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Zedler: Lotterie HIS-Data
5028-18-564-1
Titel: Lotterie
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 18 Sp. 564
Jahr: 1738
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 18 S. 299
Vorheriger Artikel: Lotterbube
Folgender Artikel: Lotterie, die geistliche
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Transkribierter griechischer Text der Vorlage
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Bibel

  Text Quellenangaben
  Lotterie kömmt von Lot oder Loos her, welches ausser Zweifel ein alt Sächsisches Deutsches Wort ist, immassen solches in den meisten Nordischen, auch in der Frantzösischen Sprache gebräuchlich ; ob es aber mit dem Griechischen Ionischen logchē, welches eben so viel heisset, eine grosse Gemeinschafft habe, ist hier der Ort nicht zu untersuchen.  
  Einige leiten Lotterie von dem Holländischen Worte Loten her, das ist loosen, (sortiri,) und bedeutet einen Contract, dabey etwas ungewisses ist, so aufs Glück ankommt. Es wird in verschiedener Bedeutung genommen.  
  Denn einmal nennt man dieses eine Lotterie, wenn ihrer etliche zusammen legen, und eine Sache kauffen, welche demjenigen zufallen soll, dem selbige das Loos zutheilet, siehe Pufendorf in jure nat. et gentium lib. 4. cap. 9. §. 6.
  hernach heißt man auch das eine Lotterie, wenn man aus einem gewissen Gefäß, darinnen eine Anzahl beschriebener und unbeschriebener Zettel ist, vor Geld einen oder mehr Zettel heraus ziehen darff, und alsdenn dasjenige, was auf dem Zettel beschrieben, bekommt, welches man auch den Glücks-Topff nennet, und ihn mit der Lotterie, vor eins hält.  
  Andere aber erinnern, daß man sie von einander unterscheiden müsse, indem die Lotterien von der Obrigkeit zum gemeinen Besten angestellet und dirigiret würden; ein Glücks-Topff aber sey eine Sache, die eine Privat-Person vor sich zu ihrem eigenen Privat- Interesse habe, daß, ob sie wohl in der Beschaffenheit selbst mit einander übereinkämen, so wären sie doch darinnen unterschieden.  
  Es bringt auch solches der heutige Gebrauch dieser beyden Wörter mit sich, daß man was anders durch den Glücks-Topff, als die Lotterie, verstehet.  
  Es kommen bey der Materie von der zuletzt beschriebenen Lotterie zwey Fragen für: die eine ist: Obs recht sey, Lotterien anzustellen, und etwas hineinzulegen? Siehet man die Sache nach der blossen Vernunfft an, so kan man keinen hinlänglichen Grund finden, warum eine Lotterie unzuläßig seyn  
  {Sp. 565|S. 300}  
  solle? Denn da man sich derselben als eines Mittels zur Erhaltung der Armen, und Beförderung des gemeinen Bestens bedienet, so kan man nicht sehen, warum diese Art, Geld zu bekommen, unrecht seyn solte; Es ist eine Lotterie wie eine ausserordentliche Collecte anzusehen, da man mit Manier von den Leuten das Geld bekommt, welches sie sonst entweder gar nicht, oder wenn mans ihnen auferlegt, mit Murren und Ungedult gegeben hätten.  
  Etwas aber hinein zu legen, hält die Vernunfft aus der Ursache vor zuläßig, weil ein ieder Herr über seine Güther wäre, und Krafft dieses Eigenthums, Rechts damit thun könte, was er wolte; Doch ist nicht zu leugnen, daß, wenn die Sache nach theologischen Gründen untersucht wird, sich einige Bedencklichkeiten dabey finden.  
  Denn auf Seiten dessen, der eine Lotterie anlegt, kommt dieses zu bedencken für: Ob man damit nicht Anlaß zur Reitzung der menschlichen Affecten gäbe, und wenn auch gleich solches zufälliger Weise geschähe, und der Fürst eine gute löbliche Absicht vor das gemeine Beste hätte; man wüste aber solches vorher, ob man auch nicht solches zu verhindern, und auf andere unanstößige Mittel bedacht zu seyn verbunden wäre? Bey demjenigen, der hinein lege, käme es darauf an, was er vor eine Absicht habe, daß, wenn solche auf keine Gewinnsucht ankomme, und man vielmehr, das gemeine Beste zu befördern, gesinnet sey, so könne er solches ohne Verletzunq des Christlichen Gewissens thun.  
