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Zedler: Hof … wo sich der Fürst aufhält HIS-Data
5028-13-405-1
Titel: Hof … wo sich der Fürst aufhält
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 13 Sp. 405-412
Jahr: 1735
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 13 S. 216-219
Vorheriger Artikel: Hof
Folgender Artikel: Hof … die Haupt-Stadt in dem Voigtlande
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

  Text Quellenangaben
  Hof, wird genennet, wo sich der Fürst aufhält.  
  Durch sich alleine kan der Landes-Fürst den Staats-Cörper nicht bestreiten, er sey auch so klein als er wolle. Doch das ist noch nicht genug. Der Fürst muß bey Fremden sowohl, als Einheimischen Ansehen haben. Fehlet dieses, wer wird seinen Befehlen gehorchen? Wären alle Unterthanen von der tieffen Einsicht, daß sie den Fürsten wegen innerlichen Vorzuges verehrten, so brauchte es keines äusserlichen Gepränges; so aber bleibet der gröste Theil derer gehorchenden an dem äusserlichen hängen.  
  Ein Fürst bleibet derselbe, er gehe alleine oder habe einen grossen Comitat bey sich. Gleichwohl fehlet es nicht an Exempeln, da der Fürst, wenn er allein unter seinen Unterthanen herum gegangen, wenig oder gar kein Ansehen gehabt, da man ihm hingegen gantz anders begegnet, wenn er seinem Stande gemäß aufgezogen.  
  Dieserhalben ist also nöthig, daß der Fürst nicht nur Bediente habe, die dem Lande vorstehen, sondern auch, die ihm zum äusserlichen Staate und eigener Bedienung nöthig sind. Die letztern sind die eigentlichen sogenannten Hof-Ämter, und die, so selbige bedienen, heissen Hof Leute, und machen zusammen des Fürsten Hof-Staat aus.  
  Dergleichen Bedienungen anzunehmen, darf keiner ein Bedencken tragen, wenn er nur diejenigen Eigenschafften an sich hat, die dazu gehören, und er nicht zu etwas andern als diesem geschickter. Ein exeat aula, qui vult esse pius, darf sich niemand davon abschrecken lassen. Es ist zwar an dem, daß die Gelegenheit zu sündigen nirgends leichter als bey Hofe. Augen-Lust, Fleisches-Lust und hoffärtiges Leben finden daselbst nach den gemeinen Lauffe ihre beste Versorgung, und wer dazu nur etwas Lust hat, der wird gar leichte dazu Gelegenheit finden. Doch bilde dir nicht ein, als ob ausser denen Höfen lauter Gottesfurcht anzutreffen wäre. Wer sündigen will, wird auch mitten unter denen frömmsten an denen heiligsten Örtern Gelegenheit darzu finden.  
  Zudem so ist es im Grunde falsch, daß bey allen Höfen obgenennten 3. schändlichen Götzen gedienet werde.  
  {Sp. 406}  
  GOtt Lob! das zu unsern Zeiten es noch solche Höfe giebet, da Sünd und Schande übel angesehen sind. Schmeichle dir also nicht damit, als ob du, indem du nicht am Hofe lebest, vor jenem, der sich daran befindet, fromm wärest. Das Hof-Leben an sich macht die Gottlosigkeit nicht aus, sondern der Fehler liegt an denen, die sich fälschlich einbilden, bey Hofe könne man ungescheut allen Lüsten des Fleisches nachgehen.  
  Es lässet sich also überhaupt auf die Frage, ob es besser sey, bey Hofe oder ausserhalb demselben zu leben, nicht sohin antworten. Deucht dir nach genaurer Prüfung der eine Hof dir mehr Gelegenheit zu sündigen zu geben, so suche einen andern, und mache da dein Glücke. An dir selbst aber must du abnehmen, ob du von GOtt zum Hof-Leben beruffen. Prüfe deine Kräffte, und findest du dieselben also, daß sie bey Hofe am nützlichsten sind, so kanst du in GOttes Namen dich an Hof begeben, auch fromm und selig dabey werden, wenn du nur Herr über deine Begierden bist.  
