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Zedler: Nachdruck derer Bücher [2] HIS-Data
5028-23-60-8-02
Titel: Nachdruck derer Bücher [2]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 23 Sp. 68
Jahr: 1740
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 23 S. 51
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Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

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Übersicht
Scheingründe zur Rechfertigung
  Ehre Gottes
  Förderung des gemeinen Besten
 
  billiger
  Seltenheit der Bücher
Verbietungsrecht der rechtmäßigen Verleger
  Freiheit der Wirtschaft
  Mangel an Privilegien
  Verhinderung eines Monopols

Stichworte Text   Quellenangaben
Scheingründe zur Rechfertigung Eben diese vernünfftigen Ursachen werden auch zweifelsohne zureichend seyn, die Schein-Gründe zu widerlegen, mit welchen unbefugte Nachdrucker ihr gewinnsüchtiges Unterfangen zu beschönigen suchen.  
Ehre Gottes Das vornehmste, wodurch sie ihren schändlichen Geitz zu bemänteln, und demselben ein recht heiliges Ansehen zu geben pflegen, ist die vorgewendete Beförderung der Ehre Gottes. Der Zweck ist an und vor sich selbst sehr edel. Allein die Mittel, deren sich unbefugte Nachdrucker zu dessen Erhaltung bedienen, heben denselben vielmehr auf.  
  Es erhellet solches gantz deutlich aus einem richtigen Begriffe, den man sich hierbey von der Ehre Gottes machen muß. Die Ehre Gottes befördern, heißt nichts anders, als dem vollkommensten Wesen in allem gehorchen, das ist, die von ihm geordnete Subordination derer Zwecke und Mittel die höchste Richtschnur seines Lebens seyn lassen, und sich bemühen, seine Handlungen mit dieser weisen und gerechten Ordnung von Tage zu Tage in völlige Übereinstimmung zu bringen. Keine That muß so geringe seyn, bey welcher ein vernünfftiger Mensch nicht jetzt gedachte göttliche Ordnung vor Augen zu haben, und derselben vor seinen eigenen Lüsten die Ehre und den Vorzug zu geben, verbunden seyn solte. Derjenige, welcher dieser Verbindlichkeit ein Gnüge leisten will, muß in der Erkänntniß der göttlichen natürlichen Gesetze und in dem reinesten Gehorsam gegen ihn besonders starck seyn. Und es ist also die schändlichste Verlästerung der Ehre Gottes, die Erwehnung derselben zur Bemäntelung unvernünfftiger Thaten, zur Beschönigung arglistiger und unbefugter Unternehmungen zu mißbrauchen, die weder in göttlichen noch weltlichen Rechten Grund haben, und deren Absicht vielmehr ist, andern das ihrige abzulocken. Siehe August Friedrich Müllers Einleitung in die Philosophischen Wissenschafften in der Metaphysick …
  Mit was vor Gewisse können demnach unbefugte Nachdrucker vorgeben, daß sie Gottes Ehre befördern, das ist, dem göttlichen Willen den reinesten Gehorsam erweisen wollen, durch ein Vornehmen, welches dem göttlichen Willen und der weisesten Ordnung desselben schnurstracks entgegen ist. Was Gottes natürlicher und geoffenbahrte Wille dißfalls von ihnen fordere, und wie unverantwortlich sie den-  
  {Sp. 69|S. 52}  
  selben übertreten, ist oben schon zur Gnüge gezeiget worden. Der Grund ihres Unternehmens ist der schädlichste Geitz. Gott und dem Mammon zugleich zu dienen ist unmöglich. Wo sichere Merckmahle vorhanden sind, daß man dem letztern seines Nächsten gerechte Vortheile aufopffere, da liegt gantz deutlich am Tage, daß man dem erstern schon längst Dienst und Gehorsam aufgesaget habe.  
  Gottes Ordnung verlangt von ihnen, ihren Nächsten zu lieben, als sich selbst, aber nicht weniger, als sich selbst, noch viel weniger aus verderbter Eigenliebe zu hassen. Derjenige liebet seinen Nächsten weniger, als sich, ja er hasset ihnen sogar, der ihm seine Rechte, Vortheile, Freyheiten u.s.w. raubet. Wer dieses thut, widerstrebet der göttlichen Ordnung, und eben hierdurch schändet er Gott, statt daß er ihn zu ehren vorgiebt. Und solchemnach ist und bleibet das unverschämte Vorgeben unbefugter Nachdrucker von Beförderung der Ehre Gottes entweder nur ein pöbelhafter Ausdruck einer heiligen Einfalt, oder, welches ihren wahren Absichten wohl am gemässesten seyn dürffte, eine verführerische Schmincke scheinheiliger Boßheit.  
