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Zedler: Idea HIS-Data
5028-14-328-11
Titel: Idea
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 14 Sp. 328
Jahr: 1735
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 14 S. 181
Vorheriger Artikel: Idea, eine von den 50 Töchtern
Folgender Artikel: Idea morbus
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Hinweise:
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  • Transkribierter griechischer Text der Vorlage

Stichworte Text   Quellenangaben
  Idea, ist eigentlich ein Griechisches Wort, welches ursprünglich von idein herkommet, und wird auf Teutsch durch Vorstellung gegeben, wie wohl auch die Wörter, Empfindung und Begriff, bisweilen eben dieses ausdrücken.  
  Plato hat dieses Wort zuerst in der Philosophie gebraucht, was er aber eigentlich darunter gemeynet, ist nicht ausgemacht.
  • Cicero de Orat. 10. Qu. Acad. I. n. 30.
  • Augustinus de octoginta tribus Qu. XL. VI. Tom. 3. Opp. p. 288.
  Doch ist ihm Socrates einiger massen darinnen vorgegangen. Aristoteles Metaphys. 13. 4.
  Es setzte nemlich Plato drey Uhr- und Anfangs-Wesen derer äusserlichen Dinge, als GOTT, die Materie, und die Idèen.
  • Plutarchus de Placitt. Philos. 1. 3.
  • Justinus Martyr. Cohort. ad Gr. p. 7.
  • Kühn Obseru. ad Laertium III. f. 69.
  Einige läugnen, daß er sie von GOtt unterschieden. . Einige aber meynen, daß er sie von GOtt abgesondert, und sie vor etwas würckliches gehalten habe, darnach GOtt die sinnliche Sachen erschaffen. Da nun die Seele diese erkannt, da sie aber in das Gefängniß des Leibes gestossen worden, dieselbe vergessen habe, müste sie sich bestreben, durch, die Philosophie wieder zur vorigen Erkänntniß zu gelangen.
  • Seneca Ep. 58. 65.
  • Alcinous Doctrin. Platon. 9 apud Stanley Hist. Phil. p. 535.
  • Vossius de Sect. Philos. 12. §. 9. seqq.
  • Jac. Thomas. Orat. de Ideis Plat. exempl. n. 13. p. 275. seqq.
  • Jo. Clericus Not. ad Lvg. I. 1. §. 2. p. 10.
  • Jo. Serranus Argum. in Timaeum Tom. III. Opp. Platonis p. 3.
  • Paschius Introd. in rem litt. moral. rett. 1. §. 16.
  • Diogenes Laertius 3. 63. seq.
  • Cicero Quaest. Acad. I. n. 46.
  • Huetius Cogitatt. misc. p. 218.
  • Cyrillus Alexandrinus 2. contra Jul. p. 66.
  • Caelius Rhodiginus Lect. Antiq. XVI. 17.
  • Fernel. de abditis Rerum Causis I. 10.
  • Casaubon. ad Diog. Laert. 3. 69.
  • Werenfels Diss. de Logomachia Erud. 8. O. p. p. 543.
  • Joh. Chr. Wolff Not. ad Originis Philos.
  {Sp. 329|S. 182}  
   
  p. 110.
  • Rapin Compar. de Plat. et Aristot. Opp. T. I.
  • Gottl. Mich. Hansch de Enthusiasmo Plat. p. 128.
  • Morhof Polyhist. Tom. 2. Lib. 2. c. 11. §. 2. p. 206.
  • Jo. Schefferus de Nat. et Constit. Philos. Ital. 8. p. 56. seqq.
  Aristoteles legte GOtt keine Ideen bey, suchte auch zu behaupten, daß die Seele keine hätte, sondern sich erst bemühen müste, dieselben durch Nachdencken und abstrahiren zu erlangen.
  • Plutarchus l.c. l. 10.
  • Aristoteles de Anima III. 4.
  • Jac. Thomasius Dissertt. var. Argum. II. p. 11.
  • Gundling Via ad Verit. ration. 5. §. 10. p. 40.
