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Seckendorff: Teutscher Fürsten-Staat HIS-Data
5226-5-40
Additiones > §. 40
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Wie ein herr in Regiments- und Staats-sachen seine räthe votiren und referiren lasse
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S. 193 Wie ein Regent ihm referiren lasse etc. §. 40.
  Beym §. 33. Cap. 7.
  §. 40.
  DIe staats-sachen, von denen allhie gehandelt wird, einem Regenten zu referiren, gebühret sich in alle wege, und bestehet in resolution solcher geschäffte eigentlich sein amt, welches ihm kein verständiger entziehen, oder die diener alles nach ihrem gefallen, oder per majora, machen lässet. Zwar, wo ein herr mehr den nahmen, als die krafft der monarchischen regierung, hat, als zum exempel; Ein Hertzog zu Venedig oder Genua, der hat weiter nichts als ein präsident, mit seinem voto (das mag nun einfach oder doppelt gelten) zu beschliessen, und daß in dergleichen regierungen es sonst ziemlich wohl und löblich hergehet, und zumal der staat viel zeit unverrückt erhalten worden ist, das macht die sonderbare kluge verfassung desselben, und bevorab die ansehnliche zahl der senatoren, vor welche endlich die haupt-sachen kommen müssen, oder aus derer mittel diejenigen, welche die wichtige ordinar-geschäffte tractiren, mit sonderbahrer abwechselung erwehlet werden. Das gehet nun in Fürstenthümern nicht an. Denn die haupt-resolution muß der Fürst oder Herr geben, und darum wird auch in solchen regimentern viel ehe gefehlet, und der staat verrücket und geändert, nachdem nemlich der regent gesinnet und beschaffen ist. Die räthe eines Fürsten sind auch keine eigenmächtige glieder des regiments sondern von dem Regenten bestellte, und nach seinem willen veränderliche diener, auch an der zahl gering, und müssen ihre vo-
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  ta mit vielen ursachen und argumenten behaupten, und darüber entweder lob und beyfall, oder ungnade und sauere gesichte gewarten, da hingegen in den best-bestellten aristocratischen regierungen, oder auch in democratien, wo eine gewisse anzahl vom grossen volck zu rathschlägen deputiret wird, die stimmen heimlich, und mit gewissen zeichen, kugeln, oder bohnen abgezehlet werden, dahero fehlen die majora in solchen grossen collegiis, wo man (und zwar in wichtigen dingen, auff vorhergehende schwere beeydigung) alles stillschweigend votiret oder ballottiret, selten, und ist darbey eine grosse freyheit und auffrichtigkeit, weil keiner seine stimme verantworten oder bestreiten darff, und seine eigene collegen nicht wissen, was oder warum er auff Ja oder Nein gestimmet. Man kan auch solche collegia nicht wol corrumpiren, weil es gar zu viel kosten würde, und der sein geld etlichen wolte zuwenden, wäre nicht versichert, ob sie, ihrem versprechen nach, seine parthie gehalten hätten. Denn man weiß nicht, wo er seine kugel oder bohne hingeworffen, und muß man sich auff sein blosses vertrösten verlassen. Gantz anderst, sage ich, ist es mit dem ausschlag, den ein Teutscher Potentat, auff relation seiner räthe, giebet, bewand. Denn der räthe vorschläge werden für unverbündlich gehalten sie mögen nun unanimiter oder per majora, ausgefallen seyn. Wiewohl nun schon oben auch etwas hiervon berühret worden, so dienet doch zu erläuterung dieses §. 35. im text ferner zu bedencken, (1.) Daß der Regent zwar billich, wie allhier erinnert, seinen
