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Zedler: Preussen HIS-Data
5028-29-357-1
Titel: Preussen
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 29 Sp. 357-373
Jahr: 1741
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 29 S. 192-200
Vorheriger Artikel: Preusselbeerkraut
Folgender Artikel: Preussen, Geschlecht
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Stichworte Text Quellenangaben
  Preussen, Prussia, Borussia, ist die äusserste Provintz von Deutschland gegen Nord-Ost.  
  Von dem Ursprung des Namens und ältesten Einwohnern des Landes ist alles in der grösten Ungewißheit, daß es schwer fällt, das wahre von dem falschen zu unterscheiden. So viel ist gewiß, daß die ältesten Einwohner, von denen etwas bekannt, die Venedi oder Wenden gewesen, von welchen das benachbarte Meer Sinus Venedicus genennet worden.  
  Als Tacitus geschrieben, haben die Aestii oder Ost-Gothen, eine Deutsche Nation, an der See-Küste gewohnet, und die Galinder, Sudiner, Stavaner, Alaner, Sciren, oder Heruler und Psinger das übrige innen gehabt. Diese letztere Völcker sind einerley und zwar Sarmatischen Geschlechts gewesen, und haben die Go-  
  {Sp. 358}  
  then, von welchen vorher die Wenden gegen Süden getrieben worden, in Liefland gejaget, so, daß in 10 und folgenden Jahrhunderten, da der Name Bruzzia oder Preussen zuerst aufgekommen, keine Deutsche mehr, gegen Polen aber meistens Wenden anzutreffen gewesen, sintemal die ietzige Deutsche durch die Creutz- oder Deutsche Herren hinein gebracht worden,  
  Was aber von dem so genannten Preußischen König Waidewuth, oder wie ihn der Pöbel nennet, Wittwulff, seinen Zauber-Händeln und 12 Söhnen, von denen die Preußischen Provintzien ihren Namen bekommen, vorgegeben wird, sind pure Fabeln, die nicht den geringsten Grund haben.  
  Die gewisse Historie von Preussen fängt sich in dem 13 Jahrhundert mit der Ankunfft der Deutschen Ritter an. Es hatten die noch heydnische Preussen den Polen, unter deren Bothmäßigkeit sie auf 100 Jahr gestanden, eine geraume Zeit her alle ersinnliche Drangsal angethan, wodurch Conrad, Hertzog in Masovien, sich bewegen ließ, erstlich einen besondern Ritter-Orden wider sie zu Dobrin zu stifften, und als dieses mißlung, den Deutschen Ritter- oder Marianischen Orden wider sie zu Hülffe zu ruffen.  
  Er übergab also den Rittern sein Recht auf das Culmische Land, so ihm die Preussen abgenommen hatten, daß er zu seinem Unterhalt den Nüßbrauch daraus haben solte, solches aber, wenn er in Preussen sich Vortheil geschafft, wieder abtreten, und das gewonnene quoad dominium utile theilen, der rechte Besitz Arbeit dem Hertzog Conrad und der Republic Pohlen verbleiben solte: wenn sich die Ritter darwider vergreiffen würden, solten sie des gantzen Landes verlustig seyn.  
  Doch die Ritter wolten von diesen Bedingungen nichts wissen, sondern gaben vor, daß Preussen vorher ein souveraines Volck gewesen, ihnen aber alles, was sie denselben abnehmen würden, völlig und ohne Ausnahme versprochen worden. Es wurde also von dem damahligen Ordens-Meister, Hermann von Saltza, erstlich Conrad von Landsberg, hernach der erste Landmeister Hermann Baleck oder Faleck 1230 mit einer Anzahl Ritter und Volcks in Preussen gesendet. Diese haben in dem 53 jährigen Kriege gantz Preußen unter sich gebracht. Denn der Pabst ließ das Creutz wider diese Unglaubige predigen, daher grosse Armeen aus Deutschland den Rittern zu Hülffe gekommen, u. der Schwerdt-Brüder-Orden in Liefland, begab sich unter dem Deutschen Orden; wodurch dieses Macht ziemlich verstärcket worden.  
  Daß es aber doch so viel Zeit und Mühe gekostet, das Land unter sich zu bringen, wird der Tapfferkeit der alten Preussen, der morastigen, Beschaffenheit des Landes, und endlich dem Pommerischen Hertzog Svantipol zugeschrieben, welcher den Rittern sonderlich 1241 sehr viel zu thun gemachet, und die Preußen wieder sie verhetzet. Unterdessen sind in diesem Kriege die Schlösser zu Thorn, Culm, Marienwerder, Elbingen und viel andere von den Rittern erbauet worden.  
  In den folgenden Zeiten machten die Deutschen Herren in den Kriegen wider die Polen, Litthauer und Marggrafen zu Brandenburg solchen Fortgang, daß sie 1342 von dem König Casimir in Polen, Pomerellien,  
  {Sp. 359|S. 193}  
  Culm und Michelau, 1404 aber in dem Frieden mit Uladislao Jagellone das Land Samogitien nebst 5000 Gülden gegen das Land Dobrin, so ihnen von dem Hertzog vor 50000 Gülden versetzt gewesen, bekommen, und also die Vereinigung mit ihrem Liefland erhalten.  
  Weil sie nun auf der andern Seite in gedachtem Jahr 1404 die neue Marck von dem damaligen Marggrafen Sigismund vor 160000 Gulden erkaufft, so erstreckte sich damals ihr Land von den Ingrischen Grentzen an, längst der Ostsee, bisß an die Oder. Hierzu mag beygetragen haben, daß 1309 die Großmeister ihren Sitz von Marpurg (wohin er 1290 von Acco aus Palästina verlegt worden) nach Marienburg in Preussen verleget.  
  Bey dieser grossen Macht nun wurde der Orden ziemlich übermüthig, und wolte Litthauen selbst unter sich bringen, worüber es 1410 zum Kriege, und in dem folgenden Jahr bey dem Dorff Tonnenberg in Pomesanien zu einer entsetzlichen Schlacht kam, in welcher von den 83000 Mann des Ritter-Ordens 40000, von den 150000 Mann aber der Polen und Alliirten 60000 auf dem Platz geblieben seyn sollen; und wird das Andencken dieser Schlacht noch ietzo durch eine auf der Wahlstatt erbauete Capelle und jährlichen Gottesdienst erhalten.  
  Die Ritter haben unterdessen das Feld räumen, und 1411 einen Frieden eingehen müssen, darinnen sie zwar alle Plätze in Preussen gegen Erledigung 100000 Schock Böhmischer Groschen wieder erlanget, Samogitien aber auf Königs Uladislai und des Groß-Fürsten Vitoldi Lebzeiten an Litthauen überlassen musten nach deren Tod es wieder an den Orden kommen solte.  
