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Nachdem auch zu übung der tugenden die Gaben des Leibes erfordert
werden, so erheischet die gebühr, daß auch ein großer herr auf seinen leib, dessen
kräffte und erquickung, gute sorgfalt anwende.[1] |
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§. 23 |
§. 23. Und zwar, weil stärcke und hurtigkeit des leibes,
nechst der natürlichen art desselben, guten theils der auferziehung, und
übung in der jugend, zuzuschreiben, so ist auch dieses ein nothwendiger
punct bey auferziehung junger herrschafft, daß sie zu erlangung solcher
qualitäten des leibes, und erhaltung rechter gesundheit, in rechter diät
oder ordnung der speise, der arbeit, der ruhe und der ergetzung, durch
nützliche übung in acht genommen und unterwiesen werden. |
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Ein regent aber, der in fleißiger verrichtung seines
amts begriffen ist, und dadurch die kräffte seines leibes angreiffet und
schwächet, hat mit fleiß dahin zu sehen, auch seine räthe darauf treuliche
erinnerung, wo es nöthig wäre, zu thun, daß er seine leibes-gesundhelt mit
der hülffe Gottes, und so viel in menschlichen vermögen stehet, erhalte,
und die kräffte desselben ersetze. Solches geschicht: |
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§. 24 |
§. 24. 1. Durch ein ordentliches mäßiges leben, und gute
diät * insgemein, wie solche der vernunfft, und constitution des herrn,
auch guter gewohnheit gemäß ist, und im nothfall die ärtzte, und
insonderheit des landes-herrn bestellte und vereydete leib-medici, denen
die leibes-gelegenheit ihres herrn bekannt ist, darinnen weiter rathen
können. Zu solchem ende pflegen hohe personen gelehrte, gewissenhaffte und
treue ärtzte, auch fleißige und treue diener, die mit ihrer speiß und
tranck, k!eidung und anderer leibes-wartungen, umgehen, zu bestellen. |
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2. Durch vernünfftige austheilung der arbeit, und der
ruhe- und erquick-stunden. Es ist zwar ein regent mit vielen
unterschiedlichen |
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sachen bemühet, dieselben erzeigen sich auch nicht alle
in steter ordnung und auf einerley weise, sondern fallen einmahl häuffiger,
eilsamer und ungewöhnlicher vor, als das ander mahl, also, daß er eben
dißfalls keine so gar genaue zeit und maasse seiner arbeit halten kan:
ordentlich aber und gemeiniglich ist er nach gelegenheit des landes billig
dahin bedacht, daß er gewisse tage zu dieser, andere zu einer andern
verrichtung, auch die stunden des tages also eintheile, daß ihme zu
nöthigen dingen die zeit nicht ermangele, und dennoch auch zu seiner
ergetzung und ruhe etwas übrig bleibe, welches er denn wohl und füglich
wird thun können, wenn er eigentlich betrachtet, und unterscheidet, was das
amt eines regenten, oder die verrichtung eines dieners erfordert, also sich
mit unnöthiger mühe nicht belade, seine kräffte damit verderbe, das
nöthigste hindansetze, und ein anders, so wohl warten könne, vorziehe.
Daher gebrauchen etliche löbliche regenten diß mittel einer feinen,
bequemen, schrifftlichen abfassung und begriff aller dinge, worinnen ihre
meiste verrichtung und arbeit bestehe, welche nach allen umständen der
zeit, der örter, oder derer diener, die dazu gebrauchet werden, verfasset
sind, wie oben auch angedeutet worden. 3. Insonderheit aber hat er sich
wohl in acht zu nehmen, und seine treue räthe sollen, so viel müglich,
dafür seyn, daß er mit starcken gemüths-bewegungen, als da sind sonderlich
der Zorn, schrecken und grosse traurigkeit, nicht überfallen werde, welches
denn unter andern auf solche weise vermie- |
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den wird, daß der regent nicht selbst und in eigener
person, mit verdrießlichen sachen, und zumahl die mit unbescheidenen und
groben leuten zu handeln sind, sich bemühe, sondern dasselbige lieber durch
seine diener thun lasse. Daß ihme auch widerwärtige zufälle mit gutem
glimpff und vorbereitung, und nicht plötzlich und heftig vorgebracht, **
auch wenn er, als ein mensch, sich in zorn oder eiffer beweget, von seinen
dienern aus unterthäniger treuer liebe und respect, so viel gewissens und
ehre halben müglich, ihme nachgegeben, seiner hohen person und schweren
amts geschonet, und weiter unglück verhütet, auch, da gleich einem diener
etwa in der eil zuviel geschehe, die verantwort- oder erinnerung lieber zur
andern zeit ausgesetzet werde, und was dergleichen behutsamkeiten mehr
sind, die bediente hierinnen brauchen können. |
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* Wohin auch gehöret, daß eine bequeme zeit und stunde
zur speise, und tafel-zeit gehalten werde. Denn wenn hierinnen aus tag
nacht, und aus nacht tag gemacht wird, so verursachet es eine ungemeine
