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⇦ S. 192: §. 39 |
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Wie ein Regent ihm referiren lasse etc. §. 40. |
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Beym §. 33. Cap. 7. |
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§. 40. |
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DIe staats-sachen, von denen allhie gehandelt wird, einem
Regenten zu referiren, gebühret sich in alle wege, und bestehet in resolution
solcher geschäffte eigentlich sein amt, welches ihm kein verständiger
entziehen, oder die diener alles nach ihrem gefallen, oder per majora, machen
lässet. Zwar, wo ein herr mehr den nahmen, als die krafft der monarchischen
regierung, hat, als zum exempel; Ein Hertzog zu Venedig oder Genua, der hat
weiter nichts als ein präsident, mit seinem voto (das mag nun einfach oder
doppelt gelten) zu beschliessen, und daß in dergleichen regierungen es sonst
ziemlich wohl und löblich hergehet, und zumal der staat viel zeit unverrückt
erhalten worden ist, das macht die sonderbare kluge verfassung desselben, und
bevorab die ansehnliche zahl der senatoren, vor welche endlich die haupt-sachen
kommen müssen, oder aus derer mittel diejenigen, welche die wichtige
ordinar-geschäffte tractiren, mit sonderbahrer abwechselung erwehlet werden. Das gehet
nun in Fürstenthümern nicht an. Denn die haupt-resolution muß der Fürst oder
Herr geben, und darum wird auch in solchen regimentern viel ehe gefehlet, und
der staat verrücket und geändert, nachdem nemlich der regent gesinnet und
beschaffen ist. Die räthe eines Fürsten sind auch keine eigenmächtige glieder
des regiments sondern von dem Regenten bestellte, und nach seinem willen
veränderliche diener, auch an der zahl gering, und müssen ihre vo- |
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ta mit vielen ursachen und argumenten behaupten, und darüber
entweder lob und beyfall, oder ungnade und sauere gesichte gewarten, da
hingegen in den best-bestellten aristocratischen regierungen, oder auch in
democratien, wo eine gewisse anzahl vom grossen volck zu rathschlägen deputiret
wird, die stimmen heimlich, und mit gewissen zeichen, kugeln, oder bohnen
abgezehlet werden, dahero fehlen die majora in solchen grossen collegiis, wo
man (und zwar in wichtigen dingen, auff vorhergehende schwere beeydigung) alles
stillschweigend votiret oder ballottiret, selten, und ist darbey eine grosse
freyheit und auffrichtigkeit, weil keiner seine stimme verantworten oder
bestreiten darff, und seine eigene collegen nicht wissen, was oder warum er
auff Ja oder Nein gestimmet. Man kan auch solche collegia nicht wol
corrumpiren, weil es gar zu viel kosten würde, und der sein geld etlichen wolte
zuwenden, wäre nicht versichert, ob sie, ihrem versprechen nach, seine parthie
gehalten hätten. Denn man weiß nicht, wo er seine kugel oder bohne
hingeworffen, und muß man sich auff sein blosses vertrösten verlassen. Gantz
anderst, sage ich, ist es mit dem ausschlag, den ein Teutscher Potentat, auff
relation seiner räthe, giebet, bewand. Denn der räthe vorschläge werden für
unverbündlich gehalten sie mögen nun unanimiter oder per majora, ausgefallen
seyn. Wiewohl nun schon oben auch etwas hiervon berühret worden, so dienet doch
zu erläuterung dieses §. 35. im text ferner zu bedencken, (1.) Daß der Regent
zwar billich, wie allhier erinnert, seinen |
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Wie ein Regent ihm referiren lasse etc. §. 40. |
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eigenen verstand, nachdencken und sorge, gebrauchen und die
sachen nicht fürnemlich auf seine diener stellen müsse. Denn er ist zum Fürsten
und Haupt beruffen, so sind ihm auch die räthe nicht angebohren, oder von der
republic zugeordnet, sondern er hat sie selbst bestellet, und da er darinn
gefehlet, und sich mit untauglichen leuten versorget, oder ihnen ohne allen
bedacht gefolget hätte, würde er damit weder im gewissen, noch für der welt
bestehen, oder seines schadens sich erholen, wenn er blosser dinge sagen wolte,
seine räthe hätten dieses und jenes also beschlossen;* Aber (2.) stehet die
gröste kunst hierinnen, daß er unter dem schein sein amt zu thun, nicht in den
gebrechen des eigensinnes falle, und treue, nützliche und practicirliche
rathschläge jure principis, zu seinem selbst schaden vernichte, hingegen
gefährlichen und singular-meynungen, oder seinem blossen willen folge. Weil
aber hiervon oben schon viel geredet, ist dißfalls weitere anführung unnöthig.