  Ohngefähr 12 Jahr darauf gieng der Lerm wieder an, wozu sonderlich die Stadt Nieszewa Gelegenheit gegeben, so von den Polen an der Weichsel 4 Meilen von Thorn, dieser Stadt zum Nachtheil, wie die Ritter vorgaben, angeleget worden. Der Hochmeister zerstörte also die neue Stadt in den Grund, und verwüstete Cujavien, da hingegen die Polen es nicht besser machten, und den Hußiten den Weg in Pomerellien zeigten, von denen das Land sehr mitgenommen worden, bis endlich in dem Frieden, so 1436 erfolget, alles wieder auf den alten Fuß gesetzt wurde.  
  Unterdessen nahm der Ubermuth und die Uneinigkeit der Ordens-Herren sehr überhand, worunter das Land und die Städte am meisten leiden musten. Es that sich aber ein guter Theil derselben zusammen, und machten zu Marienwerder 1440 einen Bund, darinnen sie zwar dem Hochmeister und den Ordens-Gebietigern den schuldigen Gehorsam versprachen, aber auch sich vereinigten, wenn ihnen wieder ihre Vorrechte was zugemuthet, oder widerrechtliche Gewalt angethan würde, für einen Mann zu stehen, und Gewalt mit Gewalt zu vertreiben. Die vornehmsten Städte haben sich nebst mehr als 60 andern in dieser Ordnung unterschrieben: Culm, Thoren, Elbing, Brunsberg, Königsberg, Dantzig, Kneiphoff.  
  Diesen Bund hatte zwar der Hochmeister nebst 39 Ordens-Leuten gebilliget, die andern Ordens-Gebietiger aber setzten den Hochmeister ab, und drungen mit aller Macht auf des Bundes Aufhebung, welchen der  
  {Sp. 360}  
  Kayser Friedrich III 1451 auf der Städte Begehren bekräfftigt hatte. Diese Städte nahmen darauf den Kayser vor seine Person zum willkührlichen Richter nicht in der Hauptsache, sondern nur auf Beybringung der Ursachen und Beweises, an. Dieser erkannte 1453 mit Zuzühung der Chur- und Fürsten, die Caßirung des Bundes, worauf aber dessen beygethane aus erstgedachten Ursachen nicht passeten; sondern vielmehr 1454 den Ordens-Herren einen Absag-Brief zuschickten, ihre Convent-Häuser niederrissen, und sich gar an Casimirn, König in Polen ergaben; womit also der grosse Krieg angieng, durch welchen innerhalb 13 Jahren mit abwechselndem Glück unsäglicher Schaden verursacht worden, wie denn die Register geben sollen, daß auf beyden Seiten 300000 Mann umgekommen, ohne was nicht aufgeschrieben worden.  
  Endlich ward 1467 ein Friede geschlossen, in welchem die Ritter nicht nur Pomerellien, Culm, Michelau, Emland, Marienburg und Elbingen mit allen zubehörigen den Polen überlassen, sondern auch das übrige von Preussen, so sie noch behielten, von der Kron zu Lehen nehmen musten. Es ward eine merckwürdige Clausul hinzugethan, daß über diesen Friedens-Schluß weder Pabst, noch Kirchen-Versammlung, noch Kayser, noch andere Fürsten zu urtheilen haben solten.  
  Die folgenden Hochmeister wegerten sich zwar Anfangs diese Huldigung zu leisten, wozu sie Gelegenheit in dem so genannten Pfaffen-Krieg funden, da sie 1474 dem Dom-Capitul zu Ermeland die Freyheit der Bischoffs-Wahl wider Polen vertheidigen halffen, auch den König Matthiam in Ungarn zu Hülffe rufften. Nachdem aber der König dem Capitul nachgegeben, und der von demselben erwählte Bischoff sich 1479 unterworffen, muste der Hochmeister dergleichen thun.  
  Der Orden hoffte darauf sich am besten zu rathen, wenn er aus einem mächtigen Hause sich einen Hochmeister erwählte, damit er auf solche Weise die alte Hoheit wieder erlangen könnte: die Wahl fiel also 1498 auf Friedrichen, Hertzoge zu Sachsen: dieser wegerte sich die Lehn zu empfangen, und da er sahe, daß wegen ausbleibender Hülffe mit Gewalt nichts auszurichten, residirte er gar nicht in Preussen, und hielt die Polen mit allerhand Tractaten auf, starb 1510 ohne die Lehns-Pflicht zu leisten.  
  Darauf ward zum Großmeister erwählet Albrecht, Marggraf zu Brandenburg. Wie dieser das Land Preussen unter dem Titul eines Hertzogthums endlich zu Lehn empfangen müssen, ist in einem besondern Artickel ausgeführt.  
  Es wird auch von seinen Nachfolgern Hertzog Albrecht Friedrichen, den Churfürsten Johann Siegmund, George Wilhelm, und Friedrichen Wilhelm besonders gehandelt und erzählt, wie der letzte in den Wolauischen Tractaten die Souverainität wieder erhalten; daß endlich Churfürst Friedrich III die Souverainität 1701 in die Königl. Hoheit verwandelt, ist gleichfalls an seinem Orte erzählt worden. Kurtz: Friedrich Wilhelm, der Grosse, hatte schon Königl. Gewalt in Preussen, nur daß er den Titel nicht führte.  
  Friedrich III aber erlangte zuerst, mit Einstimmung Ihro Kayserl. Majestät diese höchste Ehre und wurde 1701 den 18 Jen-  
  {Sp. 361|S. 194}  
  ner zu Königsberg gekrönet. Der Pabst und der Deutsche Orden widersetzten sich zwar dieser Krönung: Allein Peter von Ludewig hat dem Pabst in einer besondern Schrifft, welche den Titul führet: Päbstlicher Unfug wider die Kron Preußen; den Deutschen Orden aber in einer andern: Verthaidigtes Preußen, wieder den vermeynten und widerrechtlichen Anspruch des Deutschen Ritter-Ordens und Gravamen über die Königl. Würde zu Preußen, sattsam widerleget.  
  Die Namen und Ordnung der Hochmeister siehe in Teutschen Ritter-Orden.  
     
  Religion und Sitten der alten Preussen.  
  Diese sind wegen des grossen Unterschieds von den heutigen sehr merckwürdig. Sie verrichteten ihren Gottesdienst nach Art der übrigen alten Deutschen nicht in Tempeln, sondern unter dem freyen Himmel, sonderlich aber unter grossen Bäumen, wie denn unter andern 4 Eichen dißfalls gar berühmt sind, die zu Romove in Notangen, wo jetzo das Dreyfaltigkeits Kloster; zu Heiligenbeil, an dem Ort, wo vorzeiten Thoren gestanden, und zu Welau, deren Grösse fast unglaublich gewesen seyn soll.  
  Sie hatten viele Götter, unter denen die drey vornehmsten waren Purcunos, Picellos und Potrimpos, die mit der Römer Jupiter, Pluto und Venus oder Cupido überein kommen; item 3 geringere, Curcho, Wurschkaito, und Ischwambrato und noch viel andere, auch Schlangen, Gewürme und andere Thiere. Sie beteten diese Götter in geschnitzten Bildern an.  
