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Zedler: Schöpffung [2] HIS-Data
5028-35-862-6-02
Titel: Schöpffung [2]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 35 Sp. 868
Jahr: 1743
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 35 S. 448
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Übersicht
Mosaische Erzählung
  Physik
Literatur
Gedächtnis-Verse
Vitringa

Stichworte Text   Quellenangaben
Mosaische Erzählung Erwegen wir die Schöpffung nach der Mosaischen Erzehlung, so bekommen wir hierinnen ein grösseres Licht, als wir durch die Vernunft haben. Sie bekräftiget nicht nur die natürliche Erkenntniß, daß GOtt die Welt erschaffen; sondern gibt uns auch noch andere Umstände zu erkennen, davon wir durch die Vernunfft nichts wissen können, daß nemlich GOtt das Werck der Schöpffung in 6 Tagen zu Stande gebracht, und was er an einem jeden Tage erschaffen.  
Physik Wie aber über diese Mosaische Erzehlung verschiedene Betrachtungen können angestellet werden, bald eine Historische, bald eine Theologische, bald eine Mystische; also gehts auch an, daß ein Philosophe seine Gedancken darauf richten und die Sache nach der Physic erwegen kan. Doch weil man dabey leicht auf Abwege kommen kan, wie aus der Historie und Erfahrung bekannt, so hat man alle Vorsichtigkeit anzuwenden, daß man nicht aus den Schrancken gerathe. Zu solchem Ende bemercken wir folgende Regeln:  
 
1) hat Moses keine Physic; sondern eine Historie schreiben wollen, daher ists ungereimt, wenn man daraus die Principia der natürlichen Dinge nehmen und eine Mosaische Physic vorstellen will. Gleichwol ist dieses von verschiedenen geschehen, daß sie gemeinet, die Materie, der Geist und das Licht wären die Anfänge der natürlichen Dinge. Denn es sage Moses, daß die Erde wüste und leer gewesen; der Geist auf dem Wasser geschwebet, und GOtt das Licht hervor gebracht.
Der vornehmste unter ihnen ist Joh. Amos Comenius in synopsi physices ad lumen divinum reformatae, dem Joh. Beyer in atrio naturae ichnographiae delineato gefolget, von denen wir oben in dem Articul von der Christlichen Philosophie im XXVII Bande, p. 2041 u.ff. gehandelt haben:
 
2) hat Moses nur gezeigt, was GOtt in den 6 Tagen nach und nach erschaffen, und die Art, wie die Cörper gemacht und alle herfür gebracht worden, nicht anzeigen wollen.
 
 
  Um deswegen haben sich diejenigen gar sehr verstossen, welche die Schöpffung nach ihren Principiis der Physic zu erklären sich unterstanden. Von denen Aristotelicis hat Joh. Zeisold in seinem Tractat de consensu et dissensu Aristotelis cum verbo Dei dieses gethan, dergleichen auch die Cartesianer vorgenommen haben.
 
 
  So hat Joh. Amerpoel folgendes Buch: Cartesius Mosaizans, sive evidens et facilis conciliatio philosophiae Cartesii cum historia creationis primo capite Geneseos per Mosen tradita, Leuwarden, 1669 in 12. herausgegeben; darinnen aber eine rechte magere und trockene Vergleichung angestellet. Denn wenn Moses sagt, im Anfang schuf GOtt Himmel und Erden, so soll Cartesius darinnen mit ihm einig seyn, daß er GOtt auch den Schöpffer aller Dinge genennet. Heist es in dem andern Vers, und die Erde war wüste und leer und es war finster auf der Tieffen und der Geist GOttes schwebete auf dem Wasser, so will er die Ubereinstimmung darinnen zeigen, daß Cartesius eine gemeine Materie aller Cörper angenommen, welche sich in alle Theile hätte theilen lassen, und nunmehro würcklich getheilt wäre, daß er
 
  {Sp. 869|S. 449}  
 
  die Heil. Dreyfaltigkeit geglaubet und erkannt, GOtt sey der Erhalter aller Dinge. Wie sich dieses aber mit den Mosaischen Worten zusammen reimen soll, wird niemand so leicht begreiffen. Es ist auch etwas gezwungenes, daß er dasjenige, was Moses von der Veste saget, von den Himmels-Kügelein und andern Elementem und von den Wirbeln des Cartesius auslegen will, dergleichen Proben in den Observat. Hallens. ... noch mehr angeführet werden.
 
