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Seckendorff: Teutscher Fürsten-Staat HIS-Data
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Anderer Theil > Cap. 11 > §. 2
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Daß dieses recht auch denen teutschen fürsten zukomme
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  §. 2. Ob nun wohl etliche hundert jahr hero den weltlichen obrigkeiten, durch den geistlichen
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  stand, und die anstalt des päbstlichen stuhls zu Rom, an diesem stück des regiments grosser abbruch geschehen, * und darüber zwischen den streitigen religionen viel zwiespalt entstanden. So ist doch solches recht durch sonderliche abschiede und satzungen des Reichs, bevorab die, welche in an. 1555. zu Augspurg von damaliger Käyserl. Maj. und denen Chur-Fürsten und Ständen des Reichs, aufgerichtet worden, bekräfftiget, ** und darinnen ausdrücklich gesetzet, daß die Teutschen Fürsten und Stände, welche von den Röm. Catholischen sich in glaubens-sachen gesondert, bey der Augspurgischen Confeßion, religion, glauben, kirchen-gebräuchen, ordnungen und ceremonien, so sie aufgerichtet, oder nachmals aufrichten möchten, ruhiglich und friedlich gelassen, und geschützet, auch der römisch-geistlichen bischöffe jurisdiction wider dieselbe, und solche ihre confeßion, religion, glauben, kirchen-gebräuche, ordnungen und ceremonien, aufgehaben seyn soll. Und ob wol solcher religions-friede und satzungen nicht ohne grosse zerrüttung, mühe, gefahr und kosten, damahls, nach ausweisung der historien erworben, seithero auch zu erhalten gleicher gestalt, wie die vorgewesene unfälle und betrübte läufften bezeugen, sehr schwer gewesen, so ist doch solcher anderweit mit einhelligem schluß, des Teutschen Reichs, auch anderer benachbarten Stände, durch den bekanten friedens-schluß, Anno 1648. aufs neue befestiget worden, also, daß die Landes-Herren des
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  Protestirenden Theils so wohl nach dem Grunde göttlicher und natürlicher, als auch nach zulassung der üblichen reichs-rechte und satzungen, nebenst dem weltlichen, auch das geistliche regiment, so weit einer christlichen obrigkeit zukömmet, zu führen haben; *** Massen sie denn dieses, wie billig, seiner vortrefflichkeit und wichtigkeit nach, vor das gröste regal- oder obrigkeitliche recht halten und achten, und solches äusserlich zu behaupten, alle die mittel und wege brauchen, die wir oben in weltlichen regiments-sachen bey dem ersten punct der regierung erzehlet.
  * Man muß sich wohl recht höchlich verwundern, wie es immer möglich gewesen, daß die Päbste zu Rom die lehre von verknüpffung des geist- und weltlichen regiments, und daß jenes einem weltlichen potentaten nicht zustehen könne, unter so scheinbarem vorwand durchzutreiben gewust: Denn entweder können die geistlichen sachen samt denen weltlichen von Einen regenten ihrer beschaffenheit nach verwaltet werden, oder nicht; ist jenes, so hat der römische stuhl viele hundert jahre her denen edelmüthigsten Europäischen häuptern unrechtmäßig auf die hälse getreten, und sich eines fremden guthes angemasset; ist aber dieses, so können die vornehmsten Ertz- und bischöffe nebst andern prälaten des Teutschen Reichs, ja der römische pabst selbst, nebst denen geistlichen geschäfften, die weltliche regiments-sachen zugleich mit guten gewissen nicht verwalten. Wolte man aber einwenden, daß solche verknüpffung nur in der person eines weltlichen potentaten unzuläßig sey, so wäre dieses nicht allein zuförderst zu erweisen, und die lehre unseres Heylandes: Die weltlichen könige herrschen, ihr aber nicht also: zu widerlegen, sondern auch einiger päbste deme zuwiderlauffendes factum, ohne schaden der gerühmten infallibilität umzustossen.
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  Also befreyete ja selbst pabst Eugenius IV. im jahr 1404. die hertzoge von Cleve aller geistlichen gewalt derer Ertz-bischöffe zu Cölln und bischöffe zu Münster, daß daher ein sprichwort entstanden: Der hertzog von Cleve sey pabst in seinen landen: Doch was brauchts, in einer so offenbaren sache sich länger aufzuhalten, welche auch mitten im pabstthum sattsam ist erkant worden. Es musten ja schon zu zeiten der Fridericorum und Henricorum die päbste sich vieles unter die nase reiben lassen, so ihnen zu schlechten ruhm gereichete; ist auch bekant, was hertzog George zu Sachsen, ein sonst eyfriger papist, sagte, als ihme wegen der balley Thüringen streit erreget wurde: Er wäre in seinem lande selbsten Pabst, Kayser, und Teutscher Meister.
  ** Es haben aber auch vor diesen zeiten die, der Catholischen religion zugethane regenten, von dem rechte in geistlichen sachen nicht völlig abweichen wollen, sondern einer viel, der andere wenig sich darinnen angemasset, nachdem es ihr zustand leiden wollen, wie davon die exempel der landgrafen in Hessen und hertzoge in Bayern, auch anderer mehr sattsam zeugen können, und die scribenten hin und wieder davon nachricht geben.
  *** Daher auch die Landes-fürsten des Teutschen reichs im Nürnbergischen reichs-abschied d. a. 1524. Schützer und beschirmer des glaubens, genennet werden.
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Stand: 2. Oktober 2017 © Hans-Walter Pries