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Seckendorff: Teutscher Fürsten-Staat HIS-Data
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Anderer Theil > Cap. 14 > §. 2
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Von denen niederen schulen, und wie solche heilsam zu bestellen
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  §. 2. Hieraus kan man nun leichtlich schliessen, daß die erste und niederste, gleichwohl aber nöthigste und unentbehrlichste art der schulen diejenige sey, darinnen solche beyde stücke, nemlich der nothdürfftige unterricht christlicher lehre, und die erlernung gemeiner zu allen ständen erforderten geschicklichkeit, als da ist, lesen, schreiben, und dergleichen getrie- Scan 351
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  ben werden. Dahero denn auch in den landen der Augspurgischen confeßion die christliche hohe obrigkeiten vorlängsten, und sonderlich nach der zeit der reformation, dahin gearbeitet, und sich auch noch stets löblich bemühen, daß es nicht leichtlich an einem ort des landes, wo leute beysammen wohnen, und kinder gezogen werden, an einer solchen schule mangeln, oder ja dieselbe nicht ferne davon, sondern bequemlich gelegen, und zu finden seyn möge.* Es sind auch vieler orten besondere ordnungen und schul-verfassungen nicht allein aufgerichtet, sondern auch in öffentlichen druck ausgangen, bestehet aber sonderlich und hauptsächlich, was zu behuff dieser schulen geordnet werden kan, darinnen:
  1. Daß in den schulen gottesfürchtige, erbare, lehrhafte und geschickte personen zu schulmeistern verordnet werden sollen, es habe gleich die landes-herrschaft, und dero consistorium selbst, oder wie gemeiniglich geschicht, die gemeinde und kirch-spiel solchen schul-dienst zu besetzen. Denn nichts desto weiniger die vorgeschlagene person von dem superintendenten examiniret, und nicht ehe, als wenn sie tüchtig befunden worden, zuzulassen ist.
  2. Daß den schulmeistern gnugsame art und weise in schrifftlichen ordnungen gezeiget wird, wie sie sich bey ihrer unterweisung verhalten, und wie sie in einem und andern stück verfahren sollen, damit nicht auf viel und unterschiedliche weise nach eines ieden kopff und unverstand die jugend zerrüttet sondern im lernen eine natürliche, anmuthige art, wenig und einerley schul-bücher, und denn auch eine gewisse
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  zeit und eintheilung der schüler in etliche hauffen nach unterscheid dessen, was sie begriffen, gehalten, und die gemeine jugend, deren man zumal in den dörffern nicht lange entbehren kan, ihren eltern und freunden zu dienst, desto ehe wieder aus der schulen entlassen werde.
  3. Daß in verordnung der lectionen eine rechte wahl und nothwendiger unterscheid gehalten werde, damit das nöthige, als da ist sonderlich die unterrichtung in christlicher lehre, zuförderst geschehe, und denn die gemeinnützigen stücke, lesen, schreiben, rechnen, singen, und was etwa mehr in teutscher sprache einem vernünfftigen menschen zu allerhand guter nachricht in allen ständen dienen kan, der jugend beygebracht, überfluß aber vermieden, und diejenige, welche nach der eltern gelegenheit, und ihrer fähigkeit, mehr wissen sollen, in die weitere und höhere schulen zu rechter zeit geschaffet werden.
  4. Daß man die schulmeister dahin weiset, daß sie bey der jugend, neben der wissenschafft, fürnemlich auf pflantzung der gottesfurcht, erbarkeit, gehorsam, demuth, stilles und eingezogenes wesen, verträglichkeit, züchtige geberden, und was mehr christlich und löblich ist, ihr absehen haben.
  5. Daß die eltern, vormündere und pfleger der jugend, das ihrige bey dem schul-wesen zu thun, auch angewiesen und gehalten werden, als, daß sie die jugend zu rechter, und zum längsten im fünfften jahr ihres alters, in die schule schicken, darvon keines weges abhalten, sie zu hause nicht ärgern, sondern
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  dern vielmehr zu erholung und beobachtung dessen, was sie in schulen gutes lernen, anweisen.
  6. Daß über die schulen eine richtige inspection geführet werde, und sonderlich die pfarrer iedes orts, auf ihre schulmeister, und die untergebene jugend ein wachsames auge haben, damit christlicher und nützlicher ordnung allenthalben nachgelebet werde, wie denn sonderbare verordnung hin und wieder gethan ist, wie und wann die erforschungen oder examina der jugend zu bequemen jahrs-gelegenheiten, als da ist die zeit vor der erndte, angestellet,** wie davon an den general-superintendenten, und förter ans consistorium, bericht geschehen, und denen ereignenden mängeln abgeholffen werden soll.
  7. Muß auch die hohe und niedrige obrigkeit, und dero beamte und bediente, über solchen schulen halten, die hohen zwar nicht allein mit verfassung guter ordnung, nach denen bißhero erzehlten stücken, sondern auch daß sie selbst lust und beliebung trage, in dem consistorio öffters nach dem schulwesen zu fragen, auf dessen verbesserung zu gedencken, und dem mangel vor zu seyn, nach tüchtigen leuten zu trachten, und ihnen gnugsames auskommen bey ihrem dienst zu verschaffen, sie auch unerkannter dinge solches ihres dienstes nicht einsetzen lassen. Die beamten und gerichts-verwalter aber, daß sie über den schul-ordnungen steiff halten, den examinibus beywohnen, den schul-dienern bey ihrem amt, auch darbey gewöhnlicher freyheit und immunität schutz leisten, ihnen zu ihrer besoldung,
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  erhaltung ihrer wohnungen und dienst-güter, verhelffen, und alle müglichste förderung erzeigen.***
  * Recht löblich ist deßfals die anstalt des höchstseligsten hertzogs Ernesti zu Gotha gewesen: Es hat auch Gott dessen geführte vorsorge so wohl gesegnet, daß man in denen gantzen landen fast keine person, auch unter einfältigen bauersleuten antreffen wird, welche nicht in den grund-stücken christlicher lehre, samt nothdürfftigen lesen und schreiben geübet wäre.
  * Es werden aber solche examina durch die special-superintendenten, nebst den beamten oder gerichts-herren, nachdem es ein oder andern orts hergebracht, verrichtet, denen ereignenden mängeln durch nöthige erinnerung abgeholffen, alles in gewisse verzeichnisse und tabellen gebracht, und diese samt dem gehaltenen protocoll, dem consistorio eingeschicket, welches, was etwa noch zu erinnern, anordnet, damit es bey künfftigen visitationen beobachtet werden könne.
  *** Hierbey kan ich nun nicht umhin, dieses zu erinnern, daß grosse herren nicht allein, sondern auch niedere obrigkeiten fast nichts vor unanständiger halten, als sich um das schulwesen zu bekümmern: Es ist auch in der meisten augen nichts verachteter als ein schulmann, daher es denn kömmet, daß die wenigsten mit hinlänglichen besoldungen versehen, wie ich denn deren angetroffen, die denen bauern das viehe gegen ein stück brod gehütet haben. Daher kömmt es auch, daß keiner zu schul-diensten sich bequemet, ohne der zu andern diensten nicht tüchtig ist, da doch umgekehrt zu den schulen die tüchtigsten leute solten genommen werden, in betracht dem gemeinen wesen so viel an rechter zubereitung der jugend gelegen ist. Ich sage aber fast, es werde auch dieses vor die lange weile erinnert seyn, wenn nicht Gott die hertzen christlicher obrigkeit erwecket.
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Stand: 25. Juli 2017 © Hans-Walter Pries