HIS-Data
Home | Suche
Zedler: Churfürsten HIS-Data
5028-5-2301-4
Titel: Churfürsten
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 5 Sp. 2301
Jahr: 1733
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 5 S. 1076
Vorheriger Artikel: Churcum
Folgender Artikel: Churfürsten setzen
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

Stichworte Text Quellenangaben | Anmerkungen
  Churfürsten, sind die vornehmsten Glieder des H. R. Reichs, welche desselben Ertz-Ämter verwalten, und wenn dessen Ober-Haupt, der Kayser, gestorben, einen andern erwählen.  
  Sie sind entweder geistlich oder weltlich, und haben jene die Cantzeley, diese die Hof-Ämter zu verwalten.  
Anzahl Ihrer sind von Anfange 7 gewesen, 3. geistliche und 4. weltliche, welche Anzahl auch in der göldenen Bulla benennet wor-  
  {Sp. 2302}  
  den.  
geistliche Was die erstern anlanget, so haben 3. Reiche zu dem Römischen Reiche Teutscher Nation gehöret, Teutschland, Italien und Arelat, daher auch so viel Ertz-Cantzler, bestellet worden, welche Würde anfangs unterschiedene Bischöffe besessen bis sie endlich nach und nach bey etlichen gewissen geblieben. Also ist  
 
  • der Ertz-Bischoff von Mayntz von des Kaysers Ottonis I. Zeiten an Ertz-Cantzler in Teutschland;
  • der Ertz-Bischoff von Cöln nach denen Zeiten des Kaysers Henrici IV. Ertz-Cantzler in Italien und Sicilien, und
  • der Ertz-Bischoff von Trier nach dem Interregno Ertz-Cantzler durch Gallien und das Königreich Arelat.
 
weltliche Derer weltlichen Reichs-Ertz-Ämter sind von denen ältesten Zeiten an 4. gewesen, ein   
 
  • Truchseß,
  • Marschall,
  • Schenck und
  • Cämmerer,
 
  worzu noch das Ober-Hofmeister-Amt gekommen, welches aber manchmal zugleich von dem Truchseß oder Schencken verwaltet worden.  
  Nach Ausgange des Carolingischen Stammes sind diese 4. Ertz-Reichs-Ämter von denen 4. Hertzogen derer 4. Teutschen Lande allemal verwaltet worden. Denn wie Coccejus behaupten will, so sind in Teutschland 5. vornehme Provintzen gewesen, Rhein-Land, Francken, Bayern, Schwaben und Sachsen, davon iegliche durch einen eigenen Hertzog regieret worden, welche die mächtigsten in Teutschland gewesen, und nach Abgang des Carolingischen Hauses hat man iederzeit einen aus ihnen zum Könige oder Kayser erwählet, bey welchem hernach die 4. übrigen die vornehmsten Ämter verwaltet haben.  
  Als aber hernach mit Henrico V. Anno 1125. das Geschlecht derer Hertzoge von Francken ausgestorben, und dieses Hertzogthum an die Schwaben gekommen, Bayern auch unter Lothario mit Sachsen vereiniget, und beyde Provintzen dem Hertzoge Henrico Leoni gegeben worden, so sind nur 3. Ertz-Reichs-Beamten, Pfaltz, Schwaben und Sachsen übrig, das Ertz-Cämmerer-Amt aber vacant geblieben, wiewol solches denen Marggrafen von Brandenburg von Rechts wegen zukam, weil Otto von Ascanien das Hertzogthum der Vandalischen Provintzen von dem Kayser Henrico V. bekommen hatte, welche vorhero Slavischen und nunmehro Teutschen Rechts waren.  
  Als aber die Hertzoge von Schwaben das Kayserthum erhalten, ist wiederum ein Ertz-Reichs-Amt erlediget worden, welches bey der Wahl des Kaysers Friderici I. der Hertzog und hierauf König von Böhmen verwaltet; wobey es auch nach dem Interregno verblieben, und ist diese Anzahl in der göldenen Bulla von Carolo IV. bestätiget worden, daß nemlich  
   