  Nach den Regeln des Christenthums geht es auch so schlechterdings nicht an, daß man mit seinen Gütern thun könne, was man wolle, indem man selbige als ein Christ verwalten, und sie daher zur Ehre GOTTES und zum Nutzen des Nächstens mit anwenden muß.  
  Die andere Frage ist: was das Lotterien-Glück oder Unglück vor einen Grund habe? Einige schreiben solches einem unvermeidlichen Schicksal, andere dem blinden Glück, oder dem blossen Zufall, und noch andere einem Geist oder Engel, der die Lotterie regiere, zu. Es sind auch einige durch die lange Ubung so klug worden, daß sie die Minuten auszupunctiren wissen, da ihr Geld muß eingelegt werden, wenn es gewinnen soll.  
  Wie fern aber GOTTES Vorsicht und Regierung mit Lotterien zu thun habe? ist eine Sache, davon die Meynungen auch nicht mit einander übereinstimmen. Wucherer in Meditat. circa lottarias p. 24. seqq. glaubet, daß GOTT bey Austheilung des Lotterien-Glücks nicht die caussas secundas, oder diejenigen natürlichen Mittel und Werckzeuge, dadurch nach dem Begriff unserer Sinnen, einem ein gutes, dem andern ein mittelmäßiges, dem dritten ein leer Looß zufällt, vor sich würcken lasse; sondern die Hand mit einer gantz besondern Vorsorge (prouidentia speciali) unmittelbar im Spiel habe; Clerc aber in Reflexions sur ce qu' on appelle bonheur et malheur en matiere des Lotteries, und Barbeyrac in traité du ieu lib. I. c. 2. behaupten, daß der gantze Handel auf GOTTES allgemeine Vorsorge, und auf die natürliche  
  {Sp. 566}  
  Ordnung, welche den caussis secundis zu ihrer Würckung einmal vor allemal gesetzt ist, ankomme. GOTT müste durch seine Macht entweder die Hände dererjenigen, welche die Zettul vor Ziehung der Lotterie mischen, oder die Hände derer, die solche hernach ziehen, dergestalt regieren, daß sie nothwendig so, und nicht anders, mengen und greiffen könten, welches wol schwer auszumachen seyn dürffte. Läst sie GOTT in ihrer Freyheit zu handeln, wie sie wollen, so fällt die besondere Vorsorge weg; macht er aber, daß sie anders würcken müssen, als sie sonst würden gethan haben, so wäre die Sache als ein Wunder zu betrachten.  
  Dahero hält Barbeyrac in der Materie vom Spielen mit dem Placette vor unwahrscheinlich, daß GOTT derer Laqueyen Karte mit mehrer Vorsorge, als die Schlachten grosser Völcker, die Veränderung derer Königreiche und das Heil des Erdbodens regiere.  
  Man kan von dieser Materie lesen  
 
  • Reflexions sur ce que l' on appeÜe Bonheur et Malheur en matiere de Lotteries, et sur le bon vsage qu' on en peut faire: Amsterdam 1696. in 8;
  • Leti in Critique historique, politique, morale, economique et comique sur les lotteries, anciennes et modernes, spirituelles et temporelles, de Etats et de Eglises, Amsterdam 1697, in 2. Duodetz-Bänden, so der Verfasser in Italiänischer Sprache geschrieben, und bald ins Frantzösische übersetzet, auch von einem Ungenannten Considerations sur la critique de lotteries et sur l' auteur darzu gemacht worden.
  • Clerc in den schon angeführten Reflexions, welche auch 1716. deutsch heraus kommen;
  • Johann Friedrich Wucherer in Mediationibus de eo, quod iustum est circa Lotarias, Jene 1715.
