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Seckendorff: Teutscher Fürsten-Staat HIS-Data
5226-2-8-9
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Von den mitteln zu erhaltung menschlicher nahrung.
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S. 218 (Forts.)   ⇦ S. 218 §. 8
  §. 9. Der erste punct, die mittel zu nothdürfftiger nahrung betreffende, wird nun durch unterschiedliche gute vorsorge behauptet: 1. Bestehet der grund derselben in guter Auferziehung der Jugend, daß solche in der kindheit von müßiggang, verzärtelung, schalckhafftigkeit, verschwendung und dergleichen lastern, abgehalten, auch hingegen zu hauß, und in der schulen, zu fleiß, arbeit, sparsamkeit, begnügsamkeit, gehorsam, einigkeit, demuth und liebe guter ordnung, angewiesen, ihnen auch hiernechst gemeiner unterricht von allerhand nützlichen und nöthigen lebens-arten, dadurch nahrungs-mittel erworben, oder erhalten werden, wiederfahre, deßwegen unten mehrere nachricht zu finden. Denn wo das unterbleibet, und der mensch in der jugend zu nichts gutes und nützliches gewöhnet wird, ist es hernach im alter schwer und mißlich, ihn zu einen rechten, fleißigen und anständigen beruff zu bringen. Scan 238
  2. Wird hierzu erheischet eine gute und fürsichtige anstalt und ordnung über alle handthierung
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  und nahrung im lande, welche darinnen nach beschaffenheit und natürlicher arthafftigkeit desselben, mit nutz und zur nothdurfft getrieben werden kann und muß. * Damit ein jedweder gewerb durch so viel leute, als es nöthig und müglich, geführet, ihnen die nothdürfftige materialien darzu in bereitschafft gehalten, und von andern, die es nicht wohl können und gelernet haben, gleiche bürden und beschwerungen auch nicht tragen, oder sonst andere mittel und beruff haben, kein eingriff geschehe, auch bevorab die eigennützige zusammenschlagung wucherischer leute, die eine und andere handthierung gantz an sich ziehen, und hernach die leute ihres gefallens, steigern, übersetzen, und von ihrer nahrung bringen, verhütet werde. Zu diesem ende ist in etlichen landes-ordnungen die gemeine satzung, daß ein jeder stand bey seiner hergebrachten nahrung bleiben, der adel zum exempel seiner güter sich nehren, die bürger der kaufmannschafft, und handwercks, auch brauens und schenckens sich gebrauchen, ** und der bauersmann dem ackerbau obliegen soll, doch alles nach maasse des alten herkommens, und jedes orts gelegenheit. Hiernechst haben auch die meisten handwercker ihre sonderbare Zunfft- und Handwercks-Reguln, oder Gilden- und Innungs-Briefe, welche ihnen die obrigkeit aufrichten lässet oder bestättiget, und wird darinnen, nechst deme, was zu erlernung und rechtmäßigen übung eines jedwedern handwercks absonderlich fürfället, insgemein dieses in acht genommen, daß eine jede handthierungs-zunfft, bey deme, was zu derselben eigentlich gehöret, gelas- ⇩ *

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  sen, und von andern ihnen kein eintrag geschehe, eine gute obsicht unter ihnen gestifftet, auch rottung, selbstthätlichkeit, und anmassung sonderbarer gerichtbarkeit verhütet werde: Sie aber hingegen ehrlich und fleißig lernen, billigen preiß halten, und niemand durch vortheilhafftige griffe übersetzen, auch die handwercks-pursche vom müßiggang, umlauff und zechen ab- und zu fleißiger arbeit, damit niemand an seiner nothdurfft verhindert seye, angehalten werden, und was dergleichen obsichten mehr seyn. Weil auch die innungen aller handwercker nicht insgemein bekandt, viele auch, und die vornehmsten kauff- und handels-leute, damit nicht versehen sind, so wird auch in vielen landes-ordnungen von denen nöthigsten und vornehmsten handels-leuten, auch handwercken, absonderliche verordnung gethan, wie sie sich in ihrem handel der billigkeil befleißigen, und tüchtige, wärhafftige, unverdorbene waaren und arbeit führen, und machen, und sich sonst in ihrem handwerck erbarlich erweisen sollen, als zum exempel, von krämern und gewandschneidern, goldschmieden, würtz- und zucker-krämern, leder- und fellwercks-händlern, fisch-händlern, höcken, tuch-händlern, färbern, becken, fleischhauern, garn-händlern, müllern, etc.