  Der oberste Priester hieß Crive, die andern Waidelotten. Diese opfferten ihren Göttern nicht allein Pferde, sondern auch Menschen, sonderlich die vornehmsten Kriegs-Gefangenen, welches etliche Deutsche Ritter erfahren. Item. Sie verehrten sie mit einem ewigen Feuer, so gar, daß der Priester, der es ausgehen lassen, sterben müssen.  
  Es haben die heydnischen Aberglauben, aller Bemühung der Ritter ohngeachtet, lange nicht ausgetilget werden können, wie denn Hartknoch erzählet, daß noch zu seiner Zeit, sonderlich in dem Insterburgischen und Tilsitischen Gebiete, viele heydnische Ceremonien zu finden.  
  Sie nahmen Weiber so viel sie ernähren konnten, und zwar ließ der Bräutigam die Braut durch ein paar gute Freunde entführen, darnach handelte er sie erst den Eltern um ein gewisses Geld ab, führte sie mit allerhand abentheurlichen Ceremonien nach Hause, da sie denn mit Prügeln und Knütteln in das Bette gejagt und geschmissen, und darauf wie eine Magd im Hause gehalten wurde, daß sie auch den Fremden die Füsse waschen muste, und sich nicht einmahl mit zu Tische setzten durffte. Die Weiber trugen dem Braut-Crantz, bis sie einen Knaben gebohren, daher den Bräuten bey dessen Aufsetzung zugeruffen wurde: Die Mägdlein die du trägst, sind von deinem Fleisch, bringst du aber ein Knäblein zur Welt, so ist deine Jungferschaft aus.  
  Über die Kinder hatten die Eltern vollkommene Gewalt, durfften sie wegwerffen, todtschlagen, und damit machen was sie wolten. Wie denn die Galinder einmahl den Wehmüttern befohlen, alle Mägdlein zu tödten, und als dieses nicht helffen  
  {Sp. 362}  
  wollen, ihren Weibern die Brüste abgeschnitten, damit die Kinder in Ermangelung der Nahrung sterben müssen.  
  Auf den Ehebruch war die Straffe der Verbrennung gesetzt, womit auch die Weiber belegt wurden, so ihren Männern die eheliche Pflicht zu leisten sich geweigert. Eine junge Wittwe, die noch kein Kind gehabt, ward so lange von unverehlichten Manns-Personen besucht, bis sie ein Kind bekam, darauf ward sie eine Priesterin, und muste bey Straffe des Feuers ewige Keuschheit halten.  
  In den Begräbnissen hatten sie auch viele besondere Gebräuche; die, so keine Hoffnung zur Genesung hatten, wurden von ihren nähesten Anverwandten oder auch den Priestern getödtet und den Göttern aufgeopffert; sie soffen den Todten tapffer zu, und fragten sich mit ihm, warum er gestorben, da er doch einen schön Haus, Weib, Vieh etc. gehabt? sie gaben ihm allerhand Geräthe, auch wohl Knechte und Weiber mit in das Feuer, sich deren in der andern Welt zu bedienen, welche Thorheit auch nach eingeführtem Christenthum unter dem Pöbel nicht abgeschafft werden können, indem man noch in der Mitte des 17 Jahrhunderts viele Flaschen mit Bier und gantze Brodte in der Todten Gräbern gefunden.  
  Im übrigen sollen sie zwar gastfrey, aber sehr versoffen gewesen seyn, wozu sie an statt der Becher sonderlich Hörner gebraucht.  
  Ihre Nahrung war der Ackerbau, Viehzucht, Jägerey, wo unter andern die Auer-Ochsen und Elend-Thiere diesem Lande fast besonders sind, Fischerey, sonderlich der Herings-Fang, welcher 1313 hier aufgehöret. Der Bernstein-Fang welcher etliche Jahrhundert vor und nach Christi Geburt im Schwange gewesen, ist nach der Zeit gantz verabsäumet worden, bis um die Mitte des 15 Jahrhunderts derselbe wieder empor gekommen.  
  Ihre Kriegs-Rüstung war schlecht, aber ihre Tapfferkeit desto grösser. Die Beute theilten sie in 3 Theile, davon der erste den Göttern, und der andere den Priestern gegeben wurde, der dritte aber dem Uberwinder selbsten blieb.  
  Ihre Regiments-Form war gantz frey, da keiner sich viel um den andern bekümmerte, und nur bey einem Nothfall die ansehnlichsten und reichsten zusammen getreten, und nöthige Abrede genommen. Doch war das Land in 11 pagos oder Landschafften getheilet, welche aber nichts als den Gottesdienst gemein hatten. In diesen kleinen Republiquen waren nun die meisten Bauren, die andern Edelleute, zu welchem Stande die Tapfferkeit im Kriege einen Zutritt machte; unter diesen wurden die vornehmsten und mächtigsten auch Fürsten oder gar Könige genennet. Die Priester und Priesterinnen hatten auch bey Verwaltung des gemeinen Wesens gar viel zu sprechen.  
     
  Neuerer Zustand von Preussen.  
  Das Land hat zu Gräntzen gegen Morgen Samogitien und Litthauen, gegen Abend Pommern, gegen Mittag die Ost-See, gegen Mitternacht aber Groß-Polen und Masovien; ist ein fruchtbar Land an Getreyde, Viehzucht, Brenn- und Bau-Holtz, Wildpret, darunter die Elend-Thiere und Aur-Ochsen sonderlich merckwürdig, an Bienen, Fischen, und vornemlich an dem Agt- und Bernstein, welcher sonst fast nirgends ge-  
  {Sp. 363|S. 195}  
  funden wird. Hingegen hat es einen Mangel an Wein, Saltz, Bergwercken ausser etwas Eisen, Vitriol und viel Erdpech. Der Herings-Fang hat sich auch, wie gedacht, auf dieser Küste verlohren, und nach Pommern, von dar aber nach Engelland gewendet.  
  Das Land hat viele Seen, unter denen das Curische und frische Hafft, der Spröding, die Angerburgische und Gerdauische Seen die vornehmsten sind, und in besondern Articuln angeführet werden.  
  Die hauptsächlichen Flüsse sind die Weichsel, Memel, Pregel und Elbing, von denen ebenfalls an seinem Orte gehandelt wird.  
  Das Land theilet sich in das Polnische Preußen oder Ober-Preussen, und in das Brandenburgische Preußen oder Nieder-Preußen.  
  Zu jenem gehöret das Marienburgische Gebiet, das Culmische Gebiet, ferner Wermeland oder Ermeland, und Klein-Pommern oder Pomerellen. Die vornehmsten Städte, z.E. Dantzig, Elbing, Thoren, sonderlich die erste, haben ihre Freyheit ziemlicher massen behauptet, und sind mehr Schutz-Verwandte als eigentliche Unterthanen der Kron Polen, daher sie auch die Religions-Freyheit behauptet, und die dreyerley Religions-Verwandten gedultet werden.  
