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Dritter Theil. C. 5. von Verfass. einer Hofstatt. |
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§. 30. Es erscheinet aber aus diesem allen, daß gleichwie
der Landes-herr bey seiner regierung und cammer die hand selbst fürnemlich mit
anlegen, alles dirigiren und in guter verfassung erhalten muß, soll es anderst
recht und ordentlich hergehen: Also ihme auch bey der hof-statt, als seinem
eigenen hauß-wesen, nicht weniger mühe und sorgfalt zukomme, und ob wir wohl
von einer hof-statt, wie sie gemeiniglich schon bestellet ist, reden, so
schließen wir doch damit nicht aus, sondern wiederholen vielmehr aus dem andern
Theil cap. 7. dasjenige, was wir wegen des verstandes und tugenden eines
Landes-herrn angeführet, wie sich nemlich dieselbe auch dahin erstrecken, daß
er nacher reifflicher betrachtung seines standes einkommens, seine hof-statt,
aufwartung und tractament einrichte, und darzu treue, gottesfürchtige und
verständige diener erwehle. |
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Die erfahrung bezeuget, daß, wenn in diesem stück das werck
zu hoch gespannet, die hof-statt mit dienern überleget oder übel versehen, daß
tractament in küchen und keller, fütterung, und dergleichen, so wohl auch an
geld-besoldung, überflüßig und höher, als mans erschwingen kan, gestellet und
eingerichtet, oder darbey gar keine maasse und ordnung gemacht wird, oder wenn
man allzuviel auf lust und ergetzlichkeiten, köstliche mobilien, grosse und
übermäßige gebäude, unnöthige reisen, überflüßige leib-guarden, und dergleichen
sachen, die man entrathen kan, wendet, daß dadurch zuförderst |
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Teutschen Fürsten-Staats |
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das fürstliche cammer-wesen gantz zerrüttet, kein auskommen
mehr aufgebracht, aller ertrag der ämter verzehret, und mit grossen unstatten
nach hof geschaffet, schulden und schimpflicher borg gemacht, der credit
verlohren, neue beschwerungen auf die unterthanen gewircket, und allerley
nothwendige ausgaben, wodurch der stand, hoheit, macht und ansehen, vielmehr,
als durch grossen pracht und aufgang bey hof behauptet wird, unterlassen werden
müssen.* |
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Demnach pfleget ein verständiger und tugendhaffter Herr die
anzahl und erhaltung der diener, den vorrath und tägliche anwendung bey hofe,
auch die extraordinar-aufgänge in ehren-sachen also zu ordnen und anzustellen,
daß das nothwendigste zuförderst verschaffet und beobachtet, einem jeden ein
auskommentliches, und zu frölichen fällen ein ergetzliches und ehrliches
wiederfahre, alles ordentlich eingenommen und ausgegeben, was aber zu
prächtig, ungewöhnlich und überflüßig, oder, der zeit und gelegenheit nach,
nicht ohne schaden, borg und unordnung, zu haben, lieber eingestellet, oder
verschoben werde, zu dem ende denn von dem Landes- fürsten selbst mit seinen
geheimden- und cammer-räthen, auch obersten hof-bedienten, eine richtige
ordnung berathschlaget, und ein verzeichniß aufgerichtet wird aller diener bey
hof, und in gantzen herrschaftlichen diensten bey der residentz, und was auf
jede person für besoldung an allerhand stücken, denn bey hof, an speiß und
tranck, fütterung, holtz u. |
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S. 651 |
Dritter Theil. C. 5. von Verfass. einer Hofstatt. |
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licht, täglich und jährlich gereichet werden solle, und wie
fürstliche und andere tafeln und tische mit speisung zu versehen, was im
marstall und ausser dem, den dienern für pferde gefüttert, und was jedem