  Hast du nun also nach vorhergegangener unpartheyischer und vernünfftiger Überlegung den Entschluß gefasset, dein Glück bey Hofe zu machen, so wird es erstlich darauf ankommen, wie du dich bey Hofe wollest bekannt und beliebt machen. Damit aber wird dir nicht gedienet seyn, bey Hofe zu weisen, daß du diese oder jene Geschicklichkeit besitzest. Dein Glück wilt du damit machen. du must also vor allen Dingen so einen Hof suchen, da deine Geschicklichkeiten gehen.  
  Hast du selbigen ausfündig gemacht, so bemühe dich zu erfahren, ob der Fürst selbst unmittelbar oder seine Ministri in seinem Namen dieses oder jenes Amt besetzen. Dein erstes wird also seyn, dieses oder jenes, denn es kommet auf eines heraus, Gnade und Gunst zu erhalten. Kanst du nicht gleich vor die rechte Schmiede gehen, so steig durch die vorhergehenden Stuffen hin in deines Beförderers vortheilhaffte Bekanntschafft. Dieselbe wird am besten seyn, wenn du deinem Beförderer, so viel die Regeln der Gerechtigkeit erlauben, gleich wirst. Denn dieses ist das festeste Band der Freundschafft.  
  Bey dem allen aber must du wissen[1], da der Hof so mancherley Leute voll, zu wem du dich zu halten. Es giebt Leute
[1] HIS-Data: korrigiert aus: weisen
 
1) die ihre hohe Geburt erhaben, als des regierenden Herrn Geschwister, Anverwandte, Printzen von Geblüte. Diese dürffen sich, wo der Herr mißtrauisch, in die Regierung nicht mischen, wo sie nicht in den Verdacht kommen wollen, als ob sie eben deswegen diese oder jene Stelle mit ihren Creaturen besetzen wollten, damit sie sich bey gelegener Zeit vielleicht selbst auf den Thron schwingen, und den regierenden Herrn verdringen möchten. So hoch also diese Beförderer in Ansehung ihres Standes wären, so wenig Krafft haben sie, unser Glück zu machen, daß uns ihre Gnade und vertrauter Umgang mit uns vielmehr schadet.
 
 
2) Giebet es Leute, die in gantz besondern Gnaden bey dem Fürsten stehen, gleichwohl uns mit ihrer grossen Gnade nichts helffen können. Ihrer eigenen Gunst, so sie von ihrem Herrn genüssen, Grund ist nicht tüchtig. Der Herr braucht sie lediglich zu seiner Ergötzung. Da will er nun frey von Regiments-Sorgen seyn; also kan ihm ordentlich nichts anders als verdrüßlich seyn, wenn ihm da Bitt-Sachen vorgetragen werden. Solche Art Leute haben auch nicht einmahl Zeit, sich ihrer Clienten anzunehmen. Sie müssen allezeit auf ihres Fürsten Winck bereit
 
  {Sp. 407|S. 217}  
 
seyn, mehr als andere, welchen andere Verrichtungen angewiesen sind, diese aber, wie schon gedacht, eintzig zu des HErrn Ergötzung, so zu sagen beruffen sind, ja auch wohl Exempel nicht mangeln, da der Fürst selbst solchen Leuten schlechtweg untersaget, sich in Regierungs-Sachen nicht zu mengen.
 
 
Nicht zu gedencken, das gemeiniglich dergleichen Hof-Leute vor sich genug zu thun haben, ihres Herrn Gunst zu erhalten, daß sie also sich in acht zu nehmen, damit sie nicht, indem sie andern zu etwas besonders in verdrüßlichen Sachen behülfflich seyn wollen, sich selbst um ihr Glück bringen. Indessen ist es nicht wegzuwerffen, wenn du des Herrn seines Mignons Gnade überkommen kanst. Ist gleich auf dessen Hülffe nicht viel Staat zu machen, so hat er doch Gelegenheit, deiner bey seinem Herrn, und vielleicht, weil er es am besten weiß, zu gelegener Stunde zu gedencken, und zwar, wenn er Verstand hat, so, als ob man keine Absichten darunter hege, sondern gleich als ob es unversehens ihm so eingefallen.