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  eigenen verstand, nachdencken und sorge, gebrauchen und die sachen nicht fürnemlich auf seine diener stellen müsse. Denn er ist zum Fürsten und Haupt beruffen, so sind ihm auch die räthe nicht angebohren, oder von der republic zugeordnet, sondern er hat sie selbst bestellet, und da er darinn gefehlet, und sich mit untauglichen leuten versorget, oder ihnen ohne allen bedacht gefolget hätte, würde er damit weder im gewissen, noch für der welt bestehen, oder seines schadens sich erholen, wenn er blosser dinge sagen wolte, seine räthe hätten dieses und jenes also beschlossen;* Aber (2.) stehet die gröste kunst hierinnen, daß er unter dem schein sein amt zu thun, nicht in den gebrechen des eigensinnes falle, und treue, nützliche und practicirliche rathschläge jure principis, zu seinem selbst schaden vernichte, hingegen gefährlichen und singular-meynungen, oder seinem blossen willen folge. Weil aber hiervon oben schon viel geredet, ist dißfalls weitere anführung unnöthig. Wegen der art und weise aber ist (3) zu wissen, daß der Regent entweder, wie im text stehet, selbst denen deliberationen beywohnet, und eines jeden raths votum und rationes anhöret, oder daß er auf andere weise deren bedencken sich geben lasse: Zu dem ersten wege wolte ich am liebsten rathen, wo zumal der Regent sich moderiren kan, seine meynung und inclination verbirget, oder vielmehr noch keine resolution im hertzen also fest gefasset hat, die er nicht, auf angehörte vernünfftige und rechtmäßige ursachen ändern wolte, vielweniger aber die räthe hart anfähret, hönet oder bedrohet, oder doch ⇩ *
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  mit anderer gelegenheit, wo sie seinen meynungen zuwieder gewesen, dessen mit worten oder wercken entgelten lässet. Denn dergleichen wird er über ein- oder zweymal nicht thun, so soll er hernach kein freyes votum mehr hören, sondern wird ihm alles verdrehet und verkleistert, oder dunckel geredet, und von weichen gemüthern endlich das stillschweigen erwehlet werden, daß er sich über die servitut der räthe (wenigers nicht, als jener Käyser, wenn er aus dem Rath zu Rom gangen) endlich selbst verwundern, und nichts, als mißtrauen und verdruß, schöpffen wird; Oder es wird zur unzeit einer oder der andere endlich aus grosser ungedult loß fahren, daraus zorn und beschimpffung bey Herren und dienern entstehet. Ist also auf seiten des Regenten nichts nützlicher und ersprießlicher, als vorgedachte moderation und emporhaltung, oder suspension seiner meynung; Inmassen sich denn verständige Herren von jugend an darzu gewöhnen, zumal, da die sache schwer, und von grosser importantz oder nachklang ist, als zum exempel: Eine thätlichkeit und krieges-anstalt gegen nachbarn vorzunehmen, ein bündniß einzugehen, eine starcke anlage aufs land zu machen, eine alienation vorzunehmen, oder etwas mit onerosen mitteln zu acquiriren, einen anspruch gar abzuschlagen und gütliche handlungen zu brechen, stände im lande oder vornehme diener anzutasten, oder grosse änderungen mit ihnen vorzunehmen, heyrath zu schliessen, ansehnliche kosten aufzuwenden, und dergleichen; In solchen fällen ist unnöthig, daß der
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  Regent also den schluß mache, oder sich mercken lasse, ob er der räthe einmüthige, mehrere oder mindere stimmen billige, sondern nehme die sache zu weiterm bedencken, oder gebe eitel scrupel, die er bey einem oder andern voto findet, ohne sonderbahre benahmung oder antastung der person, welche votiret, zu weiterer erwegung, und damit man desto weniger seine inclination mercke, so opponire er auch derjenigen meynung etliche dubia, welche ihm am thunlichsten scheinet, und handele also noch zur zeit pro et contra. Hernach auf einen folgenden tag lasse er weiter deliberiren,** oder begehre eines jeden Raths gedancken schrifftlich, und stelle ihnen auch wohl, wenn es gefährliche dinge sind, und dem votanten eine besorgniß machen, solche seine schrifft hernach wieder zurück, oder er rede mit einem jeden Rath absonderlich, jedoch mit sanfftmuth und kaltsinnigkeit, so wird, nechst GOttes beystand, es ihme selten an ergreiffung des guten schlusses mangeln. Denn in collegio zu deliberiren hat diesen nutzen, daß sich einer vor dem andern schämet, eine ungereimte oder sclavische meynung auff die bahn zu bringen, es höret auch der Regent und jeder beysitzer des andern rationes und dubia, und kan der weiteren umfrage (denn in wolbestellten collegiis soll man, bey ereignung unterschiedlicher stimmen nicht leichtlich bey der ersten umfrage in wichtigen sachen beruhen) sich dadurch bewegen, oder mit seiner gegen-remonstration bescheidentlich hören lassen; In der privat- oder schrifftlichen eröffnung aber erkläret sich ein jeder ⇩ **