  • Wildvogel in Disputat. de eo, quod iustum est circa Lotarias, 1718.
  • Wegner in Disputat. de Lotteriis, Königsberg 1717. nebst denen Scribenten, die vom Spiele geschrieben.
  • Barbeyrac in dem traité du ieu Lib. 2. cap. 2. § 11. widerleget den Autorem artis cogitandi, der die Lotterien Lib. 4. cap. 16. verworffen.
 
  Den Ursprung des Looses und der Lotterien betreffende, so ist solches bey denen Griechen in ernsthafften Sachen nicht gebrauchet, auch von ihren Gesetzgebern Lycurgus, Pythagoras etc. verworffen worden, iedoch bey ihren Spielen, Festen und dergleichen, üblich gewesen. Doglionius, ein Italiänischer Schrifft- Steller, meldet zwar in seiner Welt-Historie, daß die Crotoniates, ein Grichisch Volck, das Loos bey der Vermählung ihrer Kinder gebrauchet, indem an einem gewissen Tage 12. Jünglinge und so viel mannbare Jungfrauen, ieder seine Eltern hinter sich habende, in zwey Reihen gegen einander über gestellet, und darauf gelooset worden, welcher zuerst eine von denen Jungfrauen wehlen solte, mit der er alsdenn nach seinem Hause gewandert, und sie behalten; welches man aber an seinen Ort gestellet seyn lässet.  
  Die Römer haben bey zweyhundert Jahren ebenfalls nichts vom Loos gewust, als aber die Republick an Ländern in allen Welt-Theilen zugenommen, ist das Loos bey Erwehlung der Gouuerneurs, Bürgermeister und anderer Bedienten, so man in die Provintzien geschickt,  
  {Sp. 567|S. 301}  
  Sors provinciarum, eingeführet worden: als wodurch man sich des Gezäncks der vielen Praetendenten, und anderer mannigfaltigen Inconuenientien klüglich entschüttet. In Rom selbst aber oder vielmehr denen Chargen in selbiger Stadt, ist das Loos niemals in Brauch kommen.  
  Daß aber der Gebrauch des Looses viel älter sey, bezeuget die heilige Schrifft. Denn da hat GOtt der HErr selbst befohlen über den Versühnungs-Bock das Loos zu werffen, im dritten Buch Mosis am 16. Capitel.
  Das Cananäische Land muste durchs Loos unter die zwölff Stämme Israel ausgetheilet werden, im Buch Josua am 13.
  Als die Israeliter wider den Stamm Benjamin zogen, looseten sie darüber, wer mitziehen solte, im Buch der Richter am 20. v. 10.
  Unter den Priestern ward das Loos geworffen, Nehemia 10. v. 34.
  Und aus dem dritten Capitel des Buchs Esther erhellet klärlich, daß das Loos auch unter denen Persern im Brauche gewesen.  
  Der Prophet Jonas ward ins Meer geworffen, nachdem durchs Loos war offenbar worden, daß das Ungewitter um seinetwillen entstanden, Jona 1. v. 7.
  Wenn man damit conferiret was im Propheten Nahum Cap. 3, 10. stehet, so kan man schliessen, daß das Loos, wo nicht unter allen, doch unter den meisten Asiatischen Völckern gebräuchlich gewesen. Im neuen Testament ward an des Verräthers Judä Stelle, Matthias zum Apostel durchs Loos erwehlet, wiewol uns der Streit nicht angehet, den die beyden Italiänischen Schrifft- Steller Campana und Doglioni mit einander haben: ob das Loos über Matthiam durch ein Kind, oder durch einen erwachsenen Menschen sey gezogen worden.  
  So sind auch viele der beständigen Meynung, daß in denen ersten dreyhundert Jahren nach CHristi Geburt, die vornehmsten Bischoffs- Wahlen durchs Loos geschehen. Als aber nachgehends der Römische Bischoff die Autorität über andere zu behaupten angefangen, ist an statt des Looses die Wahl durch die Wahl-Stimmen eingeführet worden, dadurch dieses oder jenes Ehr-Geitz desto ehe zum Zweck gelangen möchte.  