 
 
3) Sind am Hofe Männer, die grosses Ansehen haben, und bey dem Fürsten ein Wort reden können, die aber, weil sie sich dem Herrn in einem und dem andern zuweilen widersetzen, oder auch der Herr vor ihrer anwachsenden Macht sich fürchtet, in keinen besondern Gnaden bey demselben stehen. Auch diese, wenn sie gleich unsere hochgünstige Patroni sind, können nicht allezeit unser Glück machen. Aus Liebe wird der Landes-Herr ihre Leute nicht befördern, weil sie selbst keine genüssen. Vor ihrer Macht fürchtet er sich auch, die dadurch nur besorglicher wird, wenn die Ämter mit ihren Creaturen besetzt sind.
 
 
Wenn du also nicht unentberlich, so wird dieses deines Patroni Vorbitte bey dem Fürsten dir wenig Nutzen schaffen, auch wird jener sich nicht einmahl deiner annehmen, wenn du dich ihm nicht so gezeiget, daß du durch deine eigene Geschicklichkeit seine Recommendation unterstützen, auch in dem überkommenen Amte dich so verhalten werdest, daß niemahls was ungerechtes auf dich könne gebracht werden.
 
 
4) Giebt es auch Leute, die beydes Ansehen und Liebe bey dem Fürsten haben. Durch diese lässet sich am zuverläßlichsten sein Glück machen. ihr Ansehen machet, daß sie bey dem Fürsten ein Wort reden können, und weil dieser sie seiner Gnade genüssen lässet, so will er auch ihnen das, was sie wollen, zu Gefallen thun. Kanst du dich also bey so einem Manne in Gunst setzen, so wird dieselbe den Abgang deiner Geschicklichkeit reichlich ersetzen.
 
  Wilt du dich nun bey der erlangten Stelle erhalten, so betrachte überhaupt das, wodurch du zu derselben gelanget. Besonders trotze nicht auf deine erhaltene Macht. Dieselbe mag so groß seyn, als sie will, so wird sie dich doch vor dem Fall nicht bewahren können. Der Weg ist bey Hofe zu schlüpffrich. Wenn es am meisten um einen gläntzet, so gleitet man, oder fällt wohl gar, so, daß man nicht wieder aufzustehen vermag. Bey Hofe hat man zu viel Aufseher. Vielleicht ist iemand da, der sich über unsere Leiche den Weg in des Fürsten Gnade bahnen will.  
  Sich also in dem erlangten Posten bey Hofe zu mainteniren, will weit mehr Klugheit erfordern, als selbigen zu erhalten. Da du ihn gesuchet, hat man dir vielleicht das Glücke nicht zugetrauet, daß du in deinem Suchen nicht reussiren werdest. Nun da du denselben bestiegen, so suchet dieser und jener Neider dich zu unterminiren. Ste-  
  {Sp. 408}  
  he also wohl auf deiner Hut, beobachte die Pflicht, die dir in deinem angewiesenen Hof-Amte vorgeschrieben, aufs genaueste, so wird deinen Neidern der Beweiß fehlen, wenn sie auch was ungeziemendes von dir vorgegeben.  
  Ubrigens schicke dich in die Zeit, und meyne nicht, weil du gerechte Sache habest, du müstest durchdringen, die Sache scheine auch so unmöglich, als sie wolle. Allezeit lässet sichs nicht thun, und öffters hat man an einer guten Sache mehr dadurch geschadet, daß man mit Gewalt und zur Unzeit durch gewollt. Leute, welche die Welt noch nicht kennen, dencken, es müsse so gehen, wie sie es ausgerechnet, ein Welt-kluger Hof-Mann hingegen hat ein anders erfahren. Er machts wie ein kluger Steuer-Mann. Ist der Wind nicht favorabel, so läuffet er aus dem Hafen nicht aus oder laviret, und damit kommet er weiter, als wenn er dem Winde mit Anwendung aller Kräffte entgegen rudert. Er befiehlt GOtt die Sache, der alsdenn, wenn es nach seiner unerforschlichen Weißheit Zeit ist, es so wunderbarlich schicken wird, daß mit leichter Mühe das sich thun lassen wird, worüber der Unvernünfftige zur Unzeit alles unnützer Weise zusetzet.  
