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Zedler: Krafft [7] HIS-Data
5028-15-1662-6-07
Titel: Krafft [7]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 15 Sp. 1709
Jahr: 1737
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 15 S. 851
Vorheriger Artikel: Krafft [6]
Folgender Artikel: Krafft, oder Kräfft
Hinweise:
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Übersicht
physikalische Kräfte (Forts.)
  bewegende Kräfte (Forts.)
 
  fortschreitende Bewegung
 
  Tangentialkraft
  Streit über die Abmessung der bewegenden Kräfte

Stichworte Text  
  Nach dem wir  
  {Sp. 1710}  
fortschreitende Bewegung solcher Gestallt die Doctrin von denen Viribus centralibus, in Ansehung dessen, was oben davon gesagt worden, ergäntzet, und die Methode angeführet, wie die Sollicitationes centrales auf die Entfernungen von dem Centro Virium zu referiren, wie dadurch die Curua Virium zu constituiren, wie folglich daraus die Curua Celeritatum zu entdecken, und wie endlich die Sollicitationes in ihrer Thätlichkeit sich selbst verhalten, in dem sie einem Cörper in der geradlienigten Direction nach dem Centro Virium zu eine Bewegung und lebendige Krafft in Motu accelerato communiciren, in Motu retardato destruiren; so können wir nunmehr auch aus diesen Gründen erklären, wie der Cörper sich bewegen werde, wenn er von der Vi centripeta nicht allein nach dem Centro Virium zugezogen wird, sondern über dieses einen Motum progressiuum hat.  
  Es sey in der vorhergehenden Figur der Cörper in A, und bekomme einen Stoß nach AM, in D sey das Centrum Virium; so ist aus der Compositione Virium klar, daß der Cörper weder nach AM, vermöge seiner durch den Stoß erhaltenen Bewegung noch auch nach AD, von der Vi centrali angetrieben, alleine fortgehen könne. Es repraesentire AE die Größe der Krafft, mit welcher der Cörper nach AM seinen Motum progressiuum continuiren will; und AJ, die Krafft, mit welcher er von der Vi centrali nach AD zugezogen wird; so ist, wenn man das Parallelogrammum AGgJ ergäntzet, Ag die Direction und Grösse der Krafft, welche aus beyden nach AG, AJ arbeitenden Kräfften entspringet; und der Cörper gelanget aus A in g in eben der Zeit, in welcher er aus A in G, vermöge seines Motu progressiui alleine würde gekommen seyn.  
  Wenn nun diese Zeit ein Element ist, so ist auch daß in selbiger Zeit von dem Cörper durchlauffene Spatium Ag ein Element, und würde nun nach der Verlängerung derer Linie Ag, der Cörper seine Bewegung mit einer Krafft die der Linie Ag proportioniret ist, fortsetzen, wenn in g die Vis centralis zu arbeiten aufhörte. Da aber dieses nicht geschiehet, so entstehet wiederum ein anderes Parallelogrammum sub viribus, darinnen der Cörper eine andere Direction, nehmlich nach der Lage der Diagonal-Linie desselbigen, erhält; daß also solcher Gestallt continuirlich der Cörper seine Direction ändern muß, in dem unaufhörlich zwey nach inclinirten Directions-Linien arbeitende Kräffte nemlich die Vis centralis und die Vis juxta motum progressiuum, eine Compositionem Motus verursachen. Da nun sich dieses so in jeglichen Elemente der Zeit und in jeglichen Elemente des Spatii, durch welches der Cörper beweget wird, ereignet, so muß der Cörper ein Polygonum, so aus unendlich kleinen und unendlich vielen Saiten bestehet, das ist, eine krumme Linie, währender seiner Bewegung beschreiben.  
  Es sey QBH die Scala Virium, ANZ die krumme Linie, welche der Cörper um das Centrum Virium beschreibet, und Semita mobilis genennet wird; so ist jetzo die Frage, wie in jeglichen Puncte der Semitae die Vis centralis decomponiret werden müße, um daraus die Vim Motus progressiui und Vim centrifugam zu determiniren, oder dasjenige zu bestimmen, was von der Vi  
  {Sp. 1711|S. 852}  
  centripeta zur Bewegung in der Semita angewendet, und was eben derselbigen von der entstandenen Vi centrifuga benommen wird.  
