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Zedler: Gebär-Mutter HIS-Data
5028-10-456-4
Titel: Gebär-Mutter
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 10 Sp. 456
Jahr: 1735
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 10 S. 241
Vorheriger Artikel: Gebären mit Ängsten
Folgender Artikel: Gebär-Mutter, (gar zu feuchte)
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen
  • Transkribierter griechischer Text der Vorlage

  Text Quellenangaben
  Gebär-Mutter, Mutter,  
  Lateinisch Vterus, Matrix, Loci,  
  Griechisch  
 
  • delphys, hystera, nēdys,
Hesiod et Homer.
 
  • gonē
Hippocr.
 
  • mēthra, aggeion, [ein Wort Griechisch]
Galen.
  wird vom Platone animal furiosum, ein wüthend Thier genennet, und vom Paracelso  
  {Sp. 457|S. 242}  
  vor einen besondern und gleichsam dritten Menschen gehalten.  
  Es ist aber die Gebär-Mutter ein vornehmes und hohles Theil, welches sich allein bey dem Weibs-Volcke findet, im untern Schmeer-Bauche, und besonders in dem Becken, zwischen dem Mast-Darme und der Harn-Blase lieget, den Samen sowohl männlichen als weibl. Geschlechtes in sich nimmet, und die Frucht zu bilden und nach 9. Monathen durch die Mutter-Scheide zum Ausgange zu befördern dienet.  
  Hierbey hat man zumercken, erstlich die Verbindung der Gebär-Mutter mit andern Theilen.  
  Der hintere Theil ist frey; der vordere aber hänget oben mit der Blase, unten mit dem Mast-Darme zusammen; und die Seiten-Theile durch Bänder, welche zweyfach sind, als breite und runde, jene, so membranös oder häutig, werden auch Fleder-Maus-Flügel genennet, und sind mit dem Darm-Felle ein Stück, verbinden beydes die Mutter-Scheide mit denen Seiten des Beckens. Einige Anatomici haben wahrgenommen, daß selbige aus einem doppelten Häutgen bestehen, zwischen welchen eine höhligte, fast als wie im Affter, lieget, so durch das einblasen leichtlich entdecket werden kann.  
  Die runden Bänder gehen von dem hintern Theile der Gebär-Mutter durch die Ringe derer Bauch-Mäußlein, und verlauffen sich in das Fett an denen weichen; Sie bestehen aus einem doppelten Häutgen, darinne die Blut-Gefässe unter einander lauffen, die Fäßgen aber gar starck sind, welche man bey schwangern oder Kind-Betterinnen meistens sehen kann.  
  Zweytens die Grösse: Bey ungeschwängerten ist die Länge drey Zoll; die Breite in dem hintern Theile, zwey; im vördern ein Zoll; die Dicke aber anderthalb Zoll. Bey Jungfern ist sie noch kleiner, bey schwangern aber, nach Unterscheide der Zeit, unterschiedlich.  
  Drittens die Eintheilung: Der hintere und obere Theil wird der Grund, der vordere und untere der Hals genennet.  
  Viertens die innere Mündung der Gebär-Mutter, so fast an Gestallt, wie die Eichel des männlichen Gliedes ist, wo es in die Scheide gehet, bey Jungfern ist es sehr klein, daß man kaum einen Sucher oder Griffel hinein bringen kann: Bey denenselben, welche geboren haben, und in Schwangern, ist es etwas grösser, aber bey diesen ist es mit einer schleimigten Feuchtigkeit zugeschlossen; doch lässet es in der Geburt, welches ein Wunder-Werck der Natur ist, die Frucht durch.  
  Fünftens das fleischigte Wesen, so aus einer unterschiedenen Verwickelung fleischigter Zäserlein, nebst darzwischen liegenden häuffigen Gefässen zusammen gesetzt: In ungeschwängerten ist sie zusammen geschlossen und feste; bey schwangern schwammigt und gleichsam hohl, deswegen es wunderlich ausgedehnet werden kann, ohne daß es dünner werden sollte.  
  Etliche Scribenten, und vornemlich Maurice au Traité des Maladies des Femmes grosses, und Dionis in seiner Chirurgie, auch in seinem Buche de Arte obstetricandi c. de sectione caelarea, haben gemeynet, daß das Wesen der Gebär-Mutter bey denen schwangern dünner würde, als es bey nicht schwangern wäre; indem sie glauben, daß es unmöglich sey, daß die Gebär-Mutter, wie solche in denen letzter Monathen der Schwangerschafft ist, in eine solche Wei-  