  • Titius Arte cogit. I. 18. p. 415.
  • Buddaeus Praefat. ad artem cogitandi p. 6.
  • Cartesius Dissert. de Methodo p. 11.
  Die Stoicer hielten die Ideen vor die von denen Sachen unterschiedene und abgetheilte wie auch dem Verstande eingedruckte Vorstellungen.
  • Cicero Tusc. Disp. II. 29. Acad. Quaest. I. n. 40.
  • Seneca de Beneficiis I. 4. p. 597.
  • Diogenes Laertius VII. 15.
  • Menagius ad h.l.
  • Werenfels l.c. 2. Opp. p. 461. sqq.
  • Fabricius Dissert. de Cauillationibus Stoicorum.
  • Jo. Andr. Schmid Diss. de Chrysippea Brutorum Logica.
  • Muretus ad Nicom. p. 85
  • Jac. Thomasius de Sect. Nominal. Orat. 12. p. 251.
  Nach diesen waren verschiedene Kirchen-Väter sonderlich der Platonischen Philosophie ergeben.
  • Thomasius Orig. Hist. Eccl. et Philos. p. 87.
  • Huetius Origen.
  • Clericus Biblioth. select. XIII. p. 209. Art. Crit. T. 3. Epist. Crit. 8. p. 210.
  • Dionysius Petauius Theol. Dogm. Tom. I. L. IV. c. 11. p. 298. seqq.
  • Dionys. Platon. 10. p. 299. sqq.
  • Just. Martyr Dial. cum Tryph. p. 219.
  • Eusebius Praeparat. Euang. XI.
  • Augustinus Quaest. octog. tr. Qu. 46. Opp. Tom. IV. p. 388. seqq.
  • Casaubonus Exerc. Antibaron. I. n. 18. p. 59.
  • Fabrici. Cod. Apocryph. N.T. p. 360. Bibliogr. Antiq. 8. §. 7. p. 231.
  • Wolff ad Orig. Philos. p. 40. seq.
  • Cuperus Explic. Nism. Anti. Commentar. de Apoc. Homeri p. 227.
  Aus eben diesem Grunde leiteten viele derer Valentinianer und Gnosticer Lehr-Sätze her.
  • Tertullianus de Anima. de Praesc. 7.
  • Irenaeus adv. Haereses II. 19.
  • Isidorus de Viris illustr.
  • Colberg Christ. Plat. Herm. 2. §. 3. p. 84. seq.
  • Lipsius Physiol. Stoica Dissert. III. p. 61.
  Die Scholastici redeten zwar sehr vieles aber verwirrtes von denen Ideen in GOtt.
  • Ludou. Viues de Ciu. Dei VIII. 10.
  • Tribbechovius de Doctor. Scholast.
  • Lanoius de Varia fortuna Aristotelis in Acad. Paris. II. p. 210. seqq.
  • s’Heernboord Melet. Philos. p. 290. seqq.
  • Velthem Instit. Metaphys. p. 1878.
  • Schwertner de Ideis diu.
  Endlich aber theilten sie sich in die Realistischen und Nominalistischen. Die ersten waren auf Platonis, die andern auf Aristotelis Seite.
  • Saresberiensis Metalog. 2. 11. 17. p. 99.
  • Morhof Polyhist. Lit. Tom. II. Lib. 1. c. 14. p. 83. seqq.
  • Thomasius Nominal. Hist. p. 269. seq.
  • Auentinus Annal. Boior. VI. 3. §. 32.
  • Caussinus de Eloq. Sacr. et hum. IV. 34. p. 220.
  • Pictetus hist. de l’Eglisse de l’ XI. Siecle. ad a. 1092. p. 959. seq.
  • Joach. Camerarius Vita Melancht. p. 22.
  Doch waren die Realisten gleichfalls theils auf Platonis, theils auf Aristotelis Seite. Von denen Nominalisten hielten einige die Universalien vor blosse WWörter, die andern aber vor gewisse Begriffe. Buddeus Thes. de Atheismo et superstitione I. §. 23.
