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Quellenangaben |
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GOTT. So
verschiedene
Begriffe man sich auch von GOTT
gemacht, u. so wunderliche
Dinge man von GOTT gehalten, so bemercket man doch
dieses, daß, wo man anders einen
würcklichen Begriff unter diesem
Namen gehabt,
man darunter ein
Ding
verstanden, das von sich selbsten ist, und von dem
hingegen alle andere Dinge sind. |
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Beschreibung Gottes |
Es will um so viel
nöthiger seyn, daß eine richtige Beschreibung Gottes zum
voraus gesetzet werde, weil so wohl der Name GOttes entsetzlich mißgebrauchet
wird, und man zweydeutig diesen
Namen
gebrauchet, also, daß in
alten und neuen
Zeiten so gar diejenigen, die doch in der
That GOTT
geleugnet, dennoch in ihrem
Munde und
Schrifften GOTT haben, und sich also sehr betrügen würde, wenn man
deswegen
glauben
wollte, daß diese Leute von dem
wahren GOTT
reden. Dahero
scheinet das andere Gebot in denen zehen Geboten gegeben zu seyn. |
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Erkenntnis der Existenz Gottes |
Ehe wir ein mehrers hiervon
reden, will vor allen Dingen
nöthig seyn, fest
zu setzen, daß ein GOTT
sey. Man
theilet von langen Zeiten her die
Erkenntniß
GOTTES in Notitiam Dei insitam oder innatam und adquisitam
ein. Man will, was erstere anlanget, daß wir von
Natur einen
Begriff von GOTT
haben. Doch selbst hierüber hat man sich verschiedentlich erblödet. Einige derer
Scholasti- |
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{Sp. 296} |
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schen
Weltweisen
meynten, wir hätten eine natürliche Erkenntniß in der
Gestallt eines Actus, also, daß man
würcklich
urtheilte und
erkennte,
was zu
thun und zu lassen. Andere geben vor, diese
Erkenntniß verhielte sich
per modum doctrinae ingleichen Specierum inpressarum, u.d. |
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angeborene Erkenntnis |
In denen neuern Zeiten hat hauptsächlich Cartesius
Philos. Princip. ... Meditat. de Philos. Prim. 3. und u. nach ihm seine
Schüler das Seyn GOTTES aus der angebornen Erkenntniß GOTTES
beweisen wollen,
wie wohl Leibnitz in
Act. Erudi.
an. 1684. p.
539. und in Felleri Miscellaneis Leibnizianis p.
63. gewiesen, daß schon ehedem der
Ertz-Bischoff zu Canterbury
Anselmus contra Insipientes eben diese
Meynung
geheget. |
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Ihr
Schluß heist also: haben wir in unserm
Verstande einen
Begriff
von einer unendlichen und
vollkommenen
Sache, welche eben GOTT ist, so
muß GOTT würcklich
da seyn. Diesen Schluß wollen sie daher
beweisen, weil dieser Begriff durch
keine andere
Ursache als durch GOTT selbst in das
Gemüthe hätte kommen können;
nun hätten die
Menschen einen solchen angebornen Begriff von GOtt, folglich
müsse auch ein GOTT seyn. |
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Kinder |
So
gut nun allen Falls die Absicht dieses
Beweises seyn
mögte, so seigte ist
dessen
Grund. Denn erstlich ist das nicht richtig; was wir
gedencken, das ist.
Denn wer
weiß nicht, daß man
Möglichkeiten gedencken und Entia rationis
concipiren könne, deren würckliches
Seyn vielleicht in Ewigkeit nicht wird
können
dargethan werden. So
unrecht nun der erstere
Satz ist, so
falsch wird
selbiger auf GOTT gezogen. Denn wäre es an dem, daß uns die Erkenntniß GOTTES
von Natur angeboren wäre, wie käme es doch, daß man denen zarten
Kindern mit so
vieler Mühe lehren müsse, daß ein GOTT sey?
gewiß hätte es mit diesem angebornen
Begriffe von GOTT seine so vollkommene Richtigkeit, als man sich einbildet, so
müsten kleine
Kinder die reinsten Begriffe von GOTT haben, als welche noch nicht
von andern
Sachen
eingenommen sind. Ein jeder weiß aber mehr als zu wohl, wie sehr die
tägliche
Erfahrung dawieder streite. |
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Wollte man auch so verwegen seyn, und
sagen, daß die kleinen
Kinder
gantz
wohl wüsten, daß ein GOTT sey, so kann man mit
Recht darauf dringen, daß man uns
sage, was man als ein kleines
Kind von GOTT gedacht?