  2. Müssen die allermeisten arten der nahrung, oder die unentbehrlichen stücke, die der mensch am meisten bedarff, als da sind die feld-früchte, viehe-zucht und gehöltz, eisen-handel, das gespinst, oder garn- und wollen-handthierung, etc. vor allen andern in acht genommen, und darauf
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  ordnung gemacht werden, daß, so viel durch menschliche fürsichtigkeit müglich, an denenselben kein mangel erscheine, sondern die damit umgehen, und solches zu wegen bringen, in allwege gefördert werden. Dahin wird nun durch unterschiedliche gute anstalten in den landes-satzungen gesehen, als wegen des geträydigs, und gebührlichen schutz und erhaltung des ackerbaues, daß dasselbe nicht in abnehmen und verwüstung komme, welches geschicht, wenn der bauers-mann mit neuen beschwerden beleget, oder auf seine pferde und acker-vieh, oder auch das getrayde, und dergleichen nothwendige stücke mehr, neuerliche anlagen und aufsätze gemacht, oder durch wucher und schädlichen auf- und vorkauff, auch vortheilhafftige darleyhung, auf die früchte, das armuth ausgesogen, oder auch in den feldern und gärten, dieberey, und verderbung derselben, durch allerhand mißbrauch, ungebührliche wege, hetzen, hegung vieles wildprets, und dergleichen schaden gethan wird.
  Bey der Viehe-Zucht, daß dieselbe sonderlich denen vergönnet werde, welche darzu, der weide und ackerwercks halben die bequemsten mittel haben, und nicht, andern leuten zu schaden, viehe halten dürffen, daß auch die trifften mit viehe nicht überleget, sondern gebührliche austheilung gemacht, auch zu dessen besserer ernehrung die hut und weiden nicht gesperret, oder wo mangel an der weide ist, alte leyten und trifftörter, zu abbruch der viehe-nutzung, nicht umgerissen, und zu äckern gemacht werden.
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  Wegen des Holtzes, daß sonderlich an denen orten, wo man dessen keinen überfluß hat, damit aufs beste umgangen, solches gebührlich geheget, zu seinem rechten wuchs gesparet, auch von den land-leuten, nicht alleine fruchtbare bäume, sondern auch andere, die zu feurung dienen, als vieler orten, die weiden-bäume sind, gepflantzet, also den einwohnern ein steter zugang dieses unentbehrlichen stücks erhalten, und sie deswegen nicht einsten gedrungen werden, solche nothdurfft theuer zu kauffen, oder ihre wohnung und nahrung darüber zu verlassen, davon denn in den wald-ordnungen hin und wieder ausführliche satzungen zu finden. ** 
  Wegen anderer nothwendigen stücke, als des Saltzes, wo dasselbige in einem lande durch Gottes segen sich ereignet, und so gut und wohlfeil, als das fremde, zu haben ist, erfordert die landes-ordnung, daß solcher handel aufs beste befördert werde. Also wird auch wegen der Fisch-Bäche, wie dieselben gebührlich geheget, und in gutem nutz erhalten werden sollen: Wegen der Obst-Bäume, daß man dieselben hegen und mehren soll: Wegen der Kleidung, daß den tuchmachern im lande die nothdurfft an wollen nicht mangeln möge, allerhand nützliche versehung gethan. Dahin gehen auch die verordnungen auf die nothwendigsten handwecker der becken, metzger, müller, die mit menschlicher nahrung am meisten umgehen, davon vorhero schon meldung gethan worden.
  4. Ist auch zu nothdürfftiger unterhaltung und nahrung der leute sehr nöthig, daß die gemeine-
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  sten waaren, auch handwercks-arbeiten, nach einer billigmäßigen proportion, gewürdet, darüber eine richtige Tax-ordnung aufgerichtet und über dieselbe, durch die händler und handwercks-leute niemand beschweret werde. Denn ausser deme geschicht es gar gewöhnlich, daß solche leute in denen stücken, darinnen man ihrer nicht entbehren kan, sich gantz unbillig und übermäßig erweisen, und den andern einwohnern die nahrungs-mittel sehr schwer machen. Insonderheit aber muß zumahl zu den zeiten, da wegen vorhergehender kriege und sterbens-läufften derer leute nicht viel zu bekommen sind, auf die taglöhner und dienstboten genaues aufsehen geführet werden, daß sie bey billigem lohn und fleißiger arbeit bleiben, denn ohne dieselben werden alle andere handthierungen und haußhaltung gestopffet und gehindert.