  Unter denen neuern brauchte Cartesius zuerst dieses Wort, wie wohl er sich nicht deutlich erkläret. Gassendus Disquisit. Metaph. p. 171.
  Rüdiger de Sensu veri et falsi I. 4. §. 3. aber erinnert, daß man dem Auctori Artis cogitandi P. I. 1. auch nicht Glauben zustelle, der da  
  {Sp. 330}  
  meynet, das Wort Idée sey vor sich deutlich genug; weil man sie nicht durch die Empfindung beschriebe, und auf solche Weise die gantze Lehre von denen angebornen Ideen hinfiele.  
  Die meisten von denen der neuern kommen hierinnen überein, daß eine Idée derjenige Vorwurff sey, der unserm Verstande, wenn er würcket und gedencket, unmittelbar gegenwärtig ist.
  • Lorck de Intellectu humano II. 1.
  • Clericus Logic. P. II. c. 1. §. 2. Pneumat. Sect. l.c. 5. §. 2.
  • Buddeus Philos. Instrum. P. I. c. 1. §. 6.
  • Gundling Via ad veritatem P. 1. c. 2. §. 3.
  • Malebranche de la Recherche de Verite III. p. 2.
  Man nimmt aber das Wort in engern und weitern Verstande. In jenem stehet es der Empfindung entgegen; in diesem aber nimmt man es vor eine Würckung des Verstandes, der ihm die Empfindung ohne Bejahung und Verneinung vorstelle, wie sie ihm vorkommen. In dem wir uns nun erinnern, was wir empfunden, so entstehet die Idée oder Vorstellung. Deswegen geben wir auch selbige vor eine Würckung des Gedächtnisses aus. Hieraus fliesset, daß die denen Geschöpffen zu etwas eingepflantzte Triebe, desgleichen, die in denen Pflantzen bezeichnete Merckmahle, im uneigentlichen Verstande Ideen genannt werden.  
  Doch hat man die Empfindung wohl von der Vorstellung oder Idée zu unterscheiden. Denn wenn ich ein Pferd sehe, so fällt mir desselben Gestalt, Farbe und Bewegung zugleich in die Augen, und bekomme zugleich einen Begriff von allen diesem Umständen. Dencke ich aber nur an ein Pferd, das einen guten Trab gehet, so lasse ich die Umstände von der Gestalt und Farbe weg, und stelle mir nur desselben Bewegung vor.
  • Lockius de Int. hum. II. 1. §. 1. p. 39.
  • Malebranche l.c. Tom. I. P. II. c. 1. §. 1. p. 321.
  • Clericus Log. P. 1. c. 1. Pneumatol. Sect. 1. c. 5. §. 2.
  • Buddeus Elem. Philos. Instrum. P. II. c. 1. §. 5.
  Woher aber die Ideen entstehen, ist eine schwerere Frage. Lockius l.c. p. 95. sqq. saget, sie haben ihren Ursprung aus der Erfahrung, welches auch gantz guten Grund hat. Denn eine Sache die ich gesehen, empfunden und erfahren habe, kan ich mir freylich leichte vorstellen und einem Begrieff davon haben. Die Aristotelici und Scholastici halten davor, daß die Ideen aus denen Obiecten, als denen Obiecten gleiche Abbildungen, herflössen. Diese würden denen äusserlichen Sinnen eingedrucket, und bekämen hernach eine Gemeinschafft mit dem leidenden und würckenden Verstande.
  • Thomasius Physic. 39. §. 120.
  • Malebranche l.c. Tom. I. L. III. ch. 2, p. 325. seqq.
  • Clericus Pneumatol. Sect. l.c. 5. §. 6. seqq.
  • Jo. Jac. Syrbius Institut. Philos. 1. c. 5. §. 3. p. 110. seqq.