 
  Ludewig de Beaufort hat in cosmopoeia divina sive fabrica mundi explicata, Leiden 1656. in 12. gleiche Arbeit gethan; gleichwie auch Heinrich Morus in defensione cabbalae philosophicae den Anfang der Mosaischen Historie von der Schöpffung gäntzlich nach dem Sinn und der Meynung des Cartesius erklären will.
 
 
  Zu Utrecht ist 1686 le monde naissant, ou la creation du monde demonstrée par les principes tres simples et tres conformes a l'histoire de Moyse heraus kommen, worinnen der Verfasser, welcher Theodor Barin heissen soll, ebenfalls die Cartesianische Grundsätze appliciren will,
siehe acta eruditor. 1686. ...
 
  Einer der neuesten von solcher Sorte ist Rambert, welcher zu Utrecht 1713 nouveaux essais d'explication physique du premiere chapitre de la genese herausgegeben, daraus wir einige Proben anführen wollen. Durch Himmel und Erden wird diejenige Materie verstanden, woraus Himmel und Erden nach den Gesetzen der Bewegung gebildet worden. Von dieser Materie werde gesagt, sie sey wüst und leer gewesen, das ist, von allem Zierrath entblösset; und da es finster auf der Tieffe war, so werde durch die Tieffe eine unendliche ausgedehnte Materie angezeiget, wovon alles so angefüllet, daß kein Spatium übrig geblieben, u. weil diese Materie in keiner Bewegung; sondern in einer völligen Ruhe erschaffen so hätte sich auf der Tieffe eine Finsterniß befunden.
 
 
  In solche Materie sey eine Bewegung gebracht worden, wohin die Worte: Und der Geist GOttes schwebete auf dem Wasser, zielen. Denn durch diesen Geist sey die Bewegung zu verstehen, und die Materie werde wegen ihrer grossen Feuchtigkeit das Wasser genennet. Durch diese Bewegung sey das Licht entstanden, weswegen darauf folge: es werde Licht: Wenn es weiter heisset: es wurde eine Veste zwischen den Wassern, so sollen durch das Wasser die Vortices, die wegen ihrer Feuchtigkeit mit dem Wasser verglichen würden; durch die Veste aber der Umfang, womit ein jeder vortex umschlossen sey, angezeiget werden.
 
 
  Auf solche Art gehet er auch die übrigen Stücke der Mosaischen Erzehlung durch. So gehts, wenn man sich zu sehr in eine Sache verliebet. Solche Vergleichungen sind nicht nur ungereimt und gezwungen; sondern auch gewisser massen ärgerlich, indem sich die Schrift allzu sehr muß verdrehen lassen. Doch hat man sich über solches Unternehmen nicht zu verwundern, nachdem Cartesius selbst in der Einbildung gestanden, es liesse sich seine Philosophie dahin deuten, und also seinen Anhängern mit seinem Exempel dazu Anlaß gegeben.
 
 
  Denn part. g. ep. 53. p. 180. schreibet er: The-
 
  {Sp. 870}  
 
  ologiam ad meum philosophandi modum facili negotio accomodari posse opinor; nihil enim immutandum video, nisi quoad transsubstantiationem, quae ex principiis meis admodum clara est et facilis; illamque in physica mea una cum primo geneseos capite explicare necesse habebo, haecque etiam ad Sorbonam mittere mihi proposui, ut, antequam in lucem prodeant, examninentur. Si quae sint praeterea, quae integrum Systema requirant, illudque aggredi velis, id gratiae loco mihi erit, teque in omnibus, quantum potero, juvabo.
 
 
  Nur läst sich dieses damit nicht wohl zusammen reimen, daß die Cartesianer sonst auf die Mosaische und christliche Physiken nicht wohl zu sprechen sind, wie Reimmann in dem Versuch einer Einleitung in die histor. litter. der Deutschen part. 13: sect. 1 p. 430 zeiget.
 
 
  Ausser den Cartesianern hat Dickinson in der physica veteri et vera nach den Principiis der philosophiae corpuscularis, die von Mose beschriebene Historie der Schöpffung erklären wollen.
 
