HIS-Data
Home | Suche
Zedler: Gott [5] HIS-Data
5028-11-295-17-05
Titel: Gott [5]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 11 Sp. 307
Jahr: 1735
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 11 S. 171
Vorheriger Artikel: Gott [4]
Folgender Artikel: Gott [6]
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen
  • Transkribierter griechischer Text der Vorlage

vorhergehender Text  Teil 4 Artikelübersicht Teil 6  Fortsetzung

Übersicht
Erkenntnis der Existenz Gottes (Forts.)
  Heiden
 
  Aristoteles
  Stoiker
  Spinoza
  Epikur
Literatur

Stichworte Text Quellenangaben
Heiden Aus den bißhero abgehandelten ist klärlich zu ersehen, wie wenig die Heyden dem Lichte der ihnen mitgetheilten Vernunfft gefolget, da der gröste Hauffe aus ihnen ein Wesen, das mit der Welt physice vereiniget, und ein innerliches Principium derselben ist, GOTT genennet. So ist unrecht, wenn Aristo-  
  {Sp. 308}  
Aristoteles teles will, daß weder der erste und purus actus, das ist, die von der Materie abgesonderte Forma, oder pure thätige Krafft der Welt, noch die erste und pura Potentia, nemlich die erste Materie, je entstehen noch gezeuget werden könne. Denn beydes wäre ein einfaches Wesen; alle Zeugung aber geschähe durch die Zusammensetzung dessen was gezeuget wird, aus mehrern einführen; [ein Satz griechischer Text], wie Aristotelis Metaph. X, 3. eigene Worte lauten. Also sind dem Aristoteli die Materia prima, und die Forma, und der Actus primus, der Natur die ersten ewigen Grund Ursachen aller Dinge.  
  Und was brauchen wir weiter ungewiß zu seyn, ob Aristotelis Gott was anders als die Forma substantialis der gantzen Welt sey. So lauten ja seine eigenen Worte l.c. XI, 6. [zwei Zeilen griechischer Text]. Deswegen wendet er l.c. XII. 6. seqq. alle Mühe an darzuthun, erstlich, daß dergleichen ewiger Actus purus als die Forma substantialis der Welt würcklich seyn müste, weil die Bewegung der Sphaerae primi mobilis ewig ohne Anfang und ohne Ende sey. Denn so sagt Aristoteles l.c. XII. 7. [4 Zeilen griechischer Text].  
  Er beschreibt weiter das Wesen seines Gottes in diesen Worten: [eine Zeile griechischer Text]. Er eignet seinem Gotte eine Glückseligkeit zu, die nur darinen, daß sie ewig, von derer Menschen ihrer unterschieden. [5 Zeilen griechischer Text] Ja weil dieser Actus purus mit der Materie des obersten Himmels, durch welchen er der gantzen Welt ihre Bewegung gebe, als seine Forma substantialis vereiniget sey, nicht anders als unsere Seelen mit ihren Leibern, so träget er kein Bedencken, seinen Gott gar ein Zoon aidion zu nennen.  
  Endlich fügt Aristoteles l.c. XII. 8.noch hinzu, daß alle die daselbst erzählten Actus puri und aeterni, wenn man sie als inmateriale Substantzen von der Materie, welche sie beseelen und bewegen, in Gedancken abstrahire, eben die wahren und rechten Götter wären, welche reine Lehre von Alters her die lieben Vorfahren in allerhand Mährgen eingekleidet, und auf ihre Nachkommen fortgepflantzet hätten, dahero nach dieser Lehre die Welt um und um mit Göttern umschlossen sey. Nach Mahls habe man freylich die reine Lehre [eine Zeile griechischer Text]  
  {Sp. 309|S. 172}  
  [eine Zeile griechischer Text] mit allerhand Mährlein vermenget, da man denen Göttern menschliche Gestallt, ja gar die Gestallten derer Thiere angedichtet.  
  Doch scheinet Aristoteles l.c. endlich selbst von dieser Meynung abzugehen, so, daß er von seinen erst angegebenen acht und viertzig Göttern nur den Gott, oder den Actum purum des obersten Himmels, oder der Sphaerae primi mobilis vor den wahren einigen Gott hält. Müller Metaphys. ... Anmerck. allwo er noch über dieses weiset, wie schlecht des Aristotelis Begriffe von GOTT gewesen. Es wäre der gedachte Actus purus, den Aristoteles von der Natur, als ihre erste oder oberste Thätigkeit in Gedancken absondere, und welcher als eine Forma substantialis der gantzen Natur an sich selbst tode Materie derselben von Ewigkeit beleben, und aus diesen Grunde GOTT seyn soll, in der That ein Götzenbild des Verstandes gewesen, eben als wie die Götzenbilder, die man dem Pöbel, der einer so subtilen Abgötterey nicht fähig gewesen, vorgemahlet, Götzen-Bilder derer Augen gewesen. Denn alle Abgötterey bestehe in einer Verwirrung der Geschöpffe mit GOTT, Vermöge deren man ein Geschöpffe als einen GOTT verehret.  