  Einige halten davor, daß das Gemüthe zwar einigen Begriff bey einer Empfindung des Verstandes habe, die würckliche Vorstellung und Idée aber komme eintzig und allein von ihm selbst her. Die Ursache desselben schreiben einige der Gleichheit des nach dem göttlichen Eben-Bilde geschaffenen Menschen, oder einer übernatürlichen göttlichen Dazwischenkunfft zu. Malebranche l.c. ch. 3. p. 328. Er bekam aber hierinnen einen Wiedersacher an Arnaldo des Vrayes et des fausses Idees. Cöln 1683. Und ob er gleich Response de l‘ Aut. de la recherche de la verite, ou Liure de Msr. Arnauld des Vrayes et des fauss. Idees entgegen setzte, so schrieb doch jener dagegen Defense de Ms. Arn. contre la reponse ou Liure des Vrayes et des fausses Idees Cöln. 1684. wiewol Malebranche eine Antw. darauf verfertigte. Er hatte aber hierinnen auch noch
  {Sp. 331|S. 183}  
    zu Wiedersachern
  • Lockium Opusc. post.
  • Poiret. Cogitat. Ration. III. 10
  • Pritium Dissert. de Enth. Malebranchii.
  • Roellius Vindic. pro innat. Ideis, contra de Vries Sect. 5. §. 57. p. 458.
  • Hanschius de Enthus. Platon Sect. 7. §. 45. p. 138. seq.
  • Syrbius l.c. P. I. c. 5. §. 2. p. 108. seq.
  Einige vermeynen, daß sie aus einer ewig vorher bestimmten Übereinstimmung zwischen Leib und Seele herzuleiten sey. Leibnitz Epist. ad Hansch. Er hat aber hierinnen zu Wiedersachern
  • Malebranche l.c. p. 332. seqq.
  • Clerius l.c. §. 9.
  • Hermann. ab Elswich Dissert. de recentiorum de Anima controversiis §. 21. p. 29. sqq.
  • Syrbium Philos. P. 1. II. c. 7. §. 9. p. 509.
Arten Doch wir gehen nunmehro weiter und betrachten auch die unterschiedlichen Arten derer Ideen. Hier können wir dieselben überhaupt auf zweyerley Art betrachten. An sich selbst, und in Ansehung der Wahrheit, bey deren Erkänntniß sie zum Grunde dienen. An sich selbst betrachten wir sie, theils in Ansehung der Sachen, die sie vorstellen, theils in Ansehung derer Würckung des Gedächtnisses.  
  Sieht man die Sachen an, so sind sie  
 
  • entweder Ideae reales, oder aduentitiae, wenn die Sache würcklich unserer Einbildung gemäß vorhanden, als wenn man weiß, daß gecrönte Häupter ein Bündniß zu Aufnahme der Handlung geschlossen haben;
  • oder Ideae fictitiae, wenn die Sachen nicht so sind, als wir sie uns eingebildet, als wenn man dieses oder jenes Bündniß, ehe man es erfähret, zu des andern Schaden geschlossen zu seyn glaubet.
Rüdiger de sensu veri et falsi I. 4. §. 15. p. 79.
  Betrachtet man sie in Ansehung der Würckung des Gedächtnisses, so kommen sie ausser Streit von der Empfindung her, und man theilet sie in mittelbare oder unmittelbare ein. Die unmittelbaren entstehen bloß von der Empfindung als wenn ich ein Pferd sehe und daran gedencke; die mittelbaren aber vermöge einer andern Idée, wenn ich bey dem Pferde an dessen Herrn gedencke. Die sind wieder ingeniosae oder indiciosae, in so ferne sie die Dichtungs- oder Urtheilungs-Krafft angehen. Zu denen ersten gehören die Entia rationis, zu denen andern die Ideae abstractae.
  • Rüdiger l.c. l. 4. §. 8. p. 73.
  • Müller Einl. in die Philos. Wissensch. Th. I. Lon. 6. §. 4. p. 161. seq.
  Ihrer Beschaffenheit nach sind sie entweder simplices, da wir uns nur eine gewisse Sache, als z.E. einen Geist, oder compositae, da wir uns mehr als eine Sache Stückweise oder im Gantzen vorstellen, als wenn wir bey einem Menschen Leib und Seele, oder bey einer Armée die unterschiedlichen Personen betrachten. Man hält insgemein davor, daß diese Idéen nicht könnten difiniret werden.