  Wie denn von selbiger Zeit an in 200. Jahren fast nicht eine friedliche Pabst-Wahl geschehen, sondern die Factiones haben immer mehr und mehr zugenommen, bis endlich gantz Italien und andere Länder durch die Guelfen und Gibellinen verheeret worden.  
  Von Rom hat sich diese Wahl-Art durch die Stimmen in der gantzen Welt ausgebreitet, und meynet Leti, daß dadurch unsäglich Ubels gestifftet worden, und alle Schismata, Simonie, Intrigues, Verkauffung der geistlichen Ämter, und alle andere unrechtmäßige Beförderungen zum Predigt-Amte, darüber offte gantze Länder klagen, daraus erwachsen.  
  Pabst Coelestin V. der aus einem Einsiedler 1294. nach einer langwierigen Vacanz von 2. Jahren und 3. Monaten, durch die Autorität König Carls von Neapolis und Sicilien, als welcher die meisten Stimmen auf seine Seite gebracht, auf den Päbstlichen Stuhl erhoben worden, hat diesen Misbrauch schon erkannt, daher er, sobald er zu Aquila in Königreiche Neapolis gecrönet gewesen, aus 50. Personen, die er am tüchtigsten achtete, 12. Cardinäle erwehlet. Mit de-  
  {Sp. 568}  
  rer Hülfe meynete er es so weit zu bringen, daß auch der Pabst künfftig durchs Loos möchte erwehlet, und dadurch die langen Conclauia und tausend andere Ungelegenheiten gehoben werden; hätte auch vermuthlich in seinem Vorhaben glücklich reussiret, wenn sich nicht der Cardinal Gaëtano darwider gesetzt hätte, der als ein wohlverdienter Mann bey nächster Gelegenheit die Stimmen vor sich selbst zusammen zu bringen getrachtet, so auch geschehen.  
  Da nun Coelestin sein gutes Vornehmen nicht kunte vollziehen, bediente er sich demnach der Lotterie vor sich selbst, und wenn eine Bischoffs-Stelle vacant ward, ernennete er darzu jederzeit 3. oder 4. Personen, über welche er das Loos werffen ließ, und wem selbiges traff, der blieb Bischoff, und erhielt die Päbstliche disfalls nöthige Bulle, daher das Sprichwort entstanden. Papa Coelestino da li Benefici la sem et li fa perdere il matino. (Pabst Coelestin giebt des Abends Pfründen, und des Morgens läßt er sie wieder nehmen.)  
  Unter denen Christlichen Republiquen hält insonderheit die Venetianische viel auf das Loos, und ist solches bey ihnen als ein Grund-Gesetz, und ihr grosser Rath gleichsam eine immerwährende Lotterie aller Stellen und Ämter; wiewol auch bey denen Loosen die Stimmen, sonderlich bey der Wahl des Hertzogs, mit untergemenget werden.  
  Zu Genua gilt das Loos bey der Wahl noch mehr als zu Venedig. Denn die 8. Gouernatori, welche mit dem Doge das Collegium, so die Signoria heist, ausmachen, werden alle durchs Loos erwehlet, und zwar so, daß einer 2. Jahr bleibet, doch alle 6. Monate 2. abgehen, und 2. neue aus allen denen, so im grossen Rath solche Ämter praetendiren können, (so über 40. Jahr alt seyn müssen, und also deren Anzahl ungefehr 120.) erwehlet werden. Denn aller Namen werden ins Loos gethan, und durch einen Knaben, der mit vielen Reliquien behängt, 2. heraus gezogen.  
  Ja es wird mit dieser Wahl auch noch eine andere Lotterie in der gantzen Stadt getrieben, massen alle 120. Namen ein gantz halb Jahr vorher gedruckt sind, da sich denn gewisse Banquirer finden, bey denen ein ieder einen oder zwey Thaler auf diese oder jene Person setzen, und so selbige durchs Loos zum Gouernatore erwehlet wird, ein, zwey, oder mehr hundert Thaler gewinnen kan: dabey gleichwol die Banquieres allezeit den besten Gewinn behalten, massen sie nur wegen 2. Personen zahlen müssen, da sie hingegen auf 120. einnehmen können.  