Wegen der art und weise aber ist (3) zu wissen, daß der Regent entweder, wie im
text stehet, selbst denen deliberationen beywohnet, und eines jeden raths votum
und rationes anhöret, oder daß er auf andere weise deren bedencken sich geben
lasse: Zu dem ersten wege wolte ich am liebsten rathen, wo zumal der Regent
sich moderiren kan, seine meynung und inclination verbirget, oder vielmehr noch
keine resolution im hertzen also fest gefasset hat, die er nicht, auf angehörte
vernünfftige und rechtmäßige ursachen ändern wolte, vielweniger aber die räthe
hart anfähret, hönet oder bedrohet, oder doch |
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mit anderer gelegenheit, wo sie seinen meynungen zuwieder
gewesen, dessen mit worten oder wercken entgelten lässet. Denn dergleichen wird
er über ein- oder zweymal nicht thun, so soll er hernach kein freyes votum mehr
hören, sondern wird ihm alles verdrehet und verkleistert, oder dunckel geredet,
und von weichen gemüthern endlich das stillschweigen erwehlet werden, daß er
sich über die servitut der räthe (wenigers nicht, als jener Käyser, wenn er aus
dem Rath zu Rom gangen) endlich selbst verwundern, und nichts, als mißtrauen
und verdruß, schöpffen wird; Oder es wird zur unzeit einer oder der andere
endlich aus grosser ungedult loß fahren, daraus zorn und beschimpffung bey
Herren und dienern entstehet. Ist also auf seiten des Regenten nichts
nützlicher und ersprießlicher, als vorgedachte moderation und emporhaltung,
oder suspension seiner meynung; Inmassen sich denn verständige Herren von
jugend an darzu gewöhnen, zumal, da die sache schwer, und von grosser
importantz oder nachklang ist, als zum exempel: Eine thätlichkeit und
krieges-anstalt gegen nachbarn vorzunehmen, ein bündniß einzugehen, eine starcke anlage
aufs land zu machen, eine alienation vorzunehmen, oder etwas mit onerosen
mitteln zu acquiriren, einen anspruch gar abzuschlagen und gütliche handlungen
zu brechen, stände im lande oder vornehme diener anzutasten, oder grosse
änderungen mit ihnen vorzunehmen, heyrath zu schliessen, ansehnliche kosten
aufzuwenden, und dergleichen; In solchen fällen ist unnöthig, daß der |
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Regent also den schluß mache, oder sich mercken lasse, ob er
der räthe einmüthige, mehrere oder mindere stimmen billige, sondern nehme die
sache zu weiterm bedencken, oder gebe eitel scrupel, die er bey einem oder
andern voto findet, ohne sonderbahre benahmung oder antastung der person,
welche votiret, zu weiterer erwegung, und damit man desto weniger seine
inclination mercke, so opponire er auch derjenigen meynung etliche dubia,
welche ihm am thunlichsten scheinet, und handele also noch zur zeit pro et
contra. Hernach auf einen folgenden tag lasse er weiter deliberiren,** oder
begehre eines jeden Raths gedancken schrifftlich, und stelle ihnen auch wohl,
wenn es gefährliche dinge sind, und dem votanten eine besorgniß machen, solche
seine schrifft hernach wieder zurück, oder er rede mit einem jeden Rath
absonderlich, jedoch mit sanfftmuth und kaltsinnigkeit, so wird, nechst GOttes
beystand, es ihme selten an ergreiffung des guten schlusses mangeln. Denn in
collegio zu deliberiren hat diesen nutzen, daß sich einer vor dem andern
schämet, eine ungereimte oder sclavische meynung auff die bahn zu bringen, es
höret auch der Regent und jeder beysitzer des andern rationes und dubia, und
kan der weiteren umfrage (denn in wolbestellten collegiis soll man, bey
ereignung unterschiedlicher stimmen nicht leichtlich bey der ersten umfrage in
wichtigen sachen beruhen) sich dadurch bewegen, oder mit seiner
gegen-remonstration bescheidentlich hören lassen; In der privat- oder schrifftlichen
eröffnung aber erkläret sich ein jeder |
