HIS-Data
Seckendorff: Teutscher Fürsten-Staat HIS-Data
5226-5-49
Additiones > §. 49
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Lob der accisen vor denen steuren u.d.g.
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S. 264 (Forts.) §. 49.
  Weil es heut zu tage dahin kommen will, daß wegen übermachter kosten der hof-statten oder anderer beschwerungen, die cammer-mittel, welche aus
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  denen ämtern oder ordinar-mitteln erhoben werden, nicht mehr zulangen, sondern extraordinar-einkünffte, und zwar mehrentheils aus dem armuth der unterthanen durch starcke anlagen gesuchet werden, sich auch die leute hin und wieder fast darein ergeben, daß sie solcher bürden nicht loß werden möchten; So entstehet die consideration, ob die art und weise, welche in den meisten orthen in Teutschland mit schatzungen und steuren gebrauchet wird, billig-mäßig, auch nützlich sey, oder ob nicht eine andere und bessere zu finden, zumal aber diejenige vorzuziehen, welche in andern Landen mit Accisen, Licenten, und Consumtionen, gebrauchet wird: Hiervon kan ich der sachen wichtigkeit nach, allhie nicht reden, und würden auch demonstrationes, durch exempel und Uberschlag des Landes einkünfften, der anzahl der einwohner, und quantitäten der gebräuchlichen steuer-anschläge, erfordert, wenn man Regenten, und dero diener, gründlich persuadiren wolte. Ich inclinire aber sehr dahin, daß entweder die anlagen nach den gründen oder gütern, auf gülden oder schocken, gar moderat seyn, und ein jahr lang über eines vom hundert nicht kommen müsten, (wiewol in vorzeiten kaum ein halber gülden, oder auch noch weniger, vom hundert jährlich genommen worden, jetzo aber drey, vier, fünff vom hundert manchen orts, wenn man alles zusammen rechnet, angeleget wird) oder, wo man damit nicht auslangen könne, daß das andere mittel der Accisen besser seye, und ob es gleich anfangs weniger als die grund-schatzungen, auswürffe und ertrüge, so wird es dennoch mit der zeit
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  viel fruchtbarer und ersprießlicher sich ergeben. Denn alle solche entrichtungen, weil sie eintzeln und unvermerckt geschehen, und nicht durch execution und zwang eingetrieben werden, oder alsdenn erst gegeben werden, wenn der erleger geld hat, und etwas kauffet oder verkauffet, haben viel weniger ungemach, und können viel länger dauren. Hingegen haben die anschläge der güter mancherley unbillichkeit und parteyligkeit, sind auch öfterer veränderung unterworffen, und müssen solche schatzungen mehrentheils zu grosser unzucht, mit äusserstem schaden der unterthanen, eingehoben werden, dadurch kommen die güter in unwerth, auch lieget die last fürnehmlich denenjenigen ob, welche den feld-bau mit grosser wagniß und beschwerung führen müssen. Bey denen Accisen scheinet es zwar, daß die reichsten am wenigsten geben, in effectu aber schadet solches nicht allein dem gemeinen wesen nichts, sondern es nützet vielmehr, indem reiche leute viel arme nehren, und mit ihrem verlag und zehrung dem Lande mehr eintragen, als wenn sie mit würderung ihres vermögens abgeschrecket und vertrieben werden. So irret auch nicht, daß man das armuth des gemeinen mannes fürschützen, und meynen wolte, daß es zu hart wäre, auf brodt und fleisch, geträncke, und dergleichen mehr, etwas zu setzen, indem arme leute mit vielen kindern behäuffet, auf solche maasse so viel oder mehr geben, als mancher reicher, der ohne kinder, oder mit wenigen, in stattlichen gütern sässe, und allein den acciß, aber[1] keine steuer oder schatzung, aufs hundert bezahlete. Denn darauf ist
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  schon vorher gesaget, daß solche reiche leute entweder mit handel und wandel, oder mit kostbarer erbauung ihrer feld-güter, viel leute fördern und ernehren; So können auch die handwercker und taglöhner einen grössern lohn und profit machen, wenn die reichen leute bey mitteln gelassen werden, als welche alsdenn mehr arbeiten lassen, mehr kauffen, und besser bezahlen, und mehr leuten mit ausleihen zur nahrung helffen; Dahero erfähret man, daß in Niederland das tagelohn und allerhand verdienst, höher ist, als in Teutschland, und ist gleichwol die anzahl der reichen und handels-leute daselbst auch unvergleichlich grösser: Denen gar armen leuten aber muß, zu erhaltung ihres leibes und vieler kinder, durch milde anstalten geholffen werden, als oben auch berühret, und das exempel der mehrgemeldeten Niederlande ebener gestalt vor augen ist. So geben auch endlich die frembden und befreyeten zu den accisen nicht ein geringes, welche bey den grund-schatzungen nichts tragen, oder allerley unterschleiff und befreyungen suchen. Ist also gar scheinbar, daß, wenn es recht angegriffen würde,* den Regenten und landen das mittel der accisen viel fürträglicher seyn, auch die land-stände, in begreifung des nutzens, der, nach aufhebung der schweren schatzungen, in vermehrung der nahrung und leute, ihnen auch zukommen würde, sich wohl unterweisen und lencken lassen solten, welche bey übermachten anlagen ihrer unterthanen endlich doch auch verarmen müssen. Beydes aber mit einander einzuführen, nemlich starcke grund-schatzungen, und wöchentliche und
