S. 170 (Forts.) |
|
⇦ S. 170 §. 26 |
§. 27 |
§. 27. II. Was die fürstlichen kinder eines landes-herrn
betrifft, wiederholen wir die offtmalige erinnerungen, daß die gemeine
schuldigkeit christlicher eltern gegen ihre kinder, solchen hohen
standes-personen noch viel härter obliege, alldieweil solche kinder, sonderlich,
was die söhne belanget, nicht nur um der eltern oder ihrer selbst, sondern
um so vieler andern leute, ja des gantzen reichs, des hohen geschlechts,
und der sämtlichen unterthanen willen, wohl in acht genommen werden müssen,
zumahl die anreitzung und anleitung zum bösen, im hohen stande, und bey
vielen mitteln und vermögen, viel grösser als bey gemeinen leuten, diese
auch einer obrigkeit und genaueren obsicht, auch im alter, unterworffen
sind, da hingegen solche hohe personen zu ihrem freyen willen mehrentheils
gerathen, und also durch GOttes beystand sich selbst allein regieren und
mäßigen müssen. |
Scan 190 |
|
Das vornehmste aber nun, daß ein landes-herr bey seinen
kindern, jungen herren söhnen, und fürstl. töchtern, über die gemeine
christen- und eltern-pflicht thun kan, ist: 1. Die auferziehung zum
fürstlichen und hohen stande und tugenden. |
|
|
2. Die gebührende fernere Versorgung, wenn sie
auferzogen sind. Denn weil dergleichen standes-personen menschlicher weise
die gewisse hoffnung haben, in was für einen stand und |
|
S. 171 |
Anderer Theil. Cap. 7. |
Scan 191 |
|
amt ihre liebe kinder einsten leben werden, welches
andere leute von den ihrigen nicht leichtlich und eigentlich wissen können,
so wäre ja thörlich gehandelt, wenn man dieselben in andern tugenden,
wissenschafften und qualitäten erziehen wolte, als die ihnen in ihrem amt
und beruff, den man vor augen siehet, nöthig und wohl anständig ermessen
werden. Dahero irren und versündigen sich die fürsten und landes-regenten
weit und gröblich, wenn sie ihre junge herren wild und frech, nach eigenen
willen, aufwachsen, oder zu etlichen, zwar nicht verwerfflichen, sachen,
als, zu jagen, reiten, kriegs-übung, einer oder andern fremden sprache,
allein, aber zu dem nöthigsten, und dem haupt-werck der regierung, nicht
ziehen noch anweisen lassen. Wie, und welcher gestalt aber die rechte
erziehung geschehen solle, davon hat ein landes-herr, reiffen rath zu
pflegen, seines landes gelegenheit, und die beschaffenheit und fähigkeit
seiner kinder, und verhofften landes-succesoren, wohl für augen zu haben,
sie mit verständigen, tugendhafften dienern, hofmeistern, præceptoren und
aufsehern zu versehen, gegen alle gleiche liebe und vorsorge zu erweisen,
und also keines dem andern zur ungebühr vorzuziehen, und die wurtzel des
neides unter sie zu pflantzen, dieselben, da ihrer zumahl wenig oder nur
ein einiges wäre, deswegen nicht in eigenwilligkeit zu verzärteln, zum
öfftern nach ihrem thun und wesen zu fragen, und ihnen selbst mit guten
exempeln vorzugehen. Von diesem punct könte ausführlicher geredet werden,
weil er aber eine sonderliche tracta- |
|
S. 172 |
Teutschen Fürsten-Staats |
Scan 192 |
|
tion erfordert, auch davon bey fürstl. hof-stätten viel
weitläufftige ordnungen, rathschläge und verfassungen aufgerichtet sind,
wollen wir dißmahl nur die hauptstücke solcher auferziehung summarisch
andeuten, * worinnen nehmlich fürstl. und gräfliche kinder müssen
unterwiesen, und wozu sie sollen gehalten werden. |
|
|
* Ein mehrers hievon hat man aus denen instructionen
und bestellungen, welche bey wohl eingerichteten fürstl. höfen denen
hoff-meistern junger fürstl. kinder pflegen gegeben zu werden, zu ersehen, wovon
unten im IV. theil ein entwurff anzutreffen ist. |
|
§. 28 |