  Meide die Fall-Stricke, die dir deine Widersacher legen. Sey in deinen Rathschlägen behutsam, damit, wenn sie etwa übel ausschlagen sollten, die nicht die Schuld beygemessen werde. Deine Absichten verbirg, und sey verschwiegen in Vollziehung dererselben. Sey vernünfftig, mißtrauisch gegen andere, und laß dich durch ihre glatten Worte nicht einschläffern, vielmehr sey gegen jedermann höflich, denn darinnen soll sich besonders ein kluger Hof-Mann schon dem Namen nach vor aller andern Art Leute distinguiren. Denn gesetzet, daß du nach gewisser und obhabender Pflicht genöthiget würdest, einem und dem andern zunahe zu treten, so wird man gegenseitigen Theils sich doch auch in acht nehmen müssen, damit man nicht beschuldiget werden, als ob man des andern Höflichkeit mit Grobheit begegne. Würde dir also dein Feind gleich gerne schaden, so wird er sich doch davor hüten müssen, damit er nicht weit mehrern Haß vieler andern auf sich lade, die alle überzeiget seyn, daß du wegen dieser gewöhnlichen Höflichkeit niemanden ohne äusserst-dringender Noth was zuwider thun werdest.  
  Es ist also am besten, nach äussersten Kräfften sich angelegen seyn lassen, keinen Feind zu haben. Dencke nicht, der Mensch sey so ohnmächtig, daß er dir nichts schaden werde können. Schon dieses sich zu überreden, ist höchst schädlich. Man hat genugsame Exempel, daß Leute, wo nicht durch Verdienste, doch durch wunderliches Spiel des Glückes, zu grosser Macht und Hoheit gediehen. Hast du einen solchen beleidiget, so wird er dich um so vielmehr seine schwere Hand fühlen lassen, je weher es ihm damahls, als du ihm zuwider gewesen, gethan, daß er sich nicht gleich rächen können. Je länger er nun seine Rache hat aufschieben müssen, je nachdrücklicher wird sie seyn, vornemlich, damit du an dir selbst seine erlangte Macht fühlen und empfinden mögest. Er wird auch solches desto begieriger und daher auch desto ungeziemender thun, je ungewohnter er nach der vermeynten Süßigkeit der Selbst-Rache ist.  
  Am wenigsten verlaß dich auf deine Geschicklichkeit. Denn wie wenige deiner Neben-Menschen verstehen sich auf derselben Werth, wie vielmehr aber dagegen sind  
  {Sp. 409|S. 218}  
  die aus andern Bewegungs-Gründen agiren.  
  Am gefährlichsten ist es, wo mehr als eine Partey, wie doch gemeiniglich, an einem Hofe ist. Zweyen Herren zu dienen ist unmöglich, und sich zu keinem schlagen ist auch gefährlich, weil wir alsdenn von keiner Seite Hülffe zu erwarten haben, ja zu besorgen, es möchte uns wie denen Landen ergehen, welche zu Kriegs-Zeiten zwischen denen, so mit einander im Krieg verwickelt sind, innen liegen, und die Neutralität ergreiffen, da sie denn gemeiniglich von beyden mitgenommen werden, da sie sonst, wenn sie sich zu der einen Partey geschlagen, nur von der widrigen dergleichen zu besorgen gehabt.  
  Kanst du also die Partey ergreiffen, welche die Oberhand dereinst behält, so ist es freylich am besten; weil du aber davon niemahls versichert seyn kannst, so gehest du am sichersten, wenn du der Gegen-Partey, da sie einander noch die Waage gehalten, nicht unnöthigen Widerstand gethan, so wirst du dir von derselben noch eher, wenn sie ja gewinnen, und die deinige unterliegen solte, Pardon versprechen können. Man wird sagen, es habe seine Pflicht so mitgebracht; er sey einmahl bey jener Partey gewesen, und da habe er nicht anders, als uns zuwider seyn können. Ist man aber über seine Schuldigkeit gegangen, so siehet es die andere Partey als einen Haß an, den jener besonders wider sie gehabt, und ist also auch auf besondere Rache bedacht. Schläget es nun also, wie wir gedacht, um, daß wider unser Vermuthen die widriggesinnte Partey die Oberhand behält, die Aspecten auch so beschaffen sind, daß die gefallenen so tieff liegen, daß an kein Aufstehen wieder zu gedencken, so wird freylich dein erstes seyn müssen, die Zeit recht abzupassen, daß du mit dem geringsten Verluste zu jener übertritst.  