 
  Nicht weniger können diejenigen Engelländer hieher gerechnet werden, welche dasjenige, was die Schrift von den Haupt-Veränderungen der Erden und unter andern von ihrer Herfürbringung meldet, mit der gesunden Vernunft vereinigen und aus der Philosophie erklären wollen. Von denselbigen haben wir schon oben eine Nachricht in dem Artickel von der Erde im VIII Bande, p. 1532 u.ff. gegeben. Es können auch verschiedene Umstände aus dem, was der Fabricius in delectu argumentorum et syllabo scriptorum, qui veritatem religionis christianae asseruerunt, cap. 12. p. 363. und Pfaff in introductione in historiam theologiae literariam part. I, p. 332. angeführet haben, ergäntzet werden:
 
 
3) ist die Haupt-Absicht bey der Mosaischen Erzehlung, daß wir daraus lernen, wie GOtt die Welt in der Zeit erschaffen, und den ersten Menschen in den vollkommensten Stand gesetzet.
 
 
  Um deswegen heist es mit Fleiß: im Anfang schuf GOtt Himmel und Erde, an welcher wahren Erkenntniß in der Moral sehr viel gelegen. Denn daraus müssen wir unsere Dependentz von dem Schöpffer und des Schöpffers Herrschafft über uns erkennen. Solche Wahrheit steht den heydnischen Irrthümern von der Ewigkeit der Materie, oder gar der Welt entgegen:
 
 
4) kommt in dieser Historie nichts widersprechendes oder unvernünftiges vor, welches wider die Atheisten zu mercken, die damit ihr Gespött treiben wollen.
 
 
  Unter andern hat Jaquelot in seinem Buch: conformité de la foi avec la raison part. 2. c. 1. p. 112. auf verschiedene Einwürffe, die sie dawider machen, geantwortet, welches auch Matthäus Hale vom Ursprung der Welt und der Menschen gethan, wobey nachzulesen Adams Tribechovs veritas creationis mundi, prout a Mose descripta est, ostensa in traditionibus gentium ac vetustissimis antiquitatis profanae monumentis, Kiel 1668, welche Dissertation tom. I. fasciculor. des Crenii Roterd. 1691 wieder gedruckt worden:
 
 
5) gehe man in der Erklärung dieser Historie von dem
 
  {Sp. 871|S. 450}  
 
  buchstäblichen Sinn nicht ab. Denn wie man an sich keine Ursache dazu hat; also geht solches zumahl in einer historischen Erzehlung nicht an.
Walchs philosophisches Lexicon.
Literatur   Ausser den schon angeführten Scribenten gedencken wir noch des Wilhelm van der Muelen dissertationum philologic. de die mundi et rerum omnium natali, die zu Utrecht 1713 heraus kommen, und aus 2 Dissertationen bestehen. In der ersten trägt er die unterschiedene Meynungen der alten Philosophen vom Ursprung der Welt vor, und erklärt die Historie Moses. In der andern hält er sich sonderlich bey den Worten auf, daß GOtt am siebenden Tage geruhet.
    Des Joh. Raji dissertationes de chao, creatione mundi, diluvio et futura conflagratione sind englisch geschrieben, und nach des Verfassers Tod 1713 vermehrter heraus gekommen.
    In den unschuldigen Nachrichten 1712 steht p. 210. eine gründliche Untersuchung des schädlichen Irrthums Antons le Grand von der Schöpffungs-Historie, daß die Welt in einem Augenblick erschaffen.
    Im Jahr 1728 ist des Herrn Wucherers historia creationis, quatenus illa capite primo geneseos continetur, observationibus physicis illustrata, herausgekommen.
    Von dem discours philosophique sur la creation et l'arrangement du monde etc. Amsterdam 1700. der überhaupt nach des Cartesius Principien eingerichtet, lese man die memoires de Trevoux 1701 Jan. et Febr. p. 40. und Bernards nouvelles de la republique des lettres 1700. Octobr. p. 411. und von einer andern: de monde naissant, ou la creation du monde, demonstrée par des principes tres simples et tres conformes a l'histoire de Moise, Utrecht 1685. giebt Bayle in nouvelles de la republique des lettres 1685 Decembr. p. 1300 Nachricht.
    Noch verdienen gelesen zu werden
  • Jacob Wilhelm Feuerlins Dissertation de axiomate: ex nihilo nihil fit, ejusdemque conciliatione cum doctrina theologica et philosophica de creatione materiae mundi, Altorf 1732;
  • Johann George Darjesens Dissertation de possibilitate creationis mundi ab aeterno, Jena 1735;
  • Heinrich Gottfried Haferungs Dissertation de creatione hujus mundi ex nihilo in tempore, Wittenb. 1736;
  • Michael Christoph Hanovs Dissertation de origine mundi ex montibus vallibusque, Dantzig 1735;
  • Reinbecks Betrachtungen über die Augspurgische Confeßion 1 Th. XIV Betr.
Gedächtnis-Verse Wem was daran gelegen, daß er die Ordnung der sechs Tage wissen will, der kan sich nachfolgende lateinische oder deutsche Gedächtnis-Verse mercken:  
  Primus dat lucem, alter coelum, tertius orbem.
Sidera dat quartus, dat pisces quintus auesque,
Sextus cum reliquis profert animantibus Adam.

