HIS-Data
Home | Suche
Zedler: Gunst HIS-Data
5028-11-1406-7
Titel: Gunst
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 11 Sp. 1406
Jahr: 1735
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 11 S. 720
Vorheriger Artikel: Gunsrode
Folgender Artikel: Gunstling
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel

  Text Quellenangaben
  Gunst oder Gewogenheit ist, wenn man dem andern wohl will.  
  Der Grund davon ist die Hochachtung, welche der andere bey uns gegen sich erwecket. Hieraus folgt, daß wir denselben unserer Zuneigung würdig schätzen. Es müssen also an dem andern, dem wir günstig sind, einige Eigenschafften sich befinden, welche uns gefallen, und also Hochachtung und daher flüssende Zuneigung in uns zeugen.  
  Ist nun das, was uns an dem andern wohlgefällt, würcklich gut, so ist unsere Gunst vernünfftig, unvernünfftig aber ist sie, wo es nicht die Bewandniß hat.  
  Bey dem allen aber hat das seine völlige Richtigkeit, was Gratian Orac. ... nach Müllers Übersetzung sagt:  
  Die Gunst derer Menschen erleichtert alles; sie ersetzet alles, wenn auch irgend wo ein Mangel ist. Wenn sie einen Menschen ein Mahl heben will, so suchet sie nicht allererst an ihm diejenigen Eigenschafften, diejenige Tapferkeit, Redlichkeit, Wissenschafft, ja denjenigen Verstand, so zu denen ihm zugedachten Ehren-Stellen erfordert wird; sondern sie trauet ihm durch ein nützliches Vorurtheil dieses alles schon vorhero zu: Seine Gebrechen ist sie nicht fähig zu sehen, weil sie mit allem Willen vor selbigen ihre Augen verschlüsset.  
  Ins gemein wird sie veranlasset durch eine materiale Gleichheit der Gemüths-Art, der Nation, der Anverwandtschafft, des Vaterlandes, der Lebens-Art, etc. Allein es ist noch über dieses dergleichen formale Gleichheit, welche zwischen höhern Seelen Statt hat, und auf sonderbare Eigenschafften, auf grosse Verdienste, dadurch einer  
  {Sp. 1407|S. 721}  
  um den andern sich verdient gemacht, auf den besondern Ehren-Ruhm, der in der Welt von ihm erschollen, auf wichtige Verdienste sich gründet: Es ist nur schwer, dergleichen Art von Gewogenheit in der Welt zu erwerben; aber um desto leichter, sie beständig zu erhalten, wenn sie ein Mahl erworben. Doch kan sie durch unverdrossene Bemühung, denen Leuten nützlich zu seyn, aller Dings erwecket, und sodann vermittelst der Klugheit zur Erlangung der wichtigsten Vortheile angewendet und genutzet werden.  
  Willt du nun dich in jetzt beschriebene vortheilhafte Umstände setzen, so must du solches klug anfangen. Der gemeine Fehler dererjenigen, so des andern Gunst erwerben wollen, ist, daß sie jedem nach einen Maß-Stabe, der doch wohl noch dazu unrichtig ist, abmessen. So hat z.E. einer angemercket, daß ehedem einen hochmüthigen angenehm gewesen, wenn man ihm öffters seine Aufwartung gemachet. Daher hat sich der alberne Mensch eine allgemeine Regel gemacht; willst du des andern Gewogenheit erhalten, so warte ihm fleisig auf.  
  Es ist aber dieses so unzuverläßlich, daß du eben mit dieser allgemein gemachten Sache dir an der Erlangung des andern Gunst hinderlich seyn wirst. Würdest du zum Wollüstigen kommen, und ihn öffters aufwarten wollen, so würde er nach seiner Gemüths-Art aus solcher Ceremonie entweder gar nichts machen, oder du ihn würdest ihm wohl ungelegen kommen, da er vielleicht eben in dem sein Vergnügen zu genüssen, und du ihn eben mit deinem Besuch daran hinderst; ja es könnte kommen, daß du ihm eben über dem Vergnügen anträffest, daß er doch niemand wolte wissen lassen, daß du also auf diese Weise erführest, welches wieder seine Absichten.  
