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Zedler: Schrifftgüsser HIS-Data
5028-35-1199-1
Titel: Schrifftgüsser
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 35 Sp. 1199
Jahr: 1743
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 35 S. 614
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Folgender Artikel: Schrifft-Kasten
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel

  Text  
  Schrifftgüsser, Fusores typorum, ist eine besondere Kunst, welche fast zu gleicher Zeit mit der Buchdruckerkunst, in Deutschland erfunden worden.  
  Die Erfindung derselben wird insgemein Johann Fausten zugeschrieben, welcher  
  {Sp. 1200}  
  seiner ersten Profeßion nach ein Goldschmied gewesen.  
  Die Buchstaben wurden vor Alters in hartes Holtz geschnitten, in der Mitten durchlöchert, so daß man solche fest zusammen zühen konnte. Nach der Zeit aber ist die Sache höher gestiegen; denn es wird ein jeder Buchstabe seiner Form und Grösse nach auf das schärffste und sauberste in Stahl geschnitten, und der Stempel, (Archetypus) also gehärtet, daß man ihn in Kupfer einprägen und abschlagen kan.  
  Es werden aber auch Stempel zu grossen Buchstaben von Kupfer künstlich bereitet, und können solche wegen ihrer Grösse nur in Bley eingeschlagen werden, welchen Abschlag man denn die Matricem oder die Mutter zu nennen pfleget, weil er das Modell und die Form ist, worinnen die Buchstaben häufig, doch einer nach dem andern kan gegossen werden. Diese zuvor sehr accurat gemachte Matrice setzet man in ein von Meßing wohl zu gerichtetes Instrument, welches aus funfzehn Schrauben bestehet, und aus einander kan genommen werden.  
  Es muß aber dieses Instrument deswegen auf das accurateste verfertiget werden, damit jedweder Buchstabe seinen gebührenden Kegel und Höhe (latitudinem et longitudinem) bekomme. Durch dieses Instrument wird der geschmoltzene Zeug (massa) in die Mutter mit grosser Geschwindigkeit gegossen, der Buchstabe mit dem Häcklein herausgenommen, der Guß abgebrochen, die Buchstaben alsdenn geschliffen, auf dem Winkelhacken zusammen gesetzet, geschabet, theils auch unterschnitten; mit einem Hobel am Fuß bestossen, ins Schiff eingesetzt, und Packweise zusammen gebunden. Kurtz, es muß ein Buchstabe funfzehn bis sechszehnmahl durch die Hand gehen.  
  Die Werckzeuge, deren sich die Schrifftgüsser zu bedienen pflegen, sind folgende:  
 
  • Das eigentlich so genannte Instrument,
  • der Gießlöffel,
  • die Gießpfanne,
  • das Winckelmaß,
  • das Justorium,
  • der Schraubestock,
  • der Handkloben,
  • der Ambos,
  • das Gießblech,
  • der Schmeltztiegel,
  • das Fertigmacheisen,
  • der Winckelhacke,
  • der Hobel,
  • der Schleiffstein,
  • die Feuerzange,
  • das Kernmaaß,
  • allerhand Feilen,
  • unterschiedene Hammer,
  • eiserne Töpffe,
  • das Bestoßzeug.
 
  Die Materie, woraus der Buchstabe gegossen wird, bestehet aus einer Composition von Bley, Eisen, Spießglase, Meßing und Kupfer. Gantz ungegründet ist es, wenn einige Scribenten vorgeben, als wenn gantze Druckereyen von silbernen Buchstaben in Holland und Engelland zu befinden wären. Es ist solches theils wider die tägliche Erfahrung, theils lässet sich auch das Silber nicht so tractiren, wie der Schrifftgüsserzeug, anderer Ursachen, und der unsäglichen Kosten, die zu einer vollkommenen silbernen Druckerey erfordert würden, zu geschweigen.  
  Die vornehmsten Buchdruckerschrifften sind nach ihren unterschiedlichen Namen und Grösse, so wohl in lateinischer als deutscher Sprache folgende:  
  Die lateinische wird in Antiqua, welches ein gerader und in die Höhe stehender Buchstabe ist, und Cursiva, so etwas geschoben, oder schief ist, eingetheilet.  
  Die  
  {Sp. 1201|S. 615}  
  deutsche hat dreyerley Abtheilungen:  
 
  Denn über die ordentlich so genannte erste Fractur findet man
2) die Schwabacher, welches eine etwas kürtzere und altväterische Schrift ist. Solche wird öfters gebrauchet, wenn man im Drucke etwas merckwürdiges zum Unterscheid anführen will.
3) Die so genannte Cantzelley- oder Currentschrift, so wie geschrieben anzusehen.
 
  Die übrigen Benennungen kommen im Lateinischen und Deutschen meistens überein.  
 