§. 28. Alle fürstliche, und dergleichen kinder
insgemein, herren und fräulein, werden mit nutz und nothwendig
unterwiesen |
⇧ Anfang |
|
1. In der Christlichen seligmachenden Religion: Wie sie
nach Gottes wort recht glauben, und christlich leben sollen. Ingleichen,
wie sie sich für falscher lehre zu hüten, und gegen die listige
schein-gründe und anfechtung falscher lehrer aus Gottes wort zu verwahren
haben. |
|
|
2. In allen Christlichen Tugenden, nach den heiligen
Zehen Geboten, und der Sitten-Lehre, darzu sie von jugend auf angeführet,
darüber von ihren eltern, und andern vorgesetzten festiglich gehalten, und
die vorgehende mängel, und darwider streitende laster, sonderlich, worzu
ein jedes am meisten geneigt wäre, erinnert, gestraffet und abgeschaffet
werden müssen. |
|
|
3. Sonderlich aber in denenjenigen tugenden, welche
hohen standes-personen, wenn sie gleich auch nicht regieren, dennoch wohl
anstehen, |
|
S. 173 |
Anderer Theil. Cap. 7. |
Scan 193 |
|
und ihnen ehre und ruhm bringen, als da sind:
Bescheidenheit, fürsichtigkeit, freundlichkeit, demuth, warheit, mäßigkeit,
höfflichkeit, etc. |
⇧ Anfang |
|
4. In denen insgemein nothwendigen stücken des lesens,
schreibens und rechnens, denn es ein grosser übelstand, wenn hierinnen
vornehme leute gar ungeübt seyn. |
|
|
Diese vorhergehende 4. stücke achtet man billig für
unentbehrlich und höchst-nothwendig, folgende aber dienen den jungen herren
zu besserm grund dessen, was sie in ihrem regenten-stande einsten lernen
sollen, denen fürstlichen Princeßinnen aber, zu erweckung ihres verstandes,
und sonderbarer wohlanständigkeit und nutzbarkeit, sonderlich, weil sichs
zutragen kan, daß eine fürstl. und gräffliche weibl. person, wie anderswo
gedacht, in vormundschafft ihrer kinder zu einer landes-regierung gelangen
kan, oder auch gewissen ämtern und herrschafften, die ihnen zum leib-geding
eingeräumet werden, vorstehen muß. Dahero können in der jugend in teutscher
sprache, wo nicht eine Princeßin, aus sonderbarer beliebung der fürstl.
eltern, oder ihrer selbst, zur lateinischen lust hätte, folgende stücke
auch gelehret werden. |
|
|
5. Eine deutliche gemeine erklärung von den
welt-geschöpffen Gottes in der natur, dadurch des menschen verstand in denen
dingen, damit er täglich umgehet, erleuchtet, aberglauben verhütet, seine
gesundheit befördert,[1] und sein gemüth zum lobe Gottes, auch zu
belustigung und rechtem brauch jedes natürlichen dinges ermuntert
wird. |
⇩ [1] |
S. 174 |
Teutschen Fürsten-Staats |
Scan 194 |
|
6. Die wissenschafft und beschreibung des landes, und
dessen gelegenheit, darinnen sie gebohren sind, der unterscheid zwischen
obrigkeit und unterthanen, die historien und geschichte ihrer vorfahren,
auch wohl des teutschen reichs. Dadurch können sie zu guter vorsichtigkeit
in ihrem thun und leben, zu gebührlichem respect gegen andere personen, und
zu tugend und ehre mercklich erbauet werden. |
⇧ Anfang |
|
7. Die Beschaffenheit eines vernünfftigen haußhalts, wie
man dasjenige, was Gott zu jedem stande, und sonderlich dem ihrigen
bescheret, wohl gebrauchen, nützen und erhalten könne. |
|
|
8. Die art und gebührliche weise förmlich, und zur
nothdurfft in allerhand fürfallenden begebenheiten mit andern personen,
sonderlich denen, damit sie umgehen, zu reden, auch brieffe zu
schreiben. |
|
|
Bey fürstlichen und gräfflichen jungen herren aber,
welche zur regierung erzogen werden, wird nun absonderlich erfordert: |
|
|
1. Die unterweisung in lateinischer sprache, zum
wenigsten so weit, daß sie solche wohl verstehen, und zur nothdurfft ihre
gemüths-meynung darinnen entdecken können. Denn solche sprache ist ihnen,
