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Seckendorff: Teutscher Fürsten-Staat HIS-Data
5226-5-46
Additiones > §. 46
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Wie ein vieles an guter administration der kammer-sachen gelegen
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S. 250 (Forts.) Beym dritten Theil des Fürsten-Staats.
  §. 46.
  DAß vom cammer- und hoff-wesen so wenig nützliches geschrieben wird, und die bücher derer jenigen, welche darvon schreiben wollen, aber selbst nicht in direction oder expedition der cammer-sa-
S. 251 Von administrat. der Cammer-sachen. §. 46.
  [1]chen sich geübet, so kalt und unfruchtbar sich lesen und gebrauchen lassen, hat man sich nicht zu verwundern, wenn man die weitläufftigkeit der materien, wie auch ferner dieses bedencket, daß diejenige personen, welche zu solchen sachen bestellet werden, dermassen mehrentheils mit geschäfften überhäuffet sind, daß sie keine zeit übrig haben, dasjenige, was sie etwan nützlich observiret, oder auch werckstellig gemacht, zu papier bringen, oder sind auch zuweilen solche leute, die nicht studiret, sondern allein in haußhalts- und rechnungs-sachen eine fertigkeit erlanget haben, und also die hauptverrichtungen selbst weder verstehen, noch expliciren können, sondern müssen mit rath, oder unter der direction anderer, verfahren. So ist auch nicht leichtlich in einer provintz alles, was zum cammer sachen gehöret, oder in einerley art anzutreffen, sondern ist immer ein regal oder einkunfft anderst in diesem, anderst in einem andern lande zu verwalten und zu nutzen, oder ist auch diese oder jene nutzung gar nicht darinnen zu finden, wie es denn, zum exempel, an den wenigsten orten bergwercke hat. ⇩ [1]
  Bey der edition des Fürsten-Staats habe ich im dritten theil mich unterstanden, einen versuch zu thun, ob mit etwas mehrerm nutz und effect von dem cammer-wesen könte geschrieben werden, wiewohl ich zu der zeit nur zufällig zu dergleichen verrichtungen gebrauchet worden, und gleichwohl habe ich verspüret, daß einigen vornehmen personen solche meine arbeit nicht mißfallen, darum ich wol wünschen möchte, daß es an der zeit mir nicht ermangel-
S. 252 Additiones zum III. T.
  te, mich in diesem punct etwas mehr zu erklären, zumahl ich seithero den beruff gehabt, eine fürstliche cammer etliche jahre zu dirigiren, und also zu dergleichen dingen etwas mehr erfahrung zu erlangen. Denn obwohl die verdrießligkeit solcher verrichtungen und direction dermassen groß,* daß ich auch selbst, meiner gelegenheit nach, solche länger nicht über mich nehmen wollen, so ist doch gewiß und unläugbar, daß an guter bestellung des cammer- und hof-wesens so ein grosses, ja fast alles gelegen, daß, wo es daran ermangelt, alle andere verrichtungen und regiments-sachen nach und nach verderbet, geschwächet und vernichtet werden. Alle des Regenten und seiner vornehmen diener, fleiß, arbeit, tugend und glückseligkeit, muß aus den cammer-mitteln, und guter beschaffenheit des hof-wesens, erhalten, genehret, unterstützet und gefördert werden, oder es gehet einem solchen politischen leibe, dem das leben und die nahrung aus der cammer gebricht, ob er gleich sonst in andern stücken nicht übel beschaffen, mit der zeit nicht anderst, als einer schön-geschmückten leiche, welche mit allem zierath, köstlichen kleidern, schönen kräntzen, wolzugerichtetem sarge, für der fäule und vermoderung in die länge nicht zu erhalten; So sind auch die zwey gemeine, und gleichsam von ungeschickten oder untreuen medicis gebrauchte mittel, des borgens, und des übermachten anlegens und schatzens der unterthanen, nicht viel besser, noch fürträglicher, als wenn man (bey vorigem gleichniß zu bleiben) eine leiche mit warmen wein, oder mit anstrich und balsam, zu conserviren ⇩ *
S. 253 Von administrat. der Cammer-Sachen. §. 46.
  suchet. Denn ob sie gleich noch etwas länger erhalten wird, so hat es doch keinen bestand, sondern es ist und bleibet ein todter und stinckender leichnam, und gehöret ins grab, ohne weitern nutzen und ergötzung. In summa, wo es an geld und richtigem auskommen ermangelt, und mehr verzehret, als eingenommen wird, da kan man in keinem stück des regiments mit ehren und gedeyen fortkommen, aller orthen stösset man am geld-mangel an, dessen muß der staat, kirchen und schulen, land und leute, herr und knechte entgelten, immassen dieses auch die einfältigsten und geringsten hoff-diener und unterthanen verstehen und beklagen, auch etliche bösewichte selbst, die an einem solchen mangel und verderben die meiste schuld tragen, werden es in ihrem hertzen und gewissen bezeugen, und an ihrem eigenen exempel empfinden müssen. Denn sie mehrentheils um den gegenwärtigen kurtzen genoß, wollust und pracht, nicht nur ihre seelen, die sie vielleicht nicht fühlen oder erkennen, sondern auch wol ihre und der ihrigen zeitliche wolfahrt mit auffopffern, und in die schantze schlagen, in der nichtswürdigen und desperaten hoffnung, oder vielmehr liederlichen kindischen einbildung, es könne noch so und so lang mit borgen und sorgen, und mit particken und offenbarer ungerechtigkeit, der staat (wie sie es nennen) geführet werden, oder, da sie nicht so sehr dem pracht und den wollüsten, als dem geitz und unbilliger bereicherung, ergeben, sind sie doch darbey ungewiß und furchtsam, daß sie nicht ihr eigen exempel treffen werde, wenn etwa der Regent endlich die vollgezogene schwämme selbst ausdrücken solte.**
S. 254 Additiones zum III. T.
  * Und dieses ist eben die ursach, daß sonderlich geschickte personen so viel sie können, sich davor hüten, und folglich niemand gerne so lange darbey bleibet, daß er zu einer recht gründlichen erfahrung und wissenschafft gelangen könte.
  ** Man solle fast nicht meynen, daß menschen von so thörichten anschlägen, wie sie der herr autor allhier beschreibet, gefunden werden solten: Wenn man aber bedencket, daß wohl keine wunderlichere creatur in der welt ist, als der mensch, so wollen wir dem herrn autori zuglauben, daß es dergleichen bediente gebe, welche das interesse imaginarium pro vero und das temporarium pro perpetuo erwehlen, und ihr eigenes vermeintes interesse ihrer pflicht und gewissen vorziehen. Allein was kan doch dieses wohl vor einen ausgang gewinnen? Keinen andern in warheit, als das verderben des landes, und am ende solcher diener eigenen ruin. Man könte hierbey noch vieles etwan nicht undienliches erinnern, es ist aber eine kützliche sache, und daher nicht so wohl vieles davon zu schreiben, als vielmehr zu wünschen, daß GOtt aller hertzen also regieren wolle, damit ein jeder seine pflicht bedencken möge.

  Anmerkungen HIS-Data  
  [1] Seite in BSB nicht vollständig gescannt. Fehlstellen wurden aus der Ausgabe 1754 der ULB Sachsen-Anhalt ergänzt.
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Stand: 11. September 2017 © Hans-Walter Pries