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Zedler: Schweitzerland HIS-Data
5028-36-358-1
Titel: Schweitzerland
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 36 Sp. 358-372
Jahr: 1743
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 36 S. 192-199
Vorheriger Artikel: Schweitzer-Käse
Folgender Artikel: Schweitzerleinbeeren
Siehe auch:
Hinweise:
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  Text Quellenangaben
  Schweitzerland,  
 
  • Schwitzerland,
  • sonsten schlechthin die Schweitz, Schwitz,
  • auch die Eydgenoßschafft,
  • Lat.
    • Respublica Helvetiorum,
    • Helvetia,
  • Frantz. la Suisse,
 
  genannt, ist ein grosses Land in Europa, zwischen Deutschland, Franckreich und Italien gelegen.  
  {Sp. 359|S. 193}  
     
  Ursprung des Nahmens: Schweitzerland:  
  Den ersten Nahmen führet es her von der in einem eigenen Artickel abgehandelten und darinnen befindlichen besondern Landschafft und Flecken Schweitz, wie denn auch von dem höhern Ursprung dieses Nahmens in solchem Artickel mit mehrern gedacht worden.  
  Diese allgemeine Benennung des Landes, nehmlich Schweitzerland, entstunde zuerst aus Anlaß des Krieges, den Zürich im Jahre 1442 mit Hülffe des Kaysers und des Hauses Österreich,, hiernächst auch der Schwaben und anderer Deutschen Völcker, anfänglich zwar gegen Schweitz allein, nachhero aber auch gegen alle übrige Eydgenoßische Orte geführet; da nehmlich dieser anfangs eigentlich so genannte Kriegs-Zug wider die Schweitzer, auch als die übrige Eydgenossen selbigem beygetreten, bey den Deutschen eine übliche Redens-Art geblieben, indem die deutschen Soldaten, die auf der Zürcher Seite fochten, den Nahmen Schweitzer allen Eydgenossen beylegten, die es mit den Canton Schweitz hielten. Und diese Benennung ist nachhero, da sich Zürich mit denen Eydgenossen wiederum vereiniget, auch bald darauf der Thurgöwische und zuletzt der Schwaben-Krieg im Jahr 1499 erfolget, unter denen Schwaben, Deutschen und andern Völckern immer mehr gemein worden.  
     
  Ursprung des Nahmens: Helvetier:  
  Woher diesem Volck der alte Nahme Helvetier (Helvetii) zugeleget worden, ist ungewiß. Einige wollen selbigen herführen von einem alten Fürsten oder Könige, Helvetus genannt; andere vom Höllen-GOtt Pluto, welchen die alten abergläubigen Gallier für ihren Stamm-Vater angegeben, und solle demnach dieser Nahme soviel heissen, als Höll-Vettern. Es klinget aber diese Meynung sehr albern.  
  Andere hohlen ihn her von des Volcks Tapffer- und Streitbarkeit, als wolte man sagen Helden-Väter. Noch andere meinen, er komme von dem alten Cimbrischen Worte Hellar her, so einen Berg bedeutet, und habe man sie Hellhüter, das ist Berghüter, genannt, und daraus hätten die Römer den Nahmen Helvetii formiret.  
     
  Ursprung der Nahmen: Eydgenossen und Eydgenossenschafft:  
  Jedoch ist schon von langer Zeit her der eigentliche und allgemeine Nahme dieses Volcks und Landes: die Eydgenossen und die Eydgenossenschafft, als den sich die Republick selbsten, und zwar von dem ersten im Jahre 1315 eydlich getroffenen Bündnisse der drey Orten Ury, Schweitz und Unterwalden, iederzeit gegeben, auch da sie in den nachfolgenden Zeiten durch übriger Orte Beytretung nach und nach vermehret und ausgebreitet worden, immerfort beybehalten, als welcher Beytritt geschehen  
 
  • von Lucern im Jahre 1332;
  • von Zürich im Jahre 1351;
  • von Zug und Glarus im Jahre 1352;
  • von Bern im Jahre 1353;
  • von Freyburg und Solothurn im Jahre 1481;
  • von Basel und Schafhausen im Jahre 1501,
  • und letztlich von Appenzell im Jahre 1513.
 
  {Sp. 360}  
     
  Die alten Grentzen:  
  Die Grentzen der alten Helvetier beschreibet Jul. Cäsar zu seiner Zeiten also: daß selbige gegen Morgen und Mitternacht durch den Rhein von Deutschland, gegen Abend durch den Berg Jura von den Sequanis, und durch den Genfer-See, und den Rhodan-Fluß von der Römischen Provincia Narbonensi geschieden werden.  
     
  Alte Eintheilung:  
  Der von Cäsare angemerckte Bezirck dieses alten Helvetiens war in 4 Pagos, das ist, Göw oder Gegenden, abgetheilet, deren er aber nur 2 benahmet: nehmlich Pagum Tigurinum, oder Zürich-Göw, und Pagum Verbigenum, (Urbigenum) Ober-Göw, oder wie einige wollen: Aergöw. Die übrigen zwey finden sich bey andern genennet: Pagus Aventicus, nach heutiger Benennung der Wifflispurger, und Pagus Tugenus, oder Zuger-Göw.  
     
  Die alten Städte, Flecken und Dörffer:  
  Inner dem Bezirck dieser vier Göwen lagen demnach laut Cäsars fernerem Bericht zwölf ummauerte Städte, benebst 400 Flecken und Dörffern