S. 50 (Forts.) |
CAP. III. |
⇦ S. 50 (Anfang) |
|
Von der Maasse der Landes-Fürstlichen Hoheit, oder Regierung, welche durch
Verordnung der Vorfahren, oder gewisse Verträge, und altes Herkommen, wegen anderer
hohen Personen und Stände, mit denen ein Landes-Herr befreundet oder benachtbart ist,
verursachet wird. |
Scan 70 |
|
|
|
|
Innhalt. |
|
|
In einigen teutschen fürstenthümern gilt das recht der erstgeburth. §. 1. |
|
|
In andern hat die theilung ober eine gesammte regierung unter des ältisten
direction statt §. 2. |
S. 52 |
|
bey der theilung werden auch wohl etliche stücke in gemeinschafft behalten.
§. 3. |
S. 54 |
|
In andern ländern ist das territorium gemischt, folglich die regierung darnach
eingeschräncket. §. 4. |
S. 55 |
|
auch wird die regierung in ansehen des lehn-herrn und der mitbelehnten gemäßiget.
§. 5. |
S. 56 |
|
|
|
§. 1 |
§. 1. |
|
|
BEy denen teutschen weltlichen fürstenthumern und landen ist dieser merckliche
unterschied |
|
S. 51 |
Anderer Theil. Cap. 3. |
Scan 71 |
|
wohl in acht zu nehmen, daß bey vielen, wenn der landes-herr etliche söhne und
erben verläst, dennoch keine theilung vorgehet, sondern die regierung der länder in
gesammt behalten wird, und allezeit dem Erstgebohrnen allein zukommet, dergestalt, daß
er seinen brüdern und deren nachkommen, entweder ein blosses geld zum jährlichen
unterhalt, oder etwas an ämtern und herrschafften zu nutzen eingiebet,* und sie also
vom lande abtheilet und findet, sich aber alle landes-fürstl. Hoheit darüber
vorbehält, oder doch nur etliche wenige stücke, welche die regierung an sich selbst
nicht angehen, noch beeinträchtigen, ihnen verstattet, alsdenn insonderheit bey den
Churfürstenthümern, und denen darzu eigentlich gehörigen landen, durch die
reichs-satzungen es also verordnet, in andern aber, durch herkommen, oder gewisse pacta und
privilegia, also gebräuchlich ist. |
|
|
* Das erstere wird insgemein eine apenage
oder apanagium, das letztere aber paragium geheissen, von welcher aus Frankreich
hergeleiteten distinction, der gelehrte herr Hertius sich beklaget, daß solche in die
teutsche rechts-lehre unrecht eingemischet worden, und desfals des hr. Schilters
meynung weitläufftig wiederleget hat. Beyde gelehrte mànner haben nachgehends ihre
vorfechter gefunden, deren streit wir itzo nicht ausmachen wollen. Doch scheinet, daß
in erst-belobten hr. Hertii tractat de commentitia paragii et apanagii distinctione
viele Gelahrtheit enthalten, welcher also weiters nachgesehen werden
kan. |
|
S. 52 |
Teutschen Fürsten-Staats |
Scan 72 |
§. 2 |
§. 2. In etlichen fürstenthümern, land- und herrschafften aber pflegt der
erstgebohrne keinen Vortheil, wegen der erst-geburt zu haben, kan auch die länder,
wider seiner brüder willen, nicht beysammen behalten, sondern ist zu theilen schuldig,* oder es wird die regierung des landes insgesammt mit einander durch gemeinen schluß
und willen, und durch gesamte diener in sämtlicher herren, und eines jeden insonderheit
nahmen geführet, oder, da gleich etwan dem ältesten nebenst dem vorsitz, die direction
der justitz, und anderer täglichen gemeinen sachen in der herren brüder nahmen
gegönnet, werden doch alle wichtige regiments- und stats-sachen von allen zugleich
vorgenommen und angeordnet. |
|
|
* Wie sehr aber (anderer in addit. §. 24. bemerckten ursachen nicht zu gedencken) das ansehen, macht und würde der hohen häuser
durch solche theilungen geschwächet werden, lieget am tage, und braucht daher keines
weitern beweises, sondern nur eines wohlgemeinten wunsches, daß bey denen noch übrigen
fürstlichen und gräfflichen Häusern das primogenitur-recht gleichfalls eingeführet
werden möchte. |
|
|
Nicht weniger aber pflegen öffters die jüngeren herren brüdere mit dem ältesten,
sich also freundlich zu vergleichen, daß das land nicht allezeit wieder getheilet
werde, sondern wenn es nicht gar groß und weitläufftig ist, und nicht ein jeder herr
ein eignes im reich benahmtes fürstenthum, oder so viel, als das einem solchen gleich
zu schätzen wäre, zu |
|
S. 53 |
Anderer Theil. Cap. 3. |
Scan 73 |
|
seinem antheil bekommen kann: Und bey solchem zustande pfleget man dem ältesten
herrn die regierung in seinem und der herren brüder namen zu führen,** auf gewisse
maasse und weise nachzulassen, einmahl weiter und mehr als das andermahl, wie es die
umstände der zeit, auch das alter und die gelegenheit der andern herren erfordert.
