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Zedler: Gott [1] HIS-Data
5028-11-295-17-01
Titel: Gott [1]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 11 Sp. 295
Jahr: 1735
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 11 S. 165
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Hinweise:
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Übersicht
Beschreibung Gottes
Erkenntnis der Existenz Gottes
  angeborene Erkenntnis
 
  Kinder
  Atheisten
  Gewissen
  Lutheraner
Literatur

Stichworte Text Quellenangaben
  GOTT. So verschiedene Begriffe man sich auch von GOTT gemacht, u. so wunderliche Dinge man von GOTT gehalten, so bemercket man doch dieses, daß, wo man anders einen würcklichen Begriff unter diesem Namen gehabt, man darunter ein Ding verstanden, das von sich selbsten ist, und von dem hingegen alle andere Dinge sind.  
Beschreibung Gottes Es will um so viel nöthiger seyn, daß eine richtige Beschreibung Gottes zum voraus gesetzet werde, weil so wohl der Name GOttes entsetzlich mißgebrauchet wird, und man zweydeutig diesen Namen gebrauchet, also, daß in alten und neuen Zeiten so gar diejenigen, die doch in der That GOTT geleugnet, dennoch in ihrem Munde und Schrifften GOTT haben, und sich also sehr betrügen würde, wenn man deswegen glauben wollte, daß diese Leute von dem wahren GOTT reden. Dahero scheinet das andere Gebot in denen zehen Geboten gegeben zu seyn.  
Erkenntnis der Existenz Gottes Ehe wir ein mehrers hiervon reden, will vor allen Dingen nöthig seyn, fest zu setzen, daß ein GOTT sey. Man theilet von langen Zeiten her die Erkenntniß GOTTES in Notitiam Dei insitam oder innatam und adquisitam ein. Man will, was erstere anlanget, daß wir von Natur einen Begriff von GOTT haben. Doch selbst hierüber hat man sich verschiedentlich erblödet. Einige derer Scholasti-  
  {Sp. 296}  
  schen Weltweisen meynten, wir hätten eine natürliche Erkenntniß in der Gestallt eines Actus, also, daß man würcklich urtheilte und erkennte, was zu thun und zu lassen. Andere geben vor, diese Erkenntniß verhielte sich per modum doctrinae ingleichen Specierum inpressarum, u.d.  
angeborene Erkenntnis In denen neuern Zeiten hat hauptsächlich Cartesius Philos. Princip. ... Meditat. de Philos. Prim. 3. und u. nach ihm seine Schüler das Seyn GOTTES aus der angebornen Erkenntniß GOTTES beweisen wollen, wie wohl Leibnitz in Act. Erudi. an. 1684. p. 539. und in Felleri Miscellaneis Leibnizianis p. 63. gewiesen, daß schon ehedem der Ertz-Bischoff zu Canterbury Anselmus contra Insipientes eben diese Meynung geheget.  
  Ihr Schluß heist also: haben wir in unserm Verstande einen Begriff von einer unendlichen und vollkommenen Sache, welche eben GOTT ist, so muß GOTT würcklich da seyn. Diesen Schluß wollen sie daher beweisen, weil dieser Begriff durch keine andere Ursache als durch GOTT selbst in das Gemüthe hätte kommen können; nun hätten die Menschen einen solchen angebornen Begriff von GOtt, folglich müsse auch ein GOTT seyn.  
Kinder So gut nun allen Falls die Absicht dieses Beweises seyn mögte, so seigte ist dessen Grund. Denn erstlich ist das nicht richtig; was wir gedencken, das ist. Denn wer weiß nicht, daß man Möglichkeiten gedencken und Entia rationis concipiren könne, deren würckliches Seyn vielleicht in Ewigkeit nicht wird können dargethan werden. So unrecht nun der erstere Satz ist, so falsch wird selbiger auf GOTT gezogen. Denn wäre es an dem, daß uns die Erkenntniß GOTTES von Natur angeboren wäre, wie käme es doch, daß man denen zarten Kindern mit so vieler Mühe lehren müsse, daß ein GOTT sey? gewiß hätte es mit diesem angebornen Begriffe von GOTT seine so vollkommene Richtigkeit, als man sich einbildet, so müsten kleine Kinder die reinsten Begriffe von GOTT haben, als welche noch nicht von andern Sachen eingenommen sind. Ein jeder weiß aber mehr als zu wohl, wie sehr die tägliche Erfahrung dawieder streite.  