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  mit noch mehrerm bedacht, und ob gleich die gefahr darbey ist, daß aus respect des herrn, wenn man mit ihm allein zu thun hat, mancher zu furchtsam und schmeichelhafftig seyn möchte, so dienet doch dargegen die gehaltene deliberation in pleno, und wer sein darinn gegebenes votum ändern will, der muß gleichwol dringende ursachen anzeigen. (4.) Ob wol ein Herr und Regent nicht wohl thut, wenn er unzeitigen nicht gnugsam fundirten verdacht auff die räthe wirffet, wo sie ihm nicht in seinen vorhaben beystimmen, und sie bald für unverständig, bald für furchtsam, bald für hitzig, bald für eingenommen, überredet, oder bestochen halten, und sie etwan leichtlich von der berathschlagung ausschließen wolte; So soll er doch dabey nicht allerdings sicher seyn, wo er aus langer erfahrung, oder mit gutem grund, eines und andern fehler oder absehen erkennen lernen, und darum ist es eben gut und ersprießlich, daß ein Herr zu wichtigen sachen endlich mehr als einen mann*** gebrauchet, oder auch oben erinnerter massen mit verwandten und freunden sich vernehmen kan. Es ist auch nicht zu widerrathen daß er mit einem und andern, jedoch mit gutem glimpf und ohne præjudicial-verdamniß reden lasse, oder, nach gelegenheit selbst rede, und also anlaß gebe, daß ein verdächtiger sich entschuldigen, und den argwohn wegnehmen, oder, da er etwan gewancket, und sich zur ungebühr bewegen zu lassen, angefangen hätte, sich auf solche erinnerung bessern könne, dabey aber eine gute intention, so wol auch eine deutliche erklärung, auf seiten des Regenten ⇩ ***
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  nöthig, daß man einen diener mit solcher fürhaltung nicht suche abzuschrecken, umb ihn wider sein besser wissen und gewissen redend oder schweigend zu machen. Denn wo es diese meynung hätte, verirrete sich ein Herr über die maasse, und strebte zugleich wieder seinen eigenen nutzen. Denn worzu dienen die kosten, räthe und diener zu halten, und so viel zeit mit ihnen hinzubringen, wenn man nur verlanget, daß sie dem Regenten beystimmen sollen. Und hiebey ist nicht ein geringes geheimniß der menschlichen natur und neigung zu mercken, daß nemlich auch der strengeste und eigenwilligste Regent gleichwol nicht gerne wil dafür angesehen seyn, als wenn er ohne rath verführe. Denn daher kömmet es, daß, obgleich die räthe alles bescheidentlich dahin stellen, und mit eröffnung ihrer erinnerung ihrem gewissen schon genug gethan haben, dennoch von den meisten Regenten auf ihren expressen beyfall gedrungen, und nicht leicht nach den mindern oder singular stimmen beschlossen wird. Denn die schwachheit und unvollkommenheit der menschen weiset uns auff die communication mit andern leuten, und will sich darvon auch ein monarch und alleiniger Regent nicht ausschliessen lassen, woraus zugleich folget, daß diejenige monarchal-regierung die beste sey, welche durch verständigen rath vieler redlichen leute und diener gemäßiget wird, und daß dennoch die Teutschen Fürstenthümer unter solche zahl auch gehören, und ein Regent sich solches nicht solte verdriessen lassen, er habe nur gleiche stände, oder zum wenigsten seine bestellte räthe, und