  5. Gehöret auch zu rechter beförderung handels und wandels, und erhaltung des vermögens, eine richtige, billigmäßige Müntz-ordnung und abschaffung alles dessen, wodurch die müntze verfälschet, verringert, gutes geld durch ungebührliche steigerung und auswechsel, aus dem lande, und schlimmers hinein gewechselt: Item, wodurch die metallen zur müntz, als silber und gold, unnöthig und übermäßig verderbet und mißbrauchet werden, davon kan man sich in der reichs-müntze, auch policey-ordnung, darüber der landes-herr auch halten muß, mit mehrerm ersehen. Denn in mangel guter bequemer müntze, und durch einschleichung losen geldes, fället zugleich alle handthie-
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  rung des landes, die benachbarten scheuen sich hinein zu handeln, und die einwohner werden unvermerckt in abfall ihres vermögens gebracht.
  6. Ingleichen ist hoch nothwendig die abschaffung des Wuchers, und allerhand wucherlicher contracten, wie wir auch schon etwas gedacht. Denn durch solche unbillige handlungen wird der gemeine mann, der dem lande das meiste gewerbe machet, allgemachsam ausgesogen, und deren erwerb und vermögen auf etliche wenige geitzhälse gebracht: Und werden auch aus solchen ursachen, um den wucher zu verhüten, und die handthierung der unterthanen nicht zu stopffen, in vielen landen keine juden geduldet, noch ihnen darinnen zu handeln zugelassen, alldieweil nach bösem gebrauch ihre gantze nahrung auf wucher bestehet: Oder wo man dieselben von alters her gedultet, wird durch gewisse maasse und ordnung gesetzet, wie sie sich mit ihrem handel und wandel verhalten sollen.
  7. Zu ebenmäßigem zweck zielen auch die verordnungen rechter Maaße, Gewicht und Ellen, damit im kauffen und verkauffen, und allerhand anderer handthierung, gleichheit gehalten, und betrug und vervortheilung desto mehr verhütet werde.
  8. Fürnehmlich dienet auch zu erhaltung des landes, und eines jeden vermögens, eine gute anordnung in allerhand Zehrungen, Gastungen und aufwendungen, welche bey mancherley begebenheit, in freudigen und leidigen fällen pflegen vorzugehen, als denn geschicht bey kind-tauffen,
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  hochzeiten, begräbnissen, bey jahrmärckten und kirmessen, oder kirchweyhen, auch sonst bey gemeinen zusammensetzungen der gäste, und allerhand zechen. Denn wenn hierinnen keine gewisse maasse der personen, der speise und geträncks, und der zeit halben, gehalten wird, so geschiehet aus übermuth und nachahmung anderer, theils auch aus gewinnsucht, und sonst aus üppigkeit, solche überfahrung, daß durch unmäßige zehrung die leute in grosses verderben gerathen; der unordnung, unfläterey und sündlichen überflusses und anfüllung darbey zu geschweigen.
  9. Eine gleichmäßige bewandniß hat es auch mit der Kleidung, darinnen sich mancher über sein vermögen übernimmet, und fremde kostbare waaren mit grossen schaden an sich kauffet, oder je sonst über seinen stand sich sehen lassen will, welchem unheil, das zugleich einen grossen übelstand und zerrüttung der ehren-stände mit sich bringet, durch eine feine nützliche Kleider-Ordnung abgeholffen wird.
  10. Und ist insgemein in der aufsicht über handel und wandel, und alle bißhero erzehlte stücke dahin zu trachten, daß sich die unterthanen, soviel müglich, für fremden waaren zu ihren kleidungen, speisen, und anderer nothdurfft, hüten, alldieweil dieselben weit zugeführet, durch viel zölle und auflagen beschweret, und in grösserm werth, als das inländische, gegeben werden, und doch öffters geringer, oder doch unwärhaffter art, oder zur speise ungewöhnlich, ungesund und leckerhafftig sind, daß
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  man ihrer wohl entbehren kan. Und so vielmehr durch beförderung der handthierung dahin gearbeitet werden, daß allerhand nothdurfft, im lande selbst gezeuget und bereitet, und also die mittel darinnen behalten, oder nur zu nöthigen auswürdischen dingen angewendet werden. *** 
  11. Ingemein müssen auch durch gute ordnung allerhand schädliche leute, welche mit anderer fleißiger unterthanen schaden und überlast sich nehren, oder das ihrige ihnen, und ihren nachkommen, zu schaden, schändlich verthun, abgeschaffet oder gestraffet, und zur besserung gehalten werden, als da sind, spitzbuben und spieler, gauckler und narren-spiel-treiber, lügenhaffte, ungeschickte marck-schreyer und storger, muthwillige borger und bancorottirer, faullentzer und müßiggänger, starcke bettler und vaganten, gard-brüder, umlauffende müßige handwercker, etc. und was des lotterbübischen gesindes mehr ist, so wohl auch verschwender, und thörichte haußhalter, denen man vormünder und verwalter ihrer güter setzen, oder sie sonst im zaum halten muß.
