HIS-Data
Seckendorff: Teutscher Fürsten-Staat HIS-Data
5226-5-31
Additiones > §. 31
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Auch von allzugrosser mühe und Regiments sorge abgemahnet werden
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S. 129 (Forts.) §. 31.
  Zwar ist dieser humeur den menschen, und zumahl denen Regenten nicht gemein, sondern gar zeltzam: Rara avis in terris, nigroque simillima cygno, und bedarff man also nicht viel darvon zu wehren, abwarnen, oder mittel zu beschreiben, wie solchen excessen zu begegnen, oder wie ein junger
S. 130 Additiones zum II. T. C. 5. §. 1.
  Regent von alten verständigen räthen bey zeiten davon abzuführen, oder auch bey einem betagten Herrn mit guter manier dargegen zu arbeiten, (denn dahin gehet der scopus dieser schrifft, und keines weges, daß man nur am tadeln und vorstellung der mängel einige lust suchte) gleichwohl aber wo sich dergleichen in facto ereignete, da wäre vielleicht kein besserer weg, als daß einem Herrn aus treuer wohlmeynung, ohne einigen gesuch eigenes nutzes oder ehre, durch die best-qualificirte diener mit gutem glimpff der übelstand und schaden des eigen-dünckels und mißtrauens, so wohl auch der verlust, den man mit allzu grosser bemühung an der gemüths-ruhe und leibes-gesundheit leidet, öffters fürgestellet, auch wider die allzugrosse sorgfalt, sparsamkeit und erwerbsucht, diensame zuredungen, wie nemlich damit die reputation verlohren gehe, und grosser haß und unwillen bey unterthanen und nachbarn erwecket werde, fürgenommen werden. Am allermeisten aber können redliche diener wider solche mängel ausrichten, wenn sie das mißtrauen mit aufrichtigen treuen diensten dämpffen, und zu aller gelegenheit dem Herrn würcklich zeigen, daß er nicht ursach zu seiner diffidentz gehabt habe, und daß, so klug er auch immer seye, dennoch in den dienern auch noch so viel gaben stecken, deren er im regiment nicht entbehren könne, und er also nicht ursach habe, alles auf sich selbst zu stellen. Es versündiget sich auch ein solcher Regent an sich selbsten, indem er ihm dasjenige selbst abstricket, was ihm GOtt zur ergötzligkeit in
S. 131 Von des Regenten pers. Bemühung. §. 31.
  seinem hohen stande und schweren regiments-last, oder auch zu gebührlichem respect, gerne gönnet, und darzu mittel und gelegenheit verleihet. Denn unmüglich ist, wenn er sich um alle geringe dinge bekümmern, niemand trauen, alles aufs genaueste ausgrübeln, und die welt gleichsam in andere form giessen will, daß er einige gute stunde haben könne; Er wird auch darüber allen dienern, ja seinen eigenen angehörigen, weil ihm niemand leicht in dieser art nachfolget, ex dissimilitudine morum gram, und hingegen auch denselben verhast, und führet in summa, ein armselig elend leben, daß sein geringster unterthan oder diener, der es verstehen könte, nichts mit ihm tauschen würde, und wo er gleich, durch solche curiosität etwas gutes richtet, oder böses verhütet, so wird er doch hingegen, weil es weder die natur noch die ordnung GOttes leidet, daß er alles selbst und in effectu allein ausführen könte, auch viel gutes versäumen ober verhindern, und viel böses dennoch verhängen und erfahren müssen und endlich viel anfangen und regen aber wenig ausmachen. O wie viel herrlicher und guter dinge kan ein Regent thun oder stifften, wenn er des tages eine oder zwo stunden, zu den haupt-sachen seiner regierung anwendet, und unter der arbeit eines Regenten und eines dieners gleich als eines feld-hauptmanns und eines soldaten, fein unterscheid hält! Wo er aber der räthe, der rechtsprecher, der secretarien, der calculatoren etwa auch der haußhalter, baumeister, förster, jäger, und gleichen ämter, selbst mit verrichten, oder mit allzu
S. 132 Additiones zum II. T. C. 5. §. 1.
  vielem proponiren und anhörungen eines jeden weitläufftigen geschwätzes, voti und gutachten, die edle zeit hinbringen will, da wird er dermassen überhäuffet, auch endlich so stumpff, verdrießlich und unwillig gemacht werden, daß ihme alle lust darüber vergehet, weder essen noch trincken schmecken, der schlaff aussen bleiben, und er über diß allen dienern, als die ihm keine satisfaction geben, aufsetzig, hinwieder auch ihnen überlästig und beschwerlich fallen wird. Darum ist das beste, der Regent setze durch gute ordnung und austheilung die geschäffte aus einander, und sehe fürnehmlich auf diejenige stücke welche ihrer wichtigkeit nach, vor ihn gehören, und ohne ihn billig nicht ausgemacht werden sollen, aufs genaueste und müglichste, lasse sie auch nicht ehe für sich bringen, sie seyen denn in allen umständen, biß auf seinen schluß, ausgearbeitet, überlasse hingegen redlich und wolbestellten collegiis ihre functiones, erhalte solche in stetem unverrücktem gange, und verschmertze lieber etwas wenigers, was die diener nicht aus boßheit, sondern vielheit der geschäffte, oder negligentz, nicht allerdings nach seinem willen oder nutzen verrichten, als daß er in allen, auch geringen amts-verrichtungen, die hand haben, und sie damit entweder gantz unwillig und wiedersinnisch, oder sporen-faul, träg und allzu kleinmüthig und stützig, oder zu augen-dienern machen wolte, die mit grosser behändigkeit ja sprechen sich mit vielem geräusche und poltern zu allen geschäfften willig anstellen, wo aber der Herr den rücken kehret,
S. 133 Von des Regenten pers. Bemühung. §. 31.
  alles gar leicht liegen lassen, oder andern aufbürden, oder es doch weder halb noch gar ausmachen. Er nehme auch die guten tage und stunden, die ihme GOtt gönnet, guthertzig mit an, und ergötze sich auf zuläßige wege, damit er gleichwohl des segens, welchen GOtt den löblichen regenten auch in dieser zeitligkeit wohl gönnet, auch mit geniessen möge. Keiner wird es weiter bringen in weißheit und verstand, als wie Salomon in Heil. Schrifft beschrieben wird, GOtt der HErr schenckte ihm aber zu solcher weißheit, die er eigentlich nur zur verrichtung seines regiments begehrte, nicht allein allerhand andere wissenschafften zu seiner ergötzung, (wie denn in warheit verständigen hochbegabten leuten nichts ergötzlichers ist) sondern auch reichthum und ehre; Er wuste sich dessen auch wol zu gebrauchen, und wird nicht gescholten, daß er ihme von seinen einkünfften (ohne borg und credit) reuter und wagen geschaffet, herrlich gebauet, nach schönheit und stand geheyrathet, wohl gessen und getruncken, und gute conversation mit fürtrefflichen leuten und künstlern gehabt, sondern daß er endlich über die schnur gerennet, und GOttes vergessen. Kan nun gleich ein Teutscher Potentat dem Salomon es nicht gleich thun, so hat er doch ein untadelhafft exempel, daß ihme, neben der beruffs-arbeit und weiser regierung, die ziemliche ergötzlichkeit des gemüths und leibes wohl zugelassen seyn, und ihme also darzu auch zeit gegönnet werden müsse.
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Stand: 28. August 2017 © Hans-Walter Pries