  • Clericus Log. P. I. c. 2. §. 11.
  • Gundling Via ad Verit. rat. 2. §. 9. p. 12.
  • Gerhard Delin. Philos. rat. I. 5. §. 15. etc.
  Ferner sind sie imaginatiuae da wir sie gesehen haben, und sie uns unter einer gewissen Gestallt lebendig vorstellen, z.E. ein schönes Gebäude, oder intellectiuae, in Ansehung derer übrigen Sinnen, und bestehen in der blossen Erinnerung der eingedruckten Bewegung, die unsere äusserliche Sinnen übersteiget, als die Gestallt einer Sache, die ich noch niemahls gesehen, oder der Geruch einer Blume, das Donnern eines loßgezündeten Stücks.
  • Rüdiger l.c. l. 4. §. 9. seqq. p. 73. seqq.
  • Müller l.c. Log. 6. §. 5. seqq. p. 162 seq.
  In Ansehung der Wahrheit, wobey sie zum Grunde liegen, sind sie clarae oder obscurae, distinctae oder confusae, essentiales oder accidentales. Rüdiger l.c. I. 4. §. 8.
  Von denen un-  
  {Sp.332}  
  terschiedenen Arten derer Ideen wird im nachfolgenden mit mehren zu handeln seyn.  
  Idea abstracta ist eine Vorstellung gewisser Eigenschafften an sich selbst, ohne Absicht auf etwas, so dergleichen an sich hat. So ist z.E. die Tugend, Tapfferkeit, Mäßigkeit, Weißheit und dergleichen, ein Abstractum[1], mein Brief aber heisset Idea abstracti, weil ich mir nemlich dergleichen Sachen nur in denen Gedancken vorstellen kan.
Müller l.c. Log. 7. §. 6. p. 178. seq. §. 7. p. 181. seq.
[1] HIS-Data: korrigiert aus: Apstractum
  Idea adaequata ist ein solcher Begrif, da ich mir in Ansehung derer Sachen weder mehr, noch weniger als ihnen zukömmet vorstelle. Z.E. Gewalt mit Gewalt vertreiben und Krieg führen ist eine billige Sache. Stelle ich mir aber vor, was vor Muthwillen und Unrecht dabey vorgeht, so ist in diesem Falle der Krieg zwar nicht an sich selbst, doch in Ansehung der Umstände unbillig und ungerecht. Und also urtheile ich nach denen Umständen wahrscheinlich ob der Krieg ein billiger und rechtmäßiger sey oder nicht.  
  Idea accidentalis ist ein Begriff eines accidentis oder einer zufälligen Eigenschafft, wenn man sich z.E. die Länge eines Stückes, die Schönheit eines Gebäudes, Lagers und dergleichen vorstellet.  
  Idea adoquisita ist nach derer Cartesianer Meynung denen angebornen Ideen entgegen gesetzet, daß wir sie vermittelst der Empfindung durch die Sinnen hätten. Es ist aber schon im vorhergehenden gezeigt worden, daß man alle Ideen durch die Erinnerung haben müsse. Wessen kan ich mich aber erinnern, das ich nicht empfunden, es geschehe solches durch die äusserlichen oder innerlichen Sinne? Wie denn auch Cartesius, da er die innerlichen Sinnen hierbey ausschliesset, einen grossen Fehler begehet.  
  Idea concreti ist die Vorstellung einer Sache, wobey wir gewisse Eigenschafften in Betrachtung ziehen, Zum Exempel, wir stellen uns einen Klugen, Tapfern, Weisen vor. Die Klugheit, Tapfferkeit, Weißheit ist das Abstractum. Die Person, so dergleichen besitzet, das Concretum. unser Begriff davon die Idea Concreti.  