  Zu Venedig treibt man zwar auf solche Art bey denen Wahlen keine Lotterie, weil dort die Stimmen mit unterlauffen, und also nicht ein pures Glücks-Spiel. Im Gegentheil sind dort vielerhand andere Lotterien, so daß sie wohl in keinem Orte der Welt häuffiger als daselbst gehalten werden, massen auch Privat-Personen, um ihre Güter, Kostbarkeiten, Haus-Geräth und dergleichen mit Manier an Mann zu bringen, solche mit Obrigkeitlicher Einwilligung errichten können.  
  Der berühmte Medicus Seluatico, hatte auf der Spitze eines Berges ein überaus schönes Lust-Haus auf eigene Kosten bauen lassen, dahin man aber nur zu Fusse, und zwar mit grosser Mühe kommen können. Nach seinem Tode kunte es denen Er-  
  {Sp. 569|S. 302}  
  den nichts einbringen, ob es gleich mehr als 50000. Thaler gekostet hatte, dahero erhielten sie gegen Erlegung 1000. Thaler, welche zu dem Türcken-Kriege angewendet sollen werden, die Erlaubniß, daß sie eine Lotterie zu Veräußerung des Schlosses anrichten dürffen. Jedes Loos kostete zwey Pistolen, welche bald weggegangen, weil nicht leicht jemand sowol in als ausser der Stadt gewesen, der nicht gegen einen so vortrefflichen Lust-Pallast ein Loos 7. 8. oder mehr gewagt hätte.  
  Das beste Loos traff einen armen Schiffer, der nicht mehr als ein Loos gehabt, darinnen sein gantzes Capital bestanden. Als er das Lust-Haus gewonnen, verkauffte ers stracks vor zwölff tausend Thaler, und meynete, er wäre der größte Herr von der Welt: der Käuffer hingegen machte gegen Erlegung tausend Thaler eine abermalige Lotterie auf fünff und zwanzig tausend Thaler ausser denen dazu benöthigten Unkosten, welche ebenfalls in kurtzer Zeit voll, und er dadurch mit einem grossen Gewinst erfreuet worden.  
  Viele andere, so mit Land-Güthern und kostbaren Mobilien beladen, von denen sie mehr Beschwerde als Nutzen haben, und solche ohne dem äussersten Schaden nicht verkauffen können, finden durch die Lotterien den allerbequemsten Weg solche loszuwerden, und sich und ihre Familien besser zu versorgen, dabey niemanden Tort geschiehet, und der gemeinen Casse noch ein Vortheil zugezogen wird, indem, wie besagt, ein gewisses vor die Erlaubniß muß gegeben werden.  
  Zu der Zeit des Venetianischen Hertzogs, Francesco Erizzo, sind die Lotterien so gemein worden, daß man nicht allein auf öffentlichen Plätzen solche beständig, sondern auch so gar in denen Klöstern gehalten. Es war auch schon andem, daß der Rath der Zehner (di dieci) disfalls andere Verordnung machen wolte, es trat aber einer von grossen Ansehen unter ihnen auf, und sagte: Piacesse à Iddio che la Republica non habbia mai altri nemici che la Lotteria, perche potrebbe gloriarsi d' hauer nemici che la beneficano. Das ist: GOTT gebe, daß die Republick niemals andere Feinde habe, als die Lotterie, denn solchergestalt wird sie sich rühmen können, daß sie Feinde habe, die ihr Gutes thun: welche Rede es dahin gebracht, daß denen Lotterien nach wie vor der Lauff gelassen worden.  
