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Zedler: Gott [3] HIS-Data
5028-11-295-17-03
Titel: Gott [3]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 11 Sp. 300
Jahr: 1735
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 11 S. 167
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Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

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Übersicht
Erkenntnis der Existenz Gottes (Forts.)
  erworbene Erkenntnis (Forts.)
 
  erste innerliche Grund-Ursachen
 
  Causae efficientes
 
  Causae aequivocae
 
  erste Grund-Ursache
  erstes bewegendes Ding
  Grund-Ursache unabhängig
  kein anderes unendliches Wesen

Stichworte Text Quellenangaben
erste innerliche Grund-Ursachen Wenn man auch nur auf eine gemeine Art die Welt betrachtet, so kann nicht weniger klärlich dargethan werden daß ein GOTT sey. Denn auch in denen ersten Grund-Ursachen der Welt lassen sich diejenigen metaphysicalischen Eigenschafften, aus denen das Seyn GOTTES gewiß zu schlüssen ist; z.E. die Endlichkeit, die Zufälligkeit auch in denen gewissen Würckungen der Natur, gar deutlich sehen. Ja in eben diese haben die Weltweisen die Eigenschafften auch derer abstractesten Principiorum der Welt, aus denen sie das Seyn GOTTES schlüssen, allererst entdecket. Auf beyde Weise also, auf die gelehrte und ungelehrte wird bewiesen, daß ein GOTT. Da bekommt man neue Ursache des HERRN Güte zu bewundern, da er sich nach beyder Art Leuten, welche das gantze menschliche Geschlecht ausmachen, Fähigkeit gerichtet, und auch in diesem Falle sich niemanden unbezeugt gelassen. de la Mothe Fenelon Demonstr. t. de l'Existence de Dieu, ...
  {Sp. 301|S 168}  
    ...
  Nun das ist freylich, daß ein Gelehrter eher im Stande ist, denen Einwürffen zu begegnen, da hingegen der gemeine Mann sich nicht zu retten weiß. Denn da sucht man ungeübte Sinne damit zu bethören, als ob alles in der Welt natürlich sey, und folglich man nicht nöthig habe einen GOTT mit ins Spiel zu mengen. Nimmt man aber auch in dieser Sache seine Zuflucht zur Gelehrsamkeit, so wird man daselbst gelehret, daß kein Regressus in infinitum angehe. Denn gehet man von denen Würckungen auf die Ursachen zurück, so wird man, es währe auch so lange als es wolle, doch endlich auf die ersten Grund-Ursachen aller Dinge kommen. Da nun aber auch diese ersten Grund-Ursachen eben noch das Unvermögen, von sich selbst zu entstehen, z.E. eben die Endlichkeit, Zufälligkeit u.d. an sich haben, so muß ein mächtigeres Wesen dieses alles gemacht haben. Müller Metaphys. ... Anmerck. ...
Causae efficientes Die gedachten Grund-Ursachen nun sind mancherley. So giebt es Caussas efficientes und finales. Die erstern zertheilen sich wiederum in vniuocas und aequiuocas. Dieser ihr Wesen ist, daß die zusammen gesetzten und gemischten Cörper immer aus einfachen Principiis gezeuget werden, welches so weit zurücke gehet, biß man auf die Elemente derer Cörper kommt; jene hingegen bestehen darinnen, daß die organischen Cörper, als eben Falls sehr zusammen gesetzte, aber in einen künstlichen Bau formirte Cörper, durch die Zeugung von Cörpern gleicher Art, die eben so und in einen eben so künstlichen Bau zusammen gesetzet sind, abstammen, ob sie gleich der Materie nach aus jenen erstern Caussis aequiuocis formiret worden. In beyderley Reihen derer Grund-Ursachen ist eine beständig fortwährende Subordination.  
Causae aequivocae Gehen wir nun von einer jeden gegenwärtigen auf ihre nächst vorhergehende immer fort, so kommen wir nothwendig zuletzt auf gewisse erste Grund-Ursachen. Diese natürlichen Grund-Ursachen derer Dinge müssen nothwendig von einer ersten abstammen, wie solches schon Aristoteles Metaph. II. 2. und mit diesem die Scholastischen Welt-Weisen erkannt. Denn so befindet man die Caussas aequiuocas, daß sie einander essentialiter subordinirt sind, also, daß in denen aneinander hangenden Reihen dererselben eine jede folgende von ihrer vorhergehenden nicht allein im seyn, sondern auch im würcken der Gestallt gäntzlich dependiret, daß sie ohne dieselbe weder seyn noch würcken kann.  