  Wollte man auch so verwegen seyn, und sagen, daß die kleinen Kinder gantz wohl wüsten, daß ein GOTT sey, so kann man mit Recht darauf dringen, daß man uns sage, was man als ein kleines Kind von GOTT gedacht? Soll man einen Begriff gehabt haben, so muß man sich dessen erinnern können, denn das heist eben ein Begriff. Ja man wollte sagen, mit zunehmenden Jahren verliehre sich diese Erkenntniß, so dienet darauf zur Antwort, Theils man sich wenigstens bewust seyn müsse, daß man einen Begriff von GOTT gehabt, Theils daß uns solche Begriffe ja gar nichts nützen, deren wir uns nicht wieder erinnern könnten.  
  Wie werden doch die ausdrücklichen Stellen göttlicher heiliger Schrifft, als z.E. Deuter. 1, 39, Es. 7, 14. 15. 16. Jon. 4, 11. zu verstehen seyn, allwo ausdrücklich gesagt wird, daß die kleinen Kinder weder rechts noch lincks wüsten? Hoffentlich werden wir also nicht irren, wenn wir daher diesen Schluß machen: Wer nicht weiß, was rechts oder lincks ist, der weiß auch nicht, daß ein GOTT sey. Denn indem wir GOTT kennen, indem wissen wir, was recht oder unrecht. Wie schwer geht es aber zu, ehe wir denen  
  {Sp. 297|S. 166}  
  Kindern nur einiger Massen etwas von GOTT beybringen können. Es scheinet auch, als ob die Sache so wichtig, daß kaum ein geübter Verstand dazu gelanget, sich einen gesunden Begriff von dem unbegreifflichen göttlichen Wesen zu machen. Wie sollte also ein so zartes Werckzeug, als ein Kind ist, dieses leisten können?  
Atheisten Endlich, wie läst sich dieses zusammen räumen, von Natur wissen, daß ein GOTT sey, und doch ein Atheiste seyn? Daß es aber Atheisten gebe, ist unter dem Articel Atheisterey, Tom. II. p. 2016. seqq. gewiesen worden. Am wenigsten wird der angeborne Begriff von GOTT bey einem Atheisten zu einer Überzeugung dienen, daß ein GOTT sey. Denn diese Leute leugnen eben, daß ein GOTT sey, folglich lassen sie keine würckliche angeborne Erkenntniß GOTTES zu, und da müssen sie mit tüchtigern Gründen, die nicht fehlen, auf bessere Gedancken gebracht werden.  
  Sollte nun vollends, wie einige mit gröstem Eifer behaupten, ein würcklicher Habitus diese Erkenntniß seyn, so müste sich selbige noch mehr äussern, auch kann ein Habitus niemahls anders als durch eine entgegen gesetzten Habitum abgewöhnet werden, welcher letztere doch auch nicht kann dargethan werden. Es mögten auch die Vertheidiger angeführter Meynung wohl erwägen, daß kein Habitus anders als durch vielmahlige Wiederhohlung einerley Handlung könnte erhalten werden. Dieses aber eben ist dem angebornen entgegen gesetzt.  
  Wieder diese unsere bißher angeführte Gegengründe suchen sich die Vertheidiger ersterer Meynung damit zu retten, daß selbst Rom. 2, 15. heisse: Es wäre des Gesetzes Werck beschrieben in derer Heyden Hertzen, sintemahl ihr Gewissen sie bezeuget, dazu auch die Gedancken, die sich unter einander verklagen oder entschuldigen.  
  Es ist aber dabey wohl zu mercken, daß das Hertz bey denen alten Ebräern, Griechen und Lateinern den Verstand bedeute, weil sie das Hertz vor den Sietz der Seele hielten; wenn aber an angeführtem Orte stehet: Es wäre des Gesetzes Werck beschrieben in ihren Hertzen, so mag solches nicht eben auf eine besondere Art der Erkenntniß GOTTES gedeutet werden, vielmehr wird angezeigte Redens-Art gewöhnlich also gebrauchet, daß die einen so nachdrücklichen Eindruck einer Sache bedeutet, daß es nicht wieder kann ausgelöschet werden, wie solches dargethan.