Förderung des gemeinen Besten Der Ehre Gottes setzen insgemein unbefugte Nachdrucker die Beförderung des gemeinen Bestens an die Seite. Wir wollen untersuchen, ob und wie sie diesem an und vor sich gantz billigen Vorsatze ein Gnüge thun. Zwey Umstände sind es, die hierbey ihren eitlen Absichten zum wenigsten im Anfange ein gutes äusserliches Ansehen geben. Sie vermeynen dadurch des Nächsten Nutzen zu befördern, wenn sie einmahl ihren Nachdruck wohlfeiler, als die rechten Verleger die Original-Exemplarien, geben, andern Theils nützliche Bücher, die aber nicht mehr, oder sehr wenig zu haben wären, desto häuffiger unter die Leute bringen wollen.  
billiger Was das erste anbelangt; so geben sie sich hierbey alle nur ersinnliche Mühe, rechtschaffene Verleger der grösten Ungerechtigkeit zu beschuldigen, daß sie ihre Verlags-Bücher so hoch hinaus trieben. Sie aber rühmen sich vor ihnen einer recht milden Christlichen Liebe, da sie vermöge eines scheinbaren Vorgebens einen ansehnlichen Vortheil lieber missen, als ihren Nächsten die Erkauffung guter Bücher schwer machen wollen. Die Worte sind zwar schön; allein das darunter versteckte Gifft ist desto gefährlicher. Freygebig zu seyn von geraubtem, etwas wohlfeil zu geben, daß einem selbst nicht theuer zu stehen kommt, ist eine schlechte Probe Christlicher Liebe.  
  Es ist eine gantz leichte Sache, daß unbefugte Nachdrucker ihre Waare wohlfeiler geben können, als die rechtmäßigen Verleger. Der Aufwand ist bey jenen nicht so groß, als bey diesen, gewesen. Rechtmäßige Verleger haben einen ansehnlichen Theil ihres baaren Geldes auf die Befriedigung derer Verfasser, auf Anschaffung saubern Papiers, auf Verfertigung neuer Schrifften, und andere hierbey vorfallende Nothwendigkeiten verwenden müssen. Nachdrucker haben mit dem Verfasser nichts zu thun, und da derselbe vor seine Mühe schon befriedigt ist, brauchen sie davor nicht das geringste aufzuwenden. Vor das übrige sind sie besorgt, indem insgemein bey nachgedruckten Wercken die Sauber-  
  {Sp. 70}  
  keit des Druckes und Papiers, ingleichen die gehörige Accuratesse gar sehr gesparet wird. Drucken sie gar fremde Bücher, nach der jetzigen Mode, auf Subscription nach; so haben sie nicht einmahl nöthig, ihr eigenes Capital anzugreiffen, und die Interessen davon eine Zeit lang einzubüssen. Sie thun den Verlag von fremden Gelde, und erwerben sich also mit leichter Mühe ein neues Capital und dessen Interessen.  
  So ist es demnach leicht möglich, ein Buch wohlfeil geben zu können, dessen Verlag weder so gar kostbar, noch auch den angemaßten Verleger sauer angekommen ist. Man kan es daher rechtmäßigen Verlegern keinesweges als eine Unbilligkeit auslegen, wenn sie ihren Verlags-Büchern einen höhern Werth setzen, als mit denen es eine gantz andere Bewandniß hat. Es stehet ihnen ja nach allen Rechten, wie allen andern Handelsleuten, frey, ihren Waaren einen solchen Preiß zu setzen, dessen Zahlung ihnen die angenehme Hoffnung macht, den darein gesteckten baaren Verlag, so bald als möglich, wieder zu erhalten. Ein billiger Vortheil ist ihnen gerne zu gönnen. Denn das ist die gerechte Absicht, wie aller andern, also auch ihrer Handlung.  