wegen stattlicher bücher, die darinnen geschrieben, vieler handlungen, die
im reich mit fremden nationen vorgehen, aus vorfallenden reisen an fremde
orte, und in der regierung selbst, wenn sie im geistlichen regiment von
religions- und schul-sachen, und im weltlichen von gerichts- und
rechts-fällen hören, und informiret werden sollen, unentbehrlich. |
|
S. 175 |
Anderer Theil. Cap. 7. |
Scan 195 |
|
2. Die unterrichtung in solchen tugenden und sitten,
welche für andern zum regenten stand nöthig seyn, und wir theils oben
beschrieben haben. * |
⇩ * |
|
3. Die gründliche unterweisung in der beschaffenheit und
regierungs-zustande ihres väterlichen fürstenthums oder landes. |
|
|
4. Eine nothdürfftige unterrichtung von dem zustand des
Römischen Reichs, dessen haupt, und gliedern, satzungen und herkommen. |
|
|
5. Eine zum wenigsten summarische unterweisung dessen
was recht und billig ist, aus göttlichen, natürlichen und
land-rechten. |
|
|
6. Eine unterrichtung von kriegs- und darzu gehörigen
sachen. |
|
|
Uber dieses nach gelegenheit der fähigkeit und natur
eines jungen herrn: |
|
|
7. Aus den Mathematischen Wissenschafften, was zum
feldmessen, baukunst, festungs-bau, und dergleichen, auch zu
vortheilhafftiger mechanic und handgriffen gehöret. |
|
|
8. Eine Wissenschafft der Welt- und Reichs-geschäfften,
von anfang bis zu unsern zeiten, samt der Geographie und Chronologie. |
|
|
9. Eine gemeine politische unterweisung von allerhand
arten der regimenter, und wie solchen vorgestanden werden müsse. |
|
|
10. Eine etwas genauere anweisung zur Beredsamkeit, und
rechter art zu schreiben. |
|
|
11. Erlernung anderer sprachen, deren wir wohlstandes,
und um der benachbarten willen ge- |
⇧ Anfang |
S. 176 |
Teutschen Fürsten-Staats |
Scan 196 |
|
brauchen, als der Frantzösischen,[2] Italiänischen,
Spanischen etc. |
⇩ [2] |
|
12. Eine etwas gründlichere unterweisung in natürlichen
wissenschafften. |
|
|
13. Eine unterrichtung aus der kunst, die Logic genannt,
wie man in allen sachen auf die umstände sehen, und eines aus dem andern
schliessen lerne. |
|
|
Wolte man auch einen jungen herrn, nach befindung seiner
zuneigung, zu mehrern Philosophischen wissenschafften, oder andern
sprachen, anführen, könte ihme zwar solches nicht schaden, und ihn geehrt,
auch ansehnlich und beliebt machen. Aber es ist auch dahin zu sehen, daß
dadurch das nothwendige nicht verabsäumet, auch der gesundheit und gemüths
der person geschonet, und er dadurch nicht zu einem einsamen leben, und
stetem bücher-lesen, von seiner beruffs-arbeit abgeleitet werde, welches
eben so wohl schädlich als unverantwortlich wäre. ** |
** |
|
Nechst diesen dingen, wodurch tugenden des verstands und
gemüths gepflantzet werden, sind fürstl. eltern auch auf die
leibes-gelegenheit ihrer fürstl. kinder bedacht, daß auch in solchen stücken sie
1. Zu anständigen übungen, 2. In geziemender ergetzlichkeit gehalten
werden. |
|
|
* Nemlich im 17. und folgenden §§. dieses
capitels. |
⇧ * |
|
** Es ist auch bey solcher unterweisung fürstl. kinder
dahin zu sehen, daß dabey keine pedantische art, sondern eine recht
lebhaffte und practische methode gebrauchet werde. Daher denn abzunehmen,
wie viel an erwehlung und bestellung eines geschickten hoff-meisters, und
anderer nachgesetzten informatorum gelegen, und wie nöthig es sey, daß ein
fürst durch sei- |
|
S. 177 |
Anderer Theil. Cap. 7. |
Scan 197 |
|
ne geheimde und andere des wercks erfahrne räthe
jederzeit fleißige aufsicht führen lasse. |
|
§. 29 |
§. 29. Die leibes-übungen der jungen herren bestehen in
allerhand hurtigkeiten, und exercitien, welche anderswo in besondern