  Es sey der Cörper in dem Puncte N seiner Semitae, man beschreibe aus dem Centro Virium D mit der Entfernung DN den Bogen NE; so würde, wenn der Cörper in E wäre, die Sollicitatio centralis, die ihn nun urgirte EB seyn. Da nun ein Cörper in gleicher Entfernung von dem Centro Virium, auch gleichstarck von der Vi centrali gegen dasselbige gezogen wird, Massen nach diesen Entfernungen die Curua Virium eingerichtet worden ist, ohne auf die Lage der Linie AD, auf welcher dieselbigen Entfernungen genommen worden, zu sehen; so ist die Vis centralis, so den Cörper in N nach D in der Direction ND urgiret ebenfalls BE.  
Tangentialkraft Man mache Nα so groß als BE, und ziehe an den Punct N den tangentem Nβ, aus α aber lasse man eine Perpendicular-Linie αβ auf Nβ herab. Weil der Motus progressiuus sich nach der tangente Nβ äussern würde, wenn in P die Vis centralis zu agiren aufhörte; so ist Nβ die Direction der Krafft des Motus progressiui, Nα aber die Direction der Central-Krafft. Wenn wir dahero die Vim centralem Nα in die Vires laterales Nβ, αβ decomponiret zu seyn betrachten, so exprimiret Nβ die Grösse der Krafft, mit welcher der Cörper seinen Motum progressiuum nach der tangente Nβ fortsetzen will. Diese wird Sollicitatio oder Vis tangentialis genennet.  
  Man ergäntze das Parallelogrammum sub viribus Nγαβ; so ist Nβ die Diagonale desselbigen; die folglich als die Composita aus denen Kräfften Nα , Nγ, die nach denen Directionen Na, Nγ arbeiten, anzusehen ist. Da nun Nγ = αβ und Nβα ein rechter Winckel ist, so ist auch γNβ ein rechter Winckel, und Nγ stehet auf dem Elemento Curuae Nn, dessen Verlängerung die tangens Nβ ist, perpendicular. Es wird dahero Nα, Vis oder Sollicitatio perpendicularis genennet; und ist folglich die Sollicitatio tangentialis Nβ die composita aus der centrali Nα und perpendiculari Nγ oder αβ;  
  Wenn nun der Cörper würcklich das Elementum Curuae Nn in seiner Bewegung durch die Krafft Nβ beschreibet; so ist klar, daß der Cörper zugleich einen Nisum nach Nα, und Nγ haben müsse, Massen sonst daraus Nβ nicht componiret werden könne. Mit diesem Nisu nach Nγ will der Cörper sich von seinem Elemento Semitae Nα entfernen, in dem Nγ perpendicular auf der Semita in N stehet, nach Perpendicular-Linien aber die Entfernungen gerechnet werden. Da nun die Krafft, mit welcher ein Cörper sich von seiner geradlienigten Direction entfernen will, in dem er von einer Vi centripeta urgiret wird, Vis centrifuga heisset; so muß Nγ, oder auch αβ, die Vim centrifugam des Cörpers in N repraesentiren.  
  Alles dieses folget daraus, daß der Cörper das Element der Semitae Nn mit der Krafft Nβ beschreibe. Wenn wir daher lediglich auf die Bewegung sehen wollen, die der Cörper in seiner Semita, oder in jeglichen Element seiner Semitae habe, so ist weiter nichts nöthig als nur auf die Grösse die Vis tangentialis zu sehen, mit welcher diese Bewegung bewerckstelliget wird; da hingegen die Sol-  
  {Sp. 1712}  
  licitatio perpendicularis oder Vis centrifuga Nγ ingleichen die centralis Nα weiter nicht in Betrachtung gezogen werden dörffen; in dem sie weiter keine Würckung praestiret, sondern beyder Seits dadurch selbst removiret werden; da wir sehen, es bewege sich der Cörper in der vorgegebenen Semita, in dem wir alsdann an ihrer Statt, die aus ihnen componirte, und gleich viel vermögende Vim tangentialem substituiren, und mit solcher in jeglichen Elemento Curuae die Bewegung continuiren lassen.  