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mit noch mehrerm bedacht, und ob gleich die gefahr darbey
ist, daß aus respect des herrn, wenn man mit ihm allein zu thun hat, mancher zu
furchtsam und schmeichelhafftig seyn möchte, so dienet doch dargegen die
gehaltene deliberation in pleno, und wer sein darinn gegebenes votum ändern
will, der muß gleichwol dringende ursachen anzeigen. (4.) Ob wol ein Herr und
Regent nicht wohl thut, wenn er unzeitigen nicht gnugsam fundirten verdacht
auff die räthe wirffet, wo sie ihm nicht in seinen vorhaben beystimmen, und sie
bald für unverständig, bald für furchtsam, bald für hitzig, bald für
eingenommen, überredet, oder bestochen halten, und sie etwan leichtlich von der
berathschlagung ausschließen wolte; So soll er doch dabey nicht allerdings
sicher seyn, wo er aus langer erfahrung, oder mit gutem grund, eines und andern
fehler oder absehen erkennen lernen, und darum ist es eben gut und
ersprießlich, daß ein Herr zu wichtigen sachen endlich mehr als einen mann***
gebrauchet, oder auch oben erinnerter massen mit verwandten und freunden sich
vernehmen kan. Es ist auch nicht zu widerrathen daß er mit einem und andern,
jedoch mit gutem glimpf und ohne præjudicial-verdamniß reden lasse, oder, nach
gelegenheit selbst rede, und also anlaß gebe, daß ein verdächtiger sich
entschuldigen, und den argwohn wegnehmen, oder, da er etwan gewancket, und sich
zur ungebühr bewegen zu lassen, angefangen hätte, sich auf solche erinnerung
bessern könne, dabey aber eine gute intention, so wol auch eine deutliche
erklärung, auf seiten des Regenten |
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nöthig, daß man einen diener mit solcher fürhaltung nicht
suche abzuschrecken, umb ihn wider sein besser wissen und gewissen redend oder
schweigend zu machen. Denn wo es diese meynung hätte, verirrete sich ein Herr
über die maasse, und strebte zugleich wieder seinen eigenen nutzen. Denn worzu
dienen die kosten, räthe und diener zu halten, und so viel zeit mit ihnen
hinzubringen, wenn man nur verlanget, daß sie dem Regenten beystimmen sollen.
Und hiebey ist nicht ein geringes geheimniß der menschlichen natur und neigung
zu mercken, daß nemlich auch der strengeste und eigenwilligste Regent gleichwol
nicht gerne wil dafür angesehen seyn, als wenn er ohne rath verführe. Denn
daher kömmet es, daß, obgleich die räthe alles bescheidentlich dahin stellen,
und mit eröffnung ihrer erinnerung ihrem gewissen schon genug gethan haben,
dennoch von den meisten Regenten auf ihren expressen beyfall gedrungen, und
nicht leicht nach den mindern oder singular stimmen beschlossen wird. Denn die
schwachheit und unvollkommenheit der menschen weiset uns auff die communication
mit andern leuten, und will sich darvon auch ein monarch und alleiniger Regent
nicht ausschliessen lassen, woraus zugleich folget, daß diejenige
monarchal-regierung die beste sey, welche durch verständigen rath vieler redlichen leute
und diener gemäßiget wird, und daß dennoch die Teutschen Fürstenthümer unter
solche zahl auch gehören, und ein Regent sich solches nicht solte verdriessen
lassen, er habe nur gleiche stände, oder zum wenigsten seine bestellte räthe,
und |
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deren collegia. (5.) Eine andere beschaffenheit aber hat es,
wenn die Regenten nicht persöhnlich der räthe vota anhören, und da sind wieder
unterschiedliche modi Der eine ist, wenn die räthe ihre conclusa in schrifften
zu Hofe schicken, dergleichen weg an wenig orten gebräuchlich, und ob er gleich
mit grossem schein, und nicht ohne nutzen, auffkommen, oder noch auffgebracht
und eingeführet werden könte so hat er doch auch grosse incommoda und
zeit-verlust, läst sich aber zumahl nicht mit würcklichem success practiciren , wenn
nicht der Regent mit vortrefflichem verstande und fleiß von GOtt begabet ist.