  Müller Metaphys. ... demonstriret dieses sehr schön. Er sagt: Ein lebloser Cörper z.E. ist denen Principiis, durch welche er gezeuget wird, z.E. seinem Saltze und Schwefel wesentlich subordiniret, so, daß der Cörper nicht einen Augenblick existiren kann, wenn nicht besagte seine Principia ihre würckende Kräffte beständig in ihm zu äussern fortfahren. Diese Principia oder Caussae sind wiederum denen ihrigen, durch welche sie entstehen und existiren, auf gleiche Art subordiniret; diese wiederum denen ihrigen, also nemlich, daß das folgende ohne das vorhergehende weder einen Augenblick existiren noch das geringste würcken kann, und wenn also das vorhergehende nur einen Augenblick zu existiren oder zu würcken aufhören sollte, die Existentz und gantze Würckung des folgenden, mithin die Existentz des Effects augenblicklich hinwegfallen würde.  
  Wenn demnach die letzte würckende Ursache,  
  {Sp. 302}  
  man nehme an was vor eine man wolle, weder einen Augenblick existiren, noch das geringste würcken kann, ohne die nächst vorhergehende; diese wiederum nicht ohne die nächst vor ihr vorhergehende; und dieses immer also zurück gehen sollte, daß keine eintzige ohne eine andere vorhergehende weder einen Augenblick existiren noch das geringste würcken könnte, so würde keine Grund-Ursache zu finden seyn, durch welche die gantze Reihe obgedachter voneinander dependirender Grund-Ursachen, als welche solcher Gestallt lauter Effecte wären, zur würcklichen Existentz und Würckung sollte gelangen können.  
  Denn kann die letzte, wie gesagt, ohne die vorhergehende, diese wiederum ohne die vor ihr vorhergehende, weder einen Augenblick existiren, noch das geringste würcken: so wird keine eintzige weder einen Augenblick existiren, noch das geringste würcken können, wenn nicht in der Reihe der vorhergehenden, sie sey auch so lang als sie nur immer wolle, eine ist, die zu existiren und zu würcken den Anfang mache, und die in ihren gantzen existiren und würcken nicht von einer ferner vorhergehenden dependire.  
  Machet keine den Anfang, so sind die gantzen Reihen dererselben nichts als lauter Effecte; weil solcher Gestallt keine eintzige unter ihnen ist, die nicht nebst allen auf sie folgenden von einer andern so gäntzlich dependiren sollte, daß ihre Existentz und so gar auch alles ihr würcken, ein blosser Effect sey der vorhergehenden, die durch sie würcket. Ist aber alles, was nur ist, lauter Effect, so muß die Welt aus lauter Effecten, und zwar ohne Caussa, bestehen; welches sich selbst wiederspricht.  
erste Grund-Ursache Dannenhero muß in der Reihe derer einander in existiren und würcken subordinirten Grund-Ursachen entweder eine erste seyn, die zu existiren und zu würcken den Anfang mache, und also in beyden nicht von einer andern vorhergehenden Grund-Ursache dependire: oder es kann in der gantzen Reihe derer in existiren und würcken einander wesentlich subordinirten Grund-Ursachen keine eintzige weder existiren noch würcken. Kann keine Grund-Ursachen weder existiren noch würcken: so kann auch kein eintziger Effect existiren. Können weder Grund-Ursachen noch Effecte existiren: so kann gar nichts, und folglich keine Welt, existiren. Solcher Gestallt muß in denen Reihen derer Dinge entweder ein erstes seyn, oder es kann gar nichts seyn. Das letztere ist falsch, also muß nothwendig das erste wahr seyn.  
  Auf gleichen Schlag erinnert Aristoteles Phys. VIII. 5. daß ein Ding, das beweget wird, und den Grund seiner Bewegung nicht in sich selbst hat, von einem andern, dieses folglich wiederum von einem andern und so weiter beweget werden müsse. Weil nun die Bewegung des letzten von der Bewegung des vorhergehenden und immer sofort Stuffen-Weise kommt, so lässet sich gar leichte begreiffen, daß bey allen Regressu in infinitum doch kein erstes bewegendes Ding da seyn würde. Fehlet dieses aber, so würde gar nichts beweget werden. Also muß ein erstes bewegendes Ding seyn, das den Grund seiner Bewegung in sich selbst hat, ausser dem würde gar keine Bewegung in der gantzen Welt seyn.  
