HIS-Data
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Zedler: Jahr HIS-Data
5028-14-167-9
Titel: Jahr
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 14 S. 167-170
Jahr: 1735
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 14 S. 98-101
Vorheriger Artikel: Jahorlick
Folgender Artikel: Jahr (Arabisches)
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel

  Text Anmerkung
  Jahr, Annus, ist eine grosse Einheit der Zeit, welche man durch die eigene Bewegung der Sterne determiniret; gleichwie die kleinere Einheit der Zeit, so ein Tag genennet wird, ihre grosse durch die Bewegung der Sterne um ihre Axe erhält. Diese Action ist allgemein, ohne besonders auf einen gewissen Stern zu regardiren; dahero leicht zu ermessen, daß wenn man einen Stern nach den andern vornehmen und dessen eigene Bewegung, wie auch seine Bewegung um die Axe betrachten will, man so wohl Jahre als Tage von verschiedener Grösse herausbringen werde.  
  Wir treffen aber zweyerley Arten Sterne am Himmel an, Fix-Sterne und Planeten. Unter die letztern und zwar als die vornehmsten oder Haupt-Planeten, pfleget man nach der alten Art den Saturnum, Jovem, Martem, die Sonne (ihrer scheinbahren eigenen Bewegung nach) die Venerem, den Mercurium und den Mond zu zählen. Jegliche von diesen haben eine Bewegung um ihre Axe, und auch eine eigene Bewegung von Abend gegen Morgen um den Himmel. Jene determiniret bey ihnen die Grösse eines Tages; diese eines Jahres.  
  Unter allen diesen kommet die Sonne am meisten in Consideration, und wir, die wir auf der Erden wohnen, und mit selbiger würcklich um die Sonne herumgeführet werden, aestimiren nach der Revolution der Erde um ihre Axe, nach welcher uns die Sonne von Morgen  
  {Sp. ohne Zählung}  
  gegen Abend um den gantzen Himmel herum zu lauffen scheinet, bey uns die Grösse eines Tages, die wir in 24. Theile oder Stunden, und jeglichen von diesen, in 60. Theile oder Minuten und so ferner einzutheilen pflegen.  
  Indem wir aber mit der Erde um die Sonne herum getragen, und selbige uns dahero ihren Orte unter denen Fix-Sternen zu verändern, und von Morgen gegen Abend fortzugehen scheinet; Und wir bemercken die Zeit, welche verflüsset, indem die Sonne von einem gewissen Orte des Himmels z.E. von einem Puncte derer Aequinoctiorum oder Solstitiorum, bis wieder zu demselbigen Orte gelanget; so determiniren wir dadurch die Grösse eines Jahres und zwar eines Sonnen-Jahres, weil die Bewegung der Sonnen hierzu behülfflich seyn muß.  
  Dieses hat man durch Astronomische Observationes 365. Tage, 5. Stunden, 49. Minuten, nach der vorher erst angeführten Mensur der Zeit, groß befunden. Gleichwie wir hier auf der Erden nach deren Revolution um ihre Axe und eigene Bewegung die Grösse eines Tages und Jahres bestimmen; so würden wir solches auch in einem jeglichen Planeten bewerckstelligen, wann wir in selbigen translociret werden sollten, und wir würden die Grösse eines Tages in demselbigen Planeten nach dessen Revolution um seine Axe, und die Grösse eines Jahres nach dessen eigener Bewegung um die Sonne aestimiren.  
  Nun sind wir zwar noch nicht so glücklich gewesen in einen Planeten zu kommen; dessen ungeachtet aber hat man Methoden ausfündig gemacht, auch hier auf der Erden wahr zu nehmen, wie lange ein jeglicher Planete zubringe, ehe er sich um seine Axe einmahl herum drehe, welche Zeit man durch die bey uns üblichen Stunden determiniret.  
  Die Sonne bringt bey nahe nach unserer Zeit 27 ½ Tag zu, ehe sie einmahl um ihre Axe revolviret, dahero bey denen Einwohnern in der Sonne, wenn welche darinne vorhanden sind, ein Tag 27. und ½ mahl grösser als bey uns ist.  
  Des Mondes seine Bewegung um die Axe beträgt praecisé so viel Zeit, als er zubringet einmahl in seiner eigenen Bewegung um die gantze Erde herum zu kommen. Dahero, weil solches nach unserer Zeit innerhalb 27. Tagen, 7. Stunden, 43. Minuten 5. Secunden geschiehet, so haben die Seleniten auch einen Tag von solcher Grösse.  
