HIS-Data
Seckendorff: Teutscher Fürsten-Staat HIS-Data
5226-5-37
Additiones > §. 37
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Einige nützliche erinnerungen zu behauptung des Staats interesse eines Regenten
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    ⇦ S. 176: §. 36
S. 178 (Forts.) Beym ersten Theil des siebenden Capitels.
  DIe materie dieses Capitels ist allzu groß und weitläufftig, im text auch also tractiret, daß mit Additionen solche noch ferner zu ergrössern, die gelegenheit meines vorhabens, und die vorgesetzte maase dieser edition nicht zulässet. Bin gleichwohl der hoffnung, daß, was im 1. biß auf den 26. paragraphum, von behauptung derjenigen stücke, welche den staat eines Herrn und Regenten angehen, bedeutet und erinnert worden, nicht übel zu sustiniren seye, und darinnen kein sonderbahrer widerspruch zu befürchten. Wünschen möchte ich aber aus unterthänigster treue gegen die Häupter unsers Vaterlandes, daß zu billig-mäßiger hinlegung derer in so grosser menge entstehender strittig-
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  keiten zwischen den hohen ständen, nachbarn und gefreunden, wie auch zwischen stärckern und schwächern, ein zulänglicher richtiger weg durch gesamten schluß erfunden, oder diejenigen, welche man schon hat, mit mehrerm respect und nutzen practiciret werden möchten. Ausser dem ist in warheit zu besorgen, man werde in kurtzen auf das alte faust-recht wieder völlig gerathen, oder eine gewisse veränderung des regiments verursachen; was aber bey gegenwärtigem stande eines Teutschen Fürsten interesse und staat insgemein sey, und wie er sich conserviren könne, davon mag und darff ich ausser dem, was schon im text dieses capitels angezeiget, nicht viel mehr anführen. Etliche kleine erinnerungen mit gehörigem respect zu thun, so bedüncket mich (1) bey so gestalten zeiten und umständen, daß auch in streitigen staats-händeln die gemeine bauern-regul die beste sey, man solle sich vergleichen; Zwar scheinet es, daß solcher rath von furchtsamen gemüthern herkomme. Ein Herr und Regent (möchte man sagen) der ein klares recht hat, soll der gutwillig weichen, wenn ihn nicht die äusserste gewalt und noth darzu dringet? soll er nicht GOtt und seinem rechte trauen? Also möchte man auch gedencken, es sey ja in den allerschweresten sachen dennoch durch unpartheyisches urtheil die warheit und das recht zu finden, und man könne und wolle sich demselben unterwerffen. Dem sey aber, wie ihm wolle, so halte ichs mit denen, welche einen leidlichen vergleich nicht ausschlagen, besonders in sol-
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  chen sachen, die mehr in unnutzbaren, und auf opinion beruhenden also genanten regalien, als auf würcklichen utilitäten, bestehen, und zumahl, wo man in unpartheyischer ermeßigung siehet, daß die prætensiones auf dem possessorio allein sich fundiren, und in meritis die sache schwach sey. Denn gewiß ist es, daß durch mißdeutung, unverstand, vorgriff, eigennutz und frevel der diener, nach gelegenheit der zeiten, viele sachen auch in vorzeiten zwischen benachbarten aufgebracht worden, die man im grunde des rechtens nicht behaupten kan, sondern deren unrichtigen ursprung deutlich siehet, und erkennet, da ist einem Herrn zu rathen, daß er wisse, zu rechter zeit nachzulassen, und ihme und den nachbarn ruhe zu schaffen. Etliche fälle sind auch also beschaffen, daß man lieber stillschweigend, und mit der that selbsten, als durch ausdrückliche vergleiche von einem unnöthigen streit abstehen möchte, das solte aber auf gute berathschlagung geschehen, und die ursachen bey den actis notiret werden, damit nicht über kurtz oder lang ein klügling darüber komme, und in herfürsuchung eines alten von den vorfahren also bedächtlich gedämpfften streits, ein neu meisterstück zuversuchen sich unterfangen möge. (2) Will aber die sache ohne mercklichen schaden oder spott nicht zu vergleichen seyn, so stehen denn die mittel bevor, welche im text berühret: Da ist es aber nun heute zu tage also bewandt, wo grosse interessen und gerechtsame nicht durch grosse macht und nachdruck bedecket und verwahret sind, daß das recht
