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S. 610 (Forts.) |
§. 9. IV. Zu der aufwartung und bedienung sind zwar
insgemein alle hof-bediente, die wir in diesem capitel beschrieben, angewiesen:
Wir verstehen aber allhier diejenige, welche nicht zu sonderbahren andern
ämtern und aufsichten vornemlich, sondern ingemein zu bedienung des Landes-
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Fürsten und dessen angehörigen personen gehalten werden. Die
sind nun unterschiedliches standes und wesens, als 1. erwachsene edelleute,
oder herren-standes-personen, welche entweder bey hof erzogen, und von dem
Landes-herrn nach altem gebrauch wehrhafft erkläret werden, oder sonst mit
studiren, reisen und kriegs-diensten geübet.* Derselben gebrauchet sich nun die
Herrschafft zu allerhand ehrlichen geschäfften und verrichtungen bey hof und
auf dem lande, wozu ein jeder sich am besten befindet. Ordentlich aber bey
hofe, daß sie vor des Landes-herrn gemach etwa wechsels-weise aufwarten, und
was er befehlen wird, vernehmen, oder die, welche bey ihm audientz begehren,
anmelden, ihn in die kirchen und aus derselben, denn zu und von der tafel zu
begleiten, und zwar nach der meisten Teutschen Höfe gebrauch vor ihm hergehen,
dabey der Herrschafft vor und nach der mahlzeit wasser zum handwaschen geben,
entweder täglich oder bey feyerlichen ausrichtungen, und anwesenheit fremder
Herrschafft das trincken zutragen, und credentzen, fürschneiden, auch wohl das
essen auf die tafeln tragen, im spatzier-fahren vor der kutschen herreiten, im
reiten aber folgen, wie denn derselben reißige knechte oder jungen bey hof
gespeiset, und ihre pferde, 2. oder mehr für jeden, mit futter versehen werden,
so gar, daß vor alters die edelleute oder hof-junckern auch zur sicherheit der
fürstlichen personen mit bestellet worden. In grossen hof-stätten wird unter
denselben dieser unterschied gehalten, daß etliche cammer-jun- |
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Teutschen Fürsten-Staats |
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ckern, oder wie heute zu tage etlicher orten gebräuchlich,
cammer-herren und cämmerer sind, die den andern nicht allein vorgehen, sondern
auch in das fürstliche gemach allein unangemeldet treten, beym anziehen und
ausziehen des Fürsten aufwarten, ihm den stuhl bey der tafel zurecht rücken,
hut und handschuh geben, auch wohl den ersten trunck präsentiren. Die haben
auch vor alters in oder vor der fürstlichen cammer geschlaffen, und das fürstl.
sigill in verwahrung gehabt: Die andern sind Vorschneider und Tafel-steher,
welche bey fürstl. tafel vorlegen, und aufwarten müssen, etliche Schencken, die
der Herrschafft trincken tragen, etliche Truchsessen, die das essen auf die
fürstliche tafel tragen müssen, und sind diese letztere insgemein, zu obiger
gemeiner bedienung als hof-junckern auch mit bestellet, und werden an
sonderlichen herren- oder juncker-tischen oder tafeln gespeiset, lieget auch
einem jeden solchen edel-manne ob, sich nicht allein der gemeinen hof-ordnung
nach mit erbarem leben und wandel gemäß zu bezeigen, sondern auch den gebrauch
des hofs und der aufwartung, darvon vorher geredt, zu verstehen, damit er
hierinn nicht grobheit oder fehler begehe, wie denn die ceremonien und
gewonheiten der höfe in vielen stücken veränderlich, und deswegen wohl und
fleißig zu mercken. Inmassen denn sehr nützlich, wenn bey hof eine sonderbahre
ceremonien- oder aufwartungs-ordnung verfasset ist. |
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In etlichen fürstenthümern sind unterschiedliche hof-ämter,
als eines marschalls, cämmerers, schenckens, küchen-meisters, und dergleichen,
gewissen adelichen oder höhern geschlechtern erblich verliehen, welche jedoch
gemeiniglich nur bey gewissen solennitäten ihre aufwartung verrichten, und
deswegen sonderbare geniesse und einkünfften haben, daher man solche
bedienungen auch mehr für ceremonien, als sonderbare obliegende sorgfalten und
hof-ämter zu halten hat.** |
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* Diese weise, daß die regenten sich durch edelleute haben
bedienen lassen, ist gar alt, und sonderlich unter den Fränckischen königen
gebräuchlich gewesen, massen, wie aus deren geschichten erscheinet, dieselben
sich der Edheilinger, oder edelknechte, oder wie sie auch sonst genennet
werden, der freyen, zur zier und erhaltung königlicher reputation, in der
aufwartung gebrauchet haben, sonderlich, daß sie den hof mit ihrer anwesenheit
stärcken, und dem könige im aus- und einziehen aufwarten müssen: Von welchen
nachgehends die höheren hof-bedienungen in staats- und krieges-sachen bestellet
worden; Woraus man also siehet, daß dieses gleichsam die staats-schule gewesen,
worinnen der adel und freye leute sich zu der republic nutzen qualificiret
haben. Diese weise ist nun bey denen folgenden Teutschen regenten, wenigst was
die bedienung betrifft, beybehalten worden, und an sich selbst nicht zu tadeln,
wenn man geschickte, tapffere, wohlgestallte und tugendhaffte, dabey von
ehrlicher ankunfft und geschlecht herstammende personen in diensten um sich
hat, doch daß es auch hier heisse, wie vormahls bey gedachten Fränckischen
königen: cujuscunque ministerii qualitatem vel quantitatem minister, nobili
corde et corpore constans, rationabilis, discretus et sobrius electus
fuit. |
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** Und haben solche ämter ingesamt aus der alten Fränckischen
historie ihren ursprung, wie man solches bey denen scribenten selbiger zeiten
sattsam finden kan. |
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