HIS-Data
Seckendorff: Teutscher Fürsten-Staat HIS-Data
5226-5-21
Additiones > §. 21
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Ob diese landes-fürstliche hoheit allemahl aus der Erb- Huldigung zu schließen
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S. 105 (Forts.) §. 21.
  Die Erbhuldigung betreffende, wo sie in solchen formalien geleistet wird, als im text stehet, ziehet sie zwar per regulam die Landsässerey nach sich, zum wenigsten dergestalt, daß, wer also erbhuldiget, die vermuthung der rechte wider sich hat, wo er in einem und andern stück der unterthänigkeit sich befreyet achten wolte. Denn da müste er die besondere befreyung entweder aus concession des Oberherrn und Landes-fürsten, oder aus verträgen und herkommen nicht unbillig erweisen. Inmassen denn auch einige exempel derer am Käyserl. Cammer-gericht geführten processe zwischen hohen ständen, und deren angesprochenen unterthanen, ausweisen, daß sich die also mit præsumption gravirte und gehuldigte zu dem beweiß der exem-
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  tion verstanden, und behaupten wollen, sie seyen unterthanen auf gewisse maasse, und nicht blosser dinge, secundum quid, und nicht simpliciter. Zwar hat man ihnen entgegen gesetzet, es lasse sich das recht der hohen obrigkeit nicht dividiren und mässigen, es bleibe einer ein Landes-fürst, wenn gleich der unterthan in vielen stücken befreyet sey, es stehet aber dahin, wie weit mit dieser subtilität in effectu auszulangen. Man kan am besten davon urtheilen, wenn man sich von den worten und titulis abzeucht, und fraget, ob dieses und jenes recht, nutz und würckung der Landes-fürstlichen Hoheit, dem Landes-herrn, oder dem befreyten und eximirten unterthanen, gebühre? Zum exempel, ob ein Graf oder Herr, der von einem Chur- oder Fürsten beliehen wird, ihme auch nicht allein lehens-pflicht, sondern zugleich erb-hulde leistet, vor dessen hof-gericht und regierung sich auch in personalibus verklagen, und von seinen bescheiden und urtheilen an den Landes-fürsten appelliren lässet, (welches fürwahr sehr käntliche und scheinbare stücke der land-sasserey sind) ob derselbe, sage ich, auch in andern regalibus die landsasserey agnosciren solle, nemlich, und zum exempel, ob er soll die policey- und landes-ordnung, die der Landes-Fürst auffrichtet, in seine graf- und herrschafft einführen und in acht nehmen lassen; ob er die Reichs- und Land-steuer demselben geben solle; ob er alle seine mannschafft, wie andere blosse landsassen thun, mustern und dem ober-herrn folgen lassen solle; ob er von den berg-wercken den zehenden dem Landes-herrn reichen
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  müsse: ob er seine geistlichen visitiren, oder auch ex officio ihm in seine administration der justitz und bestellung der cantzeley einsehen, und darinnen maasse geben lassen solle? Der superior wird sagen, quod sic, es folge dieses alles aus der pflicht und huldigung, man könne wider dieselbe nicht præscribiren, sine nota malæ fidei, und dergleichen mehr. Man wird auch finden, daß andere landsassen, von gleichem stande, etwa dergleichen unweigerlich thun, oder doch mit bestande nicht verwehren können: Hingegen werden etliche, zum exempel die huldigung oder die appellation; Im übrigen aber nicht gestehen, daß sie weder die policey- und landes-ordnung, wie andere blosse land-stände, eingeführet, sondern haben wol ihre eigene auffgerichtet, und des Landes-fürsten darinnen nicht gedacht, geben auch dem Landes-fürsten keine, oder keine völlige steuer, keinen berg-zehenden, müntzen selbst, leisten keine heeres-folge, sondern schicken allenfalls eine gewisse anzahl mannschafft, nehmen keine kriegs-besatzung ein, sondern vertheidigen sich selbst, und dieses alles haben sie im herbringen, können und wollen es erweisen. Man findet auch exempel, daß sie an den Reichs-gerichten mit solchem beweißthum zugelassen, und denen Landes-fürsten, die pendente lite zufahren, und diese erzehlte oder andere regalia würcklich per regulam einführen und ausüben wollen, mit mandatis inhibiret worden. Wenn man, ohne absehen auff die personen und den event, diese materi in terminis einer rechts-frage annehmen will, so