  Auch hat man sich der Lotterien bereits im 1614. Jahre zu Hamburg bedienet, massen daselbst die grosse Lotterie auf dem Eimbeckischen Hause gehalten, und was das vornehmste, von derselben Gewinn das Werck- und Zucht- Haus im Jahr 1616. zum ersten gebauet und angeordnet worden. Die Art der Ziehung bestund in folgenden: Es waren zwey grosse Körbe gesetzt, aus welchen die Zettel der Namen und der Gewinne, durch einen Waysen- Knaben ausgegriffen, und denn von denen beysitzenden Herren und Bürgern durch den dabey gebrauchten beeidigten Notarium verzeichnet worden. Auf dem Korbe, darinnen die Namen lagen, stunden diese Verse:  
  {Sp. 570}  
  Wer im Bein-Hause erkennen kann
Einen Armen für einen reichen Mann,
Der kan in dieses Korbes Ort
Hie Heintzen treffen, Cuntzen dort.
 
  Auf dem darinnen die Gewinn-Zettel lagen, hieß es:  
  In diesem Korbe die Gewinnen seyn
Für Grosse, Mittel und auch Klein.
Niemand kan sagen, an dieser Sydt
Liegen die Gewinn und da die Nydt.
 
  Im 1694. Jahre, wurden die Lotterien in Engelland eingeführt. Denn als der König eine gute Summe baares Geld eilfertig bedurffte, und das Parlament im Jahr 1694. fast den gantzen Jenner damit zubrachte, wo solches herzunehmen, gab einer den Vorschlag, eine Lotterie von einer Million Pfund Sterlings anzurichten. Dieser ward angenommen, selbige in hundert tausend Loose, jedes zu 10. Pfund Sterlings eingetheilet, mit der Bedingung, daß man einem jeden, der die Loose kauffen würde ein jährlich Interesse von 10. pro Cent auf 16. Jahr geben wolle, nach welcher Zeit das Capital solte verfallen seyn; über diese waren noch fünffhunderr Loose in baaren Gelde darunter der höchste Preiß zu tausend, der kleinste zu zehn Pfund Sterling, welche mit den andern Loosen vermischt, und auch hierbey, damit der König das baare Geld behielte, die Bedingung gefüget worden, daß, wer ein solch Loos zöge, sich mit dem jährlichen Interesse vergnügen solte.  
  Zum Exempel, Madame le Coq, des Mr. le Coq, vormals Parlaments-Raths zu Paris, der hernach wegen der Religion nach Londen geflüchtet, Ehe-Frau, so das Loos von 1000. Pfund bekommen, hat 16. Jahr lang jährlich 1000. Pfund Sterling, ausser denen zwanzig Pfund vor ihr eingesetztes Capital von zwey hundert Pfund vor zwanzig Loose, zu geniessen, welches ein grosser Vortheil; daher man ihr stracks acht hundert Guineen dafür geboten, wenn sie es hätte wollen verkauffen.  
  Bey der grösten Londischen Lotterie hatten zwar Anfangs die Ausländer wegen des Geldes einige sorgfältige Gedancken, da sie aber sahen, daß das Parlament vor die Zahlung gut sagte, alle vornehme Loose nahmen, kamen sie mit einem solchen Eifer, daß nicht nur binnen 5. Monaten die gantze Million voll worden, sondern noch vor zweymal hundert tausend Pfund Loose auf gleiche Bedingung musten hinzu gethan werden. Wie man denn bey gemachter Rechnung befunden, daß aus denen Niederlanden, Deutschland, Schweitz, Italien, ja aus Franckreich selbst drey hundert und funffzig tausend Pfund Sterling, und also ein Drittel von der Lotterie gefüllet: nach deren Ziehung aber in Engeland verboten worden, keine mehr zu halten, daß also diese die Königin und Mutter aller von selbiger Zeit an bis ietzo in Holl- und Deutschland geschehenen Lotterien geblieben.  
  Denn ob zwar schon  
  {Sp. 571|S. 303}  
  in denen nächst vorhergehenden 10. Jahren, drey derselben in Holland, als eine zu Amsterdam, eine zu Dieckerdam, und eine zu Utrecht gehalten worden, auch die in Deutschland von undencklichen Zeiten her bekannten Glücks-Buden oder Glücks-Töpffe, ingleichen das zu Hamburg und anderer Orten gewöhnliche Verspielen, so in gewissen Häusern jährlich mit Obrigkeitlicher Erlaubniß geschiehet, nichts anders als eine Art von Lotterien, haben doch weder jene noch diese iemals ein sonderliches Aufsehen gemacht.  