büchern beschrieben sind, als tantzen, reiten, rennen, fechten, sowohl auch
in zierlichen geberden, die ihnen, nach standes-gelegenheit, anstehen, und
sie durch solche dinge ihnen ein ansehen und beliebung machen ihre
höfflichkeit darmit üben, auch wohl in krieges-fällen sich deren gebrauchen
können. Man kan auch hieher ziehen etliche künste, welche sonst unter die
wissenschafften gerechnet werden, als, etwas von der music, (doch gemeine,
und der gesundheit schädliche art derselben, als, da sind, welche mit
starckem blasen verrichtet werden, ausgenommen) so dann auch etwas von der
mahlerey, und kunst zu reissen, davon sie lust, und nutz bey vorhabenden
gebäuden, und derer zierrathen, auch sonst zu allerhand feinen inventionen
haben können. |
⇧ Anfang |
|
Die ergetzlichkeit bestehet in allerhand zulässigen und
mäßigen spielen, nach unterscheid des alters, als, ballen,
ballonenschlagen, mit kugeln werffen, schacht- und andere kunstreiche
spiele, ohne gewinn und eyffer, vornehmen, mit allerley geschoß, wenns ohne
gefahr geschehen kan, sich erlustigen, mit der jägerey und wäidwerck
umgehen, beitzen, fischen, etc. Mit einer reise an andere schöne örter, mit
conversation bey ihren freunden und verwandten, oder auch geringern
standes wohlgezogenen jünglingen, und was des dinges mehr ist, je- |
|
S. 178 |
Teutschen Fürsten-Staats |
Scan 198 |
|
doch, daß es ohne versäumung der nöthigsten
unterrichtung in vorhergesetzten stücken, und mit gebührender umwechselung
geschehe, ein junger herr sich auch nicht gar zu viel darein verliebe,
sonderlich auch seine leibes-constitution darüber beobachtet, und unmäßige
bewegung verhütet werde. |
|
|
Die Fürstliche und Gräffliche Töchter werden auch
nützlich und wohl angehalten, zu feinen geberden, zierlichen täntzen, zu
allerhand frauenzimmers-arbeit, mit künstlichen nehen und sticken, mit
abreissen, so dann mit zurichtung etlicher guten confecturen, und
artzneyen, gebrandten wassers, sonderbaren speisen, und dergleichen, was
solchen standes-personen anständig, und zu ihrer fürstlichen eltern, oder
in künfftigen ehestande ihrer herren und gemahle beliebung, gereichen
kan. |
|
|
Ihre ergetzlichkeiten werden angestellet in zulässigen,
kunstreichen, unärgerlichen spielen, spatzierenfahren zu jagten und
fischereyen, anhörung der music, oder, daß sie selbst etwas davon lernen,
in der jugend auch bey herren und fräulein, daß sie selbst bey artigen
aufzügen und comödien, unter der anweisung und aufsicht ihrer vorgesetzten,
sich brauchen lassen, oder da sie erwachsen, dergleichen anschauen, und
sich damit belustigen. |
|
§. 30 |
§. 30. II. Die anderweite fernere versorgung, nachdem
die fürstl. und dergleichen kinder, etwas erwachsen, und in denen
nothwendigen stücken, die wir vorhero beyläufftig angezeiget, angewiesen
werden, welches nach unterscheid ihrer art |
|
S. 179 |
Anderer Theil. Cap. 7. |
Scan 199 |
|
und fähigkeit, gegen das 16. oder 18. jahr, bey jungen
herren zu geschehen pfleget, erachten wir, darinnen zu bestehen, daß sie
alsdann zu einer erfahrung der sachen, die ihnen nöthig, nützlich oder wohl
anständig, nach gelegenheit entweder zu einer und anderer vornehmen
verrichtung bey den regiments-geschäfften gezogen, oder an fremde höfe und
länder, oder hohe schulen, doch mit guter behutsamkeit, gebührlicher
instruction, und treuen dienern, oder in rechtmäßige kriege, für das
vaterland, oder für eine bekannte, redliche sache, geführet werden, darzu
denn auf einen gebührenden verlag, und nothwendige bedienung zu gedencken
ist. |
⇧ Anfang |
|
Es pflegen auch wohl die regierende herren, wenn sie in
