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Seckendorff: Teutscher Fürsten-Staat HIS-Data
5226-2-7-23
Anderer Theil > Cap. 7 > 2. Theil > Landesherr > §§ 23-25
Werk Inhalt ⇧ Landesherr
  • §. 23: auch ist bey einem regenten vor die gaben und übungen des leibes zu sorgen.
  • §. 24: und daß die gesundheit ... erhalten werde.
  • §. 25: wohin auch dienen die zuläßige ergetzlichkeiten.
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S. 159 Nachdem auch zu übung der tugenden die Gaben des Leibes erfordert werden, so erheischet die gebühr, daß auch ein großer herr auf seinen leib, dessen kräffte und erquickung, gute sorgfalt anwende.[1]
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§. 23 §. 23. Und zwar, weil stärcke und hurtigkeit des leibes, nechst der natürlichen art desselben, guten theils der auferziehung, und übung in der jugend, zuzuschreiben, so ist auch dieses ein nothwendiger punct bey auferziehung junger herrschafft, daß sie zu erlangung solcher qualitäten des leibes, und erhaltung rechter gesundheit, in rechter diät oder ordnung der speise, der arbeit, der ruhe und der ergetzung, durch nützliche übung in acht genommen und unterwiesen werden.
  Ein regent aber, der in fleißiger verrichtung seines amts begriffen ist, und dadurch die kräffte seines leibes angreiffet und schwächet, hat mit fleiß dahin zu sehen, auch seine räthe darauf treuliche erinnerung, wo es nöthig wäre, zu thun, daß er seine leibes-gesundhelt mit der hülffe Gottes, und so viel in menschlichen vermögen stehet, erhalte, und die kräffte desselben ersetze. Solches geschicht:
§. 24 §. 24. 1. Durch ein ordentliches mäßiges leben, und gute diät * insgemein, wie solche der vernunfft, und constitution des herrn, auch guter gewohnheit gemäß ist, und im nothfall die ärtzte, und insonderheit des landes-herrn bestellte und vereydete leib-medici, denen die leibes-gelegenheit ihres herrn bekannt ist, darinnen weiter rathen können. Zu solchem ende pflegen hohe personen gelehrte, gewissenhaffte und treue ärtzte, auch fleißige und treue diener, die mit ihrer speiß und tranck, k!eidung und anderer leibes-wartungen, umgehen, zu bestellen. ⇩ *
  2. Durch vernünfftige austheilung der arbeit, und der ruhe- und erquick-stunden. Es ist zwar ein regent mit vielen unterschiedlichen
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  sachen bemühet, dieselben erzeigen sich auch nicht alle in steter ordnung und auf einerley weise, sondern fallen einmahl häuffiger, eilsamer und ungewöhnlicher vor, als das ander mahl, also, daß er eben dißfalls keine so gar genaue zeit und maasse seiner arbeit halten kan: ordentlich aber und gemeiniglich ist er nach gelegenheit des landes billig dahin bedacht, daß er gewisse tage zu dieser, andere zu einer andern verrichtung, auch die stunden des tages also eintheile, daß ihme zu nöthigen dingen die zeit nicht ermangele, und dennoch auch zu seiner ergetzung und ruhe etwas übrig bleibe, welches er denn wohl und füglich wird thun können, wenn er eigentlich betrachtet, und unterscheidet, was das amt eines regenten, oder die verrichtung eines dieners erfordert, also sich mit unnöthiger mühe nicht belade, seine kräffte damit verderbe, das nöthigste hindansetze, und ein anders, so wohl warten könne, vorziehe. Daher gebrauchen etliche löbliche regenten diß mittel einer feinen, bequemen, schrifftlichen abfassung und begriff aller dinge, worinnen ihre meiste verrichtung und arbeit bestehe, welche nach allen umständen der zeit, der örter, oder derer diener, die dazu gebrauchet werden, verfasset sind, wie oben auch angedeutet worden. 3. Insonderheit aber hat er sich wohl in acht zu nehmen, und seine treue räthe sollen, so viel müglich, dafür seyn, daß er mit starcken gemüths-bewegungen, als da sind sonderlich der Zorn, schrecken und grosse traurigkeit, nicht überfallen werde, welches denn unter andern auf solche weise vermie-
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  den wird, daß der regent nicht selbst und in eigener person, mit verdrießlichen sachen, und zumahl die mit unbescheidenen und groben leuten zu handeln sind, sich bemühe, sondern dasselbige lieber durch seine diener thun lasse. Daß ihme auch widerwärtige zufälle mit gutem glimpff und vorbereitung, und nicht plötzlich und heftig vorgebracht, **  auch wenn er, als ein mensch, sich in zorn oder eiffer beweget, von seinen dienern aus unterthäniger treuer liebe und respect, so viel gewissens und ehre halben müglich, ihme nachgegeben, seiner hohen person und schweren amts geschonet, und weiter unglück verhütet, auch, da gleich einem diener etwa in der eil zuviel geschehe, die verantwort- oder erinnerung lieber zur andern zeit ausgesetzet werde, und was dergleichen behutsamkeiten mehr sind, die bediente hierinnen brauchen können. ⇩ **