Soll man einen
Begriff
gehabt haben, so muß man sich dessen
erinnern können, denn das heist eben ein
Begriff. Ja man wollte sagen, mit zunehmenden
Jahren
verliehre sich diese
Erkenntniß, so dienet darauf zur Antwort, Theils
man sich wenigstens bewust seyn müsse, daß man einen Begriff von GOTT gehabt,
Theils daß uns solche Begriffe ja gar
nichts nützen, deren wir uns nicht wieder erinnern könnten. |
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Wie werden doch die ausdrücklichen
Stellen göttlicher
heiliger Schrifft,
als
z.E. Deuter. 1, 39, Es. 7, 14. 15. 16. Jon. 4, 11.
zu
verstehen seyn, allwo ausdrücklich
gesagt wird, daß die kleinen
Kinder weder
rechts noch lincks wüsten? Hoffentlich werden wir also nicht
irren, wenn wir
daher diesen
Schluß machen: Wer nicht weiß, was rechts oder lincks ist, der weiß
auch nicht, daß ein GOTT sey. Denn indem wir GOTT kennen, indem wissen wir, was
recht oder unrecht. Wie schwer geht es aber zu, ehe wir denen |
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{Sp. 297|S. 166} |
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Kindern nur einiger Massen etwas von GOTT beybringen können. Es scheinet
auch, als ob die
Sache so wichtig, daß kaum ein geübter
Verstand dazu gelanget,
sich einen gesunden
Begriff von dem unbegreifflichen göttlichen
Wesen zu machen.
Wie sollte also ein so zartes
Werckzeug, als ein
Kind ist, dieses leisten
können? |
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Atheisten |
Endlich, wie läst sich dieses zusammen räumen, von
Natur
wissen, daß ein GOTT sey, und doch ein
Atheiste seyn? Daß es aber Atheisten
gebe, ist unter dem
Articel
Atheisterey,
Tom. II. p. 2016. seqq.
gewiesen worden. Am wenigsten wird der angeborne
Begriff von GOTT bey einem
Atheisten zu einer Überzeugung dienen, daß ein GOTT sey. Denn diese Leute
leugnen eben, daß ein GOTT sey, folglich lassen
sie keine
würckliche angeborne
Erkenntniß GOTTES zu, und da müssen sie mit tüchtigern
Gründen, die nicht
fehlen, auf bessere
Gedancken
gebracht werden. |
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Sollte nun vollends, wie einige mit gröstem Eifer behaupten, ein würcklicher Habitus diese Erkenntniß
seyn, so müste sich selbige noch mehr äussern, auch kann ein Habitus
niemahls anders als durch eine entgegen gesetzten Habitum abgewöhnet
werden, welcher letztere doch auch nicht kann dargethan werden. Es mögten auch
die Vertheidiger angeführter
Meynung wohl
erwägen, daß kein Habitus
anders als durch vielmahlige Wiederhohlung einerley
Handlung könnte erhalten
werden. Dieses aber eben ist dem angebornen entgegen gesetzt. |
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Wieder diese unsere bißher angeführte Gegengründe suchen sich die
Vertheidiger ersterer Meynung damit zu retten, daß selbst
Rom. 2, 15.
heisse: Es wäre des Gesetzes Werck beschrieben in derer Heyden Hertzen,
sintemahl ihr Gewissen sie bezeuget, dazu auch die Gedancken, die sich unter
einander verklagen oder entschuldigen. |
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Es ist aber dabey wohl zu mercken, daß das Hertz bey denen alten Ebräern,
Griechen und Lateinern den
Verstand
bedeute, weil sie das Hertz vor den Sietz
der
Seele hielten; wenn aber an angeführtem Orte stehet: Es wäre des
Gesetzes Werck beschrieben in ihren Hertzen, so mag solches nicht eben
auf eine besondere
Art der Erkenntniß GOTTES gedeutet werden, vielmehr wird
angezeigte
Redens-Art
gewöhnlich also
gebrauchet, daß die einen so
nachdrücklichen Eindruck einer
Sache
bedeutet, daß es nicht wieder kann ausgelöschet werden, |
wie solches
dargethan. |
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Und was brauchen wir weiter wegen richtiger
Erklärung obangeführten Spruches
ungewiß zu seyn ? Erhellet nicht des Apostels
Sinn
gantz deutlich aus
Rom.
