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Zedler: Sachen (Geistliche) HIS-Data
5028-33-209-2
Titel: Sachen (Geistliche)
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 33 Sp. 209
Jahr: 1742
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 33 S. 118
Vorheriger Artikel: Sachen (geheiligte)
Folgender Artikel: Sachen (gekauffte)
Siehe auch:
Hinweise:

  Text   Quellenangaben
  Sachen (Geistliche) Res spirituales oder auch Res ecclesiasticae, machen in dem Canonischen oder Päbstlichen Rechte einen besondern und nicht geringen Theil desselben aus.  
  Es wird aber nicht undienlich seyn, etwas genauer zu untersuchen, worinnen denn eigentlich die Natur und das Wesen derer geistlichen Sachen bestehe. Absonderlich da das Pabstthum hierinnen vieles eingeführet, welches nicht allein der übrigen Rechtsgelehrsamkeit, sondern auch der Heil. Schrifft entgegen zu seyn scheinet.  
  Was also die sogenannten geistlichen Sachen selbst anbelanget; so findet man in dem Verstande des päbstlichen Rechts bey keinem Welt-Weisen und Rechtsgelehrten davon etwas. Und wenn man gleich sagen wolte, daß diese Dinge ihnen unbekannt gewesen wären, in dem dererselben bloß alleine in der Heil. Schrifft Meldung geschähe; so ist doch solches gantz falsch, indem auch in dieser davon nichts gedacht wird. Denn obschon das Wort Ecclesia öffters in der Schrifft vorkommet, so ist doch theils aus der Kirchen-Historie, theils auch aus andern Schrifftstellern zur Gnüge bekannt, daß es niemahls die sogenannten Geistlichen alleine bedeutet. Da man aber in dem Pabstthum es von diesen allein verstehen, und die Läyen davon gantz und gar ausgeschlossen wissen wollen; so hat es nicht anders seyn können, als daß man diejenigen Dinge geistliche Sachen (Res spirituales oder res ecclesiasticas,) genennet hat, welche von der Geistlichkeit dazu gemacht worden seyn, dergestalt, daß die Läyen daran gar kein Recht haben, sondern wenn sie sich dererselben anmassen wolten, zeitliche und ewige Straffe zu befürchten haben.  
  Es sind diese aber zweyerley, entweder Geistliche im besondern Verstande, (Res mere spirituales) nehmlich das Wort GOttes, die Sacramente u.d.g. oder auch sonst an und vor sich selbst nur weltliche Sachen, (Res temporales) als Tempel, Kirchen-Güter, Häuser, Zehenden etc. Und auch darinnen brauchet das Canonische Recht diese Wörter in einem gantz andern Verstande, als sie in der Schrifft und bey andern Scribenten genommen werden, indem es unter dem Worte geistlich nicht allein die Personen und Sachen, sondern auch gerichtliche Streitigkeiten, Straffen, und dergleichen, verstehet.  
  Denn in der Schrifft wird zwar das Wort Spiritus oder Geist auf unterschiedene Art genommen. Hammondus in Notis ad Evang. Luc IX, 55.
  Aber es ist nicht von Nöthen, daß wir uns dabey aufhalten, sondern wir wollen die Entscheidung der Sache vielmehr nur denen Gottesgelehrten überlassen. Absonderlich, da die Ausleger darinnen nicht einig seyn.  
  Inzwischen findet man an unterschiedenen Orten, daß das Geistliche dem Fleischlichen entgegen gesetzet wird. Also sagt Paulus,  
 
  • Röm. VII, 14. Denn wir wissen, daß das Gesetz geistlich ist: Ich aber bin Fleisch, unter die Sünde verkaufft;
  • und im XV Cap. 27. Denn so die Heyden sind ihrer geistlichen Güter theilhafftig worden, ists billig, daß sie ihnen auch in leiblichen Gütern Dienst beweisen.
  • Und 1 Cor. IX, 11. So wir euch das Geistliche säen, ist ein groß Ding, ob wir euer Leibliches erndten.
  • Und

    {Sp. 210}

    Röm. VIII, 5. u.ff. Denn die da Fleisch sind, die sind fleischlich gesinnet; die aber geistlich sind, die sind geistlich gesinnet;
  • und an andern Orten mehr.
 