  Setzet man diese Umstände zum Grunde; so wird nicht leicht ein vernünfftiger Mensch sich beklagen, daß er ein Werck von Wichtigkeit, dessen Druck und Papier sauber und correct besorget worden, einem redlichen Verleger zu theuer bezahlt habe. Um desto weniger ist hierbey abzusehen, wie doch durch dergleichen hohe, aber darbey dem innern Werthe des Werckes gemässe Preise, das gemeine Beste den geringsten Schaden leide. Allein was tragen denn unbefugte Nachdrucker durch ihren wohlfeilen Verkauff zu dessen Beförderung bey? Gewiß wenig, oder nichts. Alles kan in der Welt nicht wohlfeil seyn. Nur diejenigen wollen gern alles wohlfeil haben, die den wahren Werth der Sachen nicht kennen, oder wo auch dieses ist, aus einer unordentlichen Selbst-Liebe, lieber alles umsonst hätten. Deren eitlen Absichten allzuviel nachzugeben, heißt das gemeine Beste mehr hindern, als befördern.  
  Vernünfftigen Gelehrten geschiehet dadurch der wenigste Gefallen, je nachtheiliger dergleichen Unterfangen der gantzen Gelehrsamkeit zu seyn scheinet. Verfertiger tüchtiger Wercke können es nicht anders als übel empfinden, wenn ihre Schrifften durch wohlfeilen Preiß verächtlich gemacht werden. Sie wissen mehr als zu wohl, daß die meisten Menschen, und vielmahl nicht ohne Grund, also schliessen: Was nicht viel kostet, das ist auch nicht viel werth. Aus eben dieser Ursache ist es andern Gelehrten sehr mißfällig, wenn gute Bücher, vermittelst schlechter Preise, fast dem Maculatur gleich bezahlet werden. Und dieses um desto mehr, da sie wahrnehmen, daß die so wohlfeilen Auflagen verhuntzte und verstümmelte Nachdrucke sind. Verständige Kenner bezahlen ein correct und sauber Buch einem tüchtigen und redlichen Verleger lieber etwas theurer, als einem Pfuscher und Windmacher ein uncorrectes und überhin gesudeltes wohlfeiler. Und wenn ein etwas erhöheter Preiß ein Schaden oder Ubel zu nennen wäre; so würde es zum wenigsten erleidlicher seyn, in dem Preisse übersetzt, als in der Waare betrogen zu werden.  
  {Sp. 71|S. 53}  
  Und gesetzt, daß durch wohlfeilere Bücher-Preisse etwan denen Armen einige Erleichterung geschaffet werden könnte; so wird der aus dieser Ursache unternommene Nachdruck dennoch ebenso ungerecht bleiben, als die reichen Allmosen eines Räubers von gestohlnen Gütern. Christliche Buchhändler werden schon wissen, wie sie hierbey sich derer Armen Nothdurfft annehmen sollen.  
  Allein die rechte Wahrheit zu entdecken, dieses alles ist keinesweges die eigentliche Absicht unbefugter Nachdrucker. Nicht das gemeine Beste, nicht die Beförderung der Gelehrsamkeit, nicht die Bedürfnisse derer Armen haben sie sich zum Ziel gesetzt. Ein gewinnsüchtiger Eigennutz ist der eintzige Endzweck, den sie nur unter diesen Schein-Ursachen meisterlich zu verbergen wissen. Sie suchen, wie Aristophanes in Equitibus sagt, das von einem andern gekochte und zubereitete Essen höchstbegierig zu verschlucken. Sie sind bemüht, rechtschaffnen Verlegern ihren rechtmäßigen Profit, als unverschämte Brodt-Diebe, vor dem Maule hinweg zu nehmen, ihnen die Käuffer unter dem Schein des Rechten abspenstig zu machen, und mit ihrem Schaden reich zu werden. Wie kan das nun eine wahre Beförderung des gemeinen Besten seyn, welches nur auf eiteln Eigennutz und auf fremden Schaden abzielet. Sie sind daher grobe Übertreter nicht nur des siebenden, sondern auch des zehenden Gebotes. Und läßt sich von ihnen sehr wohl sagen, was Lutherus in dem grossen Catechismo … und zwar in der Erklärung des zehenden Gebotes mit nachdrücklichen Worten erinnert:  
  Wir sollen wissen, daß Gott nicht haben will, daß du dem Nächsten etwas, das ihm gehöret, also entziehest, daß ers entbehre, und du deinen Geitz füllest, ob du es gleich mit Ehren vor der Welt behalten kanst. Denn es ist eine heimliche meuchlinge Schalckheit und wie man spricht, unter dem Hütlein gespielt, daß mans nicht mercken soll. Denn ob du gleich hingehest, als habest du niemand unrecht gethan; so bist du doch deinem Nächsten zu nahe getreten, und heisset es nicht gestohlen, noch betrogen; so heisset es dennoch, des nächsten Gut begehret, das ist, darnach gestanden und ihm abwendig gemacht ohne seinen Willen, und nicht wollen gönnen, das ihm Gott bescheret hat. Und ob ihr erster Richter und jedermann lassen muß; so wird dir es doch Gott nicht lassen. Denn er sieht das Schalcks-Hertze und der Welt Tücke wohl, welche, wo man ihr einen Finger breit einräumet, nimmt sie einer Ellen lang darzu, daß auch öffentlich Unrecht und Gewalt erfolgt.  