Mehrentheils aber wird es also gemässiget, daß der älteste herr eine Direction, das
ist, die erste umbfrage in der berathschlagung, und auf die geschlossene sachen, die
anstalt der Execution hat, doch allenthalben seiner herren brüder nahmen mit gedencken,
und in wichtigen dingen, ohne der andern herren wissen und willen nichts vornehmen
dürffe, darneben ihm zur ergetzung seiner mühwaltung, und verlag etlicher gemeiner
kosten, ein gewisses aus den gesammten einkommen zum voraus gefolget, das übrige aber
gleich eingetheilt wird, allermassen solches aus den verträgen, erb-statuten und
herkommen jedes landes umständlich abzunehmen, und daraus die art und form des
regiments eigentlich zu schliessen. Man findet auch exempel, daß die lande mit aller hoheit, jedoch nicht in gleiche
theile, sondern nur Örterung- oder Mutschierungsweise*** gesondert werden, welches
aber mehrentheils nur ein interims-werck ist. |
⇧ Anfang |
|
** Ein nahmhafftes exempel haben wir in dem
fürstl. Sachsen-gothaischen Hause nach dem tode Ernesti Pii zu sehen gehabt, wiewohl
solche einrichtung nicht lange gedauret, sondern die fürstl. herren |
|
S. 54 |
Teutschen Fürsten-Staats |
Scan 74 |
|
brüdere aus vielen vorgekommenen ursachen bald davon abgegangen
sind. |
|
|
*** Es soll dieses wort von muyten, mutare,
und schieren scindere, herkommen, und bedeutet nichts anders, als wenn zwey oder mehr
gebrüdere ober vettern sich mit einander vergleichen, daß sie in regierung der ererbten
lande alle 2, 3, 4 oder mehr jahre umwechseln wollen, dessen ein exempel
Gerardus de Rhoo von den vormündern Alberti V. aus der Österreichischen,
und Georg Fabricius von
hertzog Johann Friedrich II. und hertzog Johann Wilhelm aus der Sächsischen historie
anführen: sic inter se conveniunt, sagt der letzte, ut quilibet eam (hereditariam
ditionem) per decennium gubernet, initio a natu maximo Joanne Friderico II. facto.