ein hohes alter kommen, und erwachsene söhne haben, die wohl erzogen, und
tugendhafft sind, und sich sonderlich gegen ihre eltern in rechtschaffener
treuer liebe finden lassen, ein gewisses stück landes, oder etliche
einkünffte, oder, wie man exempel hat, eine gantze regierung abzutreten, *
doch, daß ihr nahme und respect darbey betrachtet, und bis in die gruben
erhalten werde. |
|
|
Eine Haupt-vorsorge aber des landes-herrn, für die
fürstl. kinder, oder nechste erben, bestehet darinnen, daß sie ihnen aufs
müglichste ihre altväterliche lande, fürstenthümer oder herrschafften,
erhalten, dieselben nicht mit schulden,und andern unrath, beschweren,
kriege, schwere rechtfertigungen, oder grosse feindschafft, oder übele
anordnung in diesem oder jenem stück, böse, untreue, hochmüthige und
eigennützige diener, und was mehr ihnen zu schaden |
|
S. 180 |
Teutschen Fürsten-Staats |
Scan 200 |
|
dienen kan, verlassen und auferben, sondern vielmehr,
wie sie ihnen inskünfftige ein friedfertiges und wohlgeordnetes regiment,
nach ihrem tode einräumen mögen, in ihrer regierung stets bedacht seyn,
auch durch bedachtsame Christl. testamente und letzte geschäffte, guten
rath und erinnerung mittheilen, was sie etwan, zeit ihres regiments,
nützliches oder schädliches in acht genommen, welches die nachfolger auch
brauchen oder meiden könten, oder, was sie auch zu rechter einigkeit, und
billigmäßiger vertheilung unter den fürstl. successoren, dienlich zu seyn
erachten, so weit es sich nach der landes gelegenheit, alten verträgen und
herkommen, thun lässet, ** anschaffen und verordnen, damit einem jeden sein
stand und auskommen erhalten, auch anlaß gegeben werde, etwas nützliches zu
des landes besten, mit verrichten zu helffen. |
|
|
Hierzu gehöret auch eine vorsorge, für eine Christliche,
Fürstliche und anständige Heyrath, daß die regenten in diesem stück für
ihre kinder insgesamt sorgfältig, und ihnen dazu bey rechtem alter, u. bey
vorstehender guten gelegenheit, beförderlich seyn, hingegen, da sie sehen,
daß dißfals zur ungebühr, unzeit, und mit schaden verfahren werden wolte,
solches müglichst abwenden. Insonderheit aber die fürstlichen und
dergleichen Töchter, betreffende, pflegen die eltern nicht weniger dahin zu
sehen, daß, so wohl bey ihrem leben, als auch nach ihrem tödtlichen
hintritt, von ihren herren söhnen an gehöriger aufwartung, kleidung,
schmuck und unterhaltung, wenn sie zu jahren kommen, denen Töchtern die ge-
|
⇧ Anfang |
S. 181 |
Anderer Theil. Cap. 7. |
Scan 201 |
|
bühr verschaffet, auch sie, nach göttlicher schickung,
zu guter heyrath, an christ- und fürstliche, oder hohe und gemäße
standes-personen, bey welchen zumahl gleiche religion, tugend, ehre und
gebührliches auskommen zu finden, nicht gehindert, sondern vielmehr darzu
befördert werden. Und muß ihnen die gebührende ausstattung aus dem
fürstlichen einkommen, oder derer land-stände fräuleins-steuer, wie es das
herkommen erfordert, wiederfahren, sie hingegen durch gewöhnliche verzicht,
von fernerm zuspruch auf die erbschafft des landes, abgewiesen, auch
hinwiederum durch rath ihrer eltern, oder herren brüder, mit gebührender
gegen-vermächtniß versehen werden. Verheyrathet sich aber eine solche
fürstliche, und dergleichen tochter nicht, so wird ihr nichts destoweniger
bey der hof-statt ihrer fürstl. eltern, oder herren brüdern, die gebührende
fürstl. unterhaltung, zeit ihres lebens, verschaffet. Vor der reformation
der religion, ist bey fürstl. häusern gebräuchlich gewesen, von den jungen
herren und fräulein, soviel, als müglich, und man zur landes-regierung
entrathen, oder nicht wohl verheyrathen können, auf geistliche stiffter und