Seltenheit der Bücher Was zum andern die vorgewendete Seltenheit der Bücher anbelangt; so beruhet dieselbe mehrentheils nur auf leerer Einbildung. Der Verfasser des rechtlichen und Vernunfft-mäßigen Bedenckens von dem schändlichen Nachdruck andern gehöriger Bücher mercket … sehr wohl an:  
  Es werde sich mehrentheils äussern, daß die Buchführer viele auswärtige Schrifften nicht suchten, die man in grosser Menge allda fände, wo sie gedruckt sind. Viele wären zu faul, oder hätten keine Correspondentz, oder auch keinen Vorschuß an Gelde. Der Pater Simon erzehle in seiner Bibliotheque Critique, daß des Le Cointe  
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  Annales Francorum Ecclesiastici um billigen Preiß zu Paris zu haben gewesen, ob man schon in Holland, Deutschland und Engelland dieselben vor sehr rar ausgegeben. Siehe auch §. 27 …
  Nicht weniger bezeugen sonderlich von denen jetzigen Zeiten die gelehrten Geschichte, daß unbefugte Nachdrucker Bücher vor rar ausgegeben, welche doch nach dem öffentlich gethanen Geständnisse ihrer rechtmäßigen Verleger bey ihnen annoch in zahlreicher Menge vorräthig sind, oder deren neue Auflage zum wenigsten von ihnen selbst gegenwärtig besorgt wird. Allein gesetzt, es wäre ein Buch so abgegangen, das wegen seiner Seltenheit die Gelehrten eine neue Auflage wünschten; so gebühret dennoch niemand, dem wahren Verleger hierinnen vorzugreiffen, der sich seines Rechtes an dem Druck desselben niemahls weder ausdrücklich, noch stillschweigend, begeben. Es erfordert vielmehr die Schuldigkeit eines Tugend-liebenden Buchhändlers, im Fall, daß ein rares Buch häuffig gesucht wird, solches dem rechtmäßigen Verleger in Zeiten wissend zu machen, der denn gar bald zu Ausfertigung einer neuen Auflage Anstalt zu machen, und das gemeine Beste hierunter zu befördern, kein Bedencken tragen wird, als worzu er in diesem Falle vor allen andern verbunden und berechtiget ist.  
Verbietungsrecht der rechtmäßigen Verleger Und also gehet denn die tadelhafte Absicht unbefugter Nachdrucker eintzig und allein dahin, ihren Unternehmungen alles Recht beyzulegen, denen rechtmäßigen Verlegern aber das ihrige, und folglich alles Verbietungs-Recht wider sie, gäntzlich abzusprechen. Sie geben vor, es könne kein Buchhändler ein vollkommen Recht haben, seine verlegten Bücher allein und mit Ausschliessung anderer (privative) zu drucken und zu verkauffen, weil erstlich die Bücher eines öffentlichen und jedermann zustehenden Gebrauchs (publici juris) wären, und solches die Freyheit derer Commercien aufhebe. Zum andern hätten die Buchhändler, um ein tüchtiges Verbietungs-Recht (Jus prohibendi) zu erlangen, nöthig, deswegen besondere Privilegien auszubringen. Und drittens lieffe die gantze Sache auf einen schädlichen Zwang-Kauff (Monopolium) hinaus.  
