HIS-Data
Seckendorff: Teutscher Fürsten-Staat HIS-Data
5226-3-5-30
Dritter Theil > Cap. 5 > §. 30
Werk Inhalt ⇧ Cap. 5
Daß der landes-herr sich bey solchen hof-statt wesen auch selber bemühen müsse
⇦ §. 29 §. 31 ⇨

S. 649 Dritter Theil. C. 5. von Verfass. einer Hofstatt. ⇦ S. 648: §. 29
  §. 30. Es erscheinet aber aus diesem allen, daß gleichwie der Landes-herr bey seiner regierung und cammer die hand selbst fürnemlich mit anlegen, alles dirigiren und in guter verfassung erhalten muß, soll es anderst recht und ordentlich hergehen: Also ihme auch bey der hof-statt, als seinem eigenen hauß-wesen, nicht weniger mühe und sorgfalt zukomme, und ob wir wohl von einer hof-statt, wie sie gemeiniglich schon bestellet ist, reden, so schließen wir doch damit nicht aus, sondern wiederholen vielmehr aus dem andern Theil cap. 7. dasjenige, was wir wegen des verstandes und tugenden eines Landes-herrn angeführet, wie sich nemlich dieselbe auch dahin erstrecken, daß er nacher reifflicher betrachtung seines standes einkommens, seine hof-statt, aufwartung und tractament einrichte, und darzu treue, gottesfürchtige und verständige diener erwehle. Scan 669
  Die erfahrung bezeuget, daß, wenn in diesem stück das werck zu hoch gespannet, die hof-statt mit dienern überleget oder übel versehen, daß tractament in küchen und keller, fütterung, und dergleichen, so wohl auch an geld-besoldung, überflüßig und höher, als mans erschwingen kan, gestellet und eingerichtet, oder darbey gar keine maasse und ordnung gemacht wird, oder wenn man allzuviel auf lust und ergetzlichkeiten, köstliche mobilien, grosse und übermäßige gebäude, unnöthige reisen, überflüßige leib-guarden, und dergleichen sachen, die man entrathen kan, wendet, daß dadurch zuförderst
S. 650 Teutschen Fürsten-Staats
  das fürstliche cammer-wesen gantz zerrüttet, kein auskommen mehr aufgebracht, aller ertrag der ämter verzehret, und mit grossen unstatten nach hof geschaffet, schulden und schimpflicher borg gemacht, der credit verlohren, neue beschwerungen auf die unterthanen gewircket, und allerley nothwendige ausgaben, wodurch der stand, hoheit, macht und ansehen, vielmehr, als durch grossen pracht und aufgang bey hof behauptet wird, unterlassen werden müssen.*
  Demnach pfleget ein verständiger und tugendhaffter Herr die anzahl und erhaltung der diener, den vorrath und tägliche anwendung bey hofe, auch die extraordinar-aufgänge in ehren-sachen also zu ordnen und anzustellen, daß das nothwendigste zuförderst verschaffet und beobachtet, einem jeden ein auskommentliches, und zu frölichen fällen ein ergetzliches und ehrliches wiederfahre, alles ordentlich eingenommen und ausgegeben, was aber zu prächtig, ungewöhnlich und überflüßig, oder, der zeit und gelegenheit nach, nicht ohne schaden, borg und unordnung, zu haben, lieber eingestellet, oder verschoben werde, zu dem ende denn von dem Landes- fürsten selbst mit seinen geheimden- und cammer-räthen, auch obersten hof-bedienten, eine richtige ordnung berathschlaget, und ein verzeichniß aufgerichtet wird aller diener bey hof, und in gantzen herrschaftlichen diensten bey der residentz, und was auf jede person für besoldung an allerhand stücken, denn bey hof, an speiß und tranck, fütterung, holtz u.