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  deren collegia. (5.) Eine andere beschaffenheit aber hat es, wenn die Regenten nicht persöhnlich der räthe vota anhören, und da sind wieder unterschiedliche modi Der eine ist, wenn die räthe ihre conclusa in schrifften zu Hofe schicken, dergleichen weg an wenig orten gebräuchlich, und ob er gleich mit grossem schein, und nicht ohne nutzen, auffkommen, oder noch auffgebracht und eingeführet werden könte so hat er doch auch grosse incommoda und zeit-verlust, läst sich aber zumahl nicht mit würcklichem success practiciren , wenn nicht der Regent mit vortrefflichem verstande und fleiß von GOtt begabet ist. Denn das wird erheischet wo er die resolutionen auff die übersendete protocolla allein, und ohne zuziehung anderer räthe fassen soll. Denn er ist gleichwol ein mensch, und zumahl in seinen eigenen angelegenheiten den affecten unterworffen, zu dem auch wegen leibes und gemüths-gelegenheit nicht stets in einerley kräfften des nachsinnens; So kan er auch aus den schrifften so viel nicht, als aus denen mündlichen vorträgen und votis, und überlegung der rationum, vernehmen und fassen; Dahero, wie erwehnet, werden einen solchen modum allein die fürtrefflichsten und fleißigsten Regenten erwehlen, und mit nutz behaupten können. Wolte aber ein Herr zu ertheilung der resolutionen, wiederum andere räthe und confidenten ziehen, so wäre es nur doppelte arbeit, und möchte er lieber anfangs mit denselben räthen die sache fürnehmen, und so viel collegia nicht bestellen. Wo aber solcher modus mit schrifftlicher übersen-
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  dung der votorum gebräuchlich ist, da solte meines erachtens, am diensamsten seyn, daß regulariter, mittelst fleißiger deliberation und öffterer umfrage, dem Regenten ein einmüthiges gutachten referiret würde, und nicht leichtlich dissentientia vota ihme fürkämen; Dafern aber gleichwohl keine conformität zu erlangen wäre, so möchte am besten seyn, erstlich die majora oder wo etliche stimmen wären, die eine meynung voranzusetzen, darnach ohne vermeldung der räthe, welche realiter und hauptsächlich dissentiret, die andere oder besondere meynungen und erinnerungen anzuhängen, welche denn von dem cantzler oder präsidenten vorher abzulesen, damit jeder dissentiens sehen könne, ob seine meynung eingenommen, und treulich entworffen; Und zwar bedüncket mich dieses um deswillen sehr gut seyn, daß nicht andernfalls wo eines jeden raths votum unter dessen nahmen protocolliret, und dem regenten fürgebracht wird, nur eine vergebliche wiederholung, wortschein, und singularität affectiret, oder dem Herrn zu verdruß oder zu gefallen geredet und geschrieben werde. Denn obwol leute von tugend und ehren, die in hohen ämtern sitzen, sich für solchen mißbräuchen billig hüten und vorsehen, so sind sie doch nicht alle gleich gesinnet, und ist rathsamer, man schneide die gelegenheit ab, zu zancksucht, heucheley, ostentation und eigensinn. Es entgehet auch damit dem Herrn nichts, als der nicht auff die person, sondern auff die momenta rationum sehen soll. Ja es schadet ihm vielmehr, wenn er den autorem einer jeden meynung weiß.
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  Denn entweder die liebe, oder der widerwille, den er zu ihm hat, kan ihn verführen, daß er zu seiner ungelegenheit einen bösen rath annimmet, oder einen guten verschmähet. Nicht so gefährlich ist es dißfalls, wenn der Regent die vota der räthe selbst höret. Denn da kan er auch zugleich, wo zumal mehr, als einmal, umgefraget discuriret wird, die rationes der stimmen besser betrachten, und selbst spüren, mit was grunde, manier und gemüthe, eines und anders vorkommen, behauptet oder wiederleget wird; Da hingegen, wenn ihm der todte und enge buchstabe der protocollen[1] fürkommet, in welchen der zeit halben nicht wol müglich, alle motiven anzuziehen, viel weniger die argumenta der gegenstimmenden beyzubringen, so muß er die resolution desto gefährlicher auf sich allein stellen, und wo die affecten zu den personen dazu kommen, kan er obgemeldeter massen leichtsam anstossen. (6.) Viel sicherer ist auch diejenige art nicht, wenn der präsident des collegii oder auch ein geheimer secretarius, die relation der gutachten übernimmet. Zwar in gemeinen und leichten sachen hat es seine maasse, aber in wichtigen dingen, und bey discrepirenden votis, ist es besser, die stimmen der räthe selbst zu hören, und die reine quellen, als einen canal zu gebrauchen, der offt mit passion verderbet, oder, was pro et contra vorkommen ist, zu fassen, und wol vorzutragen, zu enge ist. ⇩ [1]