1, 19. 20. Daß man weiß, daß GOTT sey, ist ihnen offenbar, denn GOTT hat
es ihnen offenbaret, damit, daß GOTTES unsichtbares Wesen, das ist, seine ewige
Krafft und GOttheit wird ersehen, so man das wahrnimmt an denen Wercken, nemlich
an der
Schöpffung der
Welt. |
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Gewissen |
Die Verfechter der
Ideae innatae vermeynen auch dadurch etwas zu
gewinnen, wenn sie sich auf eines jeden
Menschen
eigenes
Gewissen beruffen.
Selbiges überzeuge einen ja starck genung, daß ein GOTT sey.
Verstehet man nun
unter dem Gewissen eine
Erinnerung dessen, was geboten oder verboten, so werden
doch dadurch die Ideae innatae im geringsten nicht
bewiesen. |
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{Sp. 298} |
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Denn ist bey dem Gewissen eine Erinnerung, so muß eine
Vorstellung
vorhergegangen seyn, der wir uns erinnern. Da ist aber nichts von einer
Idea
innata, wohl aber
adquisita zu finden. |
Pufendorff de J.N. et G. |
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Es halten aber auch manchmahl derer
Sachen unwissende jede
Angst des
Gemüths
vor eine Würckung des Gewissens, welches doch
unrecht ist. Denn solches
entstehet entweder von einem unrechten Lauffe des Geblüts, welches also im
geringsten kein Gewissen, oder aus einem
Mangel der
Wissenschafft, was zu
thun
oder zu lassen. Wäre nun eine angeborne
Idee von GOTT da, so würde dieses nicht
seyn. Und wenn wir alles dieses nicht regen wollen, so will doch die gröste
Frage seyn, ob solches eine
Ideam innatam oder
adquisitam zum
Grunde habe? |
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Lutheraner |
So viel können wir indessen nicht in Abrede seyn, daß nicht von
Natur der
Mensch also eingerichtet sey, daß er, wenn er nur etwas seinen
Verstand
gebrauche, gar leichte
schlüssen könne, daß ein GOTT sey, auch dieser
Wahrheit
durch einen natürlichen Trieb gar leichte Beyfall gebe. Es haben sich dahero
nicht wenige in der
Lutherischen
Gemeine, wie solches aus
Musaeo Introd. in Theol. ... und
Buddeo
Theol. Dogm. ... erhellet, gefunden,
welche ohne der
heiligen Schrifft was zu vergeben ohne Bedencken behauptet, daß
die natürliche
Erkenntniß GOTTES in einer Potentia proxima bestehe.
Denn wie
sollte ein
Mensch, so er auch nicht auf andere Geschöpffe neben sich
dencken
will, nicht gleich darauf geführet werden, daß ein GOTT sey? Fragt er,
wo er hergekommen, so wird er sich gar balde selbst antworten, von seinen
Eltern. Weil aber diese nicht von sich selbst können entstanden seyn, als wird
er endlich, so er nur in etwas seinen
Gedancken nachfolgen will, mercken, daß
ein höheres Wesen an alle dem
Ursache sey. |
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Literatur |
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Über diese gantze bißhero vorgetragener
Sache können nachgelesen werden
- Mastricht Gangraena nouit. Cartesianar. ...
- Scheibler Metaphys. ...
- Werenfels Judic. de Argum. Cartes. ...
- Huet. Censur.
Philosoph. Cartes.
-
Buddeus Sel. Jur. Nat. et Gent.
...
- Grapius Theol. recens controuers. ...
- Brillon Jugement de la Preuve ... welches in dem
Journal des Savans 1701. p. 25. stehet, darauf
la Montre
geantwortet, welches eben daselbst p. 84. zu lesen.
- Brucker de Ideis ...
- Teuber
Disp. de
Infirmitate Argument. ...
- Müller Metaph. ...
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