  Müller Metaphys. ... Anmerck. ... lobt des Wollaston Ebauch. de la Religion naturelle ... Gleichniß, durch welches er die bishero vorgetragene Demonstration sinnlich zu  
  {Sp. 303|S. 169}  
  machen bemühet ist. Man bilde sich ein, daß eine Kette vom Himmel herab hange, deren ungeheure Länge, und woran sie befestiget, daß sie nicht durch ihre Schwere herunter falle, unsere Augen nicht erreichen können. Wenn man nach der Grund-Ursache, durch welche sie also hangend, damit sie nicht herab falle, erhalten werde, fraget: sollte wohl ein vernünfftiger Mensch mit der Antwort zu Frieden seyn, wenn man sagen wollte, daß das erste Glied der Kette, von unten hinauf gerechnet, von dem andern, das erste und andere zusammen von dem dritten, diese drey von dem vierten, und so auch die übrigen ohne Ende, indem die Kette unendlich sey, in die Höhe gehalten würden, ohne daß etwas an sich selbst festes, das eine unendliche von Glied zu Glied unendlich zunehmende Last erhalten könnte, seyn sollte, daran die Kette befestiget sey. Denn da ein jedes mittleres Glied alle untere hält, und also die Last, ie mehr die Länge der Kette zunimmt, desto schwerer wird: so folget, daß, da es unmöglich ist, daß auch nur ein eintziges Glied nicht sollte fallen müssen, wenn es nirgends befestiget ist, folglich aus der vorgegebenen unendlichen Länge der Kette und unendlichen Vielheit ihrer Glieder und deren unendlich zunehmenden Last ein mehrers nicht folgen könne, als daß es also unendlich unmöglicher sey, daß sie nicht sollte fallen müssen, wenn nicht die gantze Kette durch ein erstes zulänglich befestigtes Glied in der Höhe erhalten würde. So weit Wollastons Gedancken.  
erstes bewegendes Ding Wir fahren in dem unterbrochenen Beweise fort. Wir haben gesagt, daß ein erstes bewegendes Ding den Grund seiner Bewegung in sich selbsten haben müsse. Denn wäre es nicht von selber, sondern von einem andern, so könnte sie nicht die erste seyn. Es folgt weiter, daß alle andere Würckungen demselben subordinirt seyn müssen, denn sonst wäre es eben Falls nicht die allererste. Es lassen sich dahero des Aristotelis Metaph. XII. 7. Worte: [ein Satz griechisch], sehr wohl hieher zühen, ob zwar Aristoteles selbst dieses von der Welt, der es doch nicht zukommt, mag haben verstanden wissen wollen.  
  Es muß ferner ein erstbewegendes Ding nothwendig seyn, eben weil es von nichts ausser sich dependiret, sondern sein Seyn in sich selbsten hat. Es muß ewig seyn. Denn wäre es nicht ewig, so müste es auch einst nicht gewesen seyn. Wäre es einst nicht gewesen, so müste nothwendig einsmahls gar nichts gewesen seyn. Ist einmahl gar nichts gewesen, so ist unmöglich, daß nachhero etwas hätte zu seyn anfangen können. Denn wo nichts ist, da ist keine Grund-Ursache derer Dinge; wo aber diese nicht ist, da kann auch kein Effect und also kein Ding seyn. Wäre also nur ein Augenblick, da keine Grund-Ursache gewesen, so könnte in alle Ewigkeit nicht das geringste seyn. Denn wo sollte eine Grund-Ursache herkommen? müste sie nicht sich aus sich selbst hervor bringen, und also die Ursache ihrer selbst seyn, welches aber, weil es sich schlechter Dings wiederspricht, unmöglich ist.  
Grund-Ursache unabhängig Da wir nun also zur Gnüge dargethan, daß eine Grund-Ursache aller Dinge seyn müsse, so muß sie nothwendig also seyn, daß sie im Seyn von sich selbst, nothwendig, ewig und im würcken independent sey. Dieses ist aber bey denen natürlichen Grund-Ursachen nicht anzutreffen. Denn alle Arten derer Würckungen,  
  {Sp. 304}  
  die wir durch diese Art derer Grund-Ursachen in der Welt hervor gebracht sehen, sind ihrem Wesen nach endlich und umschränckt, und zwar, so lange die Welt stehet, nach einerley Gesetzen der Natur. Es würcken aber alle Grund-Ursachen dieser Art nicht willkührlich, sondern natürlich aus ihren gantzen Kräfften; da nun aber die Würckungen dererselben, wenn sie auch gleich aus gantzen Kräfften geschehen, endlich, so müssen die Grund-Ursachen auch nur umschränckte und endliche Kräffte zu würcken haben.  