  Uberlege aber wohl, wenn du vor dir hast.  
  Ist dein Uberwinder ein Wollüstiger, so wird ein gutes Wort, wehmütige Stellung, und aufs höchste etliche vergossene Thränen alles gut machen, und das geschehene gantz und gar vergessen seyn.  
  Der Ehrgeitzige wird auch nicht unversöhnlich seyn. Wenn man ihm das begangene so abbittet, daß er daher glaubet, man erkenne, wie er vollkommen im Stande, uns seine Rache fühlen zu lassen, so erhält er eben, was er will. Wir haben nun seinen Vorzug und Macht und dagegen unserer Ohnmacht erkennen sollen. Dieses bekennen wir durch unsere Abbitte, folglich achtet er seine Ehre, die er durch unsere Widerspenstigkeit vor verletzet geachtet, wieder hergestellet. Treibt er es aufs höchste, so wird er, eher wir die gesuchte Begnadigung erhalten, Rache haben wollen, und da ist es am besten, solche ie eher ie lieber über sich ergehen zu lassen, auch selbst Gelegenheit dazu zu geben, damit er desto mehr überzeuget werde, daß wir seine Macht erkennen und verehren.  
  Mit dem Geitzigen lässet es sich am übelsten zurechte kommen. Vorhin angeführtes beweget ihn nicht; sein mißtrauischer Sinn macht folgends, daß er unsere Demüthigung nicht vor aufrichtig erkennet: aller Feind ist er auch; folglich will ihm das Glücke wohl, so kan und will er uns stürtzen, und da siehet es übel mit uns aus. Deine Liebe gegen den Nächsten ist da, folglich hat er keinen Zaum, der ihn in seiner Rache zurück halte und mäßige, und hat er also Macht, so wird er nicht eher ruhen, als bis er seinen Beleidiger in eine andere Welt geschicket, und auch dessen Hinterlas-  
  {Sp. 410}  
  senen das Geschehene auf das unbarmhertzigste geahndet, zumahl da er hierdurch sich am besten gesichert zu seyn achtet, weil, wie er keine Treu und Glauben hält, ein gleiches auch von andern vermuthet, und also, wenn wir gleich allen ersinnlichen Gehorsam und Liebe versprochen, solches nicht vor aufrichtig hält.  
  Weiter solt du wissen, wo du bey Hofe nicht unglücklich seyn wilt, daß der Neid nirgends mehr als bey Hofe herrsche. Es ist da der Zusammenfluß von so mancherley Vergnügungen dieses Lebens, genüsset nun da der eine, wie es denn nicht anders seyn kan, ein mehrers als der andere, so siehet solches sein Nachbar mit scheelen Augen an.  
  Dabey hüte dich ja, daß du dich so erhaben achtest, daß du über den Neid seyst. Das ist schon der Anfang zum Falle. Denn bist du der Meynung, so wirst du dich nicht vorsehen, sondern blindlings in dein Verderben rennen. Erbarmung als Neid zu haben, ist allezeit besser. Bey dem ersten finden sich noch einige, die uns aufhelffen wollen, bey dem andern aber streitet alles wieder uns, ja wir selbst wollen da keinen Beystand haben, als die wir uns schon so feste stehend einbilden, daß wir nicht fallen können.  
  Einigermassen versehen es hierinnen die Wollüstigen, die machen sich theils aus nichts was, theils, weil sie aller Leute Freund, so können sie sich nicht einbilden, daß jemand so liebloß, der sich stürtzen wolle, und da fragen sie nichts darnach, wenn sie gleich den Neide immer mehrere Nahrung geben.  
  Am meisten lieget der Ehrgeitzige an nur gedachtem Vorurtheile kranck. Entweder er bildet sich ein, daß er so grosse Eigenschafften besitze, die ihn vor aller Stürtzung sattsam sicherten, oder, er will auch deswegen gar gerne Neider haben, damit destomehr an Tag komme, wie hoch ihn seine Verdienste über andere erhoben. Geringe Leute beneidet man nicht, dahero wünschet er sich wohl Neider zu haben, als ein Zeugniß, daß er vor andern glücklich. Aber eben dieses fället ihn.  
