurichten stünde, die frage anstellete, ob es besser wäre, daß der
oberste Regent von ämtern und eigenen unterthanen, oder von zöllen, tribut, und
dergleichen seinen statt führen solle möchten vielleicht gute ursachen
vorzubringen seyn daß man ihme lieber gefälle, zölle, zehenden, und
dergleichen, als erbzinsen, güter und meyereyen, und unmittelbahre
gerichtbarkeiten, einräumen solte; Zwey grosse unbequemlichkeiten würden damit
vermieden: Einmal, daß ein Regent mit dem haußhalt, der fürwahr von den
allerwenigsten wohl geführet wird, und mit bestellung so vieler offt gar übel
gerathender diener nicht beladen würde, sondern hohen und tapffern sachen desto
stattlicher und unverdrossen obliegen möchte Dann auch fürs andere, daß er
vielen streitigkeiten, die sich zwischen den beamten, welche über die cammer-
oder amts-unterthanen und güter gesetzet sind, und denen land-ständen erheben,
abkäme, und also eine unpartheyische zuneigung zu allen unterthanen ingesamt
desto getroster führen könte, weil er von einem so viel hätte, als vom andern.
Ein anders wäre es, wenn keine stände und erbherren, oder erbliche obrigkeit im
lande wären, sondern alle unterthanen blosser dinge dem Landes-Regenten ohne
mittel zugehöreten, denn der ein solch regiment hat, wie denn dergleichen Chur-
und Fürstenthümer auch in Teutschland zu finden, wird sich nicht überreden
lassen, land-stände |
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Additiones zum 1. T. C. 2. §. 3. |
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einzuführen, gleichwol scheinet der alten art unserer freyen
vorfahren, die erste regiments-form gemässer, daß nemlich, wie ein Käyser oder
König über Fürsten und Herren, also Fürsten über Erb-herren oder Land-stände
regieret haben, und diese mit ihren votis und rathschlägen bey etlichen
hauptstücken zur regierung gehörig, vornemlich aber in kriegs- und
friedens-sachen haben herzu gezogen, und gehöret werden müssen.** Allermassen es denn
auch noch in denen grossen und alten lang beysammen gestandenen fürstenthümern
in Teutschland, wo landsasserey und landstände zu finden, geschiehet.
Dahergegen man sagen möchte, es sey fast eine andere und auff andere weise
auffgebrachte art eines Fürstenthums, wenn ein Herr keine stände, sondern
allein blosse unterthanen hat, die von seiner gäntzlichen disposition
dependiren, sie mögen nun in städten oder dörffern wohnen. |
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* Von dieser materie ist bereits in der anmerckung über den §. 3. des 2. cap. gesaget worden. |
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** Von der befugniß und beschaffenheit der landstände ist hin
und wieder an seinem Ort genugsahm gehandelt worden. Ob es aber besser sey,
wenn stände in einem Lande sich befinden oder wenn ein Land gar keine stände
hat, ist eine frage, welche eben so wenig mit grunde abgehandelt werden kan, so
wenig deutlich zu behaupten stehet, ob es besser, daß ein Fürst lauter ihme
unmittelbahr zugehörige, oder lauter mittelbahre denen Ständen zustehende
unterthanen habe? Was hier im text vor die letztere meynung angeführet wird,
ist zwar nicht ohne, wie denn des streitens und heimlichen mißtrauens zwischen
denen Fürstl. amtern und ständen kein ende; Allein ob eben |
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Von der Landes- und Erbherrschafft. §. 6. |
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dadurch wenn auch der Herr keinen einigen umittelbahren
unterthanen hätte, sondern von zöllen, zehenden und andern gefällen lebete,
solches mißtrauen gäntzlich würde gehoben seyn, oder ob auch andern theils ein
Herr aller zum haußhalt im lande bestellten bedienten gantz entrathen könnte?
Ist wieder eine andere frage, weil doch, wenn er von zehenden mit leben solte,
zu deren einsammlung und vorsorge unumgänglich viele beamten bestellet werden
müsten; Anderer umstände, so etwan wohl an einen andern Ort berühret werden
können, zu geschweigen, welche auch bey errichtung eines gantz neuen staats,
daferne sonst in der Welt dergleichen noch vorlauffen solte, so viele
schwürigkeiten vor die hand legen würden, daß dergleichen vorschlag wohl
schwerlich sich dörffte practiciren lassen: Weiß auch nicht, ob eben in der
Welt dergleichen exempel, es möchte denn etwan eine gar zu grosse freyheit oder
vielmehr gesetzlose licenz der unterthanen ein und andern orts sich finden,
dürfften vorhanden seyn. Es bleibt demnach, wie der Herr autor auch selbst
anmercket, wohl bey den alten und neuen verfassungen wohlbestellter
Republiquen, nach welchen ein Regent so wohl von seinen eigenen Güthern und
erbschuldigkeiten und præstandis der unmittelbahren als mittelbahren
unterthanen das Regiment und seinen Staat führet, dabey aber auch gegen alle
unterthanen eine gleiche zuneigung hegen und keinen über gebühr beschweren
lässet. Denn es sind und bleiben doch die den ständen zugehörige auch seine
Unterthanen, vor deren wohl er nicht minder besorget seyn, und ihnen auf
ereignende fälle landes väterliche hülffe leisten muß. Denn die
Erb-herrschafft, so stände über ihre untersassen haben, hebet die
Landes-herrschafft und Hoheit nicht auf, vielmehr erfordert diese, solche aufsicht zu
führen, daß die untersassen der Stände nicht zu sehr mitgenommen, und dadurch
zu untüchtigen mitgliedern der Republic gemacht werden. |
S. 30 §. 7 ⇨ |