  Dieses aber habe Aristoteles so gut, als der einfältige Pöbel gethan, wenn er die von der Materie der Welt in Gedancken abgesonderte Form oder allgemeine fähige Krafft der Welt sich seinem Götzen-Bilde im Verstande vorgestellet. Denn der wahre GOTT sey ein von der gantzen Natur, die nach der Abstraction des Aristotelis aus ihrer Materia und Forma bestehet, gantz unterschiedenes Wesen; und die Form, Actus, und das thätige Wesen der Natur wäre so wohl nur ein Geschöpffe als die Materie der Natur, wiewohl die meisten Heyden auch die Materie nicht ein Mahl vor ein Geschöpffe, sondern vor eine Substantz, die mit ihrem vermeynten Gotte gleich ewig wäre, gehalten.  
  Dahero also, da sie vor gewiß angenommen, daß die einfachesten Principia der Natur ewig und durch sich selbst existirten, hätten sie unmöglich eine Schöpffung, und folglich keinen Schöpffer, und also auch keinen wahrhafften Gott haben können, als an dessen Stelle sie vielmehr einen Actum purissimum, oder einfacheste Form der Natur, die durch sich selbst und ewig, und neben ihr eine einfacheste Materie, die dieser Form gleich ewig sey, setzeten; da denn, weil nach dieser Meynung die Form, als ein ewiges Wesen in die Materie, als ein ihr gleich ewiges Wesen in die Materie, als ein ihr gleich ewiges Wesen unstreitig von Ewigkeit gewürcket, sie aus solchen Gründen nicht anders als die Welt vor ewig halten können.  
  Anbey macht Müller l.c. p. 88. die Anmerckung, daß wir Christen daher Bedencken tragen sollten, den Gott des Aristotelis seine Benennung abzuborgen, und unsern wahren GOTT eben wie jenen einen Actum purissimum nennen, wie doch die meisten Peripatetici unter denen Christen thäten. Auch erkennten wir als christliche Philosophi, daß, wenn wir den wahren GOTT durch das Licht der Vernunfft finden wollten, wir ein von der Natur wahrhafftig unterschiedenes Wesen suchen, und uns also hüten müsten, ein jedes natürliches Ding, es möge auch unter denen natürlichen Caussis so hoch als es wolle, ja wohl gar oben anstehen, vor Gott zu halten hät-  
  {Sp. 310}  
  ten. Die Schrifft Gen. 1., 1. lehre uns, daß GOTT am Anfange erschaffen habe Himmel und Erden und also die gantze Welt zugleich mit ihren Principiis, und daß also diese, und auch die ersten unter ihnen weder von sich selbst noch ewig wären. Die heydnischen Weltweisen hätten diese Nachricht nicht gehabt; da sie nun aber ein Mahl überzeuget gewesen, daß ein GOTT, oder eine erste und ewige Grund-Ursache aller Dinge seyn müsse, so wären sie bey Untersuchung dieser ersten Grund-Ursache erst auf die Elemente natürlicher Dinge gerathen. Weil sie aber wohl gesehen, daß die thätigen Kräffte derselben der Materie als ihrem Subjecto, nicht per se und nothwendig zukämen, und also die Elemente noch nicht die schlechter Dings ersten Grund-Ursachen derer Dinge seyn könne, so wären sie, Vermöge des bekannten natürlichen Grund-Satzes: Ex nihilo nil fit, der Meynung gewesen, daß die Elemente ihre noch einfachen und zwar natürlichen Caussas haben müsten, weil sie an eine andere als natürliche Caussam, Vermöge des vorhergehenden nicht gedencken können.  
  Nun hätten sie an denen Substantzen, die sie vor die einfachesten physicalischen hielten, nichts mehr, daß auch nur durch eine Würckung des Verstandes von einander abzusondern möglich wäre, als die in ihnen befindliche thätige Krafft und ihr Subiectum, unter denen sie die erste Formam, das andere Materiam; jene Actum purum, diese aber puram Potentiam nenneten, gefunden. Weil sie also Gott unter denen natürlichen Dingen zu suchen sich ein Mahl vorgesetzet, so hätten sie also in nun angezeigten die ewige Gottheit entdecket zu haben vermeynet.  
Stoiker Es verstossen aber auch wieder die bißhero vorgebrachten gesunden Begriffe von Gott die Stoischen Weltweisen, da sie Gott so gar ihrem berüchtigten Fato unterwerffen. Besonders sagten sie, daß er ein Theil dieses unermeßlichen Wercks der Natur sey, welches alles durchdringe, in dessen Betrachtung er auch unterschiedene Namen habe, wie es beym Diogene Laertius VII. 147. heisse: [sieben Zeilen griechischer Text].  