  Cassini hat aus denen Flecken derer übrigen Planeten befunden, daß Jupiter innerhalb 9. Stunden 56. Min. Mars in 24. Stunden, 40 Min. Venus ungefehr in 24. Stunden um die Axe revolvire; dahero die Grösse eines Tages im Jove 9. Stunden, 56'. in Marte 24. Stunden 40'. in der Venere 24. Stunden, wie bey uns, nach unserer Zeit beträget. Im Saturno und Mercurio hat man bißhero noch keine Flecken wahrnehmen können; dahero man auch die Grösse eines Tages im selbigen nicht eigentlich bestimmen kan.  
  Gleich wie man nun solcher Gestalt in der Astronomie die Grösse eines Tages in einem jeglichen Planeten nach unserer Zeit hat determiniren können; so ist man solches ebenfals in Ansehung ihrer Jahre zu praestiren fähig gewesen. Ein jegliches Jahr in einem solchen Planeten ist so groß, als die verflossene Zeit, indem ein Observator in einem solchen Planeten, nachdem er die Sonne  
  {S. 168|S. 99}  
  ein mahl an einem gewissen Orte des Himmels wahrgenommen, selbige wieder zu einer andern Zeit an eben demselbigen Orte erblicket, da sie ihme mittler Zeit unter denen Fixis fortzugehen und den Himmel zu durchlauffen geschienen: oder, welches eben so viel ist, ein solches Jahr ist die Zeit welche verfliesset, indem, der Planet von einem gewissen Punct des Himmels weg, und unter denen Fixis fortgehet, bis er wiederum zu demselbigen gelanget.  
  In der Astronomie können wir diese Zeit durch Observationes bestimmen, die man die Periodische Zeit zu nennen pfleget; dahero haben wir auch in unserer Gewalt, die Grösse eines jeglichen Jahres in einem Planeten; so ein Planeten-Jahr, Lat. Annus Planetaris genennet wird, ausfündig zu machen. Es ist demnach nach unserer Zeit  
 
  • ein Saturnisches Jahr so groß als 29. Sonnen-Jahre, 174. Tage, 4. Stunden, 58', 25'', 30''';
  • ein Jahr im Jove, 11. Jahr, 317. Tage, 14 Stunden, 49', 31'', 56''';
  • im Marte 1. Jahr, 321. Tage, 23. Stunden, 31', 56'', 49''',
  • in der Venere 242. Tage, 17. Stunden, 44', 55'', 14''';
  • im Mercurio 87. Tage, 23. Stunden, 14', 24'';
 
  massen ein jeglicher von diesem Planeten die bey ihm specificirte Zeit brauchet, seinen Periodum um den Himmel, oder seine eigene Bewegung einmahl[1] zu absolviren. Dieser Jahre werden sich die Einwohner derer Planeten zu ihrer Zeit-Rechnung bedienen, weil sie ohne Zweifel die Mensur ihrer Zeit nach der Bewegung der Sonne, als dem kenntlichsten Stern, wie solche einem jeglichen in seinem Planeten erscheinen würde, einrichten würden.
[1] HIS-Data: korrigiert aus: niemahl
  Wir thun hier ein gleiches auf der Erden, da wir die Sonne als den nützlichsten Stern verehren; dahero argumentiren wir hiervon auch auf die Einwohner derer Planeten. Es würde aber auch uns nicht gewehret seyn, den Periodum eines andern Planeten z.E. des Jouis oder Martis cet. zu der Mensur eines Jahres, als der Einheit der Zeit, zu erwälen, massen die Annehmung der Einheit eine willkührliche Sache ist; und dahero ist auch nicht zu verwundern, daß viele Völcker auf der Erden die Grösse ihrer Jahre auch nach dem Lauff des Mondes aestimiret und eingerichtet, und solche Monden-Jahre, Lat. Annos lunares genennet haben.  
  Diese beyden Arten die Jahre nach dem Lauffe der Sonnen und des Monden anzuordnen sind auf unserer Erden gebräuchlich; und wir werden gleich ein mehrers von ihnen reden, wenn wir zuvor gezeiget haben, daß auch die Fix-Sterne fähig seyn, durch ihre eigene Bewegung eine Einheit der Zeit, so ein Stern-Jahr könnte genennet werden, zu determiniren.  