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  kan davon viel geredet werden. Ist einer ein exemptus von altem herkommen ohne ausdrückliche begnadigung und verleyhung, der wird darauff bestehen, seine freyheit sey uhralt, und zu vermuthen, daß sie von höherer hand herkommen, sie sey durch langes unbedenckliches herbringen bevestiget, bey huldigungen habe man ihm insgemein zugesaget, oder auch wol reversalien geben, er soll bey altem herkommen und freyheiten gelassen werden: Er wolle erweisen, daß dieses das herbringen sey, oder er sey es auch nicht schuldig zu erweisen, weil er in offenbahrem besitz stehe. Ist er befreyet, mit ausdrücklicher begnadigung und verleyhung, so wird er anziehen, man könne ihme, oder der posterität, solche aus blossem willen nicht nehmen, habe er etwas verschuldet, so wolle er darüber erkäntniß leiden; Er wird auch solche seine privilegia nicht mit blossem bitten, remonstrationen, sondern entweder mit rechtlichem process und remediis possessoriis, oder auff andringende gewalt, und wo ihm die federn darnach gewachsen, mit würcklichkeit der gegenwehr zu erhalten trachten, auch wol, nach gelegenheit der orten, protectores und maintenue suchen, exempla sunt odiosa. Und wil man hiermit weder dem Landes-fürsten, noch dem, welcher sich eximiret, und nur secundum quid verbunden achtet, ichtwas gegeben oder genommen haben, sondern man schreibet es denen zum nachdencken, welchen so gar leicht fürkömmet, alles nach einer regul zu richten, und aus brocardicis und gemeinen einfällen alsobald einem
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  andern das urtheil und facit zu machen; Sol friede und recht im Reich bleiben, so meritiren solche streitigkeiten eine recht- und billigmäßige erwegung und unpartheyisches erkäntniß. Es wäre auch zu wünschen, daß man von beyden extremis abliesse, und billigmäßig zusammen rückte, welches geschehen könte, wenn die grosse Herren und superiores vielmehr für eine ehre achteten, daß nicht alles in gleicher subjection unter ihnen begriffen wäre, sondern auch solche stände sie in etlichen vornehmen stücken respectirten, welche im übrigen ihre stattliche und unbenehmliche freyheiten und vermögen hätten: Dessen sich denn die superiores, wenn gute harmonie und gütliches tractament erhalten wird, zur zeit der noth, und bevorab in kriegen und fehden, wol auch gebrauchen können. Insonderheit aber, wo grosse und mächtige städte sind, möchte man erwegen, daß ohne grosse freyheiten dieselbe nicht auffkommen, noch in ihrem auffkommen erhalten worden wären, wo man sie gleich hindurch, wie kleine städlein und dörffer, beleget und mitgenommen hätte. Vollkömmliche, und nicht in der opinion und schul-regel, sondern in ihren würckungen ergänzte landsasserey, und ein reiches und grosses gewerb in städten, stehet bey mittelmäßigen regierungen, da man die mittel scharff zusammen suchen muß, selten beysammen; Und muß ein sehr grosser, reicher und generöser Herr seyn, der den land-städten zu ansehnlichen vermögen und freyheiten behülfflich ist. Er muß sie auch zu regieren wissen. Denn es geben die historien, daß
