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Seckendorff: Teutscher Fürsten-Staat HIS-Data
5226-2-7-21
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Von der rechten bescheidenheit.
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S. 151 (Forts.)   ⇦ S. 151 (Anfang)
  §. 21. Die vierdte Haupt-Tugend setzen wir allhier die bescheidenheit, das ist eine rechte mittel-strasse, und wohl gemäßigte bezeugung des landes-fürsten, welche aus vermischung und rechten gebrauch anderer tugenden, als der großmüthigkeit, großthätigkeit, tapfferkeit, ansehnlichkeit oder magnificentz, freygebigkeit, und dann der demuth und freundlichkeit entstehet. Scan 171
  Die bescheidenheit zwar ist eine solche tugend, die auch dem grössesten monarchen und mächtigsten könige in der welt anständig ist, und bestehet darinn, daß ein regent von sich selbst und sei-
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  ner macht und hoheit vernünfftig und bescheidentlich urtheilet, und sich darinnen mäßig und recht bezeiget: und schließen wir damit nicht aus, daß ein regent soll seyn großmüthig, indem er einen tapffern muth, unverzagtes hertz, hohe anschläge, und fürstl. gedancken hat, und sich von widerwärtigkeit und unglück nicht so bald überwinden, und erschrecken lässet, sondern beständig und unverändert bleibet. Großthätig, ansehnlich, und freygebig, daß er, zum exempel, stattliche gebäude verführet, ansehnlichen hof hält, sich fürstl. und herrlich kleidet, reiche präsenten und verehrungen austheilet, grosse stifftungen zu geist- und weltlichen sachen aufrichtet, seine anschläge stattlich hinaus führet, und so fortan, sintemahl dieses und dergleichen niemand anders, als grossen herren und regenten gebühret, kan es auch sonst niemand thun, und erwecken ihnen solche dinge hohes ansehen und herrlichkeit.
  Allein wir erfordern hingegen auch die bescheidenheit, und geziemende demuth, und wollen dabey ausgeschlossen haben, stoltz und hoffarth, überflüßigen pracht, unnöthige kostbare geld-spilterung, ruhmsüchtige vergebliche anschläge, verschwendung und verminderung des landes einkünfften, frevel und unbesonnenheit, und was für unheil mehr aus allzu hoher einbildung herkömmet. Daß wir es aber absonderlich auf die teutschen fürstenthümer und dergleichen mittelmäßige regimenter, appliciren, so ist die tugend der bescheidenheit um so viel
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  desto nöthiger, weil die regenten, wie wir in vorhergehenden berichtet sind, auf mancherley wege sich zu bedencken, und über sich, auf sich, neben sich und unter sich, bey verführung ihres staats, zu sehen haben. Das fundament dieser tugend ist die hertzliche erkäntniß seiner selbst, oder die demuth, daß nehmlich der landes-herr weißlich erkennet, daß er gleichwohl als andere, ein sterblicher sündiger mensch, unter Gott, ja auch einer hohen weltlichen obrigkeit sey, auch sein vermögen und macht nicht unendlich, sondern auf gewisse maasse gebunden, auf einen gewissen bezirck landes und auf eine mittelmäßige und erschöpffliche einkunfft gegründet sey. Wo dieser grund recht geleget ist, so wird sich die tugend der bescheidenheit von sich selbst finden und spüren lassen, daß er nemlich nicht mehr von sich hält, redet, schreibet, und von andern geredet, und gerühmet haben will, als der bekandte stand mit sich bringet, er wird keine höhere titul, mehrere ungebräuchliche aufwartung, grössere anzahl oder höhere diener, kostbare gebäude, speisung, kleidung und dergleichen, gebrauchen und begehren, keine grössere begnadigunq und schenckungen thun, wichtigere und höhere anschläge, und neue anstalten fürnehmen, als sein stand, nach guter und alter gewonheit des reichs und landes, und die gelegenheit seines ordentlichen einkommens und vermögens, erfordert und mit sich bringet. Denn wo er hierinnen unter dem falschen schein einer großmüthigkeit, tapfferkeit, fürstl. standes hoheit, magnificentz und ansehnligkeit, aber eigentlich da-
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  von zu reden, aus hochmuth, unbesonnenheit, ehrgeitz, nachahmung und eifer gegen andere höhere und niedrigere, eiteler hochhaltung und einführung des fremden und auswürdischen, und anderer thorheit, anders verfähret, seinen staat nach vorher gesetzten stücken allzu hoch erstrecket, oder weitläufftige seltsame anschläge vornimmt, und nicht zuvor sich selbst, und die maasse seines vermögens, die nutzbarkeit des vorhabens, die gebühr des standes, und dergleichen nöthige umstände wohl erweget, oder durch seine räthe betrachten, und sich rathen lässet, wird er damit, nechst dem er sich an GOtt versündiget, andere hohe potentaten und nachbarn zu neyd und eyfer, seine diener und unterthanen aber, zu unwillen und haß bewegen, sein einkommen erschöpffen, sich in schulden stecken, oder die alten beschwerungen behalten, zu nöthigen ausgaben die mittel verlieren, darnechst auf neue aufsätze und vortheilhafftige griffe dencken, in seinem unrathsamen vorhaben dennoch wohl zurück bleiben, und an statt unverhofften ruhms, ehre und hoheit, nichts als schimpff und grossen schaden, auch schwächung seiner macht und würde, davon bringen. *  
  Diese bißhero beschriebene vier tugenden erstrecken und erweisen sich nun nicht allein im gemeinen leben und wandel, sondern vornemlich auch in allen regiments-geschäfften des landes-herrn, und kan er damit zweyerley seiner person gantz unentbehrliche stücke erlangen, nehmlich, die gunst und treuen willen seiner unterthanen, und denn ein anse-
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  hen und ehrerbietung, so wohl von denselben, als seinen nachbarn, auch gar den feinden selbst.
  * Es haben auch hohe regenten hiebey noch ferner nützlich zu bedencken, daß durch übermäßigen pracht oder andern auffgang, welcher deren einkünffte übersteiget, ihnen mehr verachtung als ruhm und ehre zugezogen werde. Denn es wissen doch andere ohnedem, wie weit sich etwan eines regenten einkünffte erstrecken, und wenn sie eines übermäßigen auffwands gewahr werden, haben sie darüber heimlich ihren spott und verachtung. Dahingegen wo ein regent mäßigen und ordentlichen hof hält, seine bedienten mit hinlänglichen besold, und respective mit behöriger kleidung und unterhalt versiehet, auf nützliche anstalten hinlängliche mittel wendet, dabey aber allemahl auf den zustand seiner revenuën, und daß ein nöthiger vorrath an geld auf allen fall vorhanden seyn möge, sein absehen nimmet, so wird er nicht allein bey auswärtigen und bey iedermann in grossem ansehen und respect leben, sondern auch vor sich ein glückseliges regiment, ohne viele gemüths kränckende unruhen führen können.
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Stand: 14. September 2017 © Hans-Walter Pries