Freiheit der Wirtschaft Was den ersten Schein-Grund anbelangt; so beruhet er auf dem heut zu Tage leider allzu hoch getriebenen Satze, daß der Buchhandel, wie alle Commercien, eine freye Handlung sey, und also einem jeden frey stehe, Bücher drucken zu lassen, und damit zu handeln. Allein die Freyheit derer Commercien überhaupt, und also auch des Buchhandels, ist so unumschränkt nicht, daß ihr nicht aus erheblichen Ursachen, und wo das Beste des gemeinen Wesens darunter leidet, nöthige Schrancken gesetzet werden könnten, oder solten. Siehe
  • Müllers Einleitung in die Philosophischen Wissenschafften, und zwar in die Politick …
  • Caspar Ziegler de Jure Commerciorum …
  • Carpzov in Jurispr. Consist. …
  So weit kan sich die Freyheit des Buchhandels, welche doch, wie die Freyheit aller Handlungen, die natürliche Billigkeit zum Grunde haben muß, nimmermehr erstrecken, daß man einem andern seine eigenen Bücher, wie auch die ihnen daran vor allen andern zukommenden Rechte nehme,  
  {Sp. 73|S. 54}  
  und durch unbefugten Nachdruck einen redlichen Verleger in unersetzlichen Schaden bringe. Wenn auf solche Art die Bücher eines öffentlichen Gebrauchs (publici juris) wären; so dürffte es einem Nachdrucker nicht verdriessen, wenn Käuffer ohne Geld aus seinem Laden alle ihnen anständige Bücher, ohne etwas davor zu entrichten, mit sich nähmen. So unbillig ihnen aber dieses scheinen würde, so unerlaubt ist ihr eigen Vornehmen, da beyde Fälle darinnen mit einander überein kommen, daß einer den andern seines Eigenthums ohne Entgeld beraubet, und ihn dadurch in Schaden setzt.  
  Im übrigen wird der freye Buchhandel dadurch im geringsten nicht beeinträchtigt, wenn ein Buchhändler weder gestatten kan, noch will, daß man seinen Verlag, ohne seine Einwilligung, anderweit nachdrucke. Es bleibt ja andern Buchhändlern das Recht, von neuen Büchern so viel zu verlegen, als sie wollen. Es bleibt ihnen auch die Freyheit, die Bücher eines andern Verlegers nach eigenem Gefallen zu verkauffen, nachdem sie dieselben von ihm gegen baares Geld oder andere Waaren rechtmäßiger Weise an sich gebracht haben.  
Mangel an Privilegien Was zum andern den Mangel nöthiger Privilegien betrifft; so giebt derselbe boßhafften Nachdruckern so wenig ein Recht, als er denen eigentlichen Verlegern ihr Verbietungs-Recht zweiffelhafft macht. Sie schliessen hierbey insgemein also: Wer ein wohl hergebrachtes Recht (Jus quaesitum) vor sich hat, brauche keines besondern Privilegii; Nun aber schafften ja Buchhändlern dergleichen Freyheits-Briefe von hohen Häuptern mit grossen Kosten an; So müsse ihnen an und vor sich kein vollkommenes Recht zustehen, ihre Verlags-Bücher allein und mit Ausschließung anderer zu verlegen. Siehe des Herrn von Ludewig Praefat. ad Reliqu. MSC.
  Es braucht aber nicht viel Mühe, den Ungrund dieses Schlusses zu zeigen. Bücher-Privilegien sind an und vor sich selbst so wenig nöthig, als bürgerliche Gesetze wider den Diebstahl. Die Pflicht, einem jeden das Seine zu lassen, und in keinem Stücke an dessen freyen Gebrauche hinderlich zu seyn, kan und soll allen vernünfftigen Creaturen von Natur bekannt seyn. Wenn aber die Boßheit derer Menschen die natürlichsten Verbindlichkeiten zu beobachten, mutwilliger Weise unterläßt, und hierdurch äusserliche Unordnungen in dem gemeinen Wesen entstehen; so muß dem Unwesen durch nachdrückliche Verordnungen derer Obern gesteuert werden. Und eben dieses ist der Ursprung derer Bücher-Privilegien gewesen.  