  12. Weil auch vieler orten die gemeinden der städte und dörffer unterschiedliche einkünfften und güter haben, welche die räthe in städten, und auf den dörffern die vorsteher, einnehmen, und berechnen, darvon zwar ein jeder insonderheit, und seine haußhaltung und beutel, so mercklich nichts participiret, gleichwohl aber dessen nicht wenig gebessert ist, alldieweil da von dem ort, da er wohnet,
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  allerhand nutzen mit gemeinen gebäuden, abstattung herrschafftlicher gefälle, erhaltung gemeinen kastens, und diener zu geistlichen und weltlichen dingen, geschaffet werden kan, worzu sonst, wenn solche güter und einkünfften, nicht wären, ein jeder eine sonderbare aufwendung thun müste, welches ihme an seiner nahrung abgienge: So ist die hohe obrigkeit auch in diesem stück sorgfältig, daß solche gemeine güter recht verwaltet, der eintrag wohl eingenommen, und ausgegeben, auch gebührlich alle jahr vor der unmittelbaren obrigkeit berechnet werden, worzu unterschiedliche gute anstalten in denen landes-ordnungen zu finden.
  * Und dieses ist nun aus jedes landes arthafftigkeit und beschaffenheit zu erlernen, weil sonst dazu keine special-regeln gegeben werden können. Z.e. wo in einem lande viele schäffereyen zu finden, als denn verschiedentlich in Teutschland ist, da kan mit der wollen-arbeit was gutes gestifftet werden. Es gehöret aber dabey eine aufsicht, daß die wolle von dem landmann an gehörigen ort zum verkauff gebracht, weder von diesen noch andern aufkäuffern ausser landes geführet, sondern erst verarbeitet werde, weil so denn erst viele menschen ihre nahrung davon gehabt. u d.g.m.
  ** Es fraget sich also: Ob es einem lande nützlich, wenn die dorffschafften des brauens sich gebrauchen dürffen? An denen orten, wo solches zugelassen, pfleget man das herrschafftliche interesse der tranck-steuren vorzuschützen, welches dadurch vermehret würde: Ich halte aber diesen nutzen nur pro temporario, und gegen die andern inconvenientien nicht hinlänglich: Inmassen dadurch der bauersmann zum sauffen und schwelgen gewöhnet, von dem fleissigen feld-bau abgehalten, hingegen denen städten
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  die nahrung entzogen wird, welche sonst, wie man verschiedentlich in Nieder-Sachsen siehet, dermassen zunehmen würden, daß eine solche stadt mehr als offte ein gantzes mäßiges fürstenthum eintragen, mithin der obgefürchtete abgang reichlich ersetzet werden könte.
  ** Deren vornehmster innhalt darauf ankömmet, daß die waldung nach umhauung des holtzes zu rechter zeit geräumet, auf jeden acker etwann 20 oder mehr häge-reyser gelassen, und sonderlich die jungen schläge vor der hut und trifft insgemein 8. biß 10. jahr gehäget werden.
  *** Die ursach bestehet darinnen: Alle wohlfahrt und beförderung der commercien kömmet auf die menge des baaren geldes an: Nun wird aber solches bey einführung vieler ausländischen waaren mit hauffen aus dem lande geschleppet, hingegen wo man sich solcher waaren, so viel möglich enthalt, und dagegen die innländischen consumiret, so roulliret das geld im lande und vermehret sich täglich. In welchen absehen denn auch die n. 11. erwehnte dinge zu meiden sind. Welche, wenn man sie nebst noch vielfältigen andern ursachen, so das geld aus dem lande ziehen, als da sind: Die fremde zumahl Welsche kauffleute, auswärtige kriege, der Römische hoff in ansehen der teutschen stiffter und præbenden, das general-reichs-post-amt, die vielen gesandten an ausländischen höfen, der kleider-pracht, die schlechte müntzen, vielfältige reysen fürstlicher und anderer standes-personen in fremde lande u.s.w. recht erweget, so ist kein wunder, daß Teutschland an gelde und commercien mangel leyden müsse.
   
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Stand: 17. September 2017 © Hans-Walter Pries