  Die erste nach der Londischen war in Holland zu Amersfort, welche auf den Fuß von viermal hundert tausend Holländischen Gülden, in sechzehn tausend Loosen, iedes zu fünff und zwanzig Gülden bestanden, und mehrentheils um einige sowol der Stadt als particulieren zugehörige Ländereyen los zu werden, gestifftet worden: wiewol einem jeden frey verblieben zum Gewinn ein solches Land oder baar Geld zu nehmen.  
  Dero Ziehung fieng den 15. Februar. 1695. an, und währete über 4. Wochen. Der höchste Preiß war zwey und siebenzig tausend Gülden; der Profit vor die Stadt etliche dreyßig tausend Gülden, welches zwar ein geringes, doch trug die gute Nahrung von dem gantz ungemeinen Zulauff der Fremden, da alle Häuser bis unter die Dächer voll gesteckt, ein weit grösseres ein.  
  Gleich darauf im Jahr 1695. errichtete man zum Besten der Wallonischen Kirche zu Amsterdam eine doppelte Lotterie; eine zu vier hundert und funffzig tausend Gülden, bestehende in 25000. Loosen, iedes zu 18. Gülden, darinnen der größte Gewinn dreyßig tausend Gülden; die andere zu achtmal hundert tausend Gülden von einer gleichen Anzahl Loose, jedes zu zwey und dreyßig Gülden, dabey das gröste Loos funffzig tausend Gülden. Die entworffene Einrichtung war zwar Anfangs nur auf eine Million Gülden in einer Lotterie, da iedes Loos funffzig Gülden, und der gröste Gewinn zweymal hundert tausend Gülden seyn solte, es ward aber aus wichtigen Ursachen geändert. Der Buchdrucker Pierre Mortier gab der Kirche allein dreyhundert Thaler, daß er das Verzeichnis der gezogenen Loose drucken und verkauffen durffte, und soll nicht übel dabey gefahren seyn.  
  Leti, der diese Lotterie gantz genau beschrieben, bemerckt dabey, daß kaum 50. Engeländer in dieselbe gesetzet, da doch über 100. Holländer ihr Geld in die Englische gewaget, und in solcher Salomon Blocquery Director der Ost- Indischen Compagnie zu Amsterdam, allein 100. Loose genommen.  
  Fast zu gleicher Zeit mit der zweyten Amsterdamer ward auch die Harlemer zu 25. Fl. gezogen, dabey Leti abermals anmercket, daß die Amsterdamer Loose von der zweyten meist in der Stadt geblieben, die Harlemer meist auf auswärtige gefallen. Ingleichen daß Iean Deformeaux, Prediger der refugirten Frantzosen in Harlem, in selbiger Lotterie 50. Loose jedes zu 25. Fl. genommen, und fast alle das seine hinein gesetzt, und lauter Nieten bekommen: doch hat er in Gesellschafft mit seinem Bruder noch drey Loose in der Amsterdamer von 32. Fl. gekaufft, und mit einem derselben 25000. Fl. gewonnen.  
  Da hingegen eine Sara Lafitte, Frantzösin und re-  
  {Sp. 572}  
  fugirte Priester-Wittwe, so von Allmosen gelebet, und aus solchen und allerhand verkaufften alten Galanterien so viel aufbracht, daß sie um 25. Fl. ein Loos in der Harlemer Lotterie nehmen können, mit welchem sie 20000. Gülden gewonnen.  
  Auf diese kamen die Lotterien zu Monickdam, Alcmar, Briel, und vielen andern Orten in Holland, in so grosser Menge, daß man der gemeinen Meynung ist, daß im Lande kein Flecken, und in Amsterdam keine Familie, so nicht eine gehalten, und überall, die Bettler ausgenommen, in den gesamten Volck- reichen Provintzien keine 1000. Personen, die nicht ihr Glück darinnen versuchet.  