  * Am allerwenigsten würde es demnach ein Teutscher Regent vor GOtt und in gewisser maasse vor dem höchsten Oberhaupte im Reiche verantworten können, wenn er die schuld eines mißlungenen anschlages oder
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  empfundenen schadens seinem minister zuschreiben und wenn er auf ihm über kurtz oder lang eine ungnade leget, sich wohl gar an dessen person und vermögen erhohlen wolte. Denn ob gleich einem minister zukömmet, des Herrn schaden, so viel an ihm ist, zu verhüthen, und mit auffrichtigen consiliis des endes sich vernehmen zu lassen: So kan er doch jenes unmöglich allemahl an der schnur haben, zumahl da das letztere nicht allemahl von dem Herrn angenommen, vielmehr mit hindansetzung des guten raths dem befehl des Herrn gefolget wird. Und weiln auch alle menschen fehlen können, so sind solche fehler, wo sie nicht vorsetzlich und gar zu groß, gütig zu übersehen. Ein anders wäre also, wo ein diener einer vorsetzlichen untreue und bößlich geführter rathschläge mit bestand überführet werden könnte. Wiewohl doch hiebey grosse behutsamkeit und moderation zu gebrauchen, damit niemanden zu wehe geschehe; Wovon vieles zu schreiben wäre, wenn die materie solches leyden wolte.
  ** Ich kan hiebey nach anleitung dieser und folgender worte zu erinnern nicht umhin, daß weder Herren noch diener im rathschlagen und abfassung eines entschlusses sich übereylen, sondern so wohl jene dieses verhüthen, als diese letztere dasselbe nicht unternehmen sollen. Sachen von importanz wollen auch reifflich überleget seyn, sonsten heisset es nach dem sprichwort: Canis festinans cœcos parit catulos. Manchmahl ist jemand von natur eylsahm und will alle sachen gleichsahm über das knie abgebrochen wissen, solches ist aber mehr eine unbedachtsahmkeit als hurtigkeit zu nennen; Wäre nun dieser fehler bey einem Herrn, und das glücke oder unglücke führete denselben einem auf gleiche arth gesinneten diener zu, da wird man wunder sehen, wie mächtig in allen Regiments-sachen verstossen und unwiederbringliches nachtheil verursachet werde. Ist aber ein herr sonst von penetranten geist, so können zwar diener vortref-
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  lich wohl mit ihm zu rechte kommen, weil er deren rationes und relationes genaue einsehen kan: Sie müssen aber doch dabey ungemeine behutsamkeit gebrauchen, weil dergleichen gemüther meistens auch feurig zu seyn pflegen, folglich sich gleichfalls in einer sache übereylen können, welches ebenmäßig böse sviten nach sich ziehet. Am besten ist, es nehmen Herren und diener zu allen wichtigen sachen, die nur ichts verzug leyden wollen, sich genugsahme zeit, so werden sie finden, daß ihnen die erwachsene früchte desto süsser schmecken werden.
  *** Nicht allein gut sondern auch nothwendig ist solches, so wohl vor Herren als vor diener. Man mercke auch nur auf, wo sich exempel finden solten, da ein Herr mit einem diener alles allein tractirete, ob nicht allemahl schädliche absichten entweder von seiten des Herrn oder des dieners, oder auch beyder, mit unterlauffen: Auf seiten des Herrn, daß er gerne seine affairen allein nach seinem kopfe durchgetrieben und sich dabey von keinen einreden und billichen rathschlägen beunruhiget sehen möchte: Auf seiten des dieners aber, daß er alles in allen seyn und etwan sonst seinen kuchen schmieren könne. Andern redlichen dienern kan wenig daran liegen, weiln sie, wenn man deren rath nicht begehret, wenigst den vortheil davon haben, daß sie keine verantwortung und saure gesichter ertragen dürffen; Aber der Herr ist dabey übel versehen, wie das ende davon zeugen muß.
   

  Anmerkungen HIS-Data  
  [1] korrigiert aus: prototollen
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Stand: 3. September 2017 © Hans-Walter Pries