  Man suche demnach am jeglichen Puncte N der Semitae ANZ die daselbst arbeitende Vim tangentialem, Nβ, und mache die Linie SE dieser gleich, dergestallt, daß SE als eine ordinate an den Punct E gehöret, der mit dem Puncte N von dem Centro Virium D gleich weit entfernet, oder daß DE so groß als DN ist. Wenn man solches an jeglichen Puncten der Curuae ANZ bewerckstelliget, und ihre zugehörigen Vires tangentiales an andere Puncte der Linie Ad, so mit denen vorigen gleich weit von dem Centro Virium abstehen, wie zuvor referiret; so wird sich eine krumme Linie TSC ergeben, deren Ordinaten SE, so die Vires tangentiales in der Semita des Cörpers an denenjenigen Puncten N, n repraesentiren, welche mit denen Puncten E, c, zu welchen ermeldete Ordinaten SE, se, gehören, gleich weit von dem Centro Virium D entfernet sind.  
  Diese Curua TSC wird Curua oder Scala Sollicitationum tangentialium genennet, von deren Condition die Beschaffenheit der Bewegung in der Semita des Cörpers dependiret; eben wie zuvor aus der Beschaffenheit der Curuae Sollicitationum centralium QBH die Eigenschafft der Bewegung in der geraden Linie AD ihren Ursprung nahm.  
  Wir haben oben gesehen, daß, wenn wir eine jegliche Ordinate BE der Curuae Virium centralium f das anliegende Elementum Spatii Ee, ds; die in jeglichen correspondirenden Puncte E bereits erhaltene Geschwindigkeit, U; und das Elementum derselbigen af, um welcher nehmlich ef grösser ist als EF, du, nennten, wir die Formel fds = udu erhielten, welche, wenn sie in die Buchstaben der Figur übersetzet wird, die Gleichung BEx Ee = EFx af an die Hand giebet; und würde das fds oder BEx Ee, Momentum Sollicitationis centralis genennet, und die Central-Krafft BE folglich dergestallt betrachtet, als wenn sie in allen Puncten des Elements Ee von gleicher Grösse adpliciret wäre; welches, weil Ee ein Element ist, Statt findet.  
  Es sey Nn ein Elementum Semitae, weil in N die Vis tangentialis Nβ = SE und Nn ein Element ist, so kan man dieselbige Vim tangentialem ebenfalls von gleicher Grösse an allen Puncten des Elements Nn, durch welche sie arbeitet, adpliciret zu seyn betrachten, und folglich ebenfalls ein Product aus SE in Nn oder SEx Nn formiren. Dieses wird wegen der Ähnlichkeit mit dem vorigen BEx Ee, Momentum Sollicitationis tangentialis genennet: Man mache Em so groß als Nn, so ist SEx Nn, so groß als SEx Em, oder so groß als die Elementar-Fläche SE mμ der Curuae Sollicitationum tangentialium.  
  Nun sind die Triangel Nnp, Naβ einander ähnlich, Massen bey α  
  {Sp. 1713|S. 853}  
  und p rechte Winckel, und der Winckel N bey denen Triangeln gemein ist; dahero ist Nn : Np = Nα : Nβ, folglich Nnx Nβ = DpxNα; oder, weil Nn = Em, Nβ = SE; Nα = BE, Np = Ee, indem die Circel EN, en, concentrisch sind, so ist Emx SE = Eex BE, oder das Momentum Sollicitationis tangentialis so groß als das Momentum Sollicitationis centralis.  
  Es sey eine jegliche Sollicitatio tangentialis SE = F, das correspondirende Elementum Semitae Em oder Nn = dS, die bereits z.E. bis N erhaltene Geschwindigkeit in der Semita = V, das Element derselbigen dV; so ist das Momentum Sollicitationis tangentialis so groß als das ihm correspondirende Momentum Celeritatis oder FdS = VdV, welches eben so wie oben bey dem Momento Sollicitationis centralis erwiesen wird. Es war aber bey diesem letztern fds = vdv, da f die Sollicitationem centralem BE in der Curua Virium QBH, dS das Element Ee der Linie AD, v die in E erlangte Geschwindigkeit, dv das Element derselbigen repraesentiret, wenn nehmlich der Cörper von denen Viribus centralibus in der geraden Linie Ad nach dem Centro Virium zu getrieben wird.  