Denn das wird erheischet wo er die resolutionen auff die übersendete protocolla
allein, und ohne zuziehung anderer räthe fassen soll. Denn er ist gleichwol ein
mensch, und zumahl in seinen eigenen angelegenheiten den affecten unterworffen,
zu dem auch wegen leibes und gemüths-gelegenheit nicht stets in einerley
kräfften des nachsinnens; So kan er auch aus den schrifften so viel nicht, als
aus denen mündlichen vorträgen und votis, und überlegung der rationum,
vernehmen und fassen; Dahero, wie erwehnet, werden einen solchen modum allein
die fürtrefflichsten und fleißigsten Regenten erwehlen, und mit nutz behaupten
können. Wolte aber ein Herr zu ertheilung der resolutionen, wiederum andere
räthe und confidenten ziehen, so wäre es nur doppelte arbeit, und möchte er
lieber anfangs mit denselben räthen die sache fürnehmen, und so viel collegia
nicht bestellen. Wo aber solcher modus mit schrifftlicher übersen- |
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dung der votorum gebräuchlich ist, da solte meines
erachtens, am diensamsten seyn, daß regulariter, mittelst fleißiger
deliberation und öffterer umfrage, dem Regenten ein einmüthiges gutachten
referiret würde, und nicht leichtlich dissentientia vota ihme fürkämen; Dafern
aber gleichwohl keine conformität zu erlangen wäre, so möchte am besten seyn,
erstlich die majora oder wo etliche stimmen wären, die eine meynung
voranzusetzen, darnach ohne vermeldung der räthe, welche realiter und
hauptsächlich dissentiret, die andere oder besondere meynungen und erinnerungen
anzuhängen, welche denn von dem cantzler oder präsidenten vorher abzulesen,
damit jeder dissentiens sehen könne, ob seine meynung eingenommen, und treulich
entworffen; Und zwar bedüncket mich dieses um deswillen sehr gut seyn, daß
nicht andernfalls wo eines jeden raths votum unter dessen nahmen protocolliret,
und dem regenten fürgebracht wird, nur eine vergebliche wiederholung,
wortschein, und singularität affectiret, oder dem Herrn zu verdruß oder zu
gefallen geredet und geschrieben werde. Denn obwol leute von tugend und ehren,
die in hohen ämtern sitzen, sich für solchen mißbräuchen billig hüten und
vorsehen, so sind sie doch nicht alle gleich gesinnet, und ist rathsamer, man
schneide die gelegenheit ab, zu zancksucht, heucheley, ostentation und
eigensinn. Es entgehet auch damit dem Herrn nichts, als der nicht auff die
person, sondern auff die momenta rationum sehen soll. Ja es schadet ihm
vielmehr, wenn er den autorem einer jeden meynung weiß. |
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Denn entweder die liebe, oder der widerwille, den er zu ihm
hat, kan ihn verführen, daß er zu seiner ungelegenheit einen bösen rath
annimmet, oder einen guten verschmähet. Nicht so gefährlich ist es dißfalls,
wenn der Regent die vota der räthe selbst höret. Denn da kan er auch zugleich,
wo zumal mehr, als einmal, umgefraget discuriret wird, die rationes der stimmen
besser betrachten, und selbst spüren, mit was grunde, manier und gemüthe, eines
und anders vorkommen, behauptet oder wiederleget wird; Da hingegen, wenn ihm
der todte und enge buchstabe der protocollen[1] fürkommet, in welchen der zeit
halben nicht wol müglich, alle motiven anzuziehen, viel weniger die argumenta
der gegenstimmenden beyzubringen, so muß er die resolution desto gefährlicher
auf sich allein stellen, und wo die affecten zu den personen dazu kommen, kan
er obgemeldeter massen leichtsam anstossen. (6.) Viel sicherer ist auch
diejenige art nicht, wenn der präsident des collegii oder auch ein geheimer
secretarius, die relation der gutachten übernimmet. Zwar in gemeinen und
leichten sachen hat es seine maasse, aber in wichtigen dingen, und bey
discrepirenden votis, ist es besser, die stimmen der räthe selbst zu hören, und
die reine quellen, als einen canal zu gebrauchen, der offt mit passion
verderbet, oder, was pro et contra vorkommen ist, zu fassen, und wol
vorzutragen, zu enge ist. |
⇩ [1] |
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* Am allerwenigsten würde es demnach ein Teutscher Regent vor
GOtt und in gewisser maasse vor dem höchsten Oberhaupte im Reiche verantworten
können, wenn er die schuld eines mißlungenen anschlages oder |
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Wie ein Regent ihm referiren lasse etc. §. 40. |
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empfundenen schadens seinem minister zuschreiben und wenn er
auf ihm über kurtz oder lang eine ungnade leget, sich wohl gar an dessen person
und vermögen erhohlen wolte. Denn ob gleich einem minister zukömmet, des Herrn
schaden, so viel an ihm ist, zu verhüthen, und mit auffrichtigen consiliis des
endes sich vernehmen zu lassen: So kan er doch jenes unmöglich allemahl an der
schnur haben, zumahl da das letztere nicht allemahl von dem Herrn angenommen,
vielmehr mit hindansetzung des guten raths dem befehl des Herrn gefolget wird.