  seyn sollten.  
  Als aber in dem 30jährigen Kriege der Kayser Ferdinandus II. den Pfaltz-Grafen Fridericum V. der sich zum Könige in Böhmen wählen lassen, der Chur-Würde entsetzet, und selbige dem Hertzoge von Bayern, Maximiliano gegeben, so wurde endlich auf dem Oßnabrüggischen Friedens-Schluß Anno 1648. und hernach A. 1651 es dahin verglichen, daß zwar Bayern  
  {Sp. 2303|S. 1077}  
  das Churfürsten- und Ertz-Truchsessen-Amt behalten, Chur-Pfaltz aber eine neue und die achte Chur-Stelle nebst dem Ert-Schatz-Meister-Amt bekommen sollte.  
  Nachgehends ist auch dem Hertzoge von Braunschweig-Lüneburg, Ernesto Augusto, A. 1692. wieder eine neue, und zwar die 9. Chur-Würde zugeeignet worden; da denn das Haus Braunschweig nicht gleich vom Anfang ein Ertz-Amt bekommen, hernach aber, als der Churfürst Maximilianus Emanuel in Bayern in die Acht erkläret worden, das Ertz-Schatz-Meister-Amt erhalten, welches ihm nach der Chur-Bayerischen Restitution von dem Churfürsten zu Pfaltz streitig gemacht worden.  
Hauptprivileg Der gröste Vorzug, den die Churfürsten vor andern Fürsten haben, ist, daß sie einen Römischen Kayser und König erwählen, daher ihnen auch der Name Churfürst oder Köhr-Fürst beygeleget worden, weil sie die Fürsten sind, die einen Kayser köhren oder wählen.  
Ursprung Vor diesem haben die gesammten Fürsten und Stände einen Römischen König ernennet, welchen hernach die Churfürsten erwählet, wie solches Welbertus, Conradi III. Capellan, in Beschreibung der Wahl Lotharii II. angemercket, womit auch der Sachsen-Spiegel übereinstimmet lib. III. art. 57. bis endlich nach und nach die andern Fürsten auch nichts mehr mit der Ernennung zu thun gehabt, sondern selbige nebst der Wahl von denen Ertz-Reichs-Beamten allein verrichtet worden; daher man keine gewisse Zeit von dem Ursprunge derer Churfürsten setzen kan.  
  Es haben zwar viele Scribenten behaupten wollen, daß sie von dem Kayser Ottone III. eingesetzet worden; allein diese finden nunmehr bey niemanden mehr Beyfall, indem noch etliche 100. Jahr nach Ottonis III. Zeiten alle Fürsten des Reichs bey der Wahl concurriret; zu geschweigen, daß auch die rechte constitutio Ottonis III. hierüber nicht kan aufgewiesen werden.
  • Nicol. Burgundus Hist. Bavar. I. p. 2.
  • Andreas Presb. Ratisb. Chron. Bav. p. 19.
  • Gobelinus Persona Cosmodr. …
  • Freherus ad Chalcocond. Rer. Turc. …
  • Gryphiander de Weichb. …
  • Reincking. de Reg. sec. et Eccl. …
  Andere schreiben den Ursprung derer Churfürsten Ottoni IV. zu.
  Andere, als Trithemius in Chron. meynen, sie wären zu Friderici II. Zeiten aus freywilligem Consens derer Fürsten und auf Veranlassung Innocentii IV. entstanden;
  • Joannes Vito Turanus Chron. apud Leibnitz. Script. Brunsv. Tom. I.
  • Baronius Annal. …
  • Mallinckroth de Alanc. 3.
  Die Meynung ist die wahrscheinlichste, daß die Churfürsten, gleichwie sie vorher schon bey der Kayser-Wahl in Ansehung derer Ertz-Ämter allmählig das meiste zu sprechen bekommen, also währendem grossen Interregno nach Friderici II. Zeiten, als die Sachen in Teutschland in einen verwirrten Zustand gerathen waren, und die übrige sich wenig über die Reichs-Affairen bekümmert, so hätten sie sich endlich die Wahl-Gerechtigkeit allein zugeeignet, und wäre Graf Wilhelm von Holland der erste gewesen, welcher nur von 7. Fürsten, so man nachgehends Churfürsten genennet, erwählet, auch solches Recht hernach denen Churfürsten durch die göldene Bulla festgestellet worden, darinnen auch ihre Privilegia enthalten.
  {Sp. 2304}  
   
  triarius Inst. J. Publ. ...
   