  Idea distincta ist, wenn man sich eine Sache nach allen ihren Theilen, wie sie auf einander folgen, vorstellet und den Unterscheid zwischen denenselben deutlich bemercket. Z.E. einen General stelle ich mir vor als einen Soldaten, und betrachte seine Tapfferkeit. Ich stelle mir seine Anordnungen und Unternehmungen vor, und habe einen Begriff von desselben Klugheit, Ansehen und Erfahrung. Endlich falle ich auf desselben Ausführungen, ob sie glücklich oder unglücklich zu seyn pflegen, und bemercke die dabey vorfallende Umstände und Ursachen.  
  Idea clara gründet sich vornemlich auf die äusserlichen Sinne, dadurch sie dem Verstande bekannt wird. Habe ich also jemahls von Stücken gehöret und dieselben gesehen, so habe ich einen klaren Begriff davon, den ich nicht haben würde, wo ich sie nicht gesehen hätte. Es kan aber auch eine Idée klar seyn, die ich abstrahire, also schliesse ich billig, es muß ein GOTT seyn, weil dasjenige, was man in der Welt antrifft, durch die richtigste Folge auseinander geflossen, und das vorhergehende mit dem zukünfftigen in der genauesten Übereinstimmung stehet. Müller l.c. Th. I. Log. 10. §. 26. p. 310.
  Wolff Ged. von GOtt, der Welt und der Seele 2. §. 189. 206. 3. §. 215. theilet die klaren Ideen wieder in deutliche und undeutliche, die deutlichen, in ausführliche oder unausführliche, die ausführlichen, in vollständige oder unvollständige ein, und meynet, wenn wir  
  {Sp. 333|S. 184}  
  wüsten, was wir gedächten, und unsere Gedancken unterscheiden könnten, so wäre der Begriff klar, könnten wir aber auch andern den Unterschied dessen, was wir gedächten, beystimmen, so wäre es auch deutlich. Z.E. Hat man einmahl ein Stück gesehen, und dasselbe recht betrachtet, so hat man eine klare Idée; wenn ich es aber einem andern, der dergleichen niemahls gesehen, beschriebe, daß er es mit etwas andern nicht vermenge, so wäre es eine deutliche Idée; Cart. Princip. Philos. P. 1. §. 45. beschreibet die klare Idée auf eben diese Weise.  
  Rüdiger Philos. Pragmat. Sect. 1. P. 1. Art. 1. c. 7. §. 80. erinnert, daß dieser Begriff zwar in der Mathesi nicht aber in der Philosophie gelte. Der P. Buffier Princip. de Raison pag. 428. meynet hingegen, daß man den Grund einer klaren und deutlichen Idée suchen müsse, wie sich die Sache in denen wesentlichen, oder ausserordentlichen Eigenschafften, an sich, oder gegen andere Dinge verhalte.  
  Idea obscura ist, wenn ein Begriff nicht zureichet eine Sache nach ihrer Beschaffenheit zu erkennen, und von andern zu unterscheiden. Es kann aber auch eine zuvor gar deutlich gewesene Idée durch die Länge der Zeit dunckel werden. Rüdiger de Sensu veri et falsi I. 6.
  Wolff l.c. macht hier gleichfalls wieder einen Unterschied unter dunckel und undeutlich. Also kann ich zwar einen Begriff von einer gewissen Farbe haben, doch aber dieselbige einem andern nicht beschreiben, als, roth, etc. Da kann ich wohl sagen, daß eine helle ins Gesichte fallende Farbe, nicht schwartz, nicht weiß, nicht grün oder blau sey. In solchem Falle ist meine Idée undeutlich, des andern seine aber dunckel. In Ansehung meiner ist der Begriff undeutlich, in Ansehung des andern dunckel.  
  Idea confusa ist diejenige, wenn ich einem andern zwar einigen Unterscheid sagen kann, doch nicht so, daß er sie recht begreiffe. Denn also ist sie in Ansehung meiner undeutlich, in Ansehung des andern aber verwirrt. Zum Exempel: Ich beschreibe einem gleichfalls eine gewisse Farbe, als nemlich, braun. Da sage ich, daß es ein Mittel zwischen schwartz und roth sey. In Ansehung meiner ist dieser Begriff undeutlich, in Ansehung der andern verwirrt.  