  Bey dem Geldgeitzigen wirst du eben Falls, es sey denn, daß du Geld mitbrächtest, oder ihm solche Nachricht sagtest, die ihm in seiner Gemüths-Neigung unterhielten, nicht gar zu lieb gesehen seyst, der du vielmehr durch deine Aufwartung ihm etwas Zeit benimmst, da er einen Zuwachs seines Vermögens hätte erhalten können. Ja wer weiß, ob der hochmüthige auch alle Zeit damit zu Frieden? Vielleicht wird er es ansehen, als ob man ihn also geringschätzig halte, gleich als ob man ihn nach eigenem Belieben überlauffen könne. Oder, weil der Hochmüthige weiß, daß wir das, was wir öffters haben, geringe achten, auch allzu grosse Vertrauligkeit bey dem andern Verachtung würcke, so wird er sich rar machen, und du wirst mit deiner Aufwartung unrecht ankommen.  
  Willt du also anderer Leute Gunst und Gewogenheit erhalten, so richte dich nach ihnen. Dazu ist nöthig, daß du ihre Neigungen erst kennen lernest, so wirst du das finden, was diesem oder jenem lieb. Da must du nun das vornehmen, was du jeden vor angenehm zu seyn befunden, so kanst du dir des andern Gunst versprechen. Beobachte aber ja mit der grösten Sorgfalt das, was du erkannt, das ihnen lieb. Denn so werden sie erkennen, daß es dein würcklicher Ernst, ihre Gewogenheit zu erhalten, sey.  
  Hiernächst gieb dir Mühe um Gelegenheit, bey welcher du ihnen dein ergebenes Gemüth an den Tag legen kanst. Und zeiget sich eine Gelegenheit, so laß dieselbe ja nicht vorbey, vielmehr laß deinen Eifer blicken, wie willig du seyst, ihm zu dienen.  
  Ob nun zwar bey dem allen deine Absich-  
  {Sp. 1408}  
  ten, und zwar mit Recht, dein eigen Wohl zu befördern, so suche dieses nach Möglichkeit zu verbergen, weil eben hierdurch der Werth unserer Gefälligkeit bey dem andern wegfällt. Vielmehr suche den andern zu überzeugen, daß lediglich dein Zweck, ihn gefällig zu seyn. Hierdurch wird der andere gereitzet werden, immer auf Gegen-Gefälligkeiten bedacht zu seyn, und du hast nunmehro dessen Gunst, welche dir auch nun selbst würcklichen Vortheil bringt.  
  Fahret ihr nun beyder Seits hierinnen fort, so wird daraus endlich so ein starckes Band der Freundschafft, daß ihr mit einander in Gegen-Gefälligkeiten um die Wette streiten, und jeder des andern Wohl als sein eigenes ansehen wird. Müller Politic. ...
  Dabey ist aber wohl in Acht zu nehmen, daß du die Erwerbung des andern Gunst nicht bis dahin verwahrest, da du sie brauchest. Denn da wirst du den andern Verdacht erwecken, als ob alle deine Dienste nicht aus Ergebenheit gegen den andern, sondern aus Eigennutz geschähe. Der andere wird das, was du ihm erweisest, so ansehen, als ob du wohl müstest. Man wird dir vor deine Dienste sich nicht verbunden achten, sondern als Schuldigkeiten ansehen, die du wohl abtragen müstest, weil du dessen Hülffe bedürfftest. Derowegen so es immer möglich, erwirb dir des andern Gunst, ehe derselbe den geringsten Verdacht schöpfen kan, als ob deine Bemühungen aus Eigennutz geschähen, und da derselbe am wenigsten weiß, wie uns unser gutes zu vergelten.  
  Halt übrigens das, was du dem andern erweisest, nicht gleich vor verlohren, wenn gleich zur Zeit noch keine Hoffnung der Vergeltung. Wir können uns nicht so viele Mögligkeiten machen, als würcklich geschiehet, daß einer uns, da wir es am wenigsten geglaubet, seiner Gunst empfinden lässet. Müller l.c. ... Anmerck.
     

HIS-Data 5028-11-1406-7: Zedler: Gunst HIS-Data Home
Stand: 30. März 2013 © Hans-Walter Pries