  Das Brandenburgische Preußen, so 1701 zu einem Königreich erhaben worden, begreifft die Samländischen, Natangischen und Oberländischen Kreiß, deren ieder in 3 Provintzien eingetheilet ist. Zu dem ersten gehören Samland, Schalauen und Nadravia; zu dem andern Natangia, Bartonia und Sudavia; zu dem dritten Galindia, Pomesania und Pegesania.  
  Die Königliche Regierung ist zu Königsberg, wozu ohne den Statthalter, welches Amt aber nicht allezeit besetzt ist, die 4 geheimde Ober-Regiments-Räthe gehören, nemlich der Land-Hofmeister, Ober-Burggraf, Cantzler und Ober-Marschall, die an die Stelle der 4 Groß-Gebietiger des Ordens gekommen, it. die Ober-Appellations-Gerichts- oder Ober-Tribunal-Räthe und andere Collegia.  
  Die Land-Stände werden in 3 Classen getheilet.  
  Die erste ist der Herren-Stand, worzu die 12 Land-Räthe gehören, darunter sind 4 immerwährende, die nebst den erstgedachten 4 die 8 Ober-Ämter des Reichs ausmachen, nehmlich die Ober-Hauptmänner zu Brandenburg, Schacken, Fischhausen und Tapiau; die andern werden aus dem Adel oder 37 Hauptleuten oder Starosten erwählet.  
  Den andern Land-Stand machet der Adel, der durch seinen Abgeordneten oder Land-Boten erscheinet. Zu dieser Classe gehören auch die Burg- und andere Grafen, welche ehedessen zur ersten gerechnet worden. Die Abgeordnete der Universität Königsberg haben in dieser Classe als Prälaten den ersten Rang. Dieser Adel soll in gantz Polen Zoll rey seyn, auch in Erbschafften und Straff-Fällen vieles vor andern zum voraus haben.  
  Den dritten Land-Stand machen die Städte und andere Unterthanen, die wieder dreyerley Art,  
 
1) die Culmische Frey-Leute, die von den Deutschen herstammen:
2) Die Magdeburgische Freygelassene;
3) Die Preußische, theils Leibeigene, theils freygelassene, die aber nicht so frey und privilegiret als die vorigen.
 
  Ehedem hatte sonderlich in Preussen  
  {Sp. 364}  
  das Magdeburgische Recht die Oberhand, 1620 aber hat Churfürst Johann Sigmund das so genannte Land-Recht des Hertzogthums Preussen an den Tag legen, und Churfürst Friedrich Wilhelm 1680 dasselbe verbessern lassen.  
  Von der Zahl der Einwohner möchte man daraus schlüssen können, daß 1698 darinnen 21803 gebohren, und 17091 gestorben; it. 1705 gebohrne 28068, und 15362 gestorbene berechnet worden; die nächstfolgende Jahre aber hat Pest und Theurung ziemliche Einöden gemacht. Jedoch haben seit einigen Jahren des ohnlängst verstorbenen Königs, Friedrich Wilhelms, Majestät dieses Land besser zu bevölckern und anzubauen verschiedene Colonien von etliche 1000 Menschen hinein geschicket, und ihnen Feld und Häuser anweisen lassen.  
     
  Religion und Studien dieses Landes.  
  Nachdem die Christliche Religion durch die Polen und Deutschen Ritter guten theils mit Gewalt eingeführet, sind 4 Bißthümer angeleget worden, das Ermländische, Culmische, Pomesanische und Samländische. Als der Hochmeister Albrecht nebst den meisten Rittern den Orden 1522 niederlegte, und sich öffentlich zur Lutherischen Religion bekennete, ward ihm auch die Verwaltung der weltlichen Güter, so zu dem Stifft gehörten, eingeräumet, doch solten selbige als 2 vornehme Prälaten im Lande erhalten werden.  
  Im Jahr 1530 ward das Augspurgische Glaubens-Bekänntniß eingeführet, und in den folgenden Jahren die Stiffter und Klöster vollends abgeschafft, und die Einkünffte zu Schulen und Universitäten angewendet, wie denn 1542 zu Königsberg ein Gymnasium und 2 Jahr darauf die Universität von Hertzog Albrechten; von Marggraf Georg Friedrichen aber die Land-Schulen zu Tilsit vor die Litthauer, zu Lick vor die Polen, und zu Salfeld vor die Deutschen angeleget worden.  
  Nach dem Jahr 1549 haben die Osiandrischen Streitigkeiten Unruhe verursachet, welche auch nach Osianders Tode zum wenigsten Gelegenheit gaben, daß Johann Funcce 1566 nebst andern seinen Kopff lassen muste, wovon an seinem Ort.  
  Im Jahr 1569 erhielt das Hertzogthum Preussen von König Siegmund Augusten die Religions-Freyheit, daß nemlich in selbigem allein das Augspurgische Glaubens-Bekänntniß gelehret werden solte. Damahls sind auch die Bißthümer gantz abgeschafft und zwey Consistoria, das zu Königsberg und das zu Salfeld, an deren Stelle gekommen; zu dem letztern gehöret der Oberländische, zu dem ersten die zwey andern Krayse. Doch ließ man nachgehends auf der Polen Begehren geschehen, daß 1611 eine Kirche vor die Catholischen erbauet, und der neue Calender eingeführet wurde; und nach dem Jahr 1614 hat auch in Ansehung der Regenten die reformirte Religion Fuß gefasset, welcher auch in den Welauischen Pacten bestätiget, und mit Kirchen versehen, und deren Ver-  
  {Sp. 365|S. 196}  
  wandten unterschiedene Stellen bey den wichtigsten Bedienungen eingeräumet worden.  
  Im Jahr 1701 sind zu der Königlichen Crönung ein Reformirter Bischoff zu Samland, und ein Lutherischer zu Pomesanien gemacht worden. Der letzte hat den Titel ausser dieser Verwaltung nicht geführet; der erstere aber ist unter diesem Namen nichts anders als ein Königl. Ober-Hof-Prediger und Beicht-Vater gewesen, und hat mit Preußen gar nichts zu thun gehabt.  
  Die  
  Hertzoge und Könige  
  in Preußen sind also aufeinander gefolget:  
  1. Albert, Marggraf zu Brandenburg, der letzte Hoch-Meister und erste Hertzog in Preußen, regierte von 1525 biß 1568.  
  2. Albert Friedrich, ein Sohn des vorigen. Er regierete von 1568 biß 1578, als in welchem Jahre er blöden Verstandes ward, deßhalben sich der nächste Anverwandte, Marggraf George Friedrich, des Regiments annahm.  
  3. George Friedrich, war Administrator in Preußen von 1578 biß 1604.  
  4. Joachim Friedrich, Churfürst zu Brandenburg, und sonst nur Curator des noch lebenden blöden Hertzogs, Albert Friederichs, von 1605 biß 1607. Im Jahr 1605 wurde er von Pohlen vor sich und seine Nachkommen mit dem Hertzoglichen Preußen belehnet.  