Und weiln auch alle menschen fehlen können, so sind solche fehler, wo sie nicht
vorsetzlich und gar zu groß, gütig zu übersehen. Ein anders wäre also, wo ein
diener einer vorsetzlichen untreue und bößlich geführter rathschläge mit
bestand überführet werden könnte. Wiewohl doch hiebey grosse behutsamkeit und
moderation zu gebrauchen, damit niemanden zu wehe geschehe; Wovon vieles zu
schreiben wäre, wenn die materie solches leyden wolte. |
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** Ich kan hiebey nach anleitung dieser und folgender worte zu
erinnern nicht umhin, daß weder Herren noch diener im rathschlagen und
abfassung eines entschlusses sich übereylen, sondern so wohl jene dieses
verhüthen, als diese letztere dasselbe nicht unternehmen sollen. Sachen von
importanz wollen auch reifflich überleget seyn, sonsten heisset es nach dem
sprichwort: Canis festinans cœcos parit catulos. Manchmahl ist jemand von natur
eylsahm und will alle sachen gleichsahm über das knie abgebrochen wissen,
solches ist aber mehr eine unbedachtsahmkeit als hurtigkeit zu nennen; Wäre nun
dieser fehler bey einem Herrn, und das glücke oder unglücke führete denselben
einem auf gleiche arth gesinneten diener zu, da wird man wunder sehen, wie
mächtig in allen Regiments-sachen verstossen und unwiederbringliches nachtheil
verursachet werde. Ist aber ein herr sonst von penetranten geist, so können
zwar diener vortref- |
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Additiones zum II. T. C. 7. §. 32. n. 4. |
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lich wohl mit ihm zu rechte kommen, weil er deren rationes
und relationes genaue einsehen kan: Sie müssen aber doch dabey ungemeine
behutsamkeit gebrauchen, weil dergleichen gemüther meistens auch feurig zu seyn
pflegen, folglich sich gleichfalls in einer sache übereylen können, welches
ebenmäßig böse sviten nach sich ziehet. Am besten ist, es nehmen Herren und
diener zu allen wichtigen sachen, die nur ichts verzug leyden wollen, sich
genugsahme zeit, so werden sie finden, daß ihnen die erwachsene früchte desto
süsser schmecken werden. |
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*** Nicht allein gut sondern auch nothwendig ist solches, so
wohl vor Herren als vor diener. Man mercke auch nur auf, wo sich exempel finden
solten, da ein Herr mit einem diener alles allein tractirete, ob nicht allemahl
schädliche absichten entweder von seiten des Herrn oder des dieners, oder auch
beyder, mit unterlauffen: Auf seiten des Herrn, daß er gerne seine affairen
allein nach seinem kopfe durchgetrieben und sich dabey von keinen einreden und
billichen rathschlägen beunruhiget sehen möchte: Auf seiten des dieners aber,
daß er alles in allen seyn und etwan sonst seinen kuchen schmieren könne.
Andern redlichen dienern kan wenig daran liegen, weiln sie, wenn man deren rath
nicht begehret, wenigst den vortheil davon haben, daß sie keine verantwortung
und saure gesichter ertragen dürffen; Aber der Herr ist dabey übel versehen,
wie das ende davon zeugen muß. |
⇧ *** |
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