clöster, theils ohne ihren willen, zu bringen, und sie mit gelübden, zu
einem leben ausser der ehe zu verbinden, dargegen sie an solchen orten,
theils grosse, oder doch nothdürfftige, einkünfften, ohne beschwerung des
landes, daraus sie gebohren, gefunden, welches dennoch heute zu tage in
Teutschland, sonderlich bey den römisch-catholischen, zum theil auch noch
auf etlichen wenigen reformirten stifftern, darzu man |
|
S. 182 |
Teutschen Fürsten-Staats |
Scan 202 |
|
durch wahl derer darinnen schon sitzenden personen,
welche man capitularen nennet, oder durch verordnung der landes-fürsten,
gelanget, also gehalten wird. Wie nun das erste mittel von denenjenigen,
die einer andern religion sind, mit guten gewissen nicht ergriffen werden
kan, also ist auch diß letztere mit den reformirten stifftern heute zu tage
sehr eingeschräncket, haben auch landes-herren dahin zu sehen daß sie
hierinnen mit behutsamkeit verfahren, und die ihrigen bey solchen fällen
also versorgen, daß dadurch nicht etwa andere, die mehr darzu berechtiget,
oder deren mehr bedürffen, unterdrücket, und hindan gesetzet, oder auch
ihren kindern, wider ihre zuneigung und gelegenheit, etwas aufgebürdet,
oder ihnen auch anlaß zu müßigem und ärgerlichem freyen leben gegeben
werde. |
⇧ Anfang |
|
* Ob solches wohl oder übel gethan, wird von denen
politicis hin und wieder abgehandelt. Doch meynte ich daß in Teutschland
dergleichen untersuchung so grossen nutzen nicht habe, nachdeme daselbst
die abtretung der regierung so grossen schaden oder unruhe nicht thun kan,
als wohl in andern ländern dann und wann geschehen seyn mag. Vielmehr
zeigen einige exempel berühmter Teutschen fürstenthümer, daß dergleichen
unternehmen nicht ohne guten success und vergnügen practiciret
worden. |
|
|
** Es entstehet demnach hierbey die frage: Ob ein
Teutscher landes-fürst in seinem testament etwas, so denen pactis domus und
alten Erb-recessen zuwider, disponiren könne? welche frage wohl nicht davon
zu verstehen, wenn diejenige, in deren præjudiz gehandelt wird, darein
consentiren, denn solches braucht keiner frage, und dependiret dißfalls die
veränderung nicht vom testament, sondern vielmehr von dem pacto und
consens. Allein sonder mitbewilli- |
|
S. 183 |
Anderer Theil. Cap. 7. |
Scan 203 |
|
gung derer, so ex pactis majorum bereits ein recht
haben, zu disponiren, ist eine sache, welche meistens verneinet wird. Und
obgleich vor der bejahenden meynung etwas angeführet werden könte, so ist
es doch vor den ruhestand und erhaltung der landes-wohlfarth besser, wenn
dergleichen gelegenheit zu zwistigkeiten verhütet, und da ja einige
veränderung vorzunehmen, bis auf gelegene zeit versparet werden. In dem
fürstl. hause Sachsen hat man seit 100. jahren her verschiedene testamenta,
pacta und recesse gehabt, welche aber meists die verträge der fürstl.
vorfahrer und pacta domus, sonderlich die d. a. 1629. zum grunde setzen,
und haben einige linien dieses fürstl. hauses in ansehen der primogenitur,
und sonsten, darinnen nicht ehe änderung gemacht, als biß bequeme
gelegenheit sich darzu ereignet. Woraus ferner folget, daß in
zweiffelhafften fall ein solch vorhandenes testament allemahl so viel der
klare innhalt nicht widerspricht, nach dem grund der alten verträge zu
erklären seye, wie man dessen an dem notablen testament Graf Simonis VI.
von der Lippe d. a. 1597. ein exempel hat, welches nach einigem streit
dennoch in denen ao. 1614. und 1616. erfolgten verträgen vor die erhaltung
des vor alters eingeführten primogenitur-rechts erkläret, und dieses von
denen käysen confirmiret worden. |
S. 183 §. 31 ⇨ |