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⇦ S. 614: §. 9 |
S. 614 (Forts.) |
§. 10. Nebenst diesen pfleget man auch bey hofe junge von
adel, die man Edel-knaben oder Pagen nennet, zur aufwartung zu gebrauchen, bey
an- und ausziehen der fürstl. personen, täglicher verschickung nach diesem oder
jenem diener, aufwarten und nachtreten, wann die Herrschafft zur kirche, zur
tafel, oder sonst ausgehet, zum nachreiten, nachführung des degens bey reisen,
oder des kürasses und gewehrs bey kriegs-zeiten, bey der fürstlichen tafel,
oder wo dazu hof-junckern gebraucht werden, bey dem frauenzimmer- und andern
tafeln zum vorschneiden, trincken und essen tragen: Diese werden auch bey
solcher gelegenheit in der gottesfurcht, künsten und sprachen, auch adelichen
ritter-spielen, wie wir hernach hören wollen, angeführet, und soll dieses die
pflantzung oder schule seyn, daraus man hernach die höhere hof-bediente ziehen
kan.* |
Scan 634 |
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Cammer-diener gebrauchet der Landes-herr zu beschliessung
seiner gemächer, und aufsicht auf dieselben, daß sie rein, und mit feuer und
licht gebührlich erhalten werden, zu verwahrung seiner kleidung und
dergleichen, auch beym an- und ausziehen, und daß sie nach gelegenheit vor
dessen cammer schlaffen sollen: Man träget ihnen auch wohl die einkauffung
allerhand nothdurfft für die herrschafft, ingleichen die berechnungen der
hand-gelder, reise-kosten, und dergleichen auf. |
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S. 615 |
Dritter Theil. C. 5. von Verfass. einer Hofstatt. |
Scan 635 |
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Laqueyen werden zu täglicher aufwartung und verschickung bey
hof und über land genommen, und zwar solche, die alters und gesundheit halben
wohl zu fuß seyn, und der Herrschafft auch im reiten und fahren folgen können:
Bey eingezogenen hof-stätten gebrauchet man solche auch zu essen- und
trincken-tragen. |
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Trabanten werden zu bewachung der fürstlichen gemächer, und
begleitung der Fürstlichen personen, und sonst auch zu gemeiner aufwartung bey
den tischen und über hof gebrauchet: So wird auch heute zu tage bey etlichen
höfen die fremde art eingeführet, daß sich die herren oder dero gemahlinnen in
stühlen tragen, und darzu gewisse sässelträger halten lassen. |
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Zu besondern diensten aber, als zu der predigt göttliches
worts, und dergleichen gottseligen übung, gehöret die bestellung eines
hof-predigers, und anderer personen, die wir, weil sich deren amt der gantze hof
gebrauchet, zuletzt vermelden wollen. |
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* Wo aber dieser endzweck erhalten werden soll, da müssen
auch zu deren erziehung rechte anstalten gemacht, und die jungen edelleute
nicht zu viel von denen dingen, wozu sie angeführet werden sollen, abgehalten
werden; Denn solche jugend sich ohnedem an den neben-wercke leicht vergaffet,
und darüber des hauptwercks vergisset. Sonderlich wollen ihnen die studia, wo
zumahl an höfen solche nicht in sonderlicher consideration seyn, gar sauer
eingehen, und werden solche wohl gar dazu von ihnen spöttisch verachtet,
worüber zwar andere ehrliche leute sich nicht groß betrüben werden, doch ist es
ein schade vor die republic, daß sie von solchen feinen und edlen ingeniis
keine nützliche dienste haben soll. Es stecket |
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S. 616 |
Teutschen Fürsten-Staats |
Scan 636 |
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aber der gantze fehler an der üblen erziehung, wobey ihnen
fast von jugend auf der haß gegen die studia und gelehrte leute eingeflösset,
dagegen eine gar zu grosse hochachtung gegen die exercitia und leibes-übungen
beygebracht wird, da doch diese, wie schon anderswo gesagt, kein hauptwerck
ausmachen, hingegen durch jene der gantze statt und regiment erhalten werden
müssen, und man deren dienste am allerwenigsten entbehren kan. Ich habe mir
durch einen auswertigen minister von einem gewissen hof erzehlen lassen, daß
als ein manifest in lateinischer sprache heraus gegeben werden sollen, man
einen schul-mann einen weiten weg her dazu hätte müssen ruffen lassen. Und
dennoch kan man sich nicht genug verwundern, wie bey dem jungen adel, auch wohl
andern, so vornehmen standes, der thörichte wahn eingerissen, daß man die
arbeit der gelehrten vor lauter schulfüchserey hält; welcher wahn denn mit
denen jahren fein einwurtzelt. So lange nun das werck nicht bey diesem rechten
ende angefangen wird, so lange ist auch alle hoffnung verlohren. Nützlich
möchte herbey erwogen werden, was in gleich vorgehenden anmerckungen aus denen
alten zeiten der Teutschen und Fränckischen regenten berühret ist, daß nemlich
der adel vormahls nicht anders als aus der tugend und geschicklichkeit
ermessen, und aus solchen zumahl bey hofe erzogenen personen die vornehmsten
bedienungen, auch so gar im geistlichen stande, besetzet, und dieses vor den
wahren adel gehalten worden; Daher Fortunatus singet: |
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Ecclesia: nunc jura regis venerande sacerdos,
Altera
nobilitas additur inde tibi. |
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Wovon doch leider! unsere heutigen sitten sehr verfallen
sind, so daß man leute von adel und dergleichen stande, wenn sie sich der
theologie ergeben wolten, wohl kaum vor gute biedermänner dürffte passiren
lassen. |
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S. 617: §. 11 ⇨ |