  Man hat nemlich wahrgenommen, daß auch die Fix-Sterne ihren Ort am Himmel ändern, und ausser der täglichen Bewegung, auch von Abend gegen Morgen etwas fortrücken, so daß sie ihre Länge oder ihren Abstand von dem ersten Puncte des Widders ändern. Dieses Fortrucken beträget nach den neuesten Observationen innerhalb einem Jahre 52. Sec. oder in 72. Jahren einen Grad; dahero wird ein Stern in 360. mahl 72. Jahren auch um 360. Grad am Himmel fortgerückt oder um den gantzen Himmel herum gekommen  
  {Sp. ohne Zählung}  
  seyn; daß also die Zeit seiner periodischen Bewegung 25920. Jahre nach unserer Zeit betragen wird. Und um so viel würde ein Stern-Jahr grösser seyn, als ein Jahr nach unserer Zeit-Rechnung, darinnen wir dessen Grösse nach der eignen Bewegung der Sonnen eingerichtet haben.  
  Ein solches Stern-Jahr haben die Platonici und Stoici Annum Platonis magnum genennet, und geglaubet, daß wenn man den Anfang desselbigen in den Anfang der Welt setzet, zu Ende desselbigen, oder nach Verlauff 25920. Jahre von Anfange der Welt angerechnet, die Welt wieder untergehen werde. Ein solches Maß der Zeit würde vor die Einwohner der Erden etwas zu groß ausfallen, wenn sie ihre Zeit-Rechnung darnach anstellen wollten, welches zu erhalten, sie doch Subdivisiones derselbigen Mensur machen müssen, daher bleiben sie bey denen Grössen derer Jahre, die sie nach dem Lauffe der Sonnen und des Mondes eingerichtet, und jenes ein Sonnen- dieses ein Mond-Jahr genennet haben.  
  Es wird aber das Sonnen-Jahr unter zweyerley Gestallt betrachtet, einmahl wenn man auf ihre Bewegung regardiret, die sie durch eine Revolution um den gantzen Himmel von Abend gegen Morgen verrichtet, indem sie von einem gewissen Puncte des Himmels z.E. einem Puncto aequinoctiali oder Solstitiali ausgegangen, und zu Ende ihrer Revolution, wieder, zu demselbigen gekommen ist; oder indem man die Grösse der Zeit untersuchet, wie lange die Sonne zugebracht habe, da sie von einem Fix-Sterne weggegangen, bis sie nach geschehener Revolution um den Himmel wieder zu derselbigen Fixae gelanget ist; denn weil, wie wir erst angeführet, die Fixae selbst jährlich um 50. Secunden fortrücken; so muß die Sonne, wenn sie bereits den gantzen Himmel durchlauffen, noch 50. Secunden über dieses zurücklegen, wenn sie dieselbe Fixam einhohlen will, bey welcher sie in dem Anfange ihrer Revolution gestanden; und ist folglich das Sonnen-Jahr unter dieser Gestallt etwas grösser, als das erstere.  
  Es wird aber das Sonnen-Jahr von der erstern Art Annus solaris Tropicus genennet, weil man dessen Anfang und Ende nach denen Cardinibus Eclipticae beurtheilet (nicht aber lediglich nach denen Punctis Tropicis derselbigen,) als in welchen ingleichen gleichsam eine Wendung der Bewegung der Sonnen in ihrer Bahn geschiehet; denn daß so wohl die Aequinoctia als Solstitia tropas genennet werden, bezeugen viele Stellen derer alten Scribenten; also schreibet Manilius III. extr.  
  Sed tamen in primis memori sunt mente notanda,
Partibus aduersis quae surgunt condita signa,
Diuitumque tenent aequo discrimine coelum,
Quae Tropica appellant, quod in illis quatuor anni
Tempora vertuntur signis, nodosque resoluunt,
Totumque emittunt conuerso cardine mundum,
Inducuntque nouas operum rerumque figuras.
 
  Ein Annus Tropicus Solaris ist nach dem de la Hire 365. Tage, 5. Stunden 49. Minuten groß. Ein Jahr von der andern Art wird Annus Anomalisticus oder auch Annus solaris sidereus  
  {S.169|S. 100}  
  genennet, und ist 365. Tage, 6. Stunden, 9. Minuten, 11. Secunden lang.  
  Was den Lauff des Monden anlanget, so brauchet selbiger 27. Tage 7. Stunden. 43'. 5''. Zeit einmahl von Abend gegen Morgen um den gantzen Himmel herum zu kommen; dahero auch diese Zeit zu einer Mensur könnte erwählet werden. Weil man aber auf der Erden in Ansehung des Mondes auf dessen Erscheinung hauptsächlich Acht hat, und sich um die Neu- und Voll-Monde bekümmert; so fraget man auch am meisten, wie viele Zeit von einem Neu-Monden bis zu dem andern verfliesse; und diese nennet man einen Monden-Monath oder Lunationem. Die Grösse desselbigen hat man in der Astronomie 29. Tage, 12. Stunden, 44', 3', befunden. Aus 12. solchen Monden-Monathen oder Lunationen hat man ein Monden-Jahr zusammen gesetzet, dessen Grösse folglich 354. Tage, 8. Stunden, 48. Minuten, 36''.  