  Wenn wir nun die Bewegung des Cörpers in der Curua ANZ mit der Bewegung des Cörpers in der geraden Linie Ad vergleichen, und untersuchen wollen, wie den die Geschwindigkeiten von beyder Seits Cörper sich verhalten, wenn der eine in der Curua in N, der andere in der geraden Linie in E sich befindet, dergestallt, daß diese Örter N und E gleich weit von dem Centro Virium abstehen; so haben wir gesehen, daß das Momentum Sollicitationis centralis BEx, Ee, oder fds so groß seye als das Momentum Sollicitationis tangentialis SEx Em oder FdS. Da nun fds = vdu, und FdS = VdV; so ist auch vdu = VdV; und so man diese Formel integriret ½ V2 = 1 2 V2, v2 = V2, v = V; das ist, die in E erhaltene Geschwindigkeit v, die der Cörper in seiner Bewegung durch die gerade Linie AE erhalten, ist so groß als die Geschwindigkeit des Cörpers, wenn er sich in der Curua ANZ beweget, und an den Punct N. gelanget ist, der mit dem vorigen E gleich weit von dem Centro Virium abstehet.  
  Es mag sich dahero ein Cörper in einer geraden Linie gegen das Centrum Virium bewegen, oder in eine krummen Linie um dasselbige revolviren; so sind die Geschwindigkeiten in beyden Bewegungen allezeit einander gleich, wenn der Cörper gleich weit von dem Centro Virium entfernet ist; und man ist solchergestallt in dem Stande, die Bewegung des Cörpers in der Curua ANZ auf die Bewegung eines gleich grossen, oder eben desselbigen Cörpers in der geraden Linie Ad zu referiren; weswegen auch die Curua Celeritatum AVF zu beyder Seits Bewegung gehöret, und EF so wohl in E, als N die von dem Cörper erhaltene Geschwindigkeit vorstellet.  
  Aus diesen angeführten Gründen ist man nun in dem Stande, die vornehmsten Eigenschafften der Bewegung eines Cörpers, der um ein Centrum Virium revolviret, herzuleiten. Man erweiset, daß in einer jeglichen solchen Curua die Zeiten, in welchen ungleiche Bogen derselbigen von dem Cörper durchlauffen wer-  
  {Sp. 1714}  
  den, sich wie die Areae verhalten, welche die Linie, DN so aus dem Centro Virium gegen dem Cörper gezogen ist, und Radius Vector genennet wird, und sich mit dem Cörper zu gleich fortbeweget, in selbiger Zeit beschreibet.  
  Man erweiset ferner, daß in einer jeglichen solchen Orbita die Sollicitatio centralis so groß sey als das Element dp der Perpendicular-Linie p, welche aus dem Centro Virium auf die tangentem in demselbigen Puncte der Orbitae, zu welchen selbige Sollicitatio centralis f gehöret, herabgelassen ist; wenn man desselbige Element dp durch ein Product aus dem Cubo ermeldeter Perpendicular-Linie p in das Element dz, des Radii Vectoris dividiret; oder es ist f = dp / p3 dz (Hermann Phoron. ...) aus welcher Formel vermittelst der vorgegebenen Aequation vor die krumme Linie, welche der Cörper durch sein Revolution um das Centrum beschreiben soll, die Curuam Virium bestimmen kan.  
  Also hat man darnach befunden, daß wenn, z.E. die Orbita des revolvirenden Cörpers eine Ellipsis ist, die Sollicitationes centrales sich reciproce wie die Quadrate derer Entfernungen von dem Centro Virium verhalten. Und so ist die Theorie überhaupt dahin gerichtet, daß man aus der gegebenen Orbita, in welcher der Cörper sich beweget, die Scalam Sollicitationum centralium; und vice versa aus der gegebenen Scala Virium centralium, und der gegebenen Geschwindigkeit, mit welcher der Motus progressiuus seinen Anfang nimmt, die Curvam bestimme, welche der Cörper unter diesen Conditionen beschreiben werde.  
