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Zedler: Noth HIS-Data
5028-24-1417-10
Titel: Noth
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 24 Sp. 1417
Jahr: 1740
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 24 S. 728
Vorheriger Artikel: Noth, ein Fluß
Folgender Artikel: Noth (die äusserste)
Siehe auch:
Hinweise:

  Text Quellenangaben
  Noth, Lat. Necessitas, Angustia, Vis, Calamitas, Indigentia, bedeutet einen solchen unglücklichen Zustand des Menschen, daß man sich nicht wohl daraus reissen kan. Sie wird in verschiedener Absicht abgetheilet, als  
 
1) in Ansehung der Grade sey sie entweder eine geringe, oder eine grössere, oder eine äusserste.
 
 
2) In Ansehung der Sachen, weswegen man sich darinnen befindet, hätte man eine Noth der Ehrlichkeit, der Sicherheit und Bequemlichkeit.
 
 
3) In Ansehung des Subjecti, wäre sie entweder eine gemeine oder Privat- Noth,
siehe Hochstetter in Colleg. Pufendorf.
  Es ist aber diese Eintheilung so ordentlich nicht abgefasset. Denn da man die Noth nicht nach der Einbildung und den Affecten der Menschen abzumessen hat, so ist einmahl die geringe Noth vor keine Noth anzusehen; diejenigen aber, welche man grosse Noth (necessitatem gravem) nennet, ist eben das, was in der andern Abtheilung die Noth der Bequemlichkeit (necessitas commoditatis) heisset, weil man dabey noch einige Mittel zu seiner Rettung, wiewohl mit grosser Incommodität hat; und was man sonst necessitatem integritatis nennet, das ist, die äusserste Noth, von der ein besonderer Artickel.  
  Auf solche Weise darff man die Noth nur in die Noth der Sicherheit und Bequemlichkeit eintheilen, davon jene die äusserste, diese aber die grosse ist. Man lese zugleich Thomasium in iurisprud. div. … nach.
  Bey denen Theologen ist sie dreyerley:  
 
1) Seelen-Noth, die man in den innerlichen Anfechtungen des Hertzens erfähret, wenn dasselbe nicht nur von unserm eigenen Fleisch und Blut, von der Welt und vom Satan versuchet, sondern auch zu Zeiten von GOtt selber angegriffen wird.
Bes. Psalm XXV, 17, CXVI, 3, CXLIII, 11 etc.
 
2) Leibes-Noth, so vom Creutz und Straffen GOttes herrühret,
  • 5 B. Mose XXVI, 7. Cap. XXVIII, 53,
  • 2 B. der Kön. XIX, 3,
  • 2 Chron. XX, 9.
  • Ps.
  {Sp. 1418}  
 
  CVI, 44, CVII, 2, 6, 13, 19, 28 etc.
 
3) Todes-Noth, in welcher Leib und Seele von einander getrennet werden,
  • Es. XXXVIII, 14,
  • Ps. XVIII, 5, CXVI, 3 etc.
  Ubrigens, ist es ein altes Sprichwort: Je grösser die Noth, je näher ist GOtt. So gemein dieses ist, so wahr ist es auch, welches zugleich diese Wahrheit in sich fasset, daß GOtt mitten aus der Verfassung ungewisser und zweifelhaffter Umstände, aus deren Anblick Vernunfft, Sinne und Empfindungen nichts gutes prophezeyen können, ja wohl gar es gantz vor unmöglich halten, daraus Hülffe und Errettung zu hoffen, dennoch die beste Hülffe herleitet. Wie viel weiset nicht die tägliche Erfahrung Begebenheiten auf, deren Zusammenhang der irrdische Witz nicht eher einsehen kan, biß sie erstlich zum Stande gebracht worden.  
  Der Anblick einer Sache, einer Begebenheit siehet offt so verwegen, so gefährlich, so traurig, so unmöglich aus, daß auch die schärffste Krafft des Verstandes nicht anders, als so darüber urtheilet: Diese Sache kan unmöglich glücklich ablauffen; und doch führet sie GOtt glücklich hinaus: da hingegen ein anderer Zusammenhang der Sache so glücklich, so schön, so vergnügt aussiehet, soviel vortheilhafte Umstände vor sich hat, daß man an einem glücklichen Ausgang gar nicht mehr zweiffelt, und doch erfolget hernach das Gegentheil.  
     

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Stand: 3. April 2013 © Hans-Walter Pries