Privilegien Unter denen Privilegien, so Carolus IV. in der göldenen Bulle denen Churfürsten ertheilet hat, beziehen sich viel auf ihr gantzes Collegium, und bestehen vornemlich in nachfolgenden:  
 
1) Erwählen die Churfürsten ohne Zuziehung derer andern Reichs-Fürsten und Stände den Kayser allein, schreiben ihm auch vor sich und im Namen des gantzen Reichs eine Capitulation allein für, ohngeachtet das Fürstliche Collegium damit nicht zufrieden.
 
 
2) Sie haben die importantesten und so genannten Ertz-Ämter, welche zum Gouvernement des Reichs gehören.
 
 
3) Sie machen ein a partes Collegium, oder einen besondern Churfürsten-Rath aus, von welchem die übrigen Reichs-Stände unterschieden sind.
Art. 35. Capitul. Joseph.
 
4) Sie haben sich in Kaysers Caroli V. Capitulation reserviret, daß Kayserl. Maj. ohne ihren Consens keinen Reichs-Tag ansetzen solle. Und Leopoldi A. 17. und Josephi Cap. 16. haben sie sich vorbehalten, daß auch kein Deputations-Tag ohne ihre Bewilligung solte gehalten werden.
R.A. de A. 1954.[1] §. 192.
[1] HIS-Data: wohl richtig: 1594
 
5) Sie exerciren viel Jura Majestatis mit Kayserlicher Majestät allein, ohne Zuziehung derer übrigen Stände.
 
 
6) Mögen sie, wenn es ihnen beliebet, nach Inhalt des A. 6. Cap. Leopold. et Joseph. sich zusammen verschreiben, und einen so genannten Churfürsten-Tag halten. Und auf dergleichen Convent stehet ihnen frey, von des Reichs Wohlfarth zu deliberiren.
A.B. C. 12. §. 1.
 
7) Können die Churfürsten unter sich Bündnisse aufrichten, als z.E. die bekandte Vereinigung derer Churfürsten.
Cap. Leopold. et Joseph. Art. 6.
 
  Hieher gehöret auch die Vereinigung derer 4. Rheinischen Churfürsten Anno 1519. zur Zeit des Interregni nach Maximiliani I. Tod zu Wesel geschlossen, welche die sonderbare Rheinische Verein genennet wird, und in den Capit. Leopold. et Joseph. Art. 6. confirmiret worden.
Wildvogel Disp. de Union. Electoral. §. 5.
 
8) Kann wider die Churfürsten das Crimen laesae Majestatis begangen werden, und zwar solches nicht allein in Regard des gesammten Churfürstlichen Collegii, sondern auch wieder einen ieden a part.
Horn. J.P. ...
 
9) Hat ein iedweder Churfürst Macht, 2. Assessores bey der Reichs-Cammer zu praesentiren, da sonsten zwey gantze Creysse so viel constituiren.
J.P.O.A. 5. §. 20.
 
10) Gebühret nach Inhalt sowol der göldenen Bulle, als auch anderer Special-Privilegien, Blum. Proc. Cam. T. 47. allen Churfürsten das Jus de non appellando, oder das Recht, daß ihre Unterthanen von ihnen weder an das Cammer-Gerichte in Wetzlar, noch an den Reichs-Hof-Rath appelliren können: Wiewohl Chur-Trier in Sachen, welche über 1000. Gold-Gülden sich erstrecken, die Appellation an den Kayser verstattet.
§. 6.
 
11) Sie haben Macht, Reichs-Lehen ohne Consens des Kaysers zu kauffen,
Cap. 10. A.B. ubi limn.
 
12) Sie zahlen vor ihre Belehnung ordentlicher Weise nichts an den Kayserlichen Hof.
A.B. Cap. 29. §. 1.
 