  Diese Theorie, die man bey denen Orbitis derer revolvirenden Cörper, wenn solche unbeweglich sind, anstellet, pfleget man hernach Mahls auch auf die Orbitas mobiles zu transferiren; in welchen nehmlich nicht nur der Cörper revolviret, sondern mittler Zeit die Orbita auch selbst um das Centrum Virium mit herum beweget wird.  
  Wir haben demnach aus denen bisherigen Abhandlungen zur Gnüge gesehen, wie man aus der Betrachtung derer Virium mortuarum und derer ihnen gleichgültigen Sollicitationen die verborgensten Eigenschafften einer componirten Bewegung darthun könne; und wie die lebendigen oder bewegenden Kräffte selbst, durch die Replicationes dieser Sollicitationen in der Zeit ihren Ursprung nehmen; wobey wir zu gleich die Art und Weise, nach welcher die lebendigen Kräffte abgemessen werden müssen, mit beygefüget haben.  
Streit über die Abmessung der bewegenden Kräfte Der Titel bewegende Krafft l.c. führet die Historie der Streitigkeit an, welche wegen dieser Abmessung derer bewegenden Kräffte unter denen Mechanicis entstanden. Cartesius Princip. Philos. ... machte zum Maße dererselbigen das Product aus der Maße in die Geschwindigkeit des bewegten Cörpers, welches man sonst die Grösse der Bewegung zu nennen pfleget. Nach ihm wird diese Art der Abmessung derer bewegende Kräffte Mensura Virium Cartesiana genennet. Nach der Zeit sind hierinnen dem Cartesio die übrigen Mechanici nachgefolget, bis in Actis Erud. 1686. 161. Leibnitz eine neue Mensur aufbrachte, und durch das Product aus der Maße des Cörpers in das  
  {Sp. 1715|S. 854}  
  Quadrat der Geschwindigkeit dieselbigen abmässen wollte, welche Art die Kräffte abzumässen, den Namen Mensurae Virium Leibnitianae erhielte. Hierauf theilten sich die Mechanicis in zwey Parteyen, davon die eine, besonders die Engländer es mit dem Cartesio, die andere es mit dem Leibnitzen hielte; wovon angeführter Titel: Bewegende Krafft l.c. nachzusehen; allwo auch die Argumenta pro und contra hinlänglich angeführet sind, die kürtzlich etwas mehr erläutert dahinaus gehen.  
  Leibnitz in Actis Erud. 1686. beurtheilet in dem adscensu grauium retardato die Grösse der lebendigen Krafft durch das Product aus der Maße in das Spatium Adscensus, welches eben so viel sagen will, als wenn man die retardirenden Kräffte, die nehmlich das dv würcklich consumiren, durch fds ausmisset, welches oben angeführter Massen nicht Statt findet.  
  Eben dahin zielen auch die Argumenta des Bernoulli, Hermanns, Grauesande, ingleichen die Experimenta des Poleni und Grauesande; wie den über Haupt der vornehmste Fehler derer Leibnitzianer darinnen beruhet, daß sie die Kräffte des bewegten Cörpers so groß als die Summen derer Sollicitationen oder todten Kräffte gleich machen, und statuiren, daß, indem diese Sollicitationen, einem Cörper die Bewegung mittheilen, in demselbigen sich etwas ähnliches erzeuge, das von der Bewegung des Cörpers selbst unterschieden sey; oder wenigstens supponiren, es agirten die Vires acceleratrices eben so in die bewegten Cörper, wie sie gegen die ruhenden in Anfange der Bewegung sich erzeigen; welches sie aber nie Mahls bewiesen haben, dahero ihnen auch, woferne sie dieses nicht thun, nicht erlaubet ist, die Summam absolutam virium acceleratricium an Statt der Krafft des bewegten Cörpers zu substituiren.  