  Und was brauchen wir weiter wegen richtiger Erklärung obangeführten Spruches ungewiß zu seyn ? Erhellet nicht des Apostels Sinn gantz deutlich aus Rom. 1, 19. 20. Daß man weiß, daß GOTT sey, ist ihnen offenbar, denn GOTT hat es ihnen offenbaret, damit, daß GOTTES unsichtbares Wesen, das ist, seine ewige Krafft und GOttheit wird ersehen, so man das wahrnimmt an denen Wercken, nemlich an der Schöpffung der Welt.  
Gewissen Die Verfechter der Ideae innatae vermeynen auch dadurch etwas zu gewinnen, wenn sie sich auf eines jeden Menschen eigenes Gewissen beruffen. Selbiges überzeuge einen ja starck genung, daß ein GOTT sey. Verstehet man nun unter dem Gewissen eine Erinnerung dessen, was geboten oder verboten, so werden doch dadurch die Ideae innatae im geringsten nicht bewiesen.  
  {Sp. 298}  
  Denn ist bey dem Gewissen eine Erinnerung, so muß eine Vorstellung vorhergegangen seyn, der wir uns erinnern. Da ist aber nichts von einer Idea innata, wohl aber adquisita zu finden. Pufendorff de J.N. et G.
  Es halten aber auch manchmahl derer Sachen unwissende jede Angst des Gemüths vor eine Würckung des Gewissens, welches doch unrecht ist. Denn solches entstehet entweder von einem unrechten Lauffe des Geblüts, welches also im geringsten kein Gewissen, oder aus einem Mangel der Wissenschafft, was zu thun oder zu lassen. Wäre nun eine angeborne Idee von GOTT da, so würde dieses nicht seyn. Und wenn wir alles dieses nicht regen wollen, so will doch die gröste Frage seyn, ob solches eine Ideam innatam oder adquisitam zum Grunde habe?  
Lutheraner So viel können wir indessen nicht in Abrede seyn, daß nicht von Natur der Mensch also eingerichtet sey, daß er, wenn er nur etwas seinen Verstand gebrauche, gar leichte schlüssen könne, daß ein GOTT sey, auch dieser Wahrheit durch einen natürlichen Trieb gar leichte Beyfall gebe. Es haben sich dahero nicht wenige in der Lutherischen Gemeine, wie solches aus Musaeo Introd. in Theol. ... und Buddeo Theol. Dogm. ... erhellet, gefunden, welche ohne der heiligen Schrifft was zu vergeben ohne Bedencken behauptet, daß die natürliche Erkenntniß GOTTES in einer Potentia proxima bestehe. Denn wie sollte ein Mensch, so er auch nicht auf andere Geschöpffe neben sich dencken will, nicht gleich darauf geführet werden, daß ein GOTT sey? Fragt er, wo er hergekommen, so wird er sich gar balde selbst antworten, von seinen Eltern. Weil aber diese nicht von sich selbst können entstanden seyn, als wird er endlich, so er nur in etwas seinen Gedancken nachfolgen will, mercken, daß ein höheres Wesen an alle dem Ursache sey.  
Literatur   Über diese gantze bißhero vorgetragener Sache können nachgelesen werden
  • Mastricht Gangraena nouit. Cartesianar. ...
  • Scheibler Metaphys. ...
  • Werenfels Judic. de Argum. Cartes. ...
  • Huet. Censur. Philosoph. Cartes.
  • Buddeus Sel. Jur. Nat. et Gent. ...
  • Grapius Theol. recens controuers. ...
  • Brillon Jugement de la Preuve ... welches in dem Journal des Savans 1701. p. 25. stehet, darauf la Montre geantwortet, welches eben daselbst p. 84. zu lesen.
  • Brucker de Ideis ...
  • Teuber Disp. de Infirmitate Argument. ...
  • Müller Metaph. ...
     

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Stand: 12. Februar 2023 © Hans-Walter Pries