  Wenn man ein solches Monden-Jahr mit einem Sonnen-Jahr vergleichet, so wird man befinden, daß ein Sonnen-Jahr um 10. Tage, 21. Stunden, 0', 24'' grösser als ein Monden-Jahr sey, weil nun die Jahres-Zeiten hauptsächlich von dem Lauffe der Sonnen dependiren; so haben die Völcker, welche sich derer Monden-Jahre bedienet, eine Gleichung treffen und zuweilen ein Monden-Jahr von 13. Monden-Monathen oder Lunationen einführen müssen, um eine Harmonie dieser Zeit-Rechnung mit der nach der Sonnen aestimirten Zeit zu erhalten. Ein solches Monden-Jahr von 13. Lunationen wird Annus lunaris embolimaeus oder ein Monden-Schalt-Jahr genennet, dessen Grösse 383. Tage, 21. Stunden, 32', 39''. beträget; da hingegen das erster Monden-Jahr, so aus 12. Lunationen bestehet, Annus lunaris communis genennet wird.  
  Solchergestallt hätte nun so wohl das Sonnen- als Monden-Jahr seine Astronomische Abmessung; allein bey denen bürgerlichen Affairen pfleget man sich um die an der Grösse eines solchen Jahres anhangenden Stunden, Minuten und Secunden, als um Kleinigkeiten, nicht zu bekümmern; sondern man fraget nur, wie viel Tage auf ein solches Jahr gehen. Und um deswillen ist die Eintheilung derer Jahre in Annos Astronomicos und ciuiles entstanden. Jene determiniren die wahrhaffte Grösse eines Jahres auch in denen kleinsten Theilen der Zeit, wie wir solche bisher specificiret haben; diese hingegen bestimmen die Grösse eines Jahres nur durch die Anzahl derer Tage, welche nach der Astronomischen Rechnung bey der Grösse eines solchen Jahres vorkommen; lassen aber die in der Astronomischen Rechnung daran hangenden Stunden, Minuten und Secunden weg.  
  Also hält ein bürgerliches Sonnen-Jahr 365. Tage, ein gemeines Monden-Jahr 354. und ein Schalt-Monden-Jahr 383. Tage. Wollte man diese bürgerliche Rechnung durchgängig einige Zeit so fort gebrauchen, so würde in einer nicht allzugrossen Anzahl Jahre die bürgerliche Zeit mercklich von der Astronomischen unterschieden seyn, und der Wechsel der Jahres-Zeiten mit der Zeit auf andere und andere Tage im Jahre eintreffen; woraus in denen bürgerli-  
  {Sp. ohne Zählung}  
  chen Affairen selbst eine grosse Unordnung entstehen würde. Um deswillen hat man diese bürgerliche Zeit mit der Astronomischen wiederum vergleichen müssen, um die Harmonie unter beyden zu erhalten.  
  Julius Caesar hat die Astronomische Grösse des Sonnen-Jahres aus 365. Tagen 6. Stunden bestehend betrachtet, welche Zeit nach ihm ein julianisches Jahr ist genennet worden; dahero weil ein bürgerliches Jahr nur 365. Tage zählet; in 4. Jahren aber die weggelassenen 6. Stunden' 24. Stunden oder einen Tag ausmachen; so hat derselbe alle vier Jahre, das bürgerliche Jahr um einen Tag vermehret, und solches 366. Tage groß gemachet, welches ein Schalt-Jahr ist genennet worden.  
  Alleine, wie auch hierdurch keinesweges eine genaue Harmonie zwischen dem Astronomischen Sonnen-Jahre und dem bürgerlichen erhalten worden sey, und wie man mehrere Correction habe adhibiren müssen, um eine bessere Gleichung zwischen ihnen zu treffen, ist ausführlich unter dem Titel Calender Tom. V. p. 223. seqq. abgehandelt worden.  
  Welche Völcker endlich in ihrer Zeit-Rechnung sich derer Sonnen- oder Monden-Jahre, und unter was vor Forme, sich bedienet; in was vor Monathe sie solche eingetheilet, und wie sie ihre Zeit-Rechnung corrigiret haben, um gedachte Harmonie zwischen dem Astronomischen und bürgerlichen Jahre zu erhalten; zeigen die speciellen Titel, so gleich folgen, wie denn auch sonst, was noch vom Jahre allhier zu sagen wäre, weitläufftig unter Annus Tom. II. p. 410. seqq. abgehandelt worden.  
     

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Stand: 17. März 2023 © Hans-Walter Pries