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Zedler: PLEBS HIS-Data
5028-28-790-3
Titel: PLEBS
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 28 Sp. 790
Jahr: 1741
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 28 S. 408
Vorheriger Artikel: St. Plebrius
Folgender Artikel: Plebs (Joseph)
Siehe auch:
Hinweise:

  Text Quellenangaben
  PLEBS, dieses Wort bedeutet sowohl in denen alten Römischen Rechten, als auch bey andern Lateinischen Schrifftstellern eigentlich so viel, als das gemeine Volck oder die unterste Classe des gesammten Volckes, das ist, die gemeinen Bürger, mit Ausschlüssung derer Patricien und Raths-Herren; da hingegen unter dem Worte Populus oder das gesammte Volck beyde, und also sowohl die gesammte Bürgerschafft, als auch die sonst so genannten Geschlechter, desgleichen die Raths-Herren, und überhaupt alle und iede ehemahls zu Rom befindlich gewesenen Stände, begriffen werden.  
  Und ist also das erstere von dem letztern bloß, wie man sonst in Schulen zu reden pfleget, als Species von dem Genere unterschieden.
  • §.4. Inst. de Jur. Nat. Gent. et Civ. ibique Ferretus und in l. 2. ff. de orig. jur. l. de Verb. sign. ibique Göddaus,
  • Attejus Capito beym Gellius Lib. X. c. 20.
  • Brechäus in l. plebs. ff. de verb. et rer. sign.
  • Hotomann.
  Indessen aber ist doch auch nicht zu läugnen, daß auch der gemeine Pöbel, eigentlich von der Sache zu reden, nicht so wohl eine besondere Gattung (Speciem) von dem gesamten Volcke, als vielmehr einen gewissen, und zwar meistens den grössern oder mehrern Theil desselben, anzeiget. Balduinus in Comment. ad tit. Inst. de Jure Nat. Gent. et Civili.
  Denn, wie bekannt, so ward das gesamte Römische Volck in ordinem senatorium, equestrem und plebejum eingetheilet. So lange die Könige und Patricii die Oberhand hatten, bekam der plebs gar keine Ehrenstellen. Denn die Patricii rissen alles zu sich, was in geistlichen und weltlichen Dingen zu sprechen war, und hatten auch über den plebem das jus vitæ et necis, weil sie nemlich die Ämter, welche über Leben und Tod zu sprechen hatten, allein bekamen, ja das Volck wurde fast wie Knechte gehalten.  
  Als aber Valerius in seiner Bürgermeisterlichen Würde die Unbilligkeit der Sache einsahe, machte er endlich die Verordnung, daß der plebs hinführo mit den Patriciis gleiches Bürgerrecht genüssen solte. Hierdurch ward also der Grund zur Freyheit geleget. Denn er gab 2  
  {Sp. 791|S. 409}  
  Gesetze, welche hauptsächlich dieses ordneten, es solle die höchste Gewalt von dem plebe herkommen, und erlaubt seyn, von den Obrigkeitlichen Personen an das Volck zu appelliren, ohne dessen Vorbewust kein Römischer Bürger geschlagen oder getödtet werden könnte.  
  Hiernächst ließ er auch selbst die fasces, als das Zeichen seiner höchsten Gewalt, gegen das Volck neigen, und brachte sich damit zuerst den Beynamen Poplicolæ zuwege. Der Plebs aber bekleidete von dieser Zeit an allerhand Ehrenstellen, wie denn zuletzt Aediles curules, Censores, Consules, Decemviri sacrorum, Dictatores, Prætores und Tribuni militum, aus ihrem Mittel erwählet wurden.  
  Es war aber auch der Plebs an sich selbst zweyerley, nemlich rustica und urbana. Jene, oder das gemeine Land- und Bauer-Volck, wohnte auf dem Lande, und muste nicht allein seine eigene, sondern auch die der Republick gehörige Äcker bestellen. Denn die alten Römer hielten viel auf den Acker-Bau, und schätzten sich denselben für eine Ehre. Dannenhero obgleich in den folgenden Zeiten die wenigste Reiche das Feld mit eigenen Händen baueten, so blieben sie doch gerne in den Zünfften ihrer Voreltern, welche rusticæ tribus gewesen waren, oder sie hielten sich an dieselbigen, wenn sie nur eigene Felder besassen.  
  Es waren aber auf des Königs Servii Tullii Verordnung, 15 tribus rusticæ aus denen, welche die Äcker des damahligen Römischen Gebiets inne hatten, angeordnet, zu welchen nach Vertreibung der Könige, in verschiedenen Zeiten, noch 16 tribus aufgerichtet worden, in welche man die Besitzer und Einwohner desjenigen Landes eintheilte, welches nachmahls das Römische Bürger-Recht erlanget hat. Das Volck kam also aus allen municipiis zusammen, wenn Comitia gehalten, oder Schauspiele gegeben wurden; ingleichen wenn sie geschätzet werden solten.  
