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Seckendorff: Teutscher Fürsten-Staat HIS-Data
5226-2-9-3
Anderer Theil > Cap. 9 > §. 3
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S. 235 (Forts.)   ⇦ S. 235: §. 2
  §. 3. Diese gerichtliche botmäßigkeit ist dem Römischen Reich, wie es vor alters unter denen käysern zu Rom und Constantinopel bestanden, auch hernach noch eine gute zeit, als es auf die Teutschen kommen, ein sonderbares anhängiges stück der höchsten obrigkeit, und käyserl. oder königlicher Hoheit gewesen, dergestalt, daß niemand eine gerichtbarkeit üben und gebrauchen können, als wem es die höchste obrigkeit absonderlich befohlen, und ihn darzu bestellet, und ist doch wohl anfangs ungewöhnlich gewesen, daß sie auch den ordentlichen beamten in den landschafften, oder den obrigkeiten in den städten mehr, als nur bürgerliche gerichtbarkeit, und doch Scan 255
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  nicht vollkömmlich anvertrauet, sondern sie haben die hohe peinliche gerichte, und etliche andere stücke, durch absonderliche befehle und commissiones angeordnet, oder ihnen gar solche vorbehalten, durch ihre nechste bediente zu verwalten. Nach der zeit aber ist es in Teutschland, und andern Reichen allgemach dahin kommen, daß mit denen stadthaltereyen, und verwaltungen der landschafften, und provintzen des Reichs, welche sonst von käysern und königen nach beliebung, und auf das leben einer person ausgetheilet worden, auch die gerichtbarkeiten erblich, und von denenselben hiernechst nicht allein weiter auf ihre diener, sondern auch auf andere personen im lande gleicher gestalt erblich gebracht und verliehen,* oder durch langen gebrauch solche an sich zu ziehen, nachgesehen, desgleichen auch denen räthen der städte über ihre bürger eine gerichtliche botmäßigkeit, entweder in allen, oder in etlichen stücken vergönnet worden, also, daß heute zu tage an gar vielen orten solche gerichtbarkeiten, doch auf unterschiedliche weise, erblich seyn, und dahero dergestalt nicht mehr ein zeichen oder eigentliches amt der höchsten obrigkeit zu achten, ** sondern bey mancherley personen in dem lande, die sonst dem landes-herrn unterworffen sind, sich befinden, doch mit dem unterscheid, daß etliche derselben alle beyde arten der jurisdiction, nemlich, peinliche und bürgerliche haben, welches man in den meisten orten Hohe- und niedere Gerichte nennet, etlichen aber nur die niedere- oder wie mans heißet, Erb-Gerichte oder Voigtheiligkeit, zukommen. *** Dieses
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  haben wir um deswillen von der gerichtbarkeit insgemein vorher berichten müssen, damit wir hiernechst besser verstehen können, was denn dem landes-herrn für eine gerichtbarkeit zukomme, und was der andern halben, die im lande und fürstenthum durch seine stände und vornehmsten unterthanen, welche gerichts-herren sind, geführet wird, seines hohen obrigkeitlichen amts und vorzugs sey.
  * Man hält aber davor, daß solche begebung der gerichtbarkeit bereits im 13. Seculo sich angefangen, und bald verliehen, bald verkauffet, bald nur pfands- auch pachts-weise eingethan worden. Vom letzteren haben wir nach Weckii bericht ein exempel an Dreßden, denen an. 1448. von dem landes-herrn die gesamte gerichte pachtsweise zukommen. Nicht weniger merckwürdig ist, was Adelzreiter deßfals anführet: daß hertzog Otto von Bayern, als er A. 1311. im kriege wieder die Ungarn, sich nach den arthen, geld zu machen, umgesehen, endlich auf die begebung der gerichtbarkeit, an die von adel und vornehmste städte verfallen, welche bisher beym fürstenthum geblieben waren: Er setzt aber dabey: Non sine grandi fisci detrimento.
  ** Ob gleich die gerichtbarkeit durch stände im lande und andere personen exerciret wird, so ist, und bleibt sie doch ein hohes vorrecht der landes-obrigkeit, welcher alle jurisdiction zugehöret, und nur deren übung einigen unterthanen entweder erblich oder persönlich anvertrauet wird, so daß sie nur die ehre, selbige zu verwalten haben, mithin der landes-hoheit eigentlich dadurch nichts abgehet.
  *** Was aber vor fälle zu denen hohen- und welche zu den nieder-gerichten gehören, ist aus denen landes-ordnungen zu lernen, inmassen die praxis hievon nicht aller orten einerley, sondern an etlichen orten vieles, an andern orten weniger, zu ein und anderer arth gerechnet wird. Wenn aber ein un-
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  terthan wieder seinen landes-herrn ein oder anderes stück behaupten wolte, so nicht ausdrücklich benennet, muß er solches gehörig erweisen, aus der ursach, welche wir bey voriger anmerckung berühret haben. Sonst aber ist noch bey der vogtheylichkeit zu mercken, daß solches wort verschiedene bedeutung habe: 1.] heisset sie so viel als advocatia, wovon §. 7. zusehen; 2.] wird in ober-Teutschland die bürgerliche jurisdiction darunter verstanden, die man in Sachsenland erb-gerichte nennet: 3.] zeiget sie auch öffters in Franckenland ein höhers recht, und fast die landes-hoheit an, welches daher entsprungen seyn mag, daß daselbst viele unmittelbare Reichs-genossen keine peinliche oder Centh-gerichte, und doch im übrigen auf deren unterthanen alle hoheit, steuer, folge etc.etc. gleich andern Fürsten und Ständen des Reichs zu exerciren haben. So will auch Hertius, wo mir recht, aus dem Sächs. Land R. erweisen, daß schon vor alters das wort vogtey soviel als landes hohe obrigkeit bedeutet hätte.
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Stand: 7. Januar 2017 © Hans-Walter Pries