  Eben so, wenn man subponiret, eine Vis composita enthalte die Vires componentes als das totum die partes in sich, damit man in dem Casu des rechten Winckels, den die Directiones derer componentium formiren, behaupten könne, es verhalte sich die Krafft nach der Diagonale oder die Vis composita zu einer jeglichen von denen componentibus, wie das Quadrat der Geschwindigkeit der compositae zu dem Quadrate der Geschwindigkeit einer jeglichen componentis; so vermeidet man nicht diejenige Schwierigkeit, die sich hierbey ereignet, wenn man die Directions-Linien der componirenden Kräffte in einem schieffen Winckel zusammen setzet.  
  Diese Schwierigkeit erkennet Bülffinger Commentar. Petropol. ... erwählet aber ein Mittel dawider, so noch schlimmer, als erst angeführte Subposition selber ist, in dem er die Geschwindigkeiten derer nach schieffen Directionen componirenden Kräffte, in andere Geschwindigkeiten verwandelt nach Directionen, die einander recht wincklicht sind, woraus er aber Theor. 8. vor nöthig befindet zu behaupten, daß, in dem Falle, wenn die Directions-Linien derer componirenden Kräffte zusammenfallen, die Vis composita nicht der Summe derer Virium componentium, sondern dem Quadrate der Summe derer Geschwindigkeiten gleich sey; welches er p. 62. selbst vor paradox hält. Er sucht zwar  
  {Sp. 1716}  
  solches im beygefügten Scholio zu excusiren; so aber keines Weges hinlänglich zu seyn scheinet. Erstlich subponiret er dasjenige selbst, wovon die Frage ist, in dem er gestehet: Hoc evitari non posse, nisi vel Leibnitiana virium aestimatio negetur, vel recepta mortuum compositio. Wir stimmen ihm in beyden bey, nehmlich daß die Leibnitianische Mensur hierinnen weder Schutz finde, noch auch die subponirte Compositio Virium, da nehmlich die Vis Composita die Vires componentes als partes in sich begreiffen soll, könne admittiret werden.  
  Er erinnert ferner, daß bey denen Viribus imprimendis eine andere Verhältniß Statt finde, als bey denen Viribus impressis; bey jenen wäre die composita der Summe derer componentium gleich, eben wie in dem Falle, wenn die Directions-Linien derer componentium einen rechten Winckel formiren, solches auch bey denen impressis Statt finde, keines Weges aber bey diesen, weil die Directions-Linien in einem schieffen Winckel incliniret sind. Allein hier hätte sollen gezeiget werden, warum denn bey denen inpressis dieses nur in dem Fall des rechten und nicht auch wenn es ein schieffer Winckel ist, Statt findet.  
  Endlich bedienet er sich einer Instantiae, da er fraget, warum denn da keine Gleichheit zwischen der composita und der Summa Virium componentium sey, wenn man die Kräffte durch die Geschwindigkeiten ausmißt, es mag der Winckel derer Directions-Linien von denen componentibus beschaffen seyn, wie er will? Wir antworten aber darauf, weil keiner von denenjenigen, die die Geschwindigkeit zum Masse derer Kräffte machen, sich unterstehet, die Vim compositam aus denen componentibus als das totum ex partibus zusammen zu setzen, oder die eine Seite eines Triangels denen beyden übrigen Seiten gleich zu machen; wie die Gegenpart durch ihre Subposition thut.  
  Eben so ist auch die Subposition Wolffens, der in seinen Principiis dynamicis Commentar: Acad. Petrop. Tom. I. aus der Betrachtung des Raums, der Zeit, und der Action die Leibnitianische Mensur zu behaupten suchet, unrichtig, da er §. 47. setzet, daß die Actiones, durch welche einerley Würckungen hervorgebracht werden, wenn sie in einer kurtzen Zeit geschehen, grösser seyn, als wenn sie in einer längern Zeit verrichtet werden. Allein wir haben gesehen, daß wenn f, F, die Sollicitationes; dt, dT, die Elemente derer Zeiten, durch welche sie arbeiten, dv, dv, die von ihnen hervorgebrachte Würckungen sind; so ist f dt = dv, FdT = dV. Wenn nun dv = dV; so ist auch fdt = FdT, da nun fdT, FdT die Actiones derer Kräffte f, F sind; so folget, daß auch diese Actiones einander gleich seyn müssen, es mögen dt, dT im übrigen beschaffen seyn, wie sie wollen, als deren Ungleichheit weiter nichts involviret, als daß alsdenn die Kräffte f, F selbst ungleich sind.  