  Die gewaltsamen und häuffigen Eingriffe eigennütziger Nachdrucker in die Rechte einiger Verleger haben diese genöthiget, durch Erheischung derer Privilegien ihre schon würcklich vorhandenen Rechte wider jene desto stärcker zu befestigen. Dieses eben war auch die Ursache, warum Erasmus schon zu seiner Zeit dem berühmten Frobenio solches Mittel anrathen müssen. Siehe
  • Erasmus in Epist. ad Pirckheimer.
  • ingleichen Cheviller de l'Origine de l'Imprimerie
  • ingleichen das Rechtliche Bedencken von Nachdruck andern gehöriger Bücher …
  So ist denn die Ausbringung derer Bücher-Privilegien mehr eine nöthige Be-  
  {Sp. 74}  
  hutsamkeit, sein Recht zu erhalten, als ein Mittel, selbiges erst zu erwerben. Eben dahin gehet des berühmten Sächsischen Rechts- Gelehrten, Benedict Carpzovs Meynung l.c. …  
  Im übrigen wächst aus dem Mangel eines Privilegii dem Nachdrucker nicht das geringste Recht zu. Welche irrige Meynung ein ebenfalls alter und angesehener Rechts-Gelehrter, Adrian Beyer, in dem kurtzen Berichte von der nützlichen und fürtrefflichen Buchhandlung … also widerlegt:  
  Hats Zeit bis dorthin, möchte einer sagen, und müssen die Buchhändler sich durch Privilegien vorher bewahren; so folgt, wo deren keines ist, wird der Nachdruck ungewehrt und ungestrafft seyn. Nicht also, mein Freund. Der Proceß ist in solchem Fall, da auf Privilegien geklagt wird, schleuniger, (weil nemlich in solchem Falle der langwierige und verdrüßliche Beweiß des Interesse wegfällt, arg. §. 7. Inst. de verb. oblig.) Die Hülffe ist nachdrücklicher, die Straffe empfindlicher. Folgt aber darum nicht: Wo kein Privilegium, da sey kein Recht, keine Hülffe, keine Sünde, keine Straffe. Das natürliche Recht, die Vernunfft, weiset einen jeden an, liegen zu lassen, was nicht sein ist. Wird zwar um der Menschen Boßheit, theils Dummheit, durch die Obrigkeit mit angehängter Straffe verboten, war aber schon vorhin nicht recht, stehlen.  
  Hieraus erwächst demnach folgender unwidertreiblicher Schluß: Wo eine Befestigung eines Rechtes statt findet, da muß schon ein Recht vorhanden seyn, welches fest gestellet werden kan. Denn von einem Dinge, welches nirgends zu finden, kan man ja nicht sagen, daß es diese oder jene Eigenschafften an sich habe. Bestätigt der Landes-Herr durch Privilegien denen Buchhändlern das Recht, ihren Verlag allein und mit Ausschliessung anderer zu drucken; so müssen sie auch, solches zu thun, vorher schon ohne dergleichen Begnadigungen berechtiget gewesen seyn.  
  Nun ist das letztere mit denen oben beygebrachten Beweiß-Gründen bereits zur Gnüge ausgeführet worden. So muß denn hieraus nothwendig folgen, daß also gestalten Sachen nach rechtmäßigen Verlegern ihr Recht, ihre Verlags-Bücher allein zu drucken, und das daraus fliessende Verbietungs-Recht auf keinerley Art und Weise abgesprochen werden könne. Zwar ist es an dem, daß Bücher-Privilegien insgemein nur auf eine gewisse Zeit verliehen werden. Und eben hieraus werden vielleicht unbefugte Nachdrucker folgern, daß das Recht derer Verleger nicht unwiderruflich, mithin nicht vollkommen sey. Allein deswegen hört doch ein wahrhafftes Recht nicht auf, ein Recht zu seyn, wenn es gleich dem Landes-Herrn nicht gefällig ist, dasselbe weiter zu bestätigen.  