  5. Joachim Siegmund, ein Sohn des vorigen und Churfürst zu Brandenburg. Im Jahr 1609 wurde er nur Administrator des Hertzogthums Preußen; im Jahr 1611 aber wurde er nebst seinen drey Brüdern damit investiret.  
  6. Georg Wilhelm, ein Sohn des vorigen, Churfürst zu Brandenburg und Hertzog in Preußen, von 1619 biß 1640  
  7. Friedrich Wilhelm, ein Sohn des vorigen, Churfürst zu Brandenburg, von 1640 biß 1688.  
  8. Friedrich III, oder der I König von Preußen dieses Namens, ein Sohn des vorigen, Churfürst zu Brandenburg, nahm 1690 die Huldigung in Preußen selbst ein. Im Jahr 1701 ließ sich derselbe in Königsberg zum Könige von Preußen krönen, und starb den 25 Febr. 1713.  
  9. Friedrich Wilhelm, des vorigen Sohn, König in Preußen und Churfürst zu Brandenburg. Er trat die Königl. Regierung nach seines Herrn Vaters Tode im Jahr 1713 an und nahm 1714 selbst in höchster Person die Huldigung in Preußen ein, und starb den 31 May 1740.  
  10. Friedrich II, jetzt regierender König von Preußen und Churfürst von Brandenburg, ist ein Herr von 29 Jahren.  
  Er hat den 12 Jenner 1712 das Licht der Welt erblickt, und von Jugend auf eine sehr edle Erzühung genossen. Aus seinem Antlitz leuchtet ein, mit vieler Anmuth und Leutseligkeit vermischtes, ernsthafftes Wesen herfür, daß ihm bey jedermann Furcht und Ehre zu wege bringet. Er ist wohl gebildet, gut gewachsen, und im Umgange sehr aufgeweckt, doch begegnet er dabey jedwedem mit vielem Glimpfe und redet nichts leichtlich ohne guten Bedacht. In seinen Entschlüssungen ist er eben, wie sein Herr Vater, geschwinde, läst sich auch an Ausführung derselben so,  
  {Sp. 366}  
  ungerne, als derselbige, durch etwas hindern. Er liebt eine, seiner Königlichen Würde gemäße, Pracht, ist aber dabey ein Feind von allem gezwungenen Wesen.  
  Die Königliche Hofstatt hat er zwar um ein gut Theil vermehret, aber sich doch noch zur Zeit an kein gewisses Ceremoniel gebunden. Die Soldaten liebt er, so ferne er solche zu Beschützung seiner weitläufftigen Lande und Ausführung seiner weisen Absichten vor nöthig erachtet; daher er die schöne Armee, die ihm seyn Herr Vater hinterlassen, nicht nur auf dem bisherigen Fuße erhält, sondern auch noch mehr zu verstärcken sucht, wiewol ohne sich dabey der bisherigen Art zu werben, zu bedienen, als welche gäntzlich aufgehoben worden.  
  Die Gelehrten haben an ihm einen sehr grossen Patron, und wie er selbst in den Philosophischen und Mathematischen Wissenschafften wohl erfahren ist, also haben ihn auch die Philosophen und Mathematici um so viel mehr vor einen sonderbaren Beförderer ihrer gelehrten Bemühungen zu erkennen.  
  Dem Gewissens-Zwang ist er äusserst zuwider, und, ob er sich gleich zu der Reformirten Kirche bekennet, hält er doch auch die Lutheraner, als gute Protestanten, in ihrem Werthe, und lässet sie bey allen ihren Freyheiten und Kirchen-Gebräuchen ungestört.  
  Er ist ein Liebhaber von allem, was dem Hofe eines grossen Printzens ein prächtiges Ansehen geben kan, daher er die Königlichen Gebäude und Lust-Gärten, die Kunst- und Naturalien-Cammern, die Audientz- Wohn- und Parade- Zimmer in den Schlössern und Lusthäusern, die Marställe und Reitbahnen, und alles, was sonst an den Königlichen und Fürstlichen Höfen vor andern sehenswürdig ist, durch die besten Meister in einem vollkommenen Stand setzen lässet.  
  Weil er überhaupt sehr genereux und großmütig ist, also hat er es besonders an den Ministern und Bedienten seines verstorbenen Vaters bewiesen, die er insgesamt, bis auf sehr wenige, in Diensten behalten, auch zum Theil denen, die unter der vorigen Regierung seinen Absichten zuwider zu seyn geschienen, gedoppelte Gnade erzeiget.  
  Gegen seine Frau Mutter erweist er sich ehrerbietig, gegen seine Gemahlin zärtlich, gegen seine Königlichen Geschwister und Vettern liebreich, und gegen alle seine Unterthanen höchst gnädig, besonders aber gegen die Armen und Verlassenen sehr mildthätig und gütig.  
  Die Finantzen- und Cammer-Gefälle will er gantz nicht schwächen, aber sie doch auch zur Last seiner Unterthanen nicht unmäßig erhöhen.  
  Die Königlichen Fabriquen und Manufacturen erhält er in gutem Stande, sucht aber dabey das Commercium seiner Unterthanen nicht zu schwächen, sondern vielmehr in grösseres Aufnehmen zu bringen.  
  Recht und Gerechtigkeit läst er auf eine, denen göttlichen und Landesherrlichen Gesetzen gemäße Weise, sorgfältig handhaben, die Policey aber im geringsten nicht ins Abnehmen kommen.  
  So bald er die Regierung antrat, ließ er unter andern folgende merckwürdige Worte von sich hören.  
  „Ich will, daß künfftighin, wofern etwan mein besonderes Interesse dem allgemeinen Besten meines Landes zuwider scheinen möchte, dieses letztere jederzeit vor dem erstern den Vorzug behalten solle.„  
  Eben dergleichen wahre Königli-  
  {Sp. 367|S. 197}  
  che Gedancken befinden sich auch in demjenigen Rescripte, durch welches er das Absterben des vorigen Königs denen Collegien zu wissen gethan, wenn es heist:  
  „Unsere gröste Sorge wird dahin gerichtet seyn, das Wohl des Landes zu befördern, und einen jeden unserer Unterthanen vergnügt und glücklich zu machen. Wir wollen nicht, daß ihr euch bestreben sollet, Uns mit Kränckung der Unterthanen zu bereichern, sondern vielmehr, daß ihr so wohl den Vortheil des Landes, als unser besonder Interesse zu eurem Augenmercke nehmet, immassen Wir zwischen beyden keinen Unterscheid setzen.„  
  Daß er auch einen würcklichen Anfang gemacht, diese weisen Gedancken in eine Erfüllung zu bringen, bezeugen die vielen löblichen Anstalten und Verordnungen desselben, z.E.  