  Da nun die Stoischen Weltweisen unter dem Fato connexam rerum naturalium aeterna necessitate se in vicem subsequentium seriem verstanden, Gott aber vor ein Wesen hielten, das mit der Natur als einem Theile derselben vermischet sey, und alles in derselben durchdringe, auch eben von denen unterschiedenen Theilen der Natur, in denen sich seine Krafft äussere, die bey denen Heyden unterschiedlichen Namen habe; so ist kein Wunder, daß sie auch Gott vor ein in dem Fato oder der unveränderlichen Folge natürlicher Dinge aus einander mit verstricktes Wesen gehalten.  
  Es läufft also die Stoische Lehre mit des Aristotelis seiner auf eines hinaus, nur, daß des Aristotelis Gott Forma adsistens, derer Stoicer aber Forma informans. So  
  {Sp. 311|S. 173]  
  verräth sich nicht undeutlich z.E. Seneca Qu. Natur. II. 45. Per Jovem ... [ca. 12 Zeilen lateinischer Text]. Desgleichen de Benef. IV. 7. 8. Natura, inquis ... [ca. 17 Zeilen lateinischer Text] Hieraus erhellet, wie schlecht derer Stoicer Begriffe von GOTT; so prächtig sie auch immer kluge seyn.  
Spinoza Von diesen Stoischen Sätzen sind des Spinosae seine Träume nicht weit unterschieden, denn so lehret Spinosa Ethic. Part. I. Prop. 16. Ex necessitate diuinae naturae omnia, quae sub intellectum infinitum cadere possunt, sequi debent, darüber er sich Prop. 17. folgender Massen erkläret: A summa Dei potentia omnia necessario effluxisse, vel semper eadem necessitate sequi, ac ex natura trianguli ab aeterno et in aeternum sequitur, eius tres angulos aequari duobus rectis.  
  Es leugnet also Spinosa ausdrücklich, daß die Freyheit GOTTES in seinen Thaten darinnen bestehe, daß er etwas, das er thut, auch unterlassen könne, sondern er suchet sie nur darinnen, daß GOTT durch keine äusserlichen Grund Ursachen zum Würcken determiniret, das ist, gezwungen würde, wohl aber durch eine innerliche Nothwendigkeit seines Wesens: Deus ex solis suae naturae legibus et a nemine coctus agit. Dem Spinosae ist also die Freyheit einerley mit der innerlichen Nothwendigkeit, welche nur der äusserlichen Nothwendigkeit oder dem Zwange entgegen gesetzet ist.  
  Eben wie er nun auf solche Weise die metaphysicalische Zufälligkeit derer von GOTT unmittelbar hervorgebrachten Principiorum leugnet, worüber er sich in Schol. Prop. 28. nochmahls deutlich genung erkläret, wenn er saget: Quaedam a Deo inmediate produci debuisse, videlicet ea, quae ex absoluta eius natura necessario sequuntur; also verwirfft er durch alle physicalische Zufälligkeit aller aus jenen ersten unmittelbaren Principiis erfolgenden natürlichen Dingen, wenn es Prop. 29. also heisset. In rerum natura non datur contingens, sed omnia ex necessitate diuinae naturae determinata sunt ad certo  
  {Sp. 312}  
  modo ... [ca. 13 Zeilen lateinischer Text]. Müller Metaphys. 9. §. 6. Anmerck. p. 180 sqq.
  Noch einen andern Irrthum heget eben derselbe Spinosa Ethic. P. I. Prop. 18. wenn er in denen Worten: Deus est caussa omnium rerum inmanens, non vero transiens, deutlich gnug zu verstehen giebt, daß GOTT und die Natur eins sey. Denn was kann Caussa immanens anders heissen, als das erste Principium, das in denen Dingen ist, und in welches sie letztlich resoluiret werden können: Zu geschweigen, daß eben Spinosa Part. I. .... die Schöpffung läugnet, und also die Welt vor ewig hält.  
Epikur Auch verstösset wieder bisherige Demonstration Epicurus. Denn ist GOtt der Schöpffer und die einige allererste Grund-Ursache aller Dinge, wie sollte er nach des Epicuri Lehr-Sätzen so müßig bey der Schöpffung gesessen haben, also, daß er sich gar nicht um die Welt bekümmert, sondern denen Atomis, durch was vor einen ungefährigen Zusammenlauff dererselben dieses oder jenes entstehe, und von sich selbst zu existiren fortfahren wolle? siehe Atomi II. Tom. p. 2052. seqq.  
  Hat GOtt mit der Welt nicht die geringste Verbindung, woher wird doch Epicurus die Existentz derselben beweisen können. Daher urtheilet darvon Cicero de Natur. Deor. I. 43. nicht unrecht: Epicurum re tollere, oratione relinqvere Deos, eumqve, quae de Diis immortalibus dixerit, inuidiae derestandae gratia dixisse.  
Literatur Will jemand weiter von der Existentz GOttes überzeugt seyn, so lese er
  • Juquelot Diss. sur l'Existence de Dieu. 1697.
  • Fenelon demonstration de l'Existence de Dieu.
  • Clark Demonstrat. Existentiae et Attributorum Dei.
  • Raii l'Existence et la Sagesse de Dieu ...
  • Buddei Thes. de Atheismo et Superstitione.
     

vorhergehender Text  Teil 4 Artikelübersicht Teil 6  Fortsetzung

HIS-Data 5028-11-295-17-05: Zedler: Gott [5] HIS-Data Home
Stand: 12. Februar 2023 © Hans-Walter Pries