HIS-Data
Seckendorff: Teutscher Fürsten-Staat HIS-Data
5226-5-17
Additiones > §. 17
Werk Inhalt ⇧ Add.
Böse und schädliche würck- und folgerungen, so daraus entstehen
⇦ §. 16 §. 18. ⇨

    ⇦ S. 89: §. 16
S. 89 (Forts.) §. 17[1].
  Was aber aus eigenwilligen resolutionen für schädliche wirckungen erfolgen, das darff keiner ausführung. Selten ist ein Regiment, Land, Fürstenthum und Königreich zu scheitern gangen, höret man irgendswo klage derer auf das äusserste erschöpfften und gepreßten leute, oder bedrängter nachbarn, da nicht der eigensinn und verachtung guten raths zur ursache mit angeführet
S. 90 Additiones zum II. T. C. 1 §. 1.
  würde. Denn ob wol zwey haupt-übel sind, welche aus dem brunnen der gottlosigkeit, doch widersinnisch entspringende, alle regimenter verderben, luxus et avaritia, Einmal, nemlich die verschwendung, pracht, leichtfertigkeit, faulheit, müßiggang, wollust, oder wie man es sonst mit einander begreiffen, aber nicht wol mit einem wort nennen kan, und dann zum andern, geitz, gewalt, rauberey, aussaugung und unterdrückung der unterthanen: So fügen sie sich doch so artig zusammen, daß selten eines ohne das andere zu finden; Öffters, wie es die historien und erfahrung gegeben, ist der Regent zum müßiggang, äußerlichem pracht und wollüsten, ad luxuriam et inertiam, geneigt, etwa für sich selbst sonst gütiger und gelinder natur gewesen, da haben sich nicht allein diener gefunden, welche williglich und fleißig mitgemacht, sondern auch die das andere hauptstück wohl zu gebrauchen gewust, und was der Herr gleichsam hingeworffen, und unter seinen inclinationen und lüsten vergessen, das haben sie gern ergriffen, alles auf ihre hörner genommen, und um soviel strenger und eigenwilliger regieret, nachdem sie wenig angeborner liebe zu dem Lande und unterthanen haben, sie kommen auch damit bey ihren Herren in desto besserm credit und auffnehmen, dieweil sie durch solchen zwang und sclaverey desto mehr mittel erlangen, des Herrn vorhaben, in ausübung des prachts und schlampamps, zu secundiren. Das heissen denn leute, welche des Herrn reputation in acht nehmen, und ihme wol dienen und auffwarten können. Solche
S. 91 Von der eigenwilligen Herrschafft §. 17.
  waren die hoffleute des Königs Persei in Macedonien, von denen Livius schreibet, assuetos fuisse Regi servire humiliter, aliis superbe imperare. Man glaube sicherlich, daß offt diejenigen welche am allerdemüthigsten, gelindesten gehorsamsten, und für den augen der Herren am hurtigsten und arbeitsamsten sich erzeigen, und in einem tage zu allen dingen nicht ein- sondern unzehlichmahl ja sprechen, also den eigenen willen des Herrn in allem zu hegen sich befleißigen, daß, sage ich, dieselbe mehrentheils selbst die allereigensinnigste, stöltzeste und unerträglichste leute sind, wo sie ihre macht und willen ausüben könten. Denn darum prostituiren und erniedrigen sie sich dermassen, wieder allen narürlichen trieb eines aufrechten und redlichen hertzens, und leiden so viel prast und knechtschafft, damit sie unter dem eigensinn des Herrn, den sie mit solchem schädlichen gehorsam nicht so wol zu steiffen, als ihnen selbst zu nutz zu machen wissen gleicher gestalt herrschen oder sonst ihr unziemendes beginnen zu erlangung reichthums, übung ungebührlichen prachts, oder schändlicher wollüste, denen sie offt heimlich und öffentlich ergeben, zu werck richten, omnia serviliter, sed pro dominatione. So ist es in der welt zu allen zeiten hier und dar hergegangen, und hat ein Regent GOTT höchlich zu dancken, wenn er ihme so wol seine eigene menschliche schwachheiten, als der diener unarten, zu erkennen giebet, und ihn also von dem eigenen sinn und willen ableitet, und darum hat er sich desto fleißiger zu bemühen, je länger er im regiment ist. Denn es wach-
S. 92 Additiones zum II. T. C. 1 §. 1.
  sen mit den jahren etliche begierden und mängel, welche in der jugend schwächer gewesen. Dahero darff Lucanus, seiner gewöhnlichen freyheit nach, gar zu kühn sagen: Nil pudet assuetos sceptris; mitissima sors est regnorum sub rege novo. Es wäre aber nicht gut, daß dieses eine gewisse regul wäre. Denn es haben alle zeiten und alter der menschen ihre besondere anstösse. Neu angehende regenten verderbet offt die lust der jugend, und die denenselbigen jahren bißweilen zu viel anhängende freundlichkeit und unachtsamkeit, oder auch im gegentheil, daß man unter dem schein einer großmüthigkeit und generosität die krafft des regiments, und vermögen der lande nicht gnugsam betrachtet, zu weit fähret, und sich alles gar leicht fürkommen lässet: Alte und der herrschafft gewohnte Herren plaget die härtigkeit, der unwille, das allzuscharffe nachsinnen auff künfftige zeiten, das mißtrauen, weil sie gar offt betrogen und hintergangen worden, und läufft endlich mehrentheils und beyderseits der handel dahinaus, daß der eigene sinn und wille, impetus und præcipitantz, und nicht guter rath und richtiges interesse, die oberhand behält, zu grossen verderb aller guten anstalten, auch erbärmlicher last und beschwerung der unterthanen; Das könte aus bewährten historischen exempeln ausfündig gemacht werden; Wer weiter nicht kommen ist, der betrachte die geschichte der Könige, Salomons Rehabeam, Assa, und Joas, die in Heiliger Schrifft nicht vergeblich auffgezeichnet sind.

  Anmerkungen HIS-Data  
  [1] korrigiert aus: 16
HIS-Data 5226-5-17: Teutscher Fürsten-Staat: Additiones: §. 17 HIS-Data Home
Stand: 14. August 2017 © Hans-Walter Pries