unordnung, und schwächet nicht allein die lebens-kräffte, sondern es
schadet auch an allen übrigen regiments-geschäfften, wie solches
weitläufftig zu erweisen stünde. Unbekant mag nicht seyn, was von der
hoffhaltung Salomonis in heil. schrifft aufgezeichnet zu finden, welches
billig zu einen schönen modell dienen kan, als solches der herr cantzlar
Reinking, und D. Schuppius in seinen regenten-spiegel gewiesen haben. |
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** Getreuen dienern lieget allerdings ob, diese und
andere dergleichen dinge, wodurch eine allzu grosse gemüths bewegung
entstehen kan, sorgfältig zu verhüten, entweder, daß solche bey dem herrn
nicht einreis- |
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sen, oder wo er bereits sich hierzu gewehnet und alle
kleinigkeiten beeyfern will, daß er auf glimpfliche art davon abgezogen
werde. Höchst zu tadeln aber ist, wenn diener selbst aus ungleichen
absichten, um andere zu verkleinern, oder sich etwan necessair zu machen
und den herrn gleichsam in fürchten zu erhalten, daß er ihrer nicht
entrathen, sondern zu noch mehrerer gnade und gutthat gegen sie bewegt
werden möge, zu dergleichen gemüths-unruhen anleitung geben, und bald diese
und jene gefahr oder kummer, bald wieder einige freude oder hoffnung zu
erregen wissen. Welches, wo es der herr selbst nicht mercken sollte, von
andern aufrichtigen getreuen dienern besorget und davor rath geschaffet
werden muß, wiedrigens gewiß ein unglück und gäntzliche schwächung der
gemüths-kräffte des regenten daraus zu befahren stehen. |
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§. 25 |
§. 25. Endlich hat auch ein regent zugelassene und
anständige ergetzlichkeiten zu gebrauchen, als da sind nach unserer
teutschen landes-art und gewohnheit: Spatzieren gehen, reiten und fahren,
in der reuterey und ritter-spielen sich üben, im ball-hause, und mit
ballonen spielen, jagt und waidwerck gebrauchen, fischereyen vornehmen,
fürstl. gastmahle und banquet zuweilen halten, und sich mit seinen
vornehmsten dienern darbey besprachen, und ergetzen, andere fürsten und
herren besuchen, oder auch bey ehrlichen ausrichtungen seiner land-stände
und diener sich finden lassen, bey künstlichen aufzügen, täntzen, balleten,
comödien, music, feuerwerck, büchsen- und armbrustschiessen, in mahlerey,
gartenwerck, und andern dergleichen dingen sich erlustigen. Bey welchen
allen aber gute maasse und vorsichtigkeit in acht zu nehmen, |
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Teutschen Fürsten-Staats |
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daß ein regent durch solche ergetzlichkeiten sich nicht
zu sehr einnehmen lasse, denenselben meistentheils obliege, und seine
nothwendige regierungs-arbeit damit versäume, also auch die kosten darzu,
und zumahl bey trübseligen zeiten, und bey überhäufften andern nöthigen
aufwendungen, nicht übermäßig mache, sondern bedencke, wie viel er ohne
sonderbaren abgang der nothdurfft, und zu ehren und lust entrathen könne,
auch seine leibes-gesundheit darbey beobachte, und allzustarcke bewegung,
und abbrechung an gebührlicher ruhe darinnen vermeide, niemanden, der zu
einem und andern nicht lust hat, darzu nöthige, noch ihn darum anfeinde,
und verachte, oder die leute, welche in solchen stücken etwa eine
sonderbahre hurtigkeit haben, über die gebühr ehre, vorziehe und begnadige,
dadurch andere und nützliche diener betrübe, und verdrossen mache, endlich
auch solcher lust, welche seiner person und respect nicht wohl anstehet,
oder, damit er sich versündiget, sich gäntzlich enthalte. Denn es stehet
zum exempel, einem regenten übel an, wenn er selbst in mummerey und
comödien sich gebrauchen, vor andern leuten musiciren, oder solche leibes-übung,
die einer gemeinen handthierung sich vergleichen, oder läppisch und
verächtlich seyn, obliegen wolte. Sündliche kurtzweilen aber sind, einem
gewinnsüchtigen karten- und würffel-spiel nachhängen, an armen närrischen
menschen spott und ergetzung suchen, auch wohl schwachsinnige personen gar
um ihren verstand bringen, schandbare zoten und possen anhören, schädliche
und fre- |
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Anderer Theil. Cap. 7. |
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velhaffte, gefährliche dinge vornehmen lassen, dadurch
die diener und unterthanen in gefahr leibes und ihrer gesundheit kommen,
dazu auch gehöret der in Teutschland leider! nicht ungewöhnliche mißbrauch
der jagten, wenn die herren daraus ein handwerck machen, ihre meiste zeit
damit zubringen, und zu dem ende die unterthanen mit steten jagt-frohnen
von ihrer nahrung abhalten, oder auch in gefährlichen jagten derselben tod
oder verletzung liederlich verursachen. |
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