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⇦ S. 250: §. 45 |
S. 250 (Forts.) |
Beym dritten Theil des Fürsten-Staats. |
Scan 1136 |
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§. 46. |
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DAß vom cammer- und hoff-wesen so wenig nützliches
geschrieben wird, und die bücher derer jenigen, welche darvon schreiben wollen,
aber selbst nicht in direction oder expedition der cammer-sa- |
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S. 251 |
Von administrat. der Cammer-sachen. §. 46. |
Scan 1137 |
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[1]chen sich geübet, so kalt und unfruchtbar sich lesen und
gebrauchen lassen, hat man sich nicht zu verwundern, wenn man die
weitläufftigkeit der materien, wie auch ferner dieses bedencket, daß diejenige
personen, welche zu solchen sachen bestellet werden, dermassen mehrentheils mit
geschäfften überhäuffet sind, daß sie keine zeit übrig haben, dasjenige, was
sie etwan nützlich observiret, oder auch werckstellig gemacht, zu papier
bringen, oder sind auch zuweilen solche leute, die nicht studiret, sondern
allein in haußhalts- und rechnungs-sachen eine fertigkeit erlanget haben, und
also die hauptverrichtungen selbst weder verstehen, noch expliciren können,
sondern müssen mit rath, oder unter der direction anderer, verfahren. So ist
auch nicht leichtlich in einer provintz alles, was zum cammer sachen gehöret,
oder in einerley art anzutreffen, sondern ist immer ein regal oder einkunfft
anderst in diesem, anderst in einem andern lande zu verwalten und zu nutzen,
oder ist auch diese oder jene nutzung gar nicht darinnen zu finden, wie es
denn, zum exempel, an den wenigsten orten bergwercke hat. |
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Bey der edition des Fürsten-Staats habe ich im dritten theil
mich unterstanden, einen versuch zu thun, ob mit etwas mehrerm nutz und effect
von dem cammer-wesen könte geschrieben werden, wiewohl ich zu der zeit nur
zufällig zu dergleichen verrichtungen gebrauchet worden, und gleichwohl habe
ich verspüret, daß einigen vornehmen personen solche meine arbeit nicht
mißfallen, darum ich wol wünschen möchte, daß es an der zeit mir nicht
ermangel- |
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S. 252 |
Additiones zum III. T. |
Scan 1138 |
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te, mich in diesem punct etwas mehr zu erklären, zumahl ich
seithero den beruff gehabt, eine fürstliche cammer etliche jahre zu dirigiren,
und also zu dergleichen dingen etwas mehr erfahrung zu erlangen. Denn obwohl
die verdrießligkeit solcher verrichtungen und direction dermassen groß,* daß
ich auch selbst, meiner gelegenheit nach, solche länger nicht über mich nehmen
wollen, so ist doch gewiß und unläugbar, daß an guter bestellung des cammer-
und hof-wesens so ein grosses, ja fast alles gelegen, daß, wo es daran
ermangelt, alle andere verrichtungen und regiments-sachen nach und nach
verderbet, geschwächet und vernichtet werden. Alle des Regenten und seiner
vornehmen diener, fleiß, arbeit, tugend und glückseligkeit, muß aus den
cammer-mitteln, und guter beschaffenheit des hof-wesens, erhalten, genehret,
unterstützet und gefördert werden, oder es gehet einem solchen politischen
leibe, dem das leben und die nahrung aus der cammer gebricht, ob er gleich
sonst in andern stücken nicht übel beschaffen, mit der zeit nicht anderst, als
einer schön-geschmückten leiche, welche mit allem zierath, köstlichen kleidern,
schönen kräntzen, wolzugerichtetem sarge, für der fäule und vermoderung in die
länge nicht zu erhalten; So sind auch die zwey gemeine, und gleichsam von
ungeschickten oder untreuen medicis gebrauchte mittel, des borgens, und des
übermachten anlegens und schatzens der unterthanen, nicht viel besser, noch
fürträglicher, als wenn man (bey vorigem gleichniß zu bleiben) eine leiche mit
warmen wein, oder mit anstrich und balsam, zu conserviren |
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S. 253 |
Von administrat. der Cammer-Sachen. §. 46. |
Scan 1139 |
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suchet. Denn ob sie gleich noch etwas länger erhalten wird,
so hat es doch keinen bestand, sondern es ist und bleibet ein todter und
stinckender leichnam, und gehöret ins grab, ohne weitern nutzen und ergötzung.
In summa, wo es an geld und richtigem auskommen ermangelt, und mehr verzehret,
als eingenommen wird, da kan man in keinem stück des regiments mit ehren und
gedeyen fortkommen, aller orthen stösset man am geld-mangel an, dessen muß der
staat, kirchen und schulen, land und leute, herr und knechte entgelten,
immassen dieses auch die einfältigsten und geringsten hoff-diener und
unterthanen verstehen und beklagen, auch etliche bösewichte selbst, die an
einem solchen mangel und verderben die meiste schuld tragen, werden es in ihrem
hertzen und gewissen bezeugen, und an ihrem eigenen exempel empfinden müssen.
Denn sie mehrentheils um den gegenwärtigen kurtzen genoß, wollust und pracht,
nicht nur ihre seelen, die sie vielleicht nicht fühlen oder erkennen, sondern
auch wol ihre und der ihrigen zeitliche wolfahrt mit auffopffern, und in die
schantze schlagen, in der nichtswürdigen und desperaten hoffnung, oder vielmehr
liederlichen kindischen einbildung, es könne noch so und so lang mit borgen und
sorgen, und mit particken und offenbarer ungerechtigkeit, der staat (wie sie es
nennen) geführet werden, oder, da sie nicht so sehr dem pracht und den
wollüsten, als dem geitz und unbilliger bereicherung, ergeben, sind sie doch
darbey ungewiß und furchtsam, daß sie nicht ihr eigen exempel treffen werde,
wenn etwa der Regent endlich die vollgezogene schwämme selbst ausdrücken
solte.** |
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S. 254 |
Additiones zum III. T. |
Scan 1140 |
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* Und dieses ist eben die ursach, daß sonderlich geschickte
personen so viel sie können, sich davor hüten, und folglich niemand gerne so
lange darbey bleibet, daß er zu einer recht gründlichen erfahrung und
wissenschafft gelangen könte. |
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** Man solle fast nicht meynen, daß menschen von so
thörichten anschlägen, wie sie der herr autor allhier beschreibet, gefunden
werden solten: Wenn man aber bedencket, daß wohl keine wunderlichere creatur in
der welt ist, als der mensch, so wollen wir dem herrn autori zuglauben, daß es
dergleichen bediente gebe, welche das interesse imaginarium pro vero und das
temporarium pro perpetuo erwehlen, und ihr eigenes vermeintes interesse ihrer
pflicht und gewissen vorziehen. Allein was kan doch dieses wohl vor einen
ausgang gewinnen? Keinen andern in warheit, als das verderben des landes, und
am ende solcher diener eigenen ruin. Man könte hierbey noch vieles etwan nicht
undienliches erinnern, es ist aber eine kützliche sache, und daher nicht so
wohl vieles davon zu schreiben, als vielmehr zu wünschen, daß GOtt aller
hertzen also regieren wolle, damit ein jeder seine pflicht bedencken möge. |
S. 254 §. 47. ⇨ |