  Plebs urbana hieß das Volck, welches in der Stadt wohnte, und wie es wenigstens nach der Hand, da die Römer grössern Reichthum erlangt, die Bewandniß hatte, keine Äcker oder Land-Güter besassen. Solche waren nun meist Freygelassene, oder deren Kinder, arme Handwercker, und dergleichen, welche theils aus Dürfftigkeit, theils auch aus Müssiggang gar öffters Händel anfiengen, und sich leichtlich mit Geld bestechen liessen, ihre Stimmen und Meynungen in der öffentlichen Versammlung, wie man es von ihnen begehrte, zu geben, auch wohl eine Sache durch ungestümes Geschrey, Betäubung des Gegentheils, sonderlich der Redner von der widrigen Parthey, ingleichen durch Gewaltthätigkeiten, Streiche, Steinwerffen, Verjagung derjenigen, so ihnen zuwider waren, von dem Platz der Comitiorum, und andere dergleichen Unordnungen, zu erzwingen.  
  Diese Leute verstehen die alte Scribenten, wann sie plebem urbanam, turbam forensem, sellularios und dergleichen anzühen. Sie machten aber, obgleich ihre Zahl sehr groß, doch nicht mehr, als 4 tribus aus, welche man tribus urbanas hiesse, und die zwar, weil es nicht leicht fiele, die alte und erste Ordnung zu ändern, denen tribubus rusticis immer vorgesetzet wurden, aber darum bey weitem nicht in gleichem Ansehen mit denselbigen gestanden sind.  
  {Sp. 792}  
  Im übrigen hat der Plebs überhaupt, so ferne er noch von den Patriciis unterschieden war, und ehe er sich einige Macht und Ansehen in dem gemeinen Wesen zuwege gebracht, wider die Patricios und den Rath mehrmahlen verdrüßliche Händel angefangen. Das erste mahl geschahe es 14 Jahre nach Austreibung der Könige, oder A. V. 360 wegen Unbilligkeit und Härtigkeit der Wucherer, als welchen dazumahl ihre Schuldner gebunden zuerkannt, und in deren Häuser geschleppet, bißweilen auch allda erbärmlich mißhandelt wurden. Das andere mahl aus gleicher Ursache, und im nächstfolgenden Jahr, da das Volck, ehe man ihm hierüber Recht geschaffet, sich nicht wolte zu dem Feldzuge wider die Äqver, Volscer und Sabiner einschreiben lassen.  
  Deswegen ward der Rath bewogen, einen Dictatorem, nemlich den M. Valerium Volusium, des Poplicolä Bruder, zu erwählen, der sie im Zaum halten solte. Dieser aber danckte bald ab, weil ihm der Rath hinderlich war, daß er nicht halten konnte, was er dem Volck versprochen, daß nemlich die, so im Gefängniß sassen, auf freyen Fuß gestellet würden. Bald darauf verliessen sie die Stadt, machten sich auf collem sacrum, und konnten in diesem Jahre nicht dahin gebracht werden, daß sie wieder in die Stadt gezogen wären.  
  Im folgenden Jahr aber, welches von Erbauung der Stadt das 362 war, wurden sie durch des Menenii Agrippä Anrede und gute Vorstellungen besänfftiget, und diejenigen, welche in den Schuld-Thurm geworffen worden, wieder loßgelassen. Weil sie sich aber nichts gutes prophezeyten, und besorgten, der Rath möchte dieses nicht ungerochen dahin gehen lassen, giengen sie nicht eher von der Stelle, biß der Rath verwilligte, daß sie aus ihrem Mittel sich zwey zu ihren Ober- Häuptern, welche Tribuni plebis genennet wurden, erwählen durfften, damit sie nicht etwan unterdrücket würden; welche Zahl man nachgehends bis auf 10 vermehren muste.  
  Als die Decemviri nachgehends ihre Gewalt mißbrauchten, und nach verflossener Zeit nicht ablegen wolten, auch sonderlich einer aus ihnen, App. Claudius, wegen der Virginia das gemeine Volck hefftig vor den Kopff stieß, (siehe Appius Claudius) entwichen diese abermals auf den Berg Aventinum, da sie sich nicht eher zufrieden gaben, als bis die Tribuni plebis ihnen wieder gegeben, die Decemviri abgeschaffet, und die Consules dargegen wieder eingesetzet wurden.
  • Dionys. Halicarnass. l. 5. p. 292.
  • Panvinius de civitate Romana c. 67.
  • Manutius de civit. Rom. 2. 15.
  • Pitiscus.

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Stand: 30. Oktober 2016 © Hans-Walter Pries