  Fehlet es wohl in alten und neuen Zeiten an Exempeln, da die grösten Ministri und liebsten Schooß-Kinder derer Fürsten gewaltig gestürtzet worden? da es nun aber gleichwohl bey Hofe ohne Neid zu seyn fast unmöglich, so weiset sich doch dadurch ein kluger Hof-Mann, daß er an seinem Theile alles beyträget, damit der Neid an ihm keinen Bestand habe. Dabey ist nun nichts bessers, als das uralte Gesetze derer Abderiten und Ephesier: Nemo nostrum melior sit altero, zu beobachten. Den geringsten Vorzug, den man sich vor andern machet, siehet der andere als eine Geringschätzung seiner an. Sollte man aber nun deswegen gute Thaten, welche den kenntlichsten Unterscheid machen, unterlassen? das sey ferne.  
  Vor allen Dingen prüfe, ob die Thaten, die du vor gut hältest, auch würcklich so sind, oder ob du sie nur aus Eigenliebe davor ansiehest. Bey letztern Verdruß zu haben, wäre höchst unrecht, da auf beyden Theilen kein Vortheil daraus erwächset. Im ersten Falle aber so führe zwar deine gerechte Absichten aus, doch so, daß du dir keinen Neid zuziehest. Das wird aber sich, wenn du nur Meister über dich, besonders über deinen Ehr-Geitz, bist, gar leichte thun lassen.  
  Mache von deinen Thaten nicht nur kein Wesen, sondern achte sie selbst noch dabey geringe, und, wenn die Umstände es leiden, so schreib deine Thaten andern zu. Hierdurch verlieret der Neid seine Krafft an  
  {Sp. 411|S. 219}  
  dir, und du wirst dadurch in Stand gesetzet, weit mehr gutes zu vollbringen, woran dich sonst der Neider würde gestöret haben, dessen Haupt-Bemühung eben ist, wie du, wenn du am rechten Orte angepacket würdest, ohne Krafft seyst. Denn dem Neider wird es an mancherley Räncken nicht fehlen, dich vielleicht unter einem guten Scheine vom Hofe und zugleich mit aus deines Fürsten Gunst zu bringen.  
  Laß dich nicht blenden, daß du eine höhere und einträglichere Charge bekommest, bist du nicht beständig um den Herrn, so machst du Gelegenheit, daß einer in deine Stelle einrücke. Der Fürst vergisset deiner nach und nach, zumahl wenn sich jemand findet, der ihm in denen Verrichtungen, die du bisher besorget, Genüge thut, und du also nicht vermisset werdest.  
  Hat es auch nicht diese Beschaffenheit, so machest du doch wenigstens deinen Verleumdern Gelegenheit, dich bey deinem Fürsten anzuschwärtzen. Wärest du zugegen, so könntest du dich verantworten, so aber erfährest du wohl kaum, was vor Verbrechen dir zugemuthet werden, und da ist es, als ob dir würcklich recht Schuld gegeben werde, weil es durch keine Verantwortung gehoben wird. Viele auch, die sonst auf deiner Seite stunden, da du zugegen warest, hängen den Mantel nach dem Winde, und schlagen sich zu deinem Feinde. Dadurch wirst du nun schwächer, und deine Gegner stärcker.  
  Grobe Calumnien darff man sich bey Hof so leichte nicht besorgen. Man lebet daselbst polit. Äusserlich hat alles den Schein einer besondern Höflichkeit. Aber eben dieses macht die Verleumdung desto wahrscheinlicher. Der dritte Mann kan sich nicht einbilden, daß unter solcher Decke der Höfligkeit, Dienstfertigkeit, Liebe und Freundschafft einige Feindschafft und Verfolgung verborgen seyn solte. Ein unwissender Hof-Mann wird bey solchen Fällen aus einer Grube in die andere verfallen. Stehe also auf deiner Hut, und lasse dich durch die glatten Worte des andern nicht einschläffern, vertraue ihm nicht dein Hertze, sondern verfahre in allen deinem Thun und Reden klüglich.  