  Idea falsa ist ein Begriff, da ich mir die Sache gantz anders vorstelle als sie ist. Wenn ich, zum Exempel, von Bergen höre, und stelle mir diejenigen vor, als ob sie nothwendig dermaßen hoch seyn müsten, daß sie an die Wolcken reichten, wenn ich aber hinkomme, und sehe nunmehro, daß mein Begriff gar nicht damit überein kömmt, so ist meine vorgefaßte Meynung irrig. Da ich sie aber nun würcklich sehe, so wird mein Begriff, wenn ich künfftig daran gedencke, wahr, oder Idea vera. Doch findet dieses sonderlich in moralischen Sachen statt; als wenn ich mir eine mir bevorstehende Gefahr grösser oder kleiner einbilde, als sie ist, ehe sie mich würcklich betrifft. Gerathe ich aber in dieselbe, und ziehe meine Vernunfft dabey zu rathe, daß mich weder auf einer Seite die Furcht, noch auf der andern die Verwegenheit von dem rechten Wege ableite, so bekomme ich nunmehr Ideam veram.  
  Nebst einigen andern suchet zwar Lockius de intellectu hum. II. 32. zu behaupten, daß man Wahrheit und Falschheit von blossen Begriffen nicht sagen könne. Aber  
 
  • Thomasius intr. ad Philos. aul. 5. §. 9.
  • Buddeus Elem. Philosoph. instrum. 1. §. 7.
  • Titius Arte cogit. 5. §. 22.
  • nebst unterschiedlichen andern, 
 
  streiten vor das Gegentheil. Hingegen Gerhard Delin. Philos.  
  {Sp. 334}  
  ration I. §. 3. meynet, beyde Meynungen könnten beysammen stehen, wenn man nur einen Unterschied unter der Wahrheit des Gemüths und einer Proposition machen wolte.  
  Idea essentialis ist der Begriff dererjenigen Eigenschafften, die das Wesen einer Sache ausmachen und wodurch sie von andern unterschieden werden. Man nennet sie daher Ideas abstractas, weil man sie nicht anders, als durch die Gedancken und das Nachsinnen auseinander setzen kan, als das Wesen und den Unterschied einer Pflantze oder Thieres von dem andern. Rüdiger de Sensu veri et falsi I. 7.
  Idea inadaéquata ist ein Begriff, da ich mir eine Sache nicht in gehöriger Maße vorstelle; als wenn ich einen Soldaten in denen Gedancken habe, und mir die liederlichste Creatur unter der Sonnen dabey vorstelle, da doch dieser viel mehr, wo er anders seiner Pflicht gemäß lebet, eine Person ist, die ihre Gesundheit und Leben vor den Glauben, die Freyheit des Volcks, und die Ehre des Landes-Herrn aufs Spiel setzet.  
  Idea innata wird derjenige Begriff genennet, den man ohne sinnliche Rührung haben soll. Dieser Meynung von denen angebornen Idéen haben sich viele widersetzt, weil alle unsere Vorstellungen durch die Erinnerung geschähen, diese aber aus der Erfindung herstammete.
  • Gassendus Disquisit. metaphys. p. 155.
  • Huetius Censura Philosoph. Cartes. 3. §. 9.
  • Lockius de Intellectu hum. I. 2. 3.
  • Clericus Pneumatol. Sect. I. c. 5. §. 16.
  • Rüdiger Diss. quod omnes ideae oriantur a sensione. Leipzig 1704.
  • Mutzel Tr. de Rationis Natura, Incremento, cet.
  Einige geben zwar eine eingepflantzte Erkänntniß gewisser Grund-Sätze zu. Sie läugnen aber, daß sie würcklich zugegen, und wollen, daß sie nur, vermöge der Vernunfft, können erwecket werden, daß man also wisse, was recht oder unrecht, gottloß oder tugendhafft sey, und demselben Beyfall gebe. Buddeus Institut. Theol. moral. P. II. c. 2. §. 5.