13) Geniessen die Churfürstl. Unterthanen das Jus de non evocando, oder die Freyheit, daß sie nicht können vor die Reichs-Cammer oder ein ander ausser Landes befindliches Gericht gezogen werden.
A.B. C. 11. §. 1.
 
  iedoch werden hievon einige Casus excipiret, als das Verbre-
 
  {Sp. 2305|S. 1078}  
 
  chen wider den Land-Frieden, oder wenn sie in anderer Herren Lande Lehn- oder Erb-Güter haben, und actione reali belanget werden.
 
 
14) Wird denen Churfürsten in der guldenen Bulla das Privilegium, Gold-Silber- und Ertz-Gruben zu haben und zu bauen, confirmiret.
Cap. 9. §. 12.
 
  allein heutiges Tages ist das Berg-Regal eine Dependenz der Landes-Fürstlichen Hoheit, und stehet solchemnach allen Reichs-Ständen zu.
 
 
15) Sie werden den Königen gleich gehalten, haben auch, wie die Könige, Baldachinen, und lassen sich bey öffentlichen Processionen Schwerdter vortragen.
§. 7.
 
16) War vor diesem gebräuchlich, daß ein Römischer Kayser einem ankommenden Chur-Fürsten entgegen gieng, welche Gewohnheit aber von Caroli V. Zeiten an nicht observiret worden. Inzwischen ist dennoch heutiges Tages im Gebrauch, daß Kayserliche Majestät denen Chur-Fürsten bey denen Reichs-Tägen die Contra-Visiten giebet,
Grund-Fest p. 1. c. 6.
 
17) Wenn bey einer Kayserlichen Crönung das herrliche Banquet gehalten wird, hat ein jeder Chur-Fürst seine eigene Tafel, und sitzet an derselben mit bedeckten Haupte gantz allein, da hingegen die andere anwesende Reichs-Fürsten alle zusammen an einer Tafel, so eine Stuffe niedriger, als derer Chur-Fürsten ist, mit entblößten Häuptern sitzen.
 
 
18) Ihro Kayserliche Majestät muß die importanteste Reichs-Affairen mit ihnen überlegen, auch in Sachen, welche keinen Verzug leiden, zum wenigsten ihr Consilium einholen, und viel andere herrliche Privilegia mehr.
 
Schlussbemerkungen Zum Beschluß ist noch zu mercken, daß die geistlichen Chur-Fürsten vom Kayser Neven und die weltlichen Oheims genennet werden; jene werden von ihren Dom-Capiteln erwählt, diese haben ihre Würde erblich.  
Literatur  
  • Constitutio Caroli Crassi cum nobis Freheri apud Goldast. T. I. Const. ad An. 881. §. 6.
  • Welbertus apud Geraldum de Septem-viratu c. 6. Aurea bulla tit. 12-29. etc.
  • Martin. Polon. in Chron. in Otton. III.
  • Albert. Stadens. in Chron An. 1240.
  • Arnold. Lubecens. Chron. Slav. III. 9.
  • Gewoldus de Septemviratu.
  • Thulemarius de octoviratu.
  • Mallinkrot de S. R. I. Cancell. et Archi-Canc.
  • Schardius de Elect. orig.
  • Limnaeus.
  • Schiferer de Orig. et Potest. Elect.
  • Conring. de Septemv.
  • Freinshemius de Elect. et Cardinal. Praeced.
  • Mauritius diss. de Orig. Elect. et Comit. Elector.
  • Kieffer de Orig. et Potest. Elect.
  • Urbanus Diss. de S. R. I. Elect.
  • Cruger de Jur. Novemvir.
  • Pachelbl a Gehag Diss. de Orig. Elect.
  • Miscell. Jur. Publ. Curiosa de Novemvir.
  • Windeck de Elect. Imp.
  • Kestner Diss. de summis in Imp. Pers.
  • de Walpod. Diss. de Elect. Jur. Praero.
  • Schutzius Exerc. J. Publ. …
  • Reincking l.c.
  • Schilter J. Publ. …
  • Europ. Herold ..
  • Schweder. J. Publ. …
  • Horn J. Publ. 25.
  • Struvius Synt Jur. Publ. …
  • Janus de Orig. Elect.
  • Pfeffinger ad Vitriar. …
     

HIS-Data 5028-5-2301-4: Zedler: Churfürsten HIS-Data Home
Stand: 15. Februar 2013 © Hans-Walter Pries