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Zedler: Nation HIS-Data
5028-23-901-12
Titel: Nation
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 23 Sp. 901
Jahr: 1740
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 23 S. 468
Vorheriger Artikel: NATIO INFAMATA
Folgender Artikel: National-Bank in Groß-Britannien
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Bibel

  Text Quellenangaben
  Nation, lat. Natio, Frantzösisch Nation, heisset seiner eigentlichen und ersten Bedeutung nach, so viel, als eine vereinigte Anzahl Bürger, die einerley Gewohnheiten, Sitten und Gesetze haben.  
  Aus dieser Beschreibung folget von selbst, daß ein gewisser, grosser oder kleiner Bezirck des bewohnten Erd-Kreises, eigentlich nicht den Unterschied der Nationen ausmache, sondern daß dieser Unterschied eintzig und allein auf die Verschiedenheit der Lebens-Art und Gebräuche beruhe, folglich in einer offtmahls kleinen Provintz, Leute von unterschiedenen Nationen bey einander wohnen können.  
  Schwerlich wird sich jemand zu behaupten unterstehen, daß die Wenden, ob sie gleich annoch, und zwar fast mitten in Deutschland, in einem schmalen Strich Landes wohnen, auch auf allen Seiten Deutsche Nachbarn haben, zur Deutschen Nation gehören, welches aber nothwendig folgen würde, wenn der  
  {Sp. 902}  
  Unterschied der Nationen nach den Provintzen solte beurtheilet werden.  
  Vielmehr kan man sagen, daß das Wort Nation dem Inbegriff verschiedener Nationen, die in einem Bezircke wohnen, und eigentlich ein Volck (Populus) heisset, entgegen gesetzet werde. Dieses in der That und in dem Ursprunge des Worts selbst, gegründeten Unterschiedes ohngeachtet, aber hat der Gebrauch es schon lange eingeführet, daß das Wort Nation auch für ein Volck, welches in einer gewissen und von andern abgesonderten Provintz wohnhafft ist, genommen wird.  
  Bisweilen aber bedeutet es auch so viel, als ein gewisser Stand (Ordo) oder eine Gesellschafft (Societas.) Bey denen neuern Lateinischen Schrifft-Stellern hingegen wird es auch mit unter von einer besondern Secte gebraucht. Insgemein aber kommt es doch mehrentheils nur in dem andern Verstande vor, da es nemlich die Einwohner einer Provintz bemercket.  
  Gleichwie aber ein Volck oder eine Nation vor der andern gemeiniglich, seine besondern guten und schlimmen Eigenschafften, oder seine Tugenden und Fehler, an sich hat, wie ferner unten bey dem Naturell der Völcker wird bemercket werden: also erinnert unter andern Ulpianus in I. quod si nolit. §. qui mancipia vendunt. ff. de aedil. edict. nicht unbillig, daß es auch gewisse übel berüchtigte Völcker (Nationes infamatas) gebe, und daher sonderlich bey Ankauffung einer Sache nicht undienlich sey zu wissen, in welchem Lande dieselbe verfertiget, und von wannen sie eigentlich hergebracht worden. Spiegel.
  Indessen sind gleichwohl die Rechtsgelehrten unterschiedener Meynung, ob nehmlich jemanden aus dem blossen Grunde eines wohl oder übel berüchtigten Volckes, oder aus der bloßen Beschaffenheit dieses oder jenes so und so beschriebenen Landes, ein besonderer Vorzug oder Nachtheil zuwachsen könne. Besiehe hiervon
  • Bocer de Tortur. c. 3. n. 51. fol. 219.
  • Crusius de Indic. delict. P. I. c. 23.
  • Knipschild de Nobilit. Lib. I. c. 7. n. 162.
  • Strauch de German. Nation. Praeeminent.
  Hierbey wird nicht unbillig gefraget, wann ein Kind an einem Orte ausser seinem Vaterlande gebohren worden, zu welcher Nation es gehöre? Ob man nun wol, dem ersten Anschein nach, auf die Gedancken gerathen mögte, als ob diese Frage keines Zweifelns bedürfe, sondern ein solches Kind zu der Nation gezehlet werden müsse, zu welcher die Einwohner desjenigen Orts gehören, wo es gebohren worden: so ist dennoch diese Meynung falsch; allermassen die Geburth selbst, und der Vater, nicht aber der Ort der Geburth den Ausschlag machen, zu welcher Nation jemand gehöret; daß also ein von Deutschen Eltern in Franckreich gebohrnes Kind, ohnstreitig zur Deutschen Nation gehöret.  
  Endlich ist noch von Franckreich dieses zu mercken, daß daselbst ehemals ein freyer Mann, wenn er zum Knechte geworden, zu der Nation seines Gläubigers, oder dessen, der ihn zum Kriegs-Gefangenen gemachet, gerechnet; hingegen wann er wieder frey worden, zur Nation dessen gehöret habe, der ihn los gemachet. Du Bos Histoire Critique de l’ Etablissement de Ia Monarchie Françoise.
  Bey den  
  {Sp. 903|S. 469}  
  Ebräern wurden die Nationen ehedem in die [1 Wort Hebräisch] und [1 Wort Hebräisch] eingetheilet. Jene hatten gleichsam eine Mutter und eine Sprache, dergleichen die Israeliten waren, 5 B. Mose IV, 19,
  und David sagt, Ps. LVII, 10, Ich will dir singen in Nationibus, in der Gemeine.  
  Hieher gehören auch die Egyptier, welche Cham, des Noäh Sohn, zu ihrem Vater hatten.  
  Aber die [1 Wort Hebräisch] wurden genennet, welche aus unterschiedenen Völckern zusammen gewachsen waren. Und diese Nationen hatten gemeiniglich  
  1) einen National-Haß. Ephraim hasset Manasse, und Manasse Ephraim. Die Chaldäer verfolgten die Araber, und die Araber die Chaldäer. Die Israeliten waren den Philistern gram, und wurden wiederum von diesen verfolget.  
  2) Gewisse Tugenden oder Laster. Die Egyptier waren weise und verständig, die Tyrier sinnreich, die Persier meineydig, die Athenienser aufrührisch etc. etc.  
  3) Gewisse Zeitbegriffe, welche aber keinesweges fatal, sondern von GOtt dependiren, Jer. XVIIl, 7.
  Sonst bekümmert man sich viel um die Nationen, welche bey der Verwirrung der Sprachen zu Babel entstanden. Cornelius a Lapide meynet, es seyn so viel Nationen erwachsen, so viel Israeliten in Egypten gegangen seyn, nemlich LXX. Jonathan hat diese Worte:  
  Cum altissimus forte divideret mundum inter populos, qui exiverant a filiis Noae, et separaret ipse scripturam sanctam, et lingvas filiorum hominis aetate divisionis, eo ipso tempore jecit sortem cum 70 angelis principibus populorum juxta supputationem numeri 70 animarum Israeliticarum, quae descenderant in Aegyptum.  
  Allein diese Muthmassung ist von keiner Wichtigkeit, und bleibet die gantze Sache ungewiß und zweiffelhafft.  
  Uberhaupt von dem Ursprung der Nationen hat der Frantzösische Abt von Charmoy ein eigenes Werck unter dem Titel de origine nationum herauszugeben versprochen, wovon in des Fellers Oti. Hanov. p. 121. u. ff. einige Nachricht anzutreffen ist.

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Stand: 18. Oktober 2016 © Hans-Walter Pries