 
  • da er denen Landständen in Preussen ihre Privilegien wiedergegeben, und solche nebst andern Dingen wieder in den vorigen Stand gesetzet;
  • da er bey der entstehenden Theurung die Königlichen Magazine geöffnet, und um einen billigen Preiß denen Nothleidenden benöthigtes Korn reichen lassen;
  • da er durch ein Patent allen nützlichen und geschickten Leuten, die sich zu Berlin häußlich niederlassen würden, ausser denen bisherigen Beneficien auch den Erlass der Accise, und die Servis-Freyheit auf verschiedene Jahre verstattet;
  • da er ernstlich verordnet, die Justitz-Sachen mit Gnaden-Sachen nicht zu vermengen;
  • da er denen Lutherischen Kirchen die völlige Freyheit wiedergegeben, sich bey ihren Gottesdienste der vormahls üblich gewesenen Ceremonien zu bedienen;
  • und dergleichen mehr.
 
  Von seiner Liebe zu den Wissenschafften zeuget nicht nur dessen fortgesetzter Brief-Wechsel mit denen beyden Frantzösischen Gelehrten, Rollin und de Voltaire, sondern auch die gnädige Aufnahme der Herren Algarotti und Maupertius zu Berlin, ingleichen die Stifftung einer Ritter-Academie in dieser Königlichen Residentz-Stadt, und die Anlegung eines vortreflichen Medicinischen Gartens.  
  Ein solcher König ist es, den die Preußischen Unterthanen in der Person des bisherigen Kron-Printzen bekommen haben. Man darf sich daher nicht wundern, daß desselben angetretene Regierung mit Wünschen und freudigem Zuruff begleitet worden.  
  Den 20 Jul. 1740 nahm er in eigener hoher Person zu Königsberg, und zu Berlin die Landes-Huldigung ein, an den übrigen Orten aber ließ er es durch Gevollmächtigte verrichten. Es geschahen die Huldigungen auf eine sehr magnifiqve Weise, wie denn vor 50000 Thaler silberne und goldene Medaillen gemüntzet und häuffig ausgeworffen worden. Eine poetische Feder hat sich also ausgedrucket:  
  [7 Zeilen Lateinische Verse]  
  Er trat nicht lange hernach mit seinem ältesten Bruder, Printz August Wilhelm, incogni-  
  {Sp. 368}  
  to eine Reise in das Reich an, und gieng über Leipzig, Bayreuth (wo er von dem Bischoff von Bamberg und Würtzburg besucht wurde) nach Franckfurt, besah Limburg, Coblentz, Cölln, und Straßburg, und langte den 29. Aug. zu Wesel an, worauf er sich nach Cleve erhub, und über Moeyland, Lippstadt und Salzthal wieder in seiner Residentz anlangte.  
  Uber alles Vermuthen haben auch Ihro Königl. Maj. von Preußen, nach dem ohnlängst erfolgen Ableben Sr. Römischen Kayserl. Majestät, Carls VI, an denen Österreichischen Succeßions-Troublen Theil genommen, und zwar so, daß Sie unter allen Puissancen die erste sind, die es hierbey zu öffentlichen Thätlichkeiten kommen lassen.  
  Ihre Majestät schickten nemlich eine Armee mit Artillerie und allen darzu gehörigen Kriegs-Geräthe zu Anfang des Decembris noch des gedachten 1740 Jahres unter dem General-Feld-Marschall, Grafen von Schwerin, an die Schlesische Gräntze, wohin sie selbst bald nachfolgeten, und den 14 dieses zu Crossen anlangten. Wenige Tage darauf rückten die Truppen würcklich in Schlesien ein, und weil ihnen nirgends einiger Widerstand geschahe, besetzten sie in kurtzen einen grossen Theil desselben. Sie leben meistens vor ihr Geld, und halten scharffe Kriegs-Zucht, doch versehen sich die Klöster nichts guts zu ihnen, weil sie durch abgeschickte Deputirte bey Sr. Majestät, die den 3 Jenner 1741 ihren Einzug zu Pferde zu Breßlau gehalten, um Schutz und Religions-Freyheit angehalten haben.  
  Jedoch es haben Se. Maj. gleich bey Einrückung in dieses Hertzogthum durch ein Manifest allen und jeden Einwohnern, sie mögen von Stande und Religion seyn, wer sie wollen, allen Schutz und Gnade versprochen, sie auch insgesamt versichert, daß sie bey allen und jeden ihren wohl hergebrachten Rechten und Gerechtigkeiten, Freyheiten und Privilegien, ungekränckt gelassen werden solten.  
  Die Ursache dieses Unternehmens haben Ihro Maj. in folgender Declaration, die Sie vor Dero Abreise nach der Armee, zu Berlin publiciret, zu erkennen gegeben:  
  „Se. Königl. Maj. haben den Entschluß gefasset, ein Corps d'Armee in Schlesien rücken zu lassen; höchst Deroselben darunter genommene Resolution rühret keines weges aus einer gegen den Wienerischen Hof feindseligen Intention her, und noch viel weniger hat es damit die Absicht, die Ruhe in dem Römischen Reich zu stöhren und zu unterbrechen; Se. Königl. Maj. haben sich unumgänglich genöthiget befunden, dieses Mittel unverzüglich zu ergreiffen, um die unumstößliche Gerechtsame Ihres Königl. Chur-Hauses auf das bemeldte Hertzogthum, so sich auf die, zwischen Dero glorwürdigsten Vorfahren, denen Churfürsten von Brandenburg an der einen, und denen ehemaligen Fürsten in Schlesien anderer Seits errichtete Familien-Verträge und Erb-Verbrüderungen so wohl, als andere wohl hergebrachte Jura gründen, gehörig zu vindiciren und gelten zu machen; die gegenwärtigen Conjuncturen, und die wohl gegründete Beysorge, durch diejenigen, welche an des in GOtt ruhenden Kaysers Majestät hinterlassene Lande eine  
  {Sp. 369|S. 198}  
  Prätension formiren, prävenirt zu werden, haben erfordert, das Werck ohne Zeit-Verlust anzugreiffen, und mit Nachdruck zu vollstrecken.  
  Wenn aber solche Ursachen nicht gestatten wollen, daß Se. Königl. Majestät sich mit der Königin von Ungarn und Böhmen Majestät über die gantze Sache vorläuffig vernehmen können, so werden sie doch auch höchsterwähnte Majestät niemahls abhalten, das Interesse des Ertz-Hertzogl. Hauses Österreich, bestens zu behertzigen, und selbiges, so offt sich die Gelegenheit darzu zeiget, mit allem Eiffer und nach allen ihren Kräfften zu secundiren und zu unterstützen.„ Ranffts Genealogisch-Historische Nachrichten.  
Wappen Das Wappen des Königs von Preussen, so wie es von Friedrich I, nach angenommenem Königl. Titul, und erlangter Succeßion von Orange und Neufchatel eingerichtet und sehr wohl disponiret worden, wird durch sechs Qver-Linien in sechs Balcken getheilet, von dem jeder sechs Felder oder Qvartier, und das gantze Wappen unten noch einen leeren Schildes-Fuß, und drey Mittel-Schilde hat, die als höchste Ehren-Zeichen, auf eine sonderliche Art aufgeworffen und über die andern erhöhet fürgestellet sind, der gantze Schild aber in 40 Wappen-Plätze zertheilet ist.  
