HIS-Data
Seckendorff: Teutscher Fürsten-Staat HIS-Data
5226-5-38
Additiones > §. 38
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Von den wahren tugenden eines Regenten
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S. 183 (Forts.) Beym andern Theil des siebenden Capitels.
  §. 38.
  VOn den tugenden eines Regenten ist im text auch viel geredet, und in diesen Additionen schon hin und wieder so viel angeführet worden, daß es dabey wohl bewenden kan. Indessen mag man es wohl für keine geringe straffe GOttes, und nicht für so gar ungefehr geschehen achten, wenn
S. 184 Additiones zum II. T. C. 7. §. 7.
  die Regenten nicht aller orthen gerathen, und daß leidige carmen offt wahr gemacht werden will: Virtus et summa potestas non coeunt. Nun solchen falls müssen unterthanen leiden und beten, oder wo sie privilegiret, und in gewissen stücken eximiret sind, wie es in Teutschland zwar wider die reguln der schul-politic, und der gewonheit anderer vollkömmlich beherrschten nationen,* in vielen Provincien sich ereignet, müssen sie sich also der freyheit dermassen gebrauchen, daß sie das kind nicht mit dem bade ausschütten, und von menschen zu teuffeln kommen, ferenda regum ingenia; Jedoch werden diejenige, welche ihren hohen stand mit schändlichen lastern beflecken, bevorab aber ihre gewalt zur ungerechtigkeit mißbrauchen, ein eigen recht haben, und an ihrer armen unterthanen unlust ihre lust suchen, derselben noth und elend nimmer gnugsam behertzigen, oder auch unter gedichteter angemasseter scheinheiligkeit nichts desto minder ungerecht und widersinnisch sich erzeigen, ihre schwere verantwortung auch haben, und wohl auch noch in dieser welt die hand GOttes fühlen, und ihren staat und interesse schwerlich mit bestand behaupten und ausführen: Aufer impietatem de vultu regis, et firmabitur iustitia thronus ejus. Proverb. 25 Denn die tugend ist der verständigen Regenten bester und fürtrefflichster zierath, auch grosser schutz und trutz. Von verständigen Regenten sage ich. Denn wo das regiment nicht verstanden wird, ist die albere frömmigkeit ohne nutz. Die Tugenden müssen und können bey dem wah- ⇩ *
S. 185 Von den Tugenden der Regenten. §. 38.
  ren interesse des regiments stehen, sonsten sind es gemahlte, aber gebrechliche gläser und schöne tulpen, die aber weder geruch noch nutzen haben. Das könte mit vielen exempeln wahr gemacht werden, neue sind gefährlich. Man lieset fast mit Jammer, wie ein gütiger und vernünfftiger Herr der letzte Perser König Darius (der historien-schreiber bericht nach) gewesen sey, alldieweil er aber mit dem kriege kindisch umgieng, und den treuen rath eines weisen fremdlings verachtete, kam er um scepter und cron, leib und leben. Zedekias, der Jüdische König, so offt er mit dem Propheten Jeremia allein redete, erzeigete er sich sehr gütig und fein, daß man auch mitleiden mit ihm haben möchte, er wuste aber die zeit nicht zu treffen, noch die opinion der schande zu überwinden, daß er sich den Chaldäern ergeben solte, und fehlet ihm an der haupt-tugend der gottesfurcht und gerechtigkeit, versäumete also sein interesse, und kam in das äusserste elend.
  * Vielleicht wäre auch darzuthun , daß auch unter andern nationen, wenn man die barbarischen ausnimmet, keine zu finden, welche nicht ihre gewisse freyheiten und gerechtigkeiten von alters her nach dem herkommen oder den LL fundamentalibus hätte: wozu noch ferner die göttlichen gesetze der natur kommen, in deren schrancken sich ein jeder Regent halten, und den endzweck seiner republic, so da ist salus populi, bedencken muß: Tout souverain, sagt ein gewisser Historicus, est obligé de gouverner selon les Loix de la Nature, selon les Droits des gens, selon les constitutions fundamentales des societés: Ein anders aber ist, was heut zu tage etwan in ein und andern Reich de facto geschehen seyn mag; Wiewohl man doch siehet, daß
S. 186 Additiones zum II. T. §. 27.
  ein gantz absoluter und strenger dominat meistens nicht lange bestanden. Was man von dem Hobbesianischen imperio zu sagen pfleget, ist meines erachtens ein non ens, und haben solches auch schon andere scribenten erwiesen. Daher der autor des tractats de suprem. Princip. German. schreibet: tamdiu homines retinendam judicabunt propriam voluntatem, suæque saluti prout optimum videbitur consulent, quamdiu de rectorum summa sapientia et potentia persuasi non erunt, quod ad perfectam voluntatis resignationem necesse est. Locum ergo demonstrationes Hobbianæ in ea tantum Republica habent, cujus Rex Deus est, cui soli tuto per omnia confidi potest.
   

  Anmerkungen HIS-Data  
  [1] korrigiert aus: 73
HIS-Data 5226-5-38: Teutscher Fürsten-Staat: Additiones: §. 38 HIS-Data Home
Stand: 2. September 2017 © Hans-Walter Pries