  {Sp. 458}  
  te und Grösse, ohne Abgang ihres Wesens oder Dicke, ausgedehnet werden könne: allein nicht nur Deventer hat in einem besondern Capitel seiner Operat. Chirurgicar. diese Meynung wiederleget, sondern viele berühmte Anatomici haben unterschiedene schwangere und andere Weiber, welche so wohl in als nach der Geburt gestorben waren, eröffnet, niemahls aber die Gebär-Mutter dünner, öffters aber wohl dicker angetroffen. Welches vornemlich Laurentius Heister erfahren, als er zu Helmstädt fast innerhalb einem Jahre drey tode schwangere Frauen geöffnet, deren zwey in der Geburt, die dritte aber an einer Haupt-Wunde gestorben war, davon die Acta Nat. Cur. ... ausführlich nachzulesen.
  Unterdessen hat ihm ein gelehrter Mann entgegen gesetzet, ob nicht erst um die Zeit der Geburt so viel Blut zur Gebär-Mutter flüsse, wodurch sie also ausgedehnet würde, welches doch ausser dieser Zeit vielleicht nicht so häuffig da wäre, und also auch die Gebär-Mutter ausser dieser Zeit nicht so dicke befunden würde: Denn die Anmerckungen von denen Weibern, welche in oder doch bald nach der Niederkunfft gestorben, könnten einen deswegen betrügen.  
  Aber allen diesen Zweiffel hebet das Exempel des Weibes, welche ausser der Zeit der Geburt durch eine hefftige Haupt-Wunde, nemlich mit einer bleyernen Kugel mitten durch das Gehirne geschossen, und da sie sonsten gesund, im 8ten Monath ihrer Schwangerschafft plötzlich war entleibet worden. Bey dieser war zur selben Zeit kein ausserordentlicher Zufluß des Geblütes zur Gebär-Mutter, keine Bemühung zur Geburt, und dennoch war das Wesen der Gebär-Mutter nicht dünner, sondern eben so dicke, wie man sie bey andern schwangern und Kindbetterinnen antrifft. Es stimmen auch mit obbelobtem Heister über die von dem Deventer l.c. und ihm selbst in denen Actis Acad. Nat. Cur. angezogene Auctores, folgende gelehrte Männer überein, als
  • Morgagnus Aduersar. Anat. ...
  • Littrius Histor. Acad. reg. scient. ...
  • Voglius in Anthropogenia ...
  • Santorinus Obseru. Anatom. ...
  • Vater. de vtero grauido
  • und andere.
  Endlich bemercken wir auch allhier, daß Ruyschius an dem obern Theile der Gebär-Mutter (infundo vteri) bey Kind-Betterinnen fleischigte, wie Schrauben in die Runde gewundene Zasern entdecket, (fibras carneas spirales seu orbiculares) und abgezeichnet habe, welche er einen neuen runden Muscel der Gebär-Mutter nennet, (nouum vteri musculum orbicularem) Aduers. Anat. ...
  und auch in einem besondern Büchlein von diesem Muscel, in Holländischer Sprache, ingleichen in der Epistel Vaters an Ruyschium von diesem Muscel, welchem er die Krafft zueignet, daß, nachdem das Kind zur Welt geboren worden, er den Mutter-Kuchen von der Gebär-Mutter absondere und austreibe; Warnet auch zugleich, daß man niemahls den Mutter-Kuchen solle mit Gewalt loßmachen; sondern, wenn er auf gantz gelindes zühen nicht folgen wollte möge man ihn darinne lassen, biß er von diesem Muscel, (welchem doch Zweifels ohne die übrige musculöse Beschaffentheit der Gebär-Mutter auch beystehet) fortgetrieben würde.  
  Auswendig wird die Gebär-Mutter mit einer starcken Haut von dem Darm-Fell bedecket; inwendig in der Höhle aber,  
  {Sp. 459|S. 243}  
  welche bey Jungfern klein ist, findet sich ein schwammigtes Nerven-Häutgen, welches aber bey schwangern nicht mehr zum Vorschein kommt. Morgagni Aduers. ... ingleichen Aduers. ...
  Sechstens hat man bey der Gebär-Mutter die Blut-Gefässe zumercken, welche sehr gekrümmet, unzählig viele Vereinigungen derer Mund-Löchlein unter einander machen, und bey schwangern überaus wie Höhlen erweitert sind, welche kleine Öffnungen in die Mutter und Scheide haben, wovon die monathliche Zeit kömmt.  
  Sie werden in Puls- und Blut-Adern getheilet: zu jenen gehören  
 