  Unter solchen ist der mittelste Mittelschild, als der höchste Ehren-Ort, der allerwürdigste, der auch ab sonderlich mit einer geschlossenen Königl. Krone gedecket, darinne auf Silber ein schwartzer Adler erscheinet, mit einer Krone um den Hals, Kleeblatts-Stengel in den Flügeln, und den Buchstaben F.R. (Fridericus Rex) alle von Gold, auf dessen Brust; das Königreich Preussen zu bedeuten, so von hochgedachtem König aus der Souverainen Hertzoglichen zu solcher Königlichen Hoheit zuerst erhoben.  
  Der oberste Mittel Schild enthält in blau einen Pfahlweise stehenden güldenen Scepter, die Churfürstliche Würde eines Ertz-Cämmerers des H. Röm. Reichs zu bedeuten; Welcher Schild ab sonderlich mit dem Chur-Hut bedecket.  
  Der unterste Mittel-Schild, so mit einer Hertzoglichen offenen Krone bedecket, bestehet aus vier Feldern und einem Hertz-Schildlein. Dieses Hertz-Schildlein des untern Mittel-Schilds enthält eine Schach-Tafel von 9 Steinen, deren 5 gülden und 4 blau, so das Wappen der Grafschafft Genev, so vor Zeiten denen Printzen von Orange mit gehöret.  
  Im 1 Qvartier erscheinet ein güldenes Wehr-Gehänge oder Qver-Balcken im rothen Felde; als das Wappen der Familie von Chalon, welche das Fürstenthum Orange lange Zeit besessen. Im 2 und 3 ein blaues Post-Horn mit rothem Bande und Zierrathen in güldenem Felde, als das Wappen des souverainen Printzenthums Oranien, dessen Erbe der vorige König nach Absterben des Glorwürdigsten Königs Wilhelms des III von Groß-Brittannien, als des letzten vom Hause Nassau-Orange, geworden. Im 4 Qvartier erscheinet ein rother mit drey silbernen Sparren besetzter Pfahl, im güldenen Felde, so das Wappen des souverainen Fürstenthums Neufchatel, welches unter dem Titel einer Grafschafft in alten Zeiten dem Hause Chalon gehöret, und deswegen auch von denen Land-Ständen hochgedachtem  
  {Sp. 370}  
  König, als rechtmäßigem Erben des Hauses Chalon, im Jahr 1707 zuerkannt worden.  
  Nun müssen wir die übrigen Qveer-Balcken oder Reihen auch nacheinander durchgehen:  
  Da erscheinet auf dem ersten, zur Rechten des Churfürstl. Mittel-Schildes, erst im silbernen Felde ein rother Adler mit güldenen Klee-Stengeln in den Flügeln das Marggrafthum Brandenburg zu bedeuten. Zur Lincken aber ein getheiltes, oben rothes und unten silbernes Feld, so das Wappen des Hertzogthums Magdeburg. Wiederum zur Rechten präsentiret sich das Wappen des Hertzogthums Cleve, 8 güldene Lilien-Stäbe, so hinter einem silbernen Hertz-Schild hervor gehen, im rothen Felde: und zur Lincken ein schwartzer Löwe in Gold, als das Wappen des Hertzogthums Jülich. Endlich im äussersten Felde zur Rechten, ein rother Goldgekrönter Löwe in Silber, wegen des Hertzogthums Bergen am Nieder-Rhein: Und gegen über zur Lincken ein rother (oder vielmehr natürlich Löwenfarbiger) gekrönter Greiff im blauen Felde, so das Wappen des Hertzogthums Stettin.  
  Auf dem andern Balcken oder Reihe stehet in der Mitten dem Chur-Fürstl. oder obersten Mittel-Schilde zur Rechten, ein rother Greiff in Silber, als das Wappen des Hertzogthums Pommern, zur Lincken ein schwartzer Greiff in Gold, wegen des Hertzogthums Cassuben. Weiter zur Rechten ein roth aus grün gestreiffter Greiff in Silber, wegen des Hertzogthums Wenden: Zur Lincken aber ein schwartzer gerade vor sich stehender Büffels-Kopff, sammt einem Stück der daran hangenden, mit einem silbernen Ring durch die Nase, rother Krone und silbernen Hörnern, im güldenen Felde, welches das Wappen des Hertzogthum Mecklenburg, dessen Titul und Wappen der vorige König in Preussen im Jahr 1708 angenommen. Letztens zur Rechten ein schwartzer gekrönter Adler mit einem silbernen Creutzlein auf der Brust, im güldenen Felde, so das Wappen von Schlesien. Und zur Lincken ein schwartzer Adler mit einem halben Mond und silbernen Creutzlein auf der Brust, in Silber, wegen des Hertzogthums Crossen in Schlesien.  
  Auf dem dritten Balcken erscheinet in der Mitten, zur Rechten des Königlichen Mittel-Schildes, ein schwartzer rothgekrönter Löwe, im güldenen Felde, welches mit einem aus roth und silbernen Stücken bestehenden Rahm eingefasset, und das Wappen des Burggrafthums Nürnberg und der Brandenburg-Fränckischen Länder ist: Zur Lincken ein aus Silber und roth gespaltenes oder von oben herab getheiltes Feld, wegen des Fürstenthums Halberstadt. Abermahl zur Rechten zwey silberne ins Andreas-Creutz gestellte 5 Schlüssel, im rothen Felde, wegen des Fürstenthums Minden. Zur Lincken ein silbernes Creutz in roth, so das Fürstenthum Camin in Pommern bezeichnet. Gantz aussen zur Rechten ein roth und grün gescheckter Greiff in Silber, wegen des Landes Stargard in Pommern. Zur Lincken ein güldener Greiff mit güldenen Flügeln im blauen Felde wegen des Fürstenthums Wenden.  
  Auf dem vierdten Balcken präsentiret sich inwendig, zur Rechten  
  {Sp. 371|S. 199}  
  des Königlichen Mittel-Schildes, das Wappen des Fürstenthums Schwerin, so getheilt oben ein güldener Greiff in blau, unten ein grünes Feld. Zur Lincken das Wappen des Fürstenthums Ratzeburg, ein silbernes Creutz im rothen Grunde. Besser heraus zur Rechten eine schwartze Binde oder Balcken im güldenen Felde, wegen des Fürstenthums Meurs an dem Unter-Rhein, worzu es 1709 aus einer Grafschafft gemacht worden: Zur Lincken ein in vier Felder getheilter Raum, dessen 1 und 4 Qvartier silbern, das 2 und 3 aber schwartz, so das Wappen der Grafschafft Hohenzollern. Am äussersten Ende zur Rechten ein silberner Adler im rothen Felde, wegen der Grafschafft Ruppin in der Marck. Zur Lincken eine aus drey Reihen von roth und Silber gewürffetle Binde, oder Schach-Balcken im güldenen Felde, so das Wappen der Grafschafft Marck in Westphalen.  