  * Wohin auch gehöret, daß eine bequeme zeit und stunde zur speise, und tafel-zeit gehalten werde. Denn wenn hierinnen aus tag nacht, und aus nacht tag gemacht wird, so verursachet es eine ungemeine unordnung, und schwächet nicht allein die lebens-kräffte, sondern es schadet auch an allen übrigen regiments-geschäfften, wie solches weitläufftig zu erweisen stünde. Unbekant mag nicht seyn, was von der hoffhaltung Salomonis in heil. schrifft aufgezeichnet zu finden, welches billig zu einen schönen modell dienen kan, als solches der herr cantzlar Reinking, und D. Schuppius in seinen regenten-spiegel gewiesen haben. ⇧ *
  ** Getreuen dienern lieget allerdings ob, diese und andere dergleichen dinge, wodurch eine allzu grosse gemüths bewegung entstehen kan, sorgfältig zu verhüten, entweder, daß solche bey dem herrn nicht einreis- ⇧ **
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  sen, oder wo er bereits sich hierzu gewehnet und alle kleinigkeiten beeyfern will, daß er auf glimpfliche art davon abgezogen werde. Höchst zu tadeln aber ist, wenn diener selbst aus ungleichen absichten, um andere zu verkleinern, oder sich etwan necessair zu machen und den herrn gleichsam in fürchten zu erhalten, daß er ihrer nicht entrathen, sondern zu noch mehrerer gnade und gutthat gegen sie bewegt werden möge, zu dergleichen gemüths-unruhen anleitung geben, und bald diese und jene gefahr oder kummer, bald wieder einige freude oder hoffnung zu erregen wissen. Welches, wo es der herr selbst nicht mercken sollte, von andern aufrichtigen getreuen dienern besorget und davor rath geschaffet werden muß, wiedrigens gewiß ein unglück und gäntzliche schwächung der gemüths-kräffte des regenten daraus zu befahren stehen.
§. 25 §. 25. Endlich hat auch ein regent zugelassene und anständige ergetzlichkeiten zu gebrauchen, als da sind nach unserer teutschen landes-art und gewohnheit: Spatzieren gehen, reiten und fahren, in der reuterey und ritter-spielen sich üben, im ball-hause, und mit ballonen spielen, jagt und waidwerck gebrauchen, fischereyen vornehmen, fürstl. gastmahle und banquet zuweilen halten, und sich mit seinen vornehmsten dienern darbey besprachen, und ergetzen, andere fürsten und herren besuchen, oder auch bey ehrlichen ausrichtungen seiner land-stände und diener sich finden lassen, bey künstlichen aufzügen, täntzen, balleten, comödien, music, feuerwerck, büchsen- und armbrustschiessen, in mahlerey, gartenwerck, und andern dergleichen dingen sich erlustigen. Bey welchen allen aber gute maasse und vorsichtigkeit in acht zu nehmen,
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  daß ein regent durch solche ergetzlichkeiten sich nicht zu sehr einnehmen lasse, denenselben meistentheils obliege, und seine nothwendige regierungs-arbeit damit versäume, also auch die kosten darzu, und zumahl bey trübseligen zeiten, und bey überhäufften andern nöthigen aufwendungen, nicht übermäßig mache, sondern bedencke, wie viel er ohne sonderbaren abgang der nothdurfft, und zu ehren und lust entrathen könne, auch seine leibes-gesundheit darbey beobachte, und allzustarcke bewegung, und abbrechung an gebührlicher ruhe darinnen vermeide, niemanden, der zu einem und andern nicht lust hat, darzu nöthige, noch ihn darum anfeinde, und verachte, oder die leute, welche in solchen stücken etwa eine sonderbahre hurtigkeit haben, über die gebühr ehre, vorziehe und begnadige, dadurch andere und nützliche diener betrübe, und verdrossen mache, endlich auch solcher lust, welche seiner person und respect nicht wohl anstehet, oder, damit er sich versündiget, sich gäntzlich enthalte. Denn es stehet zum exempel, einem regenten übel an, wenn er selbst in mummerey und comödien sich gebrauchen, vor andern leuten musiciren, oder solche leibes-übung, die einer gemeinen handthierung sich vergleichen, oder läppisch und verächtlich seyn, obliegen wolte. Sündliche kurtzweilen aber sind, einem gewinnsüchtigen karten- und würffel-spiel nachhängen, an armen närrischen menschen spott und ergetzung suchen, auch wohl schwachsinnige personen gar um ihren verstand bringen, schandbare zoten und possen anhören, schädliche und fre-
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  velhaffte, gefährliche dinge vornehmen lassen, dadurch die diener und unterthanen in gefahr leibes und ihrer gesundheit kommen, dazu auch gehöret der in Teutschland leider! nicht ungewöhnliche mißbrauch der jagten, wenn die herren daraus ein handwerck machen, ihre meiste zeit damit zubringen, und zu dem ende die unterthanen mit steten jagt-frohnen von ihrer nahrung abhalten, oder auch in gefährlichen jagten derselben tod oder verletzung liederlich verursachen.

  Anmerkungen HIS-Data  
  [1] Wegen des Zusammenhanges aus §. 22 erneut eingefügt.
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Stand: 14. September 2017 © Hans-Walter Pries