  • erstlich die Samen-Puls-Adern, so von der grossen Puls-Ader entspringen, und viele Verwickelungen und Anastomoses machen;
  • Anderns diejenigen, welche von denen Unter-Bauchs-Puls-Adern kommen, und die grössesten und meisten sind;
  • Drittens entspriessen einige von denen göldenen Adern, so alle unter einander wunderbarer Weise Gemeinschafft haben, also, daß, wenn man in eine oder die andere von denenselben Wachs oder Qveck-Silber thut, die andern alle, auch auf der andern Seite erfüllet werden.
 
  Die Blut-Adern, welche auch dreyfach und gleiches Namens mit denen Puls-Adern sind, haben keine Fall-Thürlein, und werden grösser als die Puls-Adern besonders bey schwangern angetroffen, wovon besonders Morgagnus Aduers. ... und Vater de Vtero nachzulesen.
  Man kann durch selbige öffters den Wind in die Höhle der Gebär-Mutter und Mutter-Scheide blasen, und auch im Gegentheil durch die Mutter-Scheide in die Blut-Adern.
  • Fanton Anatom. Corp. human. ...
  • Vater l.c.
Sie machen dergleichen Anastomoses, als die Puls-Adern, welche doch in diesen besser zusehen sind.
  Siebendens die Nerven, die von denen zwischen denen Rippen liegenden und heiligen Beins-Nerven entspringen.  
  Achtens die Wasser-Gefässe, welche vor diesem nur in Thieren wahrgenommen worden sind, jetzt aber auch vom Morgagnio bey einer schwangern Frau Aduers. ...
  Denn welche der menschlichen Gebär-Mutter zugeschrieben werden, scheinen nur erdacht zu seyn. Aduers. ...
  Neuntens die Thürgen oder Löchergen zwischen denen Furchen im Halse der Gebär-Mutter, welche als Gänge aussehen, und eine schleimigte Feuchtigkeit absondern, wie solche an angeführten Orte abgezeichnet zu befinden.  
  Zehendens die Bläßgen oder runde Cörpergen, so bißweilen in dem Halse der Gebär-Mutter und um derselben Mund-Loch wahrgenommen werden, und eine schleimigte Feuchtigkeit in sich haben, und von vielen vor Wasser-Bläßgen gehalten werden (besiehe die Auctores, so von Morgagne Aduers. ... angeführet worden, und Ruysch. Adu. anat. ...)
  von einigen vor Drüsen (Morgagne l.c. und Verheyn Anat. corp. hum. 33.)
  so eine leimigte Feuchtigkeit abscheiden, welche bey schwangern den Mund der Gebär-Mutter schlüsset; von einigen vor dem neuen und wahren Eyer-Stock, worinnen die Frucht gebildet wird;
  • (Naboth Diss. de Sterilitate.
  • Frid. Hoffmann. in Medicina rationali Tom. I. und wieder dessen Meynung Goelike Hist. Anat. ...
  • Ertmüllers Brief von neuem Eyer Stocke,
  • und Hilschers Diss. de Generat. ...)
  und von etlichen werden sie Samen-Bläßlein  
  {Sp. 460}  
  derer Weiber genennet, (Lettres des noves ... et Blegny Zodiac. ...)
  woraus nach ihrer Muthmassung im Beyschlaffe der Kinder-zeugende Same soll ausgeschüttet werden. Henrici Dissert. de Vesic. seminal. mulier.
  Dahero ist derselben Nutzen noch ungewiß, bey schwangern und Kind-Betterinnen sind sie sehr häuffig da. Santorin. ...
     

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Stand: 27. Januar 2023 © Hans-Walter Pries