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  monathliche anlagen, auf die bürger, handwercker und unterthanen zu machen, und zugleich auch hohe accisen auf geträncke, brod und fleisch zu setzen, das kan in die länge nicht dauren, noch dem Lande die nahrung und gedeyliche vermehrung der unterthanen fördern, sondern eins wird das andere verderben, die häuser leer, und die güter öde machen. Glückselig ist der Regent zu preisen, der am allermeisten sich seiner cammer-güter, und alter hergebrachter renten, zölle, und dergleichen einkünffte, nähret, und die unterthanen mit anlagen am leidlichsten hält, und darmit bequemlich und erschwinglich umgehen, auch sonsten vielen leuten, dienern und fremden, gutes thun kan, auch keine lust oder begierde zu ihren gütern und vermögen hat, der wird nicht allein für Gott und in seinem gewissen am besten damit bestehen, und groß vergnügen, ehre und liebe haben; Sondern auch, anstatt eines gegenwärtigen vergänglichen nutzens, der aus strengen anlagen oder harten straffen eine zeitlang entstehet, seinen statt am beständigsten pflantzen, und ihm und seinen nachkommen an der zahl, reichthum und vergnügung der unterthanen, auch erlangung treuer diener, einen unvergleichlichen schatz sammlen, der ihn, nechst GOtt, in keiner noth stecken lassen wird; Als ferne er auch darbey sein amt und beruff mit ernst verrichtet, und seinen eigenen nutzen und gefallen mit dem wolstande seiner unterthanen dermassen verknüpffet und vereiniget achtet, daß eines ohne das andere nicht bestehen, noch bey ihm jemals ein streit und gegensatz des honesti und utilis,
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  der billigkeit und profits, sich ereignen könne, sondern eines mit dem andern pro suprema lege, unverrückt gelte, und befördert werde.
  * Hieran lieget wohl das allermeiste bey dieser frage. Denn ob gleich die im text berührte gründe an sich selbst unstrittig, und die consumtions-accisen vor denen güther-steuern einen grossen vorzug haben, sonst auch so richtig nicht, daß durch accisen die armen mehr als die reichen mitgenommen würden, inmassen die reichen so wohl in kleidung als speise und tranck weit köstlicher sich halten, auch mit ihren vielen bedienten weit mehr als etliche arme haußhaltungen verthun; So ist doch an erwegung der umstände, und wenn es auf die frage kommet, ob in diesem oder jenem lande in hypothesi der accis mit nutzen eingeführet werden könne, hauptsäglich gelegen. Nun wird man bey genauer überlegung finden, daß zwar in ziemlich grossen weitbegriffenen landen der nutzen sothanen accises seine richtigkeit habe, und mit der zeit, wenn zumahl das werck nicht so gar genau gesuchet wird, (denn dadurch schrecket man die leute sonst zu sehr ab, im lande zu zehren und zu negotiiren) sich treflich vermehren können; Allein in mäßigen oder kleinen landen, und die zumahl an viele fremde Herrschaften gräntzen, lässet es sich unmöglich thun, es wäre denn, daß die nachbahrn selbst dabey concurriren wolten. Denn wo das letztere nicht wäre, so wird man sehen, wie alles unglücklich ablauffen werde: die theurung wird in solchen orten unvermeidlich seyn, der mangel an victualien wird einreissen, jedermann wird sich scheuen dahin zufuhre zu thun, und, so viel möglich, die benachbahrte städte und örter, wo solcher accis nicht ist, suchen: Dadurch werden die nachbahrn in auffnehmen, das land selbst aber in schaden gerathen, die einwohner werden sich, wer nur kan, nach und nach verliehren, die handwercker und commercien abnehmen, und was das meiste,
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  so wird der accis selbst bey weiten nicht so viel, als vorher die steuer, ertragen. Wir haben dieses um deßwillen nur mit wenigen bemercken wollen, damit man sehen könne, wie vielerley umstände bey einem wercke zu überlegen stehen, ehe man so schlechterdings zu einer änderung schreiten, und dasjenige in ipsis rerum argumentis erfüllen könne, was etwan hie und da in thesi beschrieben, oder sonst, auch wohl von müßigen leuten, in vorschlag gebracht worden.
   

  Anmerkungen HIS-Data  
  [1] korrigiert aus: oder
   
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Stand: 11. September 2017 © Hans-Walter Pries