gereichet werden müsse, weme man lieberey, kleidung oder kost-geld, oder
küchen-speise, geträncke, wildpret und anders gebe: Dieses wird so wohl bey
fürstl. cammer und dem hofmeister-amt für die regul und richtschnur des
ausgangs, und dessen berechnung gehalten, als auch ein jedweder hof-amt, küche,
keller, silber-cammer, marstall, burg-voigtey, so viel an jedes ort nöthig,
ausgetheilet, und die diener darauf eigentlich gewiesen. |
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* Es ist aber, wie aus dem gantzen Innhalt des texts
erscheinet, die rede allein von denen übermäßigen aufwendungen zu verstehen,
und freylich nicht zu leugnen, daß an denen meisten höfen darinnen verstoß
geschehe. Doch darff man nicht meynen, als ob schlechterdings aller aufwand so
nicht unter die nöthigen ausgaben gehöret, zu tadeln sey, und ein Herr sich
etwan sogleich nach den eigensinn derer zu rathen hätte, welche aus ermangelung
gnugsamer einsicht, und aus übereilung, bald des fürsten und der Fürstlichen
Gemahlin ergetzlichkeiten, reisen, Leib-guarden, den zum splendeur dienenden
aufgang, correspondenz-gelder, pensiones an wackere und berühmte Leute,
rechtschaffene belohnung seiner meritirten diener, u. d. g. bald den an die
unterthanen geschehenen nachlaß dessen, was sie abzustatten hätten, als
unnöthige verschwendung ansehen, in der meynung, wenn ein fürst nur brav geld
sammle, die unterthanen collectire, an denen nicht hauptsächlich nöthigen
ausgaben abbreche, so wären sie brave Cameralisten, und er ein glücklicher
Fürst. Allein es ist anderswo schon dargethan, daß so viel geld ein |
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S. 652 |
Teutschen Fürsten-Staats |
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fürst sammlet und in seinem kasten verschliesset, so viel
werden die unterthanen und das land ärmer, weil solches nicht mehr roulliren
kan; und eben also ist es denn auch mit dem andern aufwand beschaffen, welcher
in seiner maasse vielmehr zu loben als zu tadeln ist. Denn dadurch theils der
respect und ehre eines Herrn vermehret, theils denen unterthanen etwas zu
verdienen gegeben, und sonst noch mehr gutes gestifftet wird: Zumahl unter
eines gemeinen haußvaters und einer fürstlichen œconomie ein grosser
unterscheid ist; jene wird zwar bey wohl eingerichteter erspahrung aller
ausgaben vor wohl beschaffen, und ein hauß-vater, der geld gesammlet hat, vor
glücklich geachtet: Von diesen aber heist es: nummi privatorum, subditi divites
et opulenti magnifica Principum munera sunto. Ich habe cameralisten gesehen,
welche meyneten, wenn der bauer leinene hosen und zur speise wasser und brod
hätte, wäre es genug; Möchte aber wissen, wenn solcher vorschlag wäre ins werck
gerichtet worden, wer die steuern und gefälle am ende hätte bezahlen sollen,
was vor ein quantum aus der tranck-steuer würde heraus kommen seyn, und woher
in unvermutheter landes-noth die hülffe vor Fürsten und unterthanen herkommen
solte. Von andern fürstlichen aufwand möchte man sagen: pecuniam in loco
negligere maximum interdum est lucrum. Massen ein accurater rühmlicher hofhalt,
erkentlichkeiten gegen rechtschaffene diener und andere berühmte leute, dem
landes-herrn auch auswärts ruhm und ehre zu- nicht weniger brave leute herbey
ziehen; Und wird man sehen, daß sonst sowohl unter geitzigen und
verschwenderischen regenten ein staat leiden müsse. Demnach auch hier die
mittel-strasse getroffen, und nicht so wohl der nützliche und anständige
aufwand, welcher nemlich nach des Herrn revenüen proportioniret ist, als
vielmehr eine die kräffte des landes übersteigende verschwendung verworffen
werden muß. |
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S. 653: §. 31 ⇨ |