  Man siehet also, daß es eintzig und allein auf die Erklärungen der unterschiedlichen Meynungen ankomme, und daß man in Ansehung dererselben die Ideas innatas läugnen oder vor wahr halten kan.  
  Idea universalis ist, da ich mir etwas, in so ferne dasselbe allen und jeden von einer gewissen Art zukömmet, vorstelle, als zum Exempel, die Vernunfft, so allen Menschen zukömmet.  
  Idea particularis ist ein Begriff, der nur einigen ins besondere wegen einer Sache zukommt, welche nicht wesentlich ist, als wenn ich mir die Gelehrten vorstelle.  
  Idea singularis oder inidiuidualis ist ein Begriff, so nur einem Indiuiduo vorkommt, z.E. er wäre der eintzige unter allen Menschen der an der Stirne ein Horn hätte.  
  Idea pura wird genannt, wenn ich mir eine Sache ohne alle Materie und sinnliche Bilder vorstelle, als GOTT, einen Geist, und dergleichen. Die Cartesianer theilen insonderheit die Kräffte der Seelen in reine und unreine, in so ferne sie ausser oder mit dem Cörper würckten. Sie halten auch die reinen Idéen vor weit deutlicher als die unreinen.
  • Malebranche de la Recherche de la Verite Tom. 1. I. 3. p. 290.
  • Auctor Artis cogit. I. 1.
  • Poiret de Deo, Anim. et Malo I. 1.
  • Titius arte cogit. 2. §. 9.
  Das Gegentheil behauptet Buddeus Philosoph. instrum. P. 1. c. 1. §. 46. Thomasius introduct. in Philos. aul. 3. §. 34. und Einleit. zur Vernunfft-Lehre 3. §. 24. aber hält eine Idee ohne sinnliche Bildung vor unmöglich.  
  Idea impura ist also die Vorstellung einer Sache unter einem gewissen  
  {Sp. 335|S. 185}  
  Bilde, wie bey Sachen geschiehet, die in die Augen fallen.  
  Idea realis ist, da ich mir eine würcklich vorhandene Sache vorstelle, als ein Thier, einen Baum, oder eine Pflantze.  
  Idea rationalis wird die genennet, wenn ich bey Vorstellung einer Sache auf eine andere falle, in so ferne sie mit einander eine Verwandtschafft haben, als: Wenn ich eine gewisse Person sehe, und dencke dabey an deren Vater. Es wird aber diese Idée gemeiniglich zu denen Ideis modorum gezogen, ob sie wohl einige denenselben und denen Idaeis substantiae entgegen setzen.  
  Idea modorum stellet mir die Eigenschafften einer Sache vor, sie seyn nun derselben wesentl. oder nicht, als: Wenn ich an einen Menschen gedencke, so fället mir nicht allein die Vernunfft, sondern auch desselben Geschicklichkeit oder Ungeschicklichkeit ein. Es entstehen also wieder zwey Arten derer Idéen, wenn ich die Modos in Absolutos und Relativos abtheile.  
  Idea substantiae wird zwar vor sehr dunckel ausgegeben, aber es kommet darauf an, ob man sie in abstracto oder concreto betrachtet. Im ersten Falle ist es eine innerliche Ursache derer an einer Sache befindlichen Eigenschafften, welche machet, daß sie bestehen können. Fraget man im andern: Was bey diesem oder jenem Wesen die Substantz sey? so ist es freylich dunckel.  
  Idearum adsociatio endlich ist die Verwandniß derer Idéen untereinander, da eine zu vielen andern Anlaß geben kan.
  • Lockius de Intellectu human. II. 33.
  • Buddeus Institut. Theol. moralis P. I. c. 1. Sect. 5. §. 9.
  • Wucherer Dissert. de Idearum connexione eiusdemque Effect. Jena 1709.
  • Brucker Histor. Philosoph. de Ideis. Augspurg 1723. in 8vo.
  • Rüdiger de Sensu veri et falsi I. 4. seqq.
  • Müller Log. 6. seqq.
     

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Stand: 7. April 2013 © Hans-Walter Pries