HIS-Data
Seckendorff: Teutscher Fürsten-Staat HIS-Data
5226-2-14-1
Anderer Theil > Cap. 14 > §. 1
Werk Inhalt ⇧ Cap. 14
Daß wohlbestellte schulen ein höchst-nöthiges werck in der republic
§. 2 ⇨

S. 329 (Forts.)   ⇦ S. 329: Innhalt
  §. 1.
  ES darff keines weitläufftigen anführens, sondern ist allerdings bekannt, und bey allen völckern, die ihre vernunfft wohl gebrauchen, geschweige denn bey christlichen policeyen, zu ieder zeit gäntzlich dafür gehalten worden, daß an auferziehung der jugend in einem regiment sehr viel gelegen: Ja, daß von den leuten selten ein ander leben, thun und wandel zu hoffen sey, als wozu sie von kindesbeinen an erzogen und gewehnet worden. Ist nun solche erziehung und gewehnung gut und tauglich, so hat man sich auch redlicher und geschickter leute beym regiment in allen ständen: Widrigen
S. 330 Teutschen Fürsten-Staats
  falls aber nichts anders, als eines unartigen und wilden wesens zu versehen.
  Es pfleget sich aber offt ein iedes land hierinnen nach der art seiner nahrung und meisten verrichtung zu achten: Kriegerische und räuberische völcker, zum exempel, werden ihre kinder fürnehmlich von jugend auf zu kriegs-übung gewehnen. Die sich der seefahrt nähren, werden sie bald zu schwimmen, fischen und schiffen, andere anderst anführen.
  Betrachten wir aber den zustand unsers vaterlandes teutscher nation, so ist zwar derselbe sehr veränderlich, also, daß den wenigsten eltern bekannt oder gewiß fürgesetzet ist, worzu sie ihre kinder, sonderlich die söhne, erziehen wollen, die meisten stellen es auf die zuneigung des kindes selbst und auf die begebende fälle und gelegenheiten.* Ein ieder aber, der ein christ, und seiner vernunfft mächtig ist, hat gleichwol zu wünschen, und dahin zu trachten, daß seine kinder in zarten jahren, da sie ohne das zu andern verrichtungen unbequem seyn, in der christlichen religion wohl unterrichtet, und auch zu solchen dingen angewiesen werden, deren sie sich in allen ständen, darein sie etwa Gott dermaleinst setzen möchte, wohl und nützlich gebrauchen können. Welches denn geschicht durch anführung der jugend zu denen schulen, darinnen solche beyderley stücke getrieben werden, sintemal die erkäntniß der wahren religion in der jugend nicht so wohl durch die öffentliche predigt, welche fürnemlich den erwachsenen und verständigen geschehen, als durch eigentliche, einfältige und stetige unterweisung, nachforschung und aufsicht derer darzu geschickten
S. 331 Anderer Theil. Cap. 14.
  personen gepflantzet wird, und werden solcher ursachen halben die schulen, und das gantze schul-regiment, weil die unterrichtung in christlicher lehre, dero erstes und wichtigstes stück ist, billig vor werckstätte und vorbereitungs-örter der christlichen kirchen geachtet, auch deren verordnung und bestellung vor eine verrichtung des geistlichen regiments gehalten, und dabey gleichwol auf den fernern zweck, nemlich, die unterrichtung in andern nützlichen dingen und wissenschafften auch mit gesehen.
  *Beydes geschicht aus gar zu grosser nachläßigkeit und unverstand in erziehung der jugend. Massen diese noch nicht von dem verstande, daß sie solte eine ihrem genie und zustande gemässe profession erwehlen können; So ergiebet sich auch bey manchen die gelegenheit, daß er zu denen studiis geräth, vor den sich doch der dreschflegel besser geschicket hätte. Nichts gewöhnlicher aber ist, als daß die kinder der eltern profession nachfolgen, zu der sie doch offte so geschickt, als der esel zum lautenschlagen. Wer siehet aber nicht, daß es deßfalls an recht prudenten inspectoren der jugend, auch am wahren eyfer der republic deßfals wohl zu prospiciren, fehle, welches beydes demnach christliche obrigkeit zu dero selbst eigenen besten fleißig zu behertzigen hat.
HIS-Data 5226-2-14-1: Teutscher Fürsten-Staat: Anderer Theil: Cap. 14: §. 1 HIS-Data Home
Stand: 25. Juli 2017 © Hans-Walter Pries