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  manchem seine gütigkeit nicht zum besten belohnet worden. Auff seiten derer, nur auff gewisse masse, wie sie meynen, unterworffenen, sonst aber entweder aus altem Recht oder aus gnade befreyeten ständen, herren und communen aber, möchte bißweilen auch zu desideriren seyn, daß sie nicht zu weit fahren, noch einen so gar grossen eckel für etlichen dingen haben möchten, die ihnen doch im werck nichts schaden, wo sie sonst nur ihr interesse mit rechter art und gutem grunde behaupten Sie solten auch bedencken, daß nicht ohne grossen nutzen, denen mächtigen Herren, wo nicht allgemeine land-botmäßigkeit, doch gewisse hohe jura zukommen und gegönnet werden sollen. Denn wo ein ieder herr oder edelmann über seine dörffer oder eintzele inwohner, oder ein iedes geringes städtlein, absolut geblieben wäre, wer wolte friede und ruhe im lande, geleit und strassen erhalten, den übelthätern nachfolgen, und peinliche gerichte mit gnugsamen nachdruck, nach gelegenheit der zeiten, exerciren? Policey und zucht lässet sich auch übel einführen und erhalten, wo alle halbe meile ein ander recht und anstalt ist. Welche des protestirenden theils sind, die dencken auch zurücke, wie die vorfahren zu der religions-freyheit kommen, und ob es also abgehen hätte können, wenn ein jeder schwacher stand, edelmann oder dorff, nur für sich verfahren, und nicht höhern schutzes, nechst GOtt sich getröstet hätte. Viel werden zwar durch die exempel allzu scharffen tractaments abgeschrecket, ausser dem aber solte viel-
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  leicht zu erweisen seyn, daß in guten zeiten, und unter löblichen regierungen viel landsäßige herren und edelleute, auch wol etliche städte, sich so wol und glückselig befunden, als diejenigen, welche unter dem eitelen schein grosser befreyung und immedietäten, ohne ordnung und policey, gelebet, einander selbst auffgerieben, oder von dem mächtigen nachbarn auff mancherley wege gehindert und bedränget worden. Es gelinget diesemnach alles, nachdem man es anstellet, und ist offt an und für sich selbst nicht diese oder jene form des regiments oder der freyheit, sondern die art und verwaltung nützlich oder schädlich, mit welcher man dieselbe führet und gebrauchet.*
  * Was der herr autor in diesem §. von denen würckungen der Erb-huldigung und ambirten exemtion von der landsässerey geurtheilet hat, ist alles aus der warheit, und practischen erfahrung genommen, und wäre wohl zu wünschen, daß solches von Herren und Ständen zu des gantzen Reichs und deren selbst eigenen beruhigung erwogen werden möchte Jene könten nützlich erwegen, oder vielmehr durch ihre ministros erwegen lassen, daß es gar wohl bey einander stehen könne, ein Landes-Herr seyn, und doch gewisser maassen aus uhralten herkommen oder concession befreyete stände zu haben; sintemal auch die Landes-Fürstliche macht selbst aus solchen herkommen und Käyserl. concession entstanden ist; diese, die stände, aber hatten zu bedencken, daß sie und ihre vorfahrer gleichwohl den Landes-Fürstl. schutz genossen, ohne welchen sie vielleicht nicht mehr seyn würden. Wie man denn verschiedentlich in archiven wahrnimmet, daß dergleichen nach der exemtion strebende stände und eingesessene des Landes bey schweren fehden und kriegeszeiten auch religions-be-
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  schwerden denen mächtigsten Landes-Fürsten gar artig unter die flügel zu kriechen gewust, von welchen sie sich doch nachher bey bessern zeiten gerne befreyet sehen möchten: Welches aber nicht allein unrecht, und meines erachtens ein zeichen der undanckbahrkeit, sondern auch dabey dieses zu erwegen ist, daß ob gleich gedachte schwere zeiten nicht zu hoffen, dennoch auch nicht gar unmöglich seyn, auf welchen fall es so denn mit ein und andern übel aussehen würde.
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Stand: 26. August 2017 © Hans-Walter Pries