S. 651 Dritter Theil. C. 5. von Verfass. einer Hofstatt.
  licht, täglich und jährlich gereichet werden solle, und wie fürstliche und andere tafeln und tische mit speisung zu versehen, was im marstall und ausser dem, den dienern für pferde gefüttert, und was jedem gereichet werden müsse, weme man lieberey, kleidung oder kost-geld, oder küchen-speise, geträncke, wildpret und anders gebe: Dieses wird so wohl bey fürstl. cammer und dem hofmeister-amt für die regul und richtschnur des ausgangs, und dessen berechnung gehalten, als auch ein jedweder hof-amt, küche, keller, silber-cammer, marstall, burg-voigtey, so viel an jedes ort nöthig, ausgetheilet, und die diener darauf eigentlich gewiesen.
  * Es ist aber, wie aus dem gantzen Innhalt des texts erscheinet, die rede allein von denen übermäßigen aufwendungen zu verstehen, und freylich nicht zu leugnen, daß an denen meisten höfen darinnen verstoß geschehe. Doch darff man nicht meynen, als ob schlechterdings aller aufwand so nicht unter die nöthigen ausgaben gehöret, zu tadeln sey, und ein Herr sich etwan sogleich nach den eigensinn derer zu rathen hätte, welche aus ermangelung gnugsamer einsicht, und aus übereilung, bald des fürsten und der Fürstlichen Gemahlin ergetzlichkeiten, reisen, Leib-guarden, den zum splendeur dienenden aufgang, correspondenz-gelder, pensiones an wackere und berühmte Leute, rechtschaffene belohnung seiner meritirten diener, u. d. g. bald den an die unterthanen geschehenen nachlaß dessen, was sie abzustatten hätten, als unnöthige verschwendung ansehen, in der meynung, wenn ein fürst nur brav geld sammle, die unterthanen collectire, an denen nicht hauptsächlich nöthigen ausgaben abbreche, so wären sie brave Cameralisten, und er ein glücklicher Fürst. Allein es ist anderswo schon dargethan, daß so viel geld ein
S. 652 Teutschen Fürsten-Staats
  fürst sammlet und in seinem kasten verschliesset, so viel werden die unterthanen und das land ärmer, weil solches nicht mehr roulliren kan; und eben also ist es denn auch mit dem andern aufwand beschaffen, welcher in seiner maasse vielmehr zu loben als zu tadeln ist. Denn dadurch theils der respect und ehre eines Herrn vermehret, theils denen unterthanen etwas zu verdienen gegeben, und sonst noch mehr gutes gestifftet wird: Zumahl unter eines gemeinen haußvaters und einer fürstlichen œconomie ein grosser unterscheid ist; jene wird zwar bey wohl eingerichteter erspahrung aller ausgaben vor wohl beschaffen, und ein hauß-vater, der geld gesammlet hat, vor glücklich geachtet: Von diesen aber heist es: nummi privatorum, subditi divites et opulenti magnifica Principum munera sunto. Ich habe cameralisten gesehen, welche meyneten, wenn der bauer leinene hosen und zur speise wasser und brod hätte, wäre es genug; Möchte aber wissen, wenn solcher vorschlag wäre ins werck gerichtet worden, wer die steuern und gefälle am ende hätte bezahlen sollen, was vor ein quantum aus der tranck-steuer würde heraus kommen seyn, und woher in unvermutheter landes-noth die hülffe vor Fürsten und unterthanen herkommen solte. Von andern fürstlichen aufwand möchte man sagen: pecuniam in loco negligere maximum interdum est lucrum. Massen ein accurater rühmlicher hofhalt, erkentlichkeiten gegen rechtschaffene diener und andere berühmte leute, dem landes-herrn auch auswärts ruhm und ehre zu- nicht weniger brave leute herbey ziehen; Und wird man sehen, daß sonst sowohl unter geitzigen und verschwenderischen regenten ein staat leiden müsse. Demnach auch hier die mittel-strasse getroffen, und nicht so wohl der nützliche und anständige aufwand, welcher nemlich nach des Herrn revenüen proportioniret ist, als vielmehr eine die kräffte des landes übersteigende verschwendung verworffen werden muß.
   
HIS-Data 5226-3-5-30: Teutscher Fürsten-Staat: Dritter Theil: Cap. 5: §. 30 HIS-Data Home
Stand: 16. Juli 2017 © Hans-Walter Pries