  Die erste und größte unter allen, so zu Titteln und Anfange eines Buchs, Capitels oder Rede gebraucht wird, nennet man Capitalia; dieser folget
2) die Missal-Fractur und kleine Missal, so von andern die grosse Sabon pfleget genennet zu werden. Die lateinische wird in die grosse und kleine Missal-Antiqua unterschieden.
3) Die grosse oder grobe und kleine Canon, im Lateinischen Canon de Garamond, Petit Canon, Antiqua de Garamond, und Petit Canon Cursiva.
4) Neue Roman, Theuerdanck-Fractur, welche einige Pabsttext nennen, im Lateinischen Roman-Antiqua und Cursiv.
5) Krause und neue Text-Fractur, im Lateinischen Text-Antiqua und Cursiv.
6) Bibel-Fractur, im Lateinischen Parangon-Antiqua de Garamond, l'arangon-Cursiv de Grand Jon.
7) Neue und gebrochene Tertia-Fractur, auch Tertia-Schwabacher, im Lateinischen Tertia-Antiqua und Cursiv, von andern Tertia-Antiqua de Garamond, und Tertia-Cursiv de Grand Jon genennet.
8) Grobe und kleine Mittel-Fractur, Mittel-Rheinändische und krause Fractur, im Lateinischen Media-Antiqua und Cursiv, von andern Media-Antiqua de Garamond, Media-Cursiva de Grand-Jon genennet.
9) Grobe und kleine Cicero-Fractur, auch Cicero Schwabacher, im Lateinischen Cicero-Antiqua und Cursiv, von andern Cicero-Antiqua de Garamond, und Cicero-Cursiv de Grand Jon genennet.
10) Wird in Leipzig und sonst insgemein Corpus, in Franckfurt am Mayn aber und der Orten Garamond, geheissen, nehmlich die Deutsche wird Corpus-Fractur und Schwabacher, die Lateinische Corpus-Antiqua und Cursiv, oder Garamond Antiqua de Garamond und Garamond-Cursiv de Garamond genennet.
11) Grobe und kleine Petit-Fractur, im Lateinischen Petit-Antiqua und Cursiva, von andern Petit Antiqua de Garamond, Petit-Cursiv de Grand Jon.
12) Mignon-Antiqua und Cursiv, von andern Jungfer-Schrifft geheissen.
13) Nonpareil-Fractur und Schwabacher, im Lateinischen Nonpareil-Antiqua und Cursiva.
14) Und letztens, so die kleinste ist, und Rubin-Fractur und Schwabacher, von andern Colonell genennet wird, im Lateinischen Perle Antiqua und Cursiva, so aber selten vorzukommen pflegen.
 
  Die Cörper, worauf sie gegossen stehen, nennet man Kegel, so nach Proportion der Schrifft, breit oder schmal sind, und muß eine jegliche Schrifft auf einen sonderbaren Kegel gegossen werden.  
  Der Ursprung dieser Namen ist mehrentheils unbekannt. Einige derselben, als Missal, Brevier, Cicero, Corpus, Bibel, Theuerdanck, sollen ihren Ursprung daher haben, daß die besagten Bücher zu-  
  {Sp. 1202}  
  erst mit diesen Schrifften sind gedrucket worden. Garamond und Grand-Jon von ihren Erfindern und Schrifftgüssern, so sie zuerst erfunden haben.  
  Die Schwabacher-Schrifft hat ihren Nahmen nicht der Stadt Schwabach, sondern ihrem Erfinder dieses Nahmens, zu dancken, wie es denn Deutschland niemals an dergleichen berühmten Künstlern gemangelt hat, unter welchen die beyden, Lowinger und Baumann zu Nürnberg, und Hans Richter zu Wittenberg nebst vielen andern bekannt sind, welchem letztern an Accuratesse noch keiner von Ausländern es zuvor gethan.  
  Non-pareil, die unvergleichliche, oder die ihres gleichen nicht hat, Petit die kleine und Mignon die Liebenswerthe, scheinen so wohl ihren Namen als Erfindung halber Franckreich zum Vaterlande zu haben.  
  Sonsten findet man anitzo in Leipzig folgende Orientalischen Schrifften, als  
 
  • Hebräische,
  • Chaldäische,
  • Syrische,
  • Arabische,
  • Äthiopische,
  • Egyptische,
  • Armenische,
  • Samaritanische,
  • Griechische,
  • Rußische,
 
  der Pohlnischen, Böhmischen, Ungarischen, Dänischen und Holländischen, und vieler andern, absonderlich der gantz neu geschnittenen Malabarischen Schrifften anitzo zu geschweigen.  
     

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Stand: 12. Juli 2013 © Hans-Walter Pries