  Aus diesen allen siehet man gantz deutlich, daß der fleischliche Mensch nichts anders, als denjenigen, andeutet, so nach seinen verderbten Affecten lebet, und der Wollust, Ehr- und Geld-Geitz den Zaum lässet; Der Geistliche aber, so vernünfftig und nach denen Lehren Christi lebet, und also auf alle Weise seinen Affecten zu widerstehen sich bemühet. Da nun also die Clerisey, alleine der geistliche Mensch zu seyn, prätendiret, und hingegen die Läyen mit dem Namen der fleischlich-gesinnten beleget; so siehet man gar deutlich, wie solches nicht nur dem Verstande der Heil. Schrifft gantz und gar zuwider ist, sondern auch, wie übel von denenselben die Läyen gehalten werden. Und wolte man gleich sagen, daß in dem päbstlichen Rechte nirgends stünde, daß die Läyen von dem geistlichen Menschen ausgeschlossen wären; so beweiset es doch der Augenschein und die Erfahrung, indem man die Clericos, Geistliche, den geistlichen Stand, das geistliche Regiment; Hingegen die Läyen, Weltliche, den weltlichen Stand, das weltliche Regiment nennet.  
  Weltlich aber heisset bey ihnen nichts anders, als fleischlich. Denn weltlich seyn, kan nichts anders bedeuten, als entweder in der Welt, oder von der Welt seyn, und sich der Welt gleich stellen. Nehmen die Päbstler es im ersten Verstande; so können sie sich davon nicht ausschlüssen, indem sie ebenfalls in der Welt seyn. Weil also dieses nicht seyn kan; so halten sie ohnstreitig die Läyen vor diejenigen, so von der Welt, und also fleischlich gesinnet seyn, wie Johann XV, 15. gesagt wird: Wäret ihr von der Welt, so hätte die Welt das ihre lieb; dieweil ihr aber nicht von der Welt seyd, sondern ich habe euch von der Welt erwehlt, darum hasset euch die Welt.  
  Es ist aber kein Zweiffel, daß die päbstliche Clerisey diese Eintheilung zu keinem andern Ende erfunden habe, als sich der Jurisdiction der Obrigkeit zu entziehen. Deßwegen beruffet man sich auch auf den Spruch Pauli 1 Cor. II, 15. Der Geistliche aber richtet alles, und wird von niemand gerichtet. Ebenfalls findet man, daß in der Schrifft das Wort geistlich auch von den Sachen gebrauchet wird. Also saget Paulus 1 Cor. X, 3. u. 4. Und haben alle einerley geistliche Speise gessen. Und haben alle einerley geistlichen Tranck getruncken. Sie truncken aber von dem geistlichen Felß, der mir folgte, welcher war Christus.  
  An andern Orten, als 1 Cor. II, 13. 14. wird der geistliche Leib dem natürlichen entgegen gesetzet. Aber in dem Verstande, wie es die Päbstler nehmen, stehet es nirgends in der Schrifft. Sie gebrauchen es aber, wie es ihnen beliebt; also daß alles, was ihnen anständig ist, etwas geistliches seyn muß. Deßwegen siehet man auch, daß sie selbsten bey der Definition nicht bleiben. Denn geistliche Sachen sollen nach ihrer selbsteigenen Meynung diejenigen seyn, welche zum Wohlseyn der Seele gereichen. Nun möchte man aber wohl fragen, was von denen Altären, vom Rauch-Fasse, und andere in dergleichen Dingen, der Seele zu gute kommen könne.  
  Weltliche Sachen nennen sie diejenigen, so nicht zum Wohlseyn der  
  {Sp. 211|S. 119}  
  Seelen, sondern des Leibes, z.E. vor die Erhaltung der Clerisey u.d.g. eingeführet worden seyn. Aber in der Application sind selbsten die Canonisten nicht einig. Also zehlen etliche die Zehenden zu denen geistlichen Dingen; Hingegen andere machen eine gantz besondere Art aus denselben. Ausser diesen ist es auch ungereimt, wenn man die geistlichen Dinge denen weltlichen entgegensetzen will, indem diese nicht nur einander nicht zuwider seyn, sondern es giebt auch weltliche oder vergängliche Dinge (denn dieses ist in der Schrifft eines) die doch geistlich seyn, z.E. der Glaube, die Hoffnung, die Weissagung, 1 Cor. XIII, 8. u.ff.
  Unterdessen werden doch von denen Canonisten die geistl. Sachen wiederum in cörperliche und uncörperliche unterschieden. Jene sind, welche mit denen äusserlichen Sinnen können begriffen werden, z.E. die Sacramente, die res sacrae, sanctae und religiosae; diese aber, so mit denen äusserlichen Sinnen nicht begriffen werden können, z.E. die Tugenden, die Gaben Gottes, die Rechte, Freyheiten u.d.g. Aber bey diesen allen findet man nichts als widersprechende Worte. Denn  
 
1) können geistliche Sachen nicht cörperlich seyn,
 
 
2) was die Rechte, Freyheiten und andere solche Dinge anbetrifft, so sind dieselbe zwar uncörperlich, aber deswegen nicht geistliche Dinge, sonsten müsten auch alle Dienstbarkeiten zu denenselben gehören.
 
 
3) Wenn geistliche Dinge mit denen Sinnen begriffen werden können; so ist es falsch, wenn Paulus saget, daß der natürliche Mensch nicht begreiffe, was des Geistes GOttes sey.
Besiehe hiervon einen mehrers in Thomasius Anmerckungen über den Lanzellot Lib. 2. Tit. 1.
     

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Stand: 30. März 2013 © Hans-Walter Pries