  Bedencke, daß zwischen dir und deinem Fürsten eine grosse Klufft befestiget. Gieb ihm den Vorzug, den GOtt und die Natur ihm vor dir weit gegeben. Ja selbst dein eigen Glück wird dadurch gegründeter seyn. Eines Freundes, der gar zu vertrauet bey uns ist, wird man leichtlich überdrüßig. Man weiß ihn nicht recht zu schützen, weil es immer so ist. Sich also zuweilen rar machen, erwecket nur destomehr den Appetit nach einem andern, denen es nicht so gut wird, sehen dazu scheel, daß wir bey dem Fürsten sowohl gelitten. Sie wünschen sich solche Gnade. Daher wird es ihnen nicht schwer, ein Mittel ausfündig zu machen, wodurch dieser vertrauteste Minister um seines Herrn Gnade gebracht wird.  
  Von deinem Fürsten rede behutsam, wie dir denn als dessen Bedienten überhaupt nicht geziemet, ein Urtheil über dessen Handlungen zu fällen. Es könnte dir leichtlich ein Wort entfahren, welches vor eine Beleidigung deines Herrn mögte genommen werden, und da kämest du in das gröste Unglück.  
  Nimm dich aber nicht allein bey Hofe vor deiner Widersacher Verleumdung in acht, sondern auch vor ihrem Lob. Denn auch hierdurch kan einer gefället werden, und zwar desto unvermerckter, je weniger dieses Bezeigen jemanden verdächtig scheinet. Am besten ist dabey, seinen Widerwillen über solche  
  {Sp. 412}  
  Lobes-Erhebungen mit Worten sowohl, als in der That, zu bezeigen. Am allermeisten aber wird uns das Lob zum Stricke und Falle, wenn es eine Sache betrifft, daran der Fürst selbst, oder einer seiner grösten Minister Theil nimmt. Was brachte den König Saul gegen David am meisten auf? Nicht wahr, daß die ihm entgegenziehenden Weiber in ihren Triumph-Liedern einflüssen lassen: Saul habe tausend, und David zehen tausend geschlagen. Da ergrimmete, heist es 1. Sam. 18, 8.9. Saul sehr, und gefiel ihm das Wort übel und sprach: Sie haben David zehen tausend gegeben, und mir tausend, das Königreich will noch sein werden. Und Saul sahe David sauer an von dem Tage, und fortan.  
  Tacitus Vit. Agricol. 41. beweiset solches durch das Exempel seines Schwieger-Vaters des Agricolae. Nicht die Beleidigung anderer, sondern infensus virtutibus princeps et gloria Agricolae et genus inimicorum pessimum laudantes, machten seinen Fall.  
  Gewissermassen haben diejenigen nicht unklüglich gethan, welche, um solchen verderblichen Lobes überhoben zu seyn, Fehler begangen, damit man sie vor schwach ansehen, und also weniger lobenswürdiges an ihnen finden sollen. Doch wenn anders dieses zu einer Regel werden soll, so hat sich freylich ein kluger Hof-Mann wohl in acht zu nehmen, daß er nicht in Sachen von Wichtigkeit gedachte Fehler mit unterlauffen lasse, weil er sowohl selbst zur Rechenschafft gefordert, als auch das gemeine Wesen unersetzlichen Schaden darunter leiden möge.  
  Zudem so ist noch ein Mittel übrig, sich gegen solches schädliches Lob in Sicherheit zu setzen. Man schreibe seine lobenswürdige Thaten nicht sich, sondern dem Fürsten, oder dem, unter dessen Direction man stehet, zu, so wird man seines Orts in Ruhe seyn können, und dem andern schadet es nichts.  
  Überhaupt, wer nicht wohl gesattelt ist, kömmt bey Hofe nicht fort.
  • Guevara de Vit. Aulic. Molest.
  • Daniel Eremita de Aulica Vita et Ciuili.
  • Wartenberg väterliche Instruction an seine Kinder mit Bessers Vorrede.
  • Ridiger in der Klugheit zu Leben und zu herrschen ...
  • Müller Polit. ...
 
     

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Stand: 28. März 2013 © Hans-Walter Pries