S. 238 (Forts.) |
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⇦ S. 238: §. 3 |
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§. 4. Weil nun dieses zwey unterschiedene puncten
seyn, so ist von dem Ersten, nehmlich, der gerichtbarkeit, welche
der Landes-Fürst übet, so viel zu wissen, daß solche an und vor sich
selbst eine solche sey, und keine andere puncten in sich begreiffe,
als die wir vorher angezeiget, nur daß sie wegen vieler umstände,
als des richters, der personen, die davor stehen müssen, u. des
processes selbsten, sonderlich aber wegen dessen, was wir beym
andern punct betrachten werden, so viel grösseres ansehen und vorzug
vor andern gerichten im lande hat. Und verstehen wir allhier
erstlich die gerichtbarkeit, welche der landes-herr in und durch
seinen justitz-rath verwalten lässet; Denn, Erstlich, was den
richter betrifft, so dirigiret in eintheilung |
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Anderer Theil. Cap. 9. |
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der justitz bey seiner rath-stuben der Landes-Fürst
oder Herr so ferne selbst, daß er alle wichtige sachen, wie
anderswo schon berichtet, sich selbst vortragen läst, auch alles
unter seinem oder seiner cantzeley nahmen ausgefertiget wird. Die
Personen, welche gerichtliche verhör halten, und bescheid geben,
sind die cantzlar und hof- oder justitien-räthe, von welchen wir
oben schon ausführliche meldung gethan, und vertritt unter
denselben, der cantzlar, oder wie nach unterschied der lande, diese
oberste person genennet wird, der præsident, director, land- oder
hof-richter, die stelle des landes-fürsten in allen sachen, denen er
selbst nicht beywohnen mag, * und eigentlich zum proceß und
gerichts-handlung erfordert werden: Zu aufsetzung der gerichtlichen
befehle, bescheide, recessen, resolutionen, etc. Zu abhörung der
zeugen, zu protocollirung der partheyen, vorbringen der sätze, und
dergleichen werden gebraucht die secretarien, actuarien und
cantzelisten, die wir oben beschrieben: So wird auch eine person zum
fiscal oder advocato fisci geordnet, daß er auf die verbrecher im
lande fleißige aufsicht haben, auf ihre bestraffung oder einbringung
und verfügung der schon verordneten straffe klagen, und das
richterliche amt anruffen soll. Vor diesem höchsten gerichte im
lande müssen stehen und sich verklagen lassen alle Stände des
landes, prälaten, grafen, herren, edelleute, räthe und städte, und
in etlichen landen auch diejenigen alle, die von dem landes-herrn
lehen und anwartung haben,** desgleichen alle hof-bediente und
beamte der herr- |
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Teutschen Fürsten-Staats |
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schafft auf dem lande, welche vom landes-herrn
bestellet und verpflichtet, und keiner unter-obrigkeit sonst
untergeben werden, welches denn auch also zu verstehen, von allen
gütern und deren gerechtsamen, welche vom landes-herrn verliehen,
oder sonst keinem unter-gerichte von alters her unterworffen: ***
Ingleichen werden auch vor den rath-stuben ordentlich keine andere,
als gewisse vereydete Hof-Advocaten zugelassen, welche mit sonderer
instruction auf den proceß der cantzley, und sonst zu andern
nützlichen puncten, insonderheit auch, daß sie armen unvermögenden
leuten umsonst dienen müssen, angewiesen werden. |
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Was den Proceß belanget, ist zwar sonst in
gemeinen, und sonderlichen land-rechten, gerichts- und proceß-ordnungen versehen,
wie und zu welcher zeit man klagen, antworten,
beweiß führen, bescheids gewarten, und execution des urtheils leiden
müsse, so wohl in peinlichen als bürgerlichen sachen, an welchen
proceß andere unter-gerichte genau gebunden sind, und daraus nicht
schreiten dürffen. Weil aber das höchste gerichte im lande von der
landes-obrigkeit, durch gnugsame und verständige personen bestellet
und verwaltet wird, auch der sachen gar viel daselbst vorfallen, so
wird es gemeiniglich darinnen mit solchen proceß oder gerichts-ordnung
in etlichen stücken anderst gehalten, kürtzer verfahren, und
zur hauptsache und deren entscheidung unverzüglicher geschritten,
oder durch sonderbare commissiones, das werck vorgenommen und
erlediget, oder davon bericht eingezogen. Da- |
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Anderer Theil. Cap. 9. |
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von können die ausgegangene Proceß- und Cantzley-
oder Landes-Ordnungen der Teutschen Fürstenthümer und länder mit
mehrerm nachricht geben: Wie wir denn auch im vorhergehenden capitel angezeiget, was das gesetz oder recht sey darnach die gerichte administriret, und urtheil und recht ertheilet wird. |
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* Und daraus fliesset denn, daß die appellation
von denen fürstl. regierungen an den fürsten selbst, keine statt
haben könne. |
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** Welches sonderlich in Sachsen in beständiger
observantz, ob auch gleich diejenigen, so güter oder anwartung daran
haben, ihre wesentliche wohnung im lande nicht hätten. |
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*** Wohin auch die sogenannten cantzley-lehen
gehören, ob solche gleich von bauern besessen werden. |
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