  Weil nun aber alles, was endlich, und im würcken gewisse Grentzen hat, nichts anders als eine Würckung seyn kann, etwas aber seine eigene Würckung und seine eigene Grund-Ursache zu seyn, wiedersinnisch ist: als ist gewiß, daß eine erste natürliche Grund-Ursache nicht ein Ding seyn könne, das von sich selber ist. Da nun auch eine iede erste natürliche Grund-Ursache als ein endliches Ding in die Grentzen nur ihres eigenen Wesens gesetzet ist, und also des Wesens und der Kräffte der andern nicht mächtig seyn kann: so kann auch eine erste natürliche Grund-Ursache der andern die Grentzen ihres Wesens nicht setzen.  
  Da nun auch die ersten einfachesten natürlichen Grund-Ursachen so gut als die letzten Würckungen der Natur, nicht von sich selber sind, und doch gleichwohl keine natürliche Grund-Ursachen haben können, sie mögten entweder neben sich, also, daß die eine eine Grund-Ursache der andern sey, oder über sich stehen, weil das erstere kein noch vorhergehendes haben kann, denn sonst wäre es eben nicht das erste: so ist zuverläßlich zu behaupten, daß die ersten Grund-Ursachen der Natur von einer übernatürlichen und von der Natur wahrhafftig unterschiedenen Grund-Ursache dependiren müsse.  
  Da es nun aber unmöglich anders, als daß ein Ding, das von sich selbst, und die schlechter Dings erste Grund-Ursache aller Dinge sey, gleichwohl aber die ersten natürlichen Grund-Ursachen der Welt unmöglich dasjenige Ding, das von sich selbst, und also schlechter Dings das erste ist, seyn können; also folgt unwiedersprechlich, daß ein von der Natur unterschiedenes Ding dasjenige seyn müsse, das von sich selbst, und also die schlechter Dings erste Grund-Ursache auch selbst der ersten natürlichen Grund-Ursachen der Welt sey. Dieses von der Natur unterschiedene Wesen muß also, da es von sich selbst seyn muß, im Seyn nothwendig, unendlich und ewig, und im würcken independent seyn; die Welt aber und deren erste natürliche Grund-Ursachen müssen dieses von der Natur unterschiedene, von sich selbst existirende, nothwendige, unendliche und ewige Wesen zu ihrer schlechter Dings ersten Grund-Ursache haben.  
kein anderes unendliches Wesen Es kann aber ausser diesen von der Natur unterschiedenen unendlichen Wesen kein anderes seyn. Denn was sollte es vor eines seyn? Es müste entweder noch ein unendliches seyn, oder, so es ein endliches, doch von ihm independent seyn. Beydes aber gehet nicht an. Denn wenn mehrere unendliche Dinge wären, so müsten sie entweder einander subordinirt seyn oder nicht. Wäre ersteres, so würde dasjenige, das dem andern subordiniret, nothwendig in Ansehung solcher Subordination ein endliches Ding seyn. Auf solche Weise aber würden nicht mehrere unendliche Dinge, sondern nur nebst dem unendlichen auch endliche seyn. Sollten hingegen zwey unendliche Dinge  
  {Sp. 305|S. 170}  
  einander nicht subordiniret, u. also beyde wahrhaftig unendlich, u. noch würcklich von einander unterschieden seyn, so müste dasjenige, worinnen sie beyde wahrhafftig von einander unterschieden wären, von beyden Theilen eine würckliche Unendlichkeit seyn. In solchem Falle aber würde beyden eine Unendlichkeit mangeln, nemlich diejenige, durch welche das andere unendliche Ding von ihm würcklich unterschieden wäre.  
  Nun ist aber ein Ding, dem etwas mangelt, endlich; derowegen müssen die vermeynten zwey unendliche Dinge nothwendig endlich seyn, welches doch wieder einander streitet, eben wie, daß neben dem unendlichen Dinge ein anderes endliches, das von dem unendlichen independent bestehe. Da nun das unendliche von dem endlichen unterschieden, dieses aber eine Würckung jenes ist, und ausser selbigen weiter nichts giebt; als ist klar, daß etwas seyn müsse, welches von der Natur wahrhafftig unterschieden, von sich selbst, nothwendig, unendlich, ewig ist, das die Welt aus nichts erschaffen. Es fallen dahero die vielen Götter derer Heyden von sich selbst weg, und verdienen sie nichts weniger, als den Namen eines Gottes, weil eben viele Gott nicht seyn können.  
     

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Stand: 12. Februar 2023 © Hans-Walter Pries