  Was die particulieren Lotterien in Amsterdam anlanget, so ist die erste von einer Fontangen-Macherin, die andere von einem Goldschmiede, die dritte von einer Kauffmanns- Wittwe, so alle drey refugirte Frantzosen, um ihre altväterische Waaren loszuwerden, ohne Obrigkeitliche Erlaubniß gehalten worden, und ein so grosser Mißbrauch in kurtzen daraus entstanden, daß man dieselben enstlich untersagen müssen.  
  Das Volck war so erbittert darauf, daß es bey damaligen schweren Kriege alles Raisonniren über die Staats- Sachen vergaß, und ohne Murmeln neue Auflagen auf das Saltz und Seiffe legen lassen, so sonst nicht leichte würde geschehen seyn: daß also damals unter den Lotterien eine gute Politique gestecket. Man hat auch gesehen, daß noch Geld genung vorhanden, massen zum wenigsten drey Millionen Gülden todt oder unbelegt Geld etliche Monat lang vorhanden gewesen.  
  Nach dem Kriege zogen die Lotterien aus Holland in Franckreich, und waren daselbst im Zahl 1700.  
 
  • eine zu Rouen von fünff und dreyßig tausend Louis d' or,
  • eine zu Bourdeaux von fünff und zwantzig tausend,
  • eine zu Troyes von funffzehn tausend, eine zu Tours von zehn tausend,
  • eine zu Caen von zehn tausend,
  • eine dritte (massen zwey schon vorhergangen) zu Lion von funffzig tausend Louis d’ or,
  • eine zu Marseille,
  • und eine zu Angers von funffzehn tausend Thaler.
 
  Dahero entschloß im May besagten Jahres der Königliche Finantzien-Rath, zu Bezahlung des Königs Schulden, eine Königliche Lotterie von 10. Millionen Frantzösischer Pfund, bestehende in viermal hundert tausend Loosen, iedes zu zwey Louis d‘ or, aufzurichten, vor welche jährlich fünffmal hundert tausend Pfund in 475. Loosen, darunter die zwey grösten iedes von zwanzig tausend Pfund jährlicher Renten, auf dem Rath-Hause zu Paris an Leib-Renten solten bezahlet werden. Allein es wolte mit dieser Königlichen Lotterie nicht recht fort, ob sie gleich getheilet, und Geld-Loose hinzu gethan, ob auch gleich fast ein iedes Collegium eine gewisse Zahl zu nehmen gezwungen worden.  
  In Deutschland sind nicht minder verschiedene dergleichen wichtige Lotterien gezogen worden, als zu Hamburg  
  1) die Banco-Lotterie im Jahr 1696. von 15000. Losen, iedes zu 10. Thalern, darinnen der höchste Gewinn 40000. Marck- Lübisch;  
  2) zum Behuff des Zucht-Hauses im Jahr 1700. von 10000. Losen, iedes zu 5. Thalern;  
  3) Noch zum Behuff besagten Hauses im Jahr 1701. von 15000. Loosen, (massen sie wegen der vielen  
  {Sp. 573|S. 304}  
  Liebhaber um 5000. Stück vergrößert worden,) iedes zu 5. Thalern.  
  4) Eine Lotterie von Leib-Renten im Jahr 1701. von 20000 Loosen, iedes zu 10. Thalern, alles in specie: welche beiden letztern in einer Zeit von wenig Tagen voll worden.  
  Anstatt des Profits vor das Publicum, und die dabei auflauffenden Unkosten, hat man alle Zeit 10. von 100. auf die Gemeine abgezogen.  
  Zu Altona des 1703. Jahrs eine von 10000 Loosen, iedes zu vier Thalern. Die Kremper in eben diesem Jahre von gleicher Zeit und Preis. Die Tönninger von 10000 Losen, jedes zu 5. Thalern, welche alle aber von der zu Rostock übertroffen werden.  
  Von Lotterien lese man auch etwas im Artickel Loos.  

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Stand: 1. Juli 2023 © Hans-Walter Pries