S. 119 (Forts.) |
|
⇦ S. 119 §. 10 (Anfang) |
§. 10 (Forts.) |
Als Erstlich gegen Kayserl. Majestät und das Reich hält
man sich in des landes-fürsten geheimder rathstuben gefasset, und weiß 1. wie man dem
römischen kayser in schreiben, und auch im reden und aufwarten, da der landes-herr in
person vor Ihrer Majestät erscheinen sollte, den schuldigen respect erweisen soll,
allermassen davon gewisse nachricht aus |
Scan 139
|
S. 120 |
Teutschen Fürsten-Staats |
Scan 140 |
|
dem exempel der vorfahren, und unserer zeiten in schrifften zu finden. 2. So offt
sich enderung der käyserlichen person, oder auch bey dem landes-herrn zutrüge, gebühret
sich, daß um die gewöhnliche belehnung, mit dem fürstenthum und annehmung der pflicht-
oder reichs-huldigung angesucht werde, deßwegen bey der cantzeley die art und weise,
wie solches nach altem herkommen geschehen müsse, und was für personen und kosten darzu
gehören, zu finden. 3. Die käyserliche befehle und anordnungen an den landes-herrn
werden nicht allein angenommen und gelesen, sondern auch in schuldigster gebühr
erwogen, und nachdem sie den reichs-schlüssen und herkommen gemäß, durch fürstliche
ausschreiben im lande publiciret. 4. Gebühret dem landes-herrn und dessen räthen zu
wissen, wie viel an geld und volck in gemeinen reichs-nöthen, oder gewilligten anlagen,
das land dem römischen käyser und dem reich gebe und contribuire, auch wie und was
masse es ausgeschrieben und eingenommen werden soll, zu verordnen. 5. So der landes-
herr von einem andern verklaget wird, hat er zu bedencken, wie er nach gelegenheit der
sache, und ausweisung der reichs-constitutionen, sich einzulassen, und seine nothdurfft
fürzubringen habe, also auch im gegentheil, wo er wider jemands eine sache hätte, die
für des reichs austräge oder höchsten gerichte gehöret, wo und wie er dieselbige
anhängig machen wolle, damit weder in der sache selbst, noch in der art und weise
solche zu führen, oder im proceß verstossen werde. Zu solchem ende wird erfordert, |
|
S. 121 |
Anderer Theil. Cap. 7. |
Scan 141 |
|
daß der landes-herr am käyserl. Hof, und am käyserl. cammer-gericht, seine
bestellte agenten, procuratores und advocaten halte, denenselben gewisse instruction,
auch besoldung gebe. Ingleichen 6. zu unterhaltung käyserl. cammer-gerichts jährlich
ein gewisses, so ihme nach des reichs-ordnung zugetheilet, beyschiesse, auch was
daselbst und am käyserl. hofe vor gebühren und sportuln erheischet werden, gehöriger
massen abtragen lasse. Gleich wie aber der landes-herr vor sich und durch seine räthe
dem jenigen nachkommen muß, worzu ihn die schuldigkeit gegen Käyserl. Majestät und das
Reich verbindet, also pflegt er auch, und ist ihm nicht weniger zu erhaltung seiner
hoheit und staats angelegen, dahin zu sehen, daß ihme auch seine Landes-Fürstliche
Regierung, Freyheiten und privilegien dißfalls ungeschmälert bleiben, indeme er nicht
zugiebet, sondern dagegen seine nothdurfft gebührlich anzuführen bedacht ist, wenn (1.)
Ihme in seiner regierung, landes-ordnung, und ertheilung der justitz, eine andere
maasse und ordnung fürgeschrieben werden wollte, als welche den reichs-satzungen und
herkommen gemäß ist. * (2.) Wenn man ihme seine unterthanen von seinem gehorsam,
gerichtbarkeit und obrigkeits-zwang abfordern, und zur ungebühr schützen wolte. ** (3.)
Wenn ihme in religions- und andern sachen solche dinge anbefohlen und zugemuthet
werden, welche den reichs-satzungen zuwider wären. (4.) Wenn Ihme und seinen
unterthanen steuer und schatzungen, welche |
|
S. 122 |
Teutschen Fürsten-Staats |
Scan 142 |
|
nicht im reich gewilliget worden, oder mehr als ihme zukäme, auferlegt und
angeheischet würden. (5.) Wenn ihme ein anderer stand im reich, oder ein fremder
potentat zum ober-herrn in etlicher, oder allen sachen wollte aufgedrungen werden. (6.)
Wenn ihme die gerichts-stellen, da fürsten und herren ihre sachen klagen und
verantworten, wolten versperret, und er oder seine unterthanen, an andere orte gezogen,
und an ausübung des rechtens verkürtzet und übereilet werden. (7.) Wann ihme an seinem
Reichs-Fürsten-stande, ehre, herrlichkeit, vorzug und würden, abbruch und beschimpffung
wolte zugezogen werden. In solchen und dergleichen fällen ist gute behutsamkeit und
weiser rath vonnöthen, wie solchen beschwerden, wenn sie zumahl aus übelen bericht oder
ungestümen anhalten eines gegentheils, oder in unruhigen zeiten und zerrüttung des
gantzen reichs von höhern orten herrühren, mit geziemender verantwortung,
remonstration, schrifftlich, oder durch gesandschafften, durch rath und handlung
anderer vertrauter chur- und fürsten, sonderlich der nechsten anverwandten, durch
beschwerung auf reichs-tägen, und andere, nach erzeigung der fälle, zuläßige mittel, *** unverletztes
gewissens, und sonder grössere gefahr der land und leute, abzuhelffen
sey? Ingleichem, wie gegen andere stände des reichs, oder fremde, so sich dieselbe
etlicher dergleichen dinge unterstünden, in- und ausserhalb reichs, in güte, und mit
zugelassener gegenwehr zu verfahren. |
|
S. 123 |
Anderer Theil. Cap. 7. |
Scan 143 |
|
* Wohin
auch gehöret, was wir sonst von der macht gesetze zu geben, item, die reichs-schlüsse
und gesetze anzunehmen, gesagt haben. |
⇧ Anfang |
|
** Vordem zwar dependirte die verbothene
abforderung der unterthanen von Kayserl. concession, nachmahls aber ist solche gemeines
rechtens worden. Und was den ungebührlichen schutz betrifft, ist gleichfalls deutlich
genug versehen, daß, wenn auch unterthanen wider ihren landes-herrn hohen orts klagen
würden, doch denenselben nicht schlechter dings geglaubet, sondern erst um bericht
geschrieben werden solle. Welches denn bey denen hohen reichs-gerichten in frischer observanz ist. |
|
|
*** Welche zwar meistens, zumahl bey dergleichen zeiten, die der text
anmercket, von schlechter würckung seyn: Sonderlich möchte man von der beschwerung auf
reichs-tägen fast sagen, wie vormahls von denen processen zu Speyer: Spiræ lites
spirant, non exspirant: Das beste mittel ist, wenn ein fürst durch guten haußhalt und
andere kluge anstalten sich auf den nervum rerum gerendarum schicket, mit dessen hülffe
er viele feurige pfeile wird abwenden können. |
S. 123 §. 11 ⇨ |