  Z.E. wenn dT = 2 dt; so ist f = ½ F; wen dT = 3 dt, so ist f = F und so ferner; dahero ist wohl wahr, ist die Zeit dt kleiner als dT, so ist die in der Zeit dt arbeitende Krafft f grösser als F, welche durch dT adpliciret ist; keines Weges aber daß die Actiones selbst ungleich sind, in dem gleiche Actiones nur gleiche Würckungen hervorbringen können.  
  Diese und dergleichen angeführte Ar-  
  {Sp. 1717|S. 855}  
  gumente, so man vor die Leibnitianische Abmässung derer Kräffte ausfindig gemacht, scheinen also derselbigen noch kein hinlängliches Patrocinium zu verstatten. Man findet die Refutation derselbigen in der bereits unter dem Titel: Bewegende Krafft l.c. angeführten Disputation. Hausens de Viribus motricibus beysammen.  
  Nicht lange darnach als diese Disputation in Leipzig war gehalten und die Cartesianische Mensur darinnen vertheidiget worden, so kam eine andere von Stübnern contra virium mensuram Cartesianam pro Leibnitiana, Leipzig 1733. zum Vorschein, darinnen verschiedenes wegen der Mensur derer Kräffte in der Doctrin von der gleichförmigen Bewegung, von dem Falle derer schweren Cörper, und dem Stosse derer Körper, erinnert wurde, um die Leibnitianische Mensur herauszubringen.  
  Und nicht lange darnach gab eben derselbige eine Demonstrationem verae Mensurae Virium motricium viuarum, 1734. in 4. in einer besondern Schrifft heraus, darinnen er durch die Rapiditates Actionum, die Leibnitianische Mensur derer Kräffte von neuen erweisen wollte. Heinsius, welcher bey der obengemeldeten Dissertation Hausens die Vices Respondentis vertreten, nahm sich der in dieser vertheidigten Cartesianischen Mensur derer Kräffte an, und edirte eine Gegen-Schrifft unter dem Titel: Animadversa in Demonstrationem verae mensurae Virium motricium viuarum, Leipzig 1734. in 4. darinnen er Stübners Argumenta zu removiren sich bemühete. Dieser hatte mittler Zeit ein Tentamen Demonstrationis pro vera Mensura Virium mouentium à conflictu corporum non elasticorum petitae geschrieben, und zu Ende desselbigen sich anheischig gemacht, gedachtem Heinsio auf seine Animadversa zu antworten, welches er auch kurtz darauf in Amica Responsione ad Animaduersiones Heinsiii, Leipzig 1734. in 4. bewerkstelliget.  
  Dieser Antwort hat Heinsius eine andere Schrifft entgegen gestellet, die den Titel führet: Notiones et Discrimen virium viuarum et mortuarum amice responsioni Stübneri obponit, Leipzig 1735. in 4. womit ermeldter Stübner nach Aussage derer Gelehrten Zeitungen 1735. p. 544. darinnen letztere Schrifft recensiret ist, vergnügt, und in denen Principiis der Streitigkeit nicht mehr uneinig zu seyn scheinet.  
  Die vornehmsten Argumenta, womit Heinsius die Beweiß-Gründe Stübners zu removiren gesucht, bestehen darinnen, daß er ihm gezeigt, wie er unrechtmäßig behaupte, daß die lebendigen und todten Kräffte einerley Abmässung hätten; wie er öffters die lebendige Kräffte mit der todten confundire; wie er die Rapiditatem Actionis (auf gleiche Art, wie erst kürtzlich bey der Recension Wolffens Principiorum dynamicorum Erwehnung geschehen) in Betrachtung ziehe, so doch in dieser Sache nicht gebraucht werden könne, wenn er öffters durch seine eigene Beweiß-Gründe die Cartesianische Mensur einräume; die Elementar-Actiones in einem andern Verstande nehme, und was dergleichen mehr ist.  
     

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Stand: 9. März 2013 © Hans-Walter Pries