Den ersten Schöpffungs-Tag sprach GOtt, es werde Licht:
den andern ward der Bau des Himmels zugericht:
 
  {Sp. 872}  
  Der dritte gab der Welt Gras, Bäume, Laub und Kraut:
den vierten ward darauf das Firmament gebaut:
Der fünfte hat den Fisch- und Vogel-Fang gebracht:
Den sechsten ward das Vieh und auch der Mensch gemacht.
 
Vitringa Wir gedencken noch der mystischen Erklärung von der Schöpffung, zum Beschluß dieses Artickels, so, wie sie Vitringa gegeben. Denn obgleich derselbe nicht leugnet, daß die Beschreibung, wie die Welt geschaffen sey, eigentlich und nach dem Buchstaben verstanden werden müsse, so glaubet er doch, daß ein mystischer Sinn darunter verborgen liege: Nämlich die göttliche Haushaltung in der Kirche, und Schöpffung des neuen Menschen, zwischen welcher und der leiblichen eine Ubereinstimmung seyn muß.  
  Es sind aber, nach dem Vitringa, eigentlich zwo mystische Welten geschaffen worden, eine, die ein Vorbild, und eine, die ein Gegenbild darstellet, die mit der Göttlichen Haushaltung im alten und neuen Bunde, sowohl als mit der Schöpffung der cörperlichen Welt übereinstimmen.  
 
  • Die erste Nacht ist der betrübte Zustand der Jüden vor Christi Geburt gewesen: Der erste Tag seiner Erscheinung in der Welt.
  • Die zweyte Nacht der Kirchen war unter dem Nero: Der zweyte Tag daurete von Trajan bis auf den Decius.
  • Die dritte Nacht von dem Decius bis auf Constantin: Der dritte Tag unter Constantin.
  • Die vierte Nacht gieng an von Constantin und vor der Mitte des 5 Jahrhunderts: Der vierte Tag fieng bey Carln dem Grossen an.
  • Die fünfte Nacht brach bey dem Tode desselben ein: Der fünfte Tag erschien unter Friedrich dem Rothbart.
  • Die sechste Nacht fieng von den Zeiten der Scholasticker an: Der sechste Tag im 16 Jahrhundert.
  • Die siebende Nacht bestehet in der Verderbniß, der Laulichkeit und Uneinigkeit der Kirche. Der siebende Tag wird nach der Bekehrung der Heyden, der Verstörung Babel, der Ausrottung des Antichrists, und Wegräumung der Ärgernisse folgen.
 
  In dem Mertz von den Maendelyke Vittreksels of Boek zaal der geleerde Werelt vom Jahr 1725 stehet ein Auszug aus des Vitringa allegorischer und mystischer Erklärung der sechstägigen Schöpffung. Es werden hier die Kennzeichen und Eigenschaften jedes Tages und jeder Nacht angezeiget, jedes mystischen Tages Ubereinstimmung mit dem leiblichen Schöpffungs-Tage gezeiget, und mit den Prophezeyungen verglichen.  
     

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Stand: 3. April 2013 © Hans-Walter Pries