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  an sich selbst, man schreibe und klage auch, so viel man will, wenig hilfft; Derjenige sitzet bey seinem recht sicher, oder erlanget, was er haben will, welcher das vermögen für sich selbst, oder mit beystand anderer mächtiger leute hat, sich zu manuteniren, zu exequiren oder unrechtmäßiger execution zu widerstehen. (3) Daraus folget, daß der allein seinen staat am besten in acht nimmet, der seine kräffte erhält und vermehret. (4) Weil aber dasselbige zu thun nicht einem jeden müglich, ob er gleich an stand und geschlecht einem andern gleich, und mit eben so grossem recht, als derselbe, versehen ist, so müssen mittelmäßige stände wohl erwegen, wie sie zu kräfften kommen, und ihren nachbarn oder gegenpart nicht zum raub werden. Denn man kan in anmassung allzu vieler kräffte sich vertieffen, und darüber ehe zu boden gehen, als nutzen schaffen; Jener Philosophus zu Athen, als er zu sehr in das auditorium geeilet, und sich aus dem athem gegangen hatte, sagte im eingang seiner lection, schnaubende: Jetzo ist mir eben, wie unserer stadt Athen, ich schnaube viel und habe doch keine krafft. Etliche kostbare anstalten, um gewaltig und kräfftig zu scheinen, darauf man sich bißweilen verlassen will, sind zum ernst zu wenig, und zum schimpff zu groß, und könte vielleicht mit einem geringen theil derselben kosten, zu rechter zeit hoher schutz und auffenthalt gewonnen und erlanget werden, und heisset offt: Cedant arma togæ. Mit geschicklicher art, guten worten, und etwas geld, solte mancher schwacher
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  stand mehr ausrichten, als mit beständigen armaturen, die allzukostbar, und dem Lande verderblich fallen. (5.) Woraus denn schließlich ferner entspringet, was im 15. § dieses siebenden Capitels auch gesetzet worden, daß nichts nöthigers, bessers und ersprießlichers sey, als daß ein regent seine unterthanen und cammer-mittel wohl in acht nehme, und mit kurtzen worten zu sagen, daß er willige wehrhaffte unterthanen und geld habe, vergeblich setze ichs nicht zusammen. Denn der nervus rerum gerendarum ist und bleibet geld, und das geld kan ein Teutscher Fürst und Stand nicht beständiger erlangen, als aus vielen händen; Unsere bergwercke, kauffmannschafften und zölle, sind zu gering, gold und silber in ansehnlicher menge zu erlangen, und müssen also grosse summen mit eintzelen hellern und pfennigen zusammen getragen werden, womit gleichwohl nicht ausgeschlossen wird die nützliche verwaltung der cammer-güter und renten, worauf vor alters die einkünffte der Fürsten, ohne anlage der unterthanen, mehrentheils allein bestanden, auch noch wohl bestehen könten, wenn wir friedliche zeiten, gute justitz, und das unschätzbare kleinod und ewige gold-grube hätten, die da heisset parsimonia. Aber von dieser materie wäre gar zu viel zu sagen; Es erscheinet hieraus zugleich dieses, daß wenn man fürstliche gerechtsame, es sey durch vergleiche, oder in andere billige wege, behaupten will, oder wenn man dergleichen jura gegen einander conferirt, und die wahl hat, so seyen diejenigen besser, und zum staat
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  weit dienlicher, welche renten und nutzen bringen, als die in grossem schein und ruff stehen, und nichts, als lust, oder vergebliche opinionen und kosten, nach sich ziehen. Ich habe kein bedencken, hierunter auf gewisse maasse viel dinge zu rechnen, die zu Hof groß geachtet werden, und zwar, wenn sie ohne schaden des staats zu haben, gar wohl zu behalten sind, aber viel darauf zu wenden, deswegen stets in waffen zu sitzen, mit nachbarn allerdings zu zerfallen, wichtige mittel und renten dafür zu geben, mag wohl heissen, aureo hamo piscari, und mit silbern kugeln nach sperlingen schiessen. Es ist kein Land, das nicht schon regalia zur Lust und wohlstand hat, ob sie gleich nicht allenthalben in gleicher grösse und würde sind Man halte wohl hauß, und schaffe geld und vorrath durch redliche mittel, so kan man manche gute lust und reputation haben, wenn stand und Land darbey ist. Denn da fehlet es den kauffleuten an, daß sie, ob sie gleich mehr geld haben, dennoch es denen Fürsten und Herren nicht in allen stücken gleich thun können noch dörffen.

  Anmerkungen HIS-Data  
  [1] korrigiert aus: 73
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Stand: 2. September 2017 © Hans-Walter Pries