  Auf dem fünfften Balcken stehen in der Mitte, zur Rechten des Mittel-Schildes von Orange, 3 rothe Sparren im silbernen Felde, wegen der Grafschafft Ravensberg. Zur Lincken ein aus roth und Silber gewürffeltes Schachfeld, so das Wappen der Grafschafft Hohenstein. Besser heraus zur Rechten ist ein gespaltener Schild und darinnen vorn das Wappen der Grafschafft Tecklenburg, drey rothe Hertzen oder See-Blumen-Blätter in Silber; Hinten das Wappen der Grafschafft Lingen in Westphalen (welche vor diesem auch schon einmahl mit Tecklenburg vereiniget gewesen) ein hangender güldener Ancker im blauen Felde; Zur Lincken ein silberner aus den Wolcken gehender Arm, so in den Fingern einen güldenen Ring hält, im rothen Felde, so das Wappen der Mecklenburgischen Grafschafft Schwerin. Gantz aussen zur Rechten ein schwartzer Hirsch in Silber, wegen der Grafschafft Clettenberg; Zur Lincken ein rothes Hirschhorn in Silber, als das Wappen der Grafschafft Reinstein oder Regenstein.  
  Auf dem sechsten Balcken erscheinet mitten, dem Schilde von Oranien zur Rechten ein silberner zu beyden Seiten ästiger Balcke im rothen Felde, wegen der Grafschafft Bühren. Zur Lincken zwey rothe ästige Balcken in Silber, wegen der Grafschafft Leerdam. Besser zur Rechten eine silberne Binde im schwartzen Felde, wegen der Marggrafschafft Vehren: Zur Lincken ein schwartzer Seitwärts stehender Büffels-Kopff mit ausgestreckter Zunge, rother Krone und silbernen Hörnern, im güldenen Felde, so das Wappen der Herrschafft Rostock. Gantz aussen zur Rechten ein getheiltes Feld, oben roth, unten Gold, so das Wappen der Mecklenb. Herrschafft Stargard, so von der Marck an die Hertzoge von Mecklenburg kommen: Zur Lincken drey kleine Andreas-Creutze, so das Wappen der Herrschafft Breda.  
  Der siebende Balcken, oder vielmehr des gantzen Schildes Fuß, ist ein allein rotes Feld, so der Regalien-Ort oder die Pommersche Blut-Fahne heisset, und zu den übrigen Feldern des Hertzogthums Pommern gehöret.  
  Der gantze Schild wird, statt der vor diesem gebräuchlichen 9 Helme und derselbigen Kleinodien (die aus der Orangischen und Neufchatelischen Erbschafft, wie auch wegen des angenomme-  
  {Sp. 372}  
  nen Mecklenburgischen, Hohenstein. Tecklenburgis. Clettenbergis. und Reinsteinischen Wappens, mit mehr als noch eins so vielen zu vermehren gewest wären) nun mit einem offenen Königlichen Helm besetzt, und dieser mit einer Königlichen geschlossenen Krone gezieret.  
  Um das Wappen herum ist die Ordens-Kette des schwartzen oder Preußischen Adlers, bestehende aus Adlern, so mit Donnerkeilen bewaffnet, und aus Ovalen, in denen des Königs Namen und Symbolum, suum cuique, mit dem Anfangs-Buchstaben F.R. zu lesen.  
  Auf dem Postement, auf dem das gantze Wappen gleichsam ruhet, sind zu lesen die Deutschen Worte: GOtt mit Uns.  
  Und über diesem siehet man zum Zierrath eine gantze Reihe Adler, und gantz unten abermahls eine Königl. Krone: Schildhalter sind die Pommerischen zween wilde Männer, denen man statt der vormaligen Helme nun Laub-Kräntze aufgesetzet. Sie halten mit einer Hand das Wappen, mit der andern ein Panier oder Fahne, deren eine mit dem Preußischen, die andere mit dem Brandenburgischen Adler, der das Chur-Scepter auf der Brust führet, pranget: Der Preußische Adler hält hier in der rechten Klaue einen Scepter, der oben mit einem Adler gezieret, in der lincken den Reichs-Apffel. Der Marck- Brandenburgische führet in der Rechten einen ordinairen Scepter, und in der Lincken ein Schwerdt.  
  Um das gantze Wappen-Schild hängt ein Königl. mit Hermelin gefütterter Purpur- Mantel, welcher mit Adlern und Kronen besäet, und oben mit einem offenen aus lauter Adlern formirten Kronen oder Diademate rund um zusammen gefasset, und mit einer geschlossenen Königlichen Crone bedecket ist.  
  Über dieser schwebt ein Panier mit dem Preußischen Adler, und über dem Panier ist besagter Adler nochmahls auf dem Capital einer Säule, welche mit zwey Kronen an das Panier befestiget, zu sehen.  
Literatur Von Preussen können folgende Schrifften nachgelesen werden:  
 
1) Preußische Crönungs-Geschichte oder Verlauff der Ceremonien, mit welchen der Allerdurchlauchtigste mächtigste Fürst und Herr, Herr Friedrich der Dritte etc. die Königliche Würde des von ihm gestiffteten Königreichs Preussen angenommen, und sich und seine Gemahlin, die Allerdurchlauchtigste Fürstin und Frau, Frau Sophia Charlotte, aus dem Chur-Hause Braunschweig, den 10 Jenner 1701 durch die Salbung als König und Königin einweihen lassen, Cöln an der Spree 1702 in fol.
2) Caspar Schütz wahrhaffte und eigentliche Beschreibung der Lande Preussen, Leipzig 1599 in fol.
3) Caspar Hennebergers Altes Preussen, 1584 in 4;
4) Eben desselben neue Preußische Land-Tafel zusamt derselben Erklärung, 1595 in fol.
5) Christoph Hartknochs Alt und Neues Preussen, 1684 in fol.
6) Preußische und Brandenburgische Staats-Geographie und Historie, Leipzig 1710 in 8;
7) Erläutertes Preussen, Königsberg in 8. ...
8) Peters von Düsburg Chronicon Prussiae, Jena 1679 in 4;
9) Erasmi Stellä Antiquitates Prussiae, Basel 1518;
10) Samuel Schurtzfleisch de rebus
 
  {Sp. 373|S. 200}  
 
  Prussorum, Wittenberg, in 4;
11) Lyditii Notitiae Prussiae delineatio, Wittenberg 1677 in 12.
12. Jacob Perizonii Dissertation de rebus atque incrementis Prussorum, Leyden 1708, der Autor derselben ist der Respondente, Friedrich Freyherr von Danckelmann, und ein Auszug daraus stehet in den Gründlichen Auszügen aus den neuesten Juristisch-Medicinisch-Disputationibus ...
13) Jacob Woits Dissertation de incrementis studiorum per Polonos ac Prussos, Leipzig 1724.
 
  Von den Land-Charten ist keine bessere vorhanden, als welche Friedr. Witt in Holland gestochen hat.  
     

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Stand: 19. Januar 2024 © Hans-Walter Pries