  Kan so denn gleich ein rechtmäßiger Verleger nicht aus einem besondern Rechte klagen; so findet er doch in dem allgemeinen bereits hinlänglichen Grund darzu. Zudem zielet die Wiederruffung solcher Privilegien eigentlich nur auf einen sich eräugnenden Mißbrauch desselben. Carpzov l.c. …
  Die Erfahrung lehrt hingegen, daß, wenn dieser wegfällt, die auch nur auf gewisse Zeiten verliehene Privilegien auf gebührendes Ansuchen wiederum er-  
  {Sp. 75|S. 55}  
  neuert, und auf mehrere Jahre hinaus erstreckt werden. Welches gewiß nicht geschehen würde, wenn denen Verlegern an der Sache selbst kein Recht zukäme.  
Verhinderung eines Monopols Aus diesem allem wird zugleich erhellen, daß drittens die gantze Sache keinesweges auf einen schädlichen Zwangkaufff (Monopolium) hinaus lauffe. Dahin gehet vornehmlich die Meynung des bereits angeführten Jenaischen Responsi … Selbst die Beschreibung eines Zwangkaufffs widerspricht dem irrigen Vorgeben derer, welche es davor gehalten wissen wollen. Die Rechts-Gelehrten verstehen darunter einen Kauff oder Verkauff solcher Sachen und Waaren, deren Handel und Vertrieb sonst einem jeden ohne Unterschied zustehet, dessen sich aber jemand gantz allein anmasset. Lüder Mencke in Theor. et Prax. Pandect.
  Nunmehr fraget es sich billig, ob denn der Druck und Verlag eines Buches, worzu ein Verleger sich allein ein Recht erworben, ein dergleichen und sonst einem jeden freystehendes Gewerbe genennt zu werden verdiene? Woran man ein Eigenthum hat, das ist sonder Streit ausser dem Stande der Gemeinschafft. Nun stehet einem rechtmäßigen Verleger an dem Buche, welches er von dem Verfasser erhandelt hat, vermöge eines besondern Vergleichs das Eigenthum zu, wie oben bereits ausführlich dargethan worden. So muß denn hieraus gantz unfehlbar folgen, daß andern Buchhändlern daran kein Recht der Gemeinschafft zukomme. Mithin kan die Befugniß eines rechtmäßigen Verlegers, sein eigenthümliches Buch allein und mit Ausschliessung anderer drucken zu können, kein schädlicher Zwangkauff genannt werden. Alsdenn aber würde es diesen verhaßten Namen verdienen, wenn ein oder der andere Buchhändler sich allein das Recht, alle Bücher seiner Stadt, worinnen er lebt, zu verlegen, anmassen, oder keinem Buchhändler seine Verlags-Bücher zum Verkauff um einen billigen Anschlag überlassen, und also allen Profit allein ziehen wolte.  
  Allein alle diese Umstände schicken sich zu gegenwärtigem Falle nicht. Folglich gehört er auch nicht zu dem so genannten Zwangkaufffe. Aber gesetzt, welches doch als wahr zuzugeben nicht nöthig ist, es wäre solcher auch von der Art; so ist ja bekannten Rechtens, daß auch dergleichen, wenn es das gemeine Beste erfordert, gar wohl erlaubt sind. Daß aber in gegenwärtigem Falle das gemeine Beste starcken Antheil daran nehme, hat sonderlich Carpzov l.c. … gar wohl ausgeführet. Siehe auch
  • Ziegler de Jur. constit. monopol. …
  • Lederer ad l. un. C. de monopol. …
  • George Werner de Monopol.
  Hingegen hebet sich der gar zu vielen Handelsleuten freygelassene Verkehr derer Sachen und Waaren, sobald er schädlich zu werden beginnt, von selbst auf. So muß denn der Zwangkauff, welcher den Nutzen der Handlung selbst zum Grunde hat, weder schädlich, noch der guten Verfassung eines gemeinen Wesens zuwider seyn können. Und so muß denn auch das rechtmäßigen Verlegern unprivilegierter Bücher wider die allzu gewinnsüchtigen Nachdrucker zukommende Verbietungs-Recht fest und unbeweglich stehen. Um desto  
  {Sp. 76}  
  mehr aber wird diese Meynung dadurch bestärckt, da man die gründlichsten Rechts-Aussprüche zweyer berühmten Facultäten Sachsenlandes, der Leipziger und Wittenberger, vor dieselbe anführen kan, wovon das erste in Bergers Elect. Discept. For. … das andere aber in Wernhers Obs. For. … befindlich ist.
     

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Stand: 3. April 2013 © Hans-Walter Pries