woraus erhellet, daß Springsfeld und andere diese Muthschierung vor eine art der
apenage gantz irrig halten. |
|
§. 3 |
§. 3. Auf eine andere aber geringere weise wird auch die landes-regierung
gemäßiget, wenn auch nach beschehener theilung in gewisse fürstenthümer und lande
etliche Stücke ausgesetzt, und insgemein behalten werden, in welchen hernach kein
theil-haber allein und für sich etwas anordnen darff, sondern es ist der älteste
schuldig, die andern deswegen um rath zu fragen, und nach der meinung, der sie sich mit
einander zu vergleichen haben, in der sache in aller der andern nahmen, wenn es ihme
also eingeräumet, zu verfahren: Oder es werden die anordnungen in allen solchen
gesammten sachen, wie sie einmüthig von allen beschlossen, auch von einem jeden Herrn
insonderheit, und nahmentlich gethan. Und bestehen sol- |
|
S. 55 |
Anderer Theil. Cap. 3. |
Scan 75 |
|
che ausgesetzte gesammte dinge zum theil auf einen gewissen antheil und lande, die
man nicht füglich hat theilen können, zum theil aber in etlichen sonderbahren regalien
und gerechtigkeiten, als zum exempel in bergwercken, müntze, universitäten,
beschreibung der Land-Stände, stelle und stimm auf Reichstägen, und dergleichen mehr.* |
⇧ Anfang |
|
* Ingleichen in gemeinschafftlichen
prætensionen, führung gemeiner processe, u.d.g. wovon jedes hausses pacta und recesse
nachricht geben. |
|
§. 4 |
§. 4. Andere mäßigungen und vermischungen entstehen daher, daß an manchem ort ein
gewisser benachbarter fürst, oder andere obrigkeit, die dem landes-herrn nicht
unterworffen, auch eben so viel als der landes-herr, oder doch etliche rechte und
gerechtigkeiten hat; dahero ein herr in demselbigen ort weiter nicht verfahren darff,
als wie es das alte herkommen, oder die aufgerichteten verträge,
Einungen und Burg-Frieden in solchen gemeinschaffts-orten oder
Gan-Erbschafften, wie sie genennet werden,* ausweisen. |
|
|
* Und zwar aus mißbrauch des nahmens;
angesehen die gan-erbschafften sonsten gewisse zur gemeinen sicherheit und defension,
auch gemeinschafftl. succession errichtete einungen und pacta genennet worden; deren zu
den alten zeiten sehr viele in Teutschland gewesen, wie die von den publicisten hin und
wieder erzehlet werden: deme die gan-erbschafft Dundorff, Rauenstein und Schaumberg
noch beyzufügen sind, wie ich aus alten Schaumbergischen briefen wahrgenom- |
|
S. 56 |
Teutschen Fürsten-Staats |
Scan 76 |
|
men, in welchen sie sich nennen: Wir ein gemein geschlecht von
Schaumberg, gahn-erben des burggraffthums dundorff und burgfriedens zu rauenstein:
Heutiges tages aber nennen sich in denen vermischten Orten der fränckischen und anderer
landen ohn unterschied gan-erben die ein und andern orts eigene mit aller voigtey ihnen
zustehende unterthanen und lehenschafften haben, welche bedeutung nunmehr der landen
gantz usuel worden, in der that aber nichts anders als ein condominium ohne alle
weitere würckung importiret. |
⇧ Anfang |
§. 5 |
§. 5. Weiln auch die meisten fürstenthümer, land- und herrschafften dem Heil.
Reich, oder an dessen statt einem andern stand lehenbahr sind, daß daran nicht allein
der lehens-herr seinem heimfall, sondern auch die vettern und agnaten, die von
demjenigen, der solches lehen am ersten empfangen, herstammen, oder mit dem besitzer in
gesamter hand und mitbelehnschafft stehen, ihre erbfolge haben, so folget daraus, daß
ein landes-herr auch so weit gebunden ist, daß er ohne wissen und einwilligung seiner
mitbelehnten brüder und vettern, und dann des lehen-herrn, solche seine lande, oder
einen ansehnlichen theil davon, oder die landes-fürstliche regalien, gerechtsam- und
herrlichkeiten, nicht verkauffen, verschencken, im letzten willen auf andere, als denen
es rechtswegen gebühret, verordnen, auch mit bestande nicht verpfänden, wiederlößlich
einräumen, oder dergleichen mehr thun kan, was die gebräuchlich lehenrechte verbieten,
wiewohl über diesen punct vieler orten sonderbare verträge und erbeinungen verfasset
sind, auch sonst bey so ansehlichern land und leuten we- |
|
S. 57 |
Anderer Theil. Cap.4. |
Scan 77 |
|
gen ein und andern amtes, gutes, und nutzung durch die landes-herren, ohngeachtet
der lehnbarkeit viel freyer, als etwa bey geringen ritter-lehen und gütern verfahren,
und solches vieler umstände halben, so genaue nicht gesucht wird.* |
|
|
* Und hieher gehört auch die frage: wie
ferne ein nachfolger im regiment dergleichen alienata reluiren oder revociren könne,
ingleichen wie weit er die Schulden zu bezahlen verbunden? |
S. 57 Cap.4 ⇨ |