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Zedler: Geld-Geitz HIS-Data
5028-10-719-4
Titel: Geld-Geitz
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 10 Sp. 719
Jahr: 1735
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 10 S. 373
Vorheriger Artikel: Geldernack
Folgender Artikel: Geld-Kunst
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

  Text  
  Geld-Geitz, ist eine unersättliche Begierde nach zeitlichem Vermögen, da man dasselbe zu seinem Endzweck machet, das doch nur ein Mittel seyn solte.  
  Dahero kan man den Geld-Geitz gar leicht daher erkennen, wenn man bey genauer Beobachtung der Thaten eines Menschen befindet, daß sie alle, oder wenigstens die meisten auf Gewinnst, als auf die letzte Haupt-Absicht zielen, und wenn das genommene Vermögen von seinem Besitzer nicht als ein Mittel anderer Absichten, sondern mit Hindansetzung aller andern tugendhafften, oder auch eitler  
  {Sp. 720}  
  Absichten, zu denen sonst zeitliches Vermögen ein Mittel ist, als das höchste Guth, an dem sein gantzes Hertze hanget, betrachtet wird.  
  Aus diesem Grunde äussert sich an allen Geld-Geitzigen, eine mehr als gemeine und gantz unersättliche Begierde und Emsigkeit Geld zu erwerben, und zwar dessen soviel, als immer möglich ist. Denn der Geitz siehet im Erwerben nicht, wie andere Gemüths-Arten auf einen Zweck, zu welchen er das zuerwerbende Geld und Gut als ein Mittel brauchen wolle, und durch dessen Erreichung er des Geldes endlich einmahl genug haben, und seine Begierden ersättiget werden solten: sondern die Lust grosses Vermögen zu haben, und insonderheit die Grösse desselben von Zeit zu Zeit zu vermehren, ist sein höchstes Guth.  
  Deswegen ist er äusserst arbeitsam, wo und in so fern nur was zu gewinnen ist, und zwar auf eine sehr niederträchtige Art, so daß er auch um eines geringen Gewinnsts willen keine Beschwerlichkeit sich verdriessen lässet, noch an die Unanständigkeit einer Bemühung sich sonderlich kehret.  
  Eine Arbeit hingegen, durch welche zwar der gemeine Nutz befördert, aber seine Einkünffte nicht vermehret werden, ist ihm äusserst zuwider, daher wird bey allen Unternehmungen dieses seine erste Frage seyn: Was wird uns davor? Wenn er sonst nichts dawider zu sagen weiß, so beschweret er sich doch, daß es Neuerungen seyn, und vermeynet nach den lange hergebrachten Gewohnheiten zu verfahren, ein Recht zu haben, daß er sich nicht dürffe nehmen lassen.  
  Hingegen wenn er etwas verliehret, so ist dieses sein höchstes Ubel, und sein Leben ist ihm kaum so lieb, als sein Vermögen, so daß er um den Verlust oder einer mehr als gewöhnlichen Verminderung desselben, leicht gar in Verzweifelung fällt, und in solchem Zustande wohl eher sich zu entleiben fähig ist; immassen er sein Leben zwar hefftig, aber nur um seines Vermögens willen liebet, und den Tod nur deswegen hefftig scheuet, weil durch denselben sein Vermögen auf einen andern kommen soll.  
  Er ist also äusserst karg und filtzig, so gar in denen Ausgaben, die seine und der seinen unentbehrliche Nothdurfft betreffen, so daß es immer an etwas fehlen muß: noch weit mehr aber in denen Ausgaben, die zur Bequemlichkeit oder zur Lust dienen, oder die Ehre und der Wohlstand erfordert. Dahero ist er ein Feind dieser beyden, weil sie immer Ausgaben erfordert.  
  Weil aber Geld und Guth unter allen Glücks-Gütern das Unbeständigste ist, und er durch die tägliche Erfahrung lernet, wie leicht ein Gewinst verlohren gehe, und dagegen Schade geschehe; so ist er immer fort in ängstlicher Sorge, und stellet sich tausenderley Möglichkeiten vor, wie er etwa um das seinige kommen könte, daher ist er niemals frölich, sondern er unterhält sein Gemüth in beständiger Unlust und Verdrießlichkeit, die er hernach über die, die unter ihm stehen, oder von ihm dependiren, am meisten auslässet. Diese Gemüths-Bewegung machet ihn in allen seinen Verrichtungen furchtsam, so ferne etwa ein Verlust zu besorgen ist.  
  In seiner Kleidung, Haußrath und andern Dingen, die von Zeit zu Zeit aufgehen, findet man keine Kostbarkeit, hingegen liebet er Reinlichkeit und Ordnung, nicht aber wegen derselben Wohlanständigkeit, sondern weil dadurch die Sachen zu einem längern Gebrauch aufbehalten werden.  
  Die Liebe gegen den Nächsten findet man bey ihm gar nicht:  
  {Sp. 721|S. 374}  
  Denn da sich diese auf die Geselligkeit gründet, so geniesset ein Geitziger zwar gar gerne die Vortheile, die aus denselben entspringen, allein er will nicht, daß ein anderer viel von ihm gewinne. So lange er von einem einen Nutzen ziehet, so lange schmeichelt er ihn auf das allerniederträchtigste, sobald er aber anfähet, einen Nutzen wieder von ihn zu ziehen, so fähet er an zu murren.  
  Am allerwenigsten hat er eine Liebe gegen die, so seiner Gnade leben, und von ihm Versorgung erhalten müssen, es wäre denn daß sie den Aufwand durch augenscheinliche Vortheile in seiner Nahrung wieder ersetzte, und sich die ihm gewöhnliche Kargheit in allen gefallen ließen. Hingegen ist er zu allen Ungerechtigkeiten, dadurch der andere unter dem Scheine des Rechten kan bevortheilet werden, überaus geneigt, also daß ihn weder Ehre noch Gewissen, noch Billigkeit abhalten kan, seinen Vortheil mit des andern Schaden zu machen, wo er nur weiß, daß er deswegen nicht mögte zur Verantwortung vor Gerichte gezogen werden.  
  In solcher Absicht sucht er in Unterhandlungen, da er sich gegen einen etwas verbinden soll, gemeiniglich allerhand Unrichtigkeiten zu verursachen, damit er dieselben nach Belieben, wenn er den gehofften Vortheil nicht daraus verspüret, wiederum stossen könne. In denen Unterhandlungen, da sich andere gegen ihm zu etwas verbinden sollen, ist er über aus scrupulös, und kan ihm kaum gnug Sicherheit verschaffet werden, und der Advocat, der ihm die mehresten Clausuln in die Contracte einwickeln kan, ist ihm der Liebste.  
  Gehet es einem wohl, so entstehet bey ihm Neid und Mißgunst, gehet es einem übel, so ist er nicht zur Barmhertzigkeit zu bewegen: hingegen wenn es ihm selbst wohl gehet, so herrschet der Ubermuth in seinen Hertzen, wenn es ihm aber übel gehet, so ist er im höchsten Grad zaghafft.  
  Übrigens ist er zum Aberglauben sehr geneigt, denn da er niemand gerne trauen will, behält er die Mährgen, die ihn in der Jugend in Kopff gesetzt worden, auch im Alter beständig. Der Grund davon ist, wie gesagt, das Mißtrauen, weil er meynet, ein jeder könne das, was er thut, aus der Absicht thun, ihn um das seinige zu bringen: Dahero zählet er täglich seine Baarschafft, und besorget stets, es mögte ihm etwas davon seyn gestohlen worden: wie etwa der sonst berühmte Johann Jacob Hoffmann, welcher ein rechtes Muster eines Geitzigen abgeben kan. Er arbeitete beständig, und soll Zeit seines Lebens nicht aus Basel kommen seyn, damit er auf Reisen kein Geld verzehren möchte. Er zählete alle Tage sein Geld, und zwar gar offt, und als er um die Ursache befragt wurde: antwortete er im rechten Ernst: Etiam sonus delectat. Mr. Rouwiere Voyage du tour de la France.
  Aus dieser gantzen Beschreibung siehet man, daß allerdings wahr sey, was Bion gesagt: Der Geitz sey die Haupt-Stadt aller Gottlosigkeit, Stobaeus Serm. VIII.
  ingleichen: Die Geitzigen trügen vor ihr Vermögen so viel Sorge, als wenn es würcklich ihr eigen wäre, sie nähmen aber keinen Nutzen davon, gleich als wenn es andern zugehöre.
  • Stanley Hist. Philosophic. …
  • Cicero de offic. …
  • Müller Ethic …
  • Thomasius Ausübung der Sittenlehre …
  • Rüdiger Instit. erudit. …
  • Wolff Gedancken von der Menschen Thun und Lassen …
  • Trier von den Menschl. Neigungen …
  • Rohr
  {Sp. 722}  
 
  Erkäntniß der Menschl. Gemüth. …
  Oder wie es die heilige Schrifft ausspricht 1. Tim. 6, 10. Der Geitz ist eine Wurtzel alles Übels. Denn die Schrifft verbeut ausdrücklich, nicht auf das seine zu sehen, sondern auf das, das des andern ist, Philipp. 2, 4.
  noch sein Hertz an das Irrdische zu hängen. Ps. 62, 11.
  Die Gottes Gelehrten erzehlen die Stücke, wordurch er sich hervor thut, und wovor man sich hüten muß, folgender Gestalt  
 
1) Das schädliche Mißtrauen, da der Mensch GOtt dem HErrn nicht kan noch will zutrauen, er wolle ihn mit Nahrung und Nothdurfft versehen, sondern fähret zu und will sich selbst versorgen.
Ebr. 13, 5.
 
2.) Das Vertrauen auf Reichthum, welches aus dem Mißtrauen folget,
  • Marc. 10, 24.
  • 1. Tim. 6, 17.
 
3) Die Begierde immer mehr zu haben, welches eben die rechte Form und Art des Geitzes ist,
1. Tim. 6, 19.
 
4) Die Geld-Sucht, dafür David warnet,
Ps. 62. 11.
 
5) Die Bauch-Sorge dafür Christus warnet,
  • Matth. 6, 25.
  • Luc. 1, 22. 26. seqq.
 
6) Wenn man gerne Geschencke nimmt, und sich dadurch bewegen lässet wider die Gerechtigkeit zu handeln,
  • Exod. 23, 8.
  • Devt. 16, 19. c. 27, 25.
 
7) schändlicher Gewinn,
Sap. 15, 12.
 
8) Fürwitz, wenn man nicht in seinem Stande und Beruff bleibet, sondern sich in fremde Händel menget,
Syr. 11, 10. 11.
 
9) wenn man auf Theurung hoffet,
  • Prov. 11, 26.
  • Amos 8, 4. 5.
  Bernd von dem Stande der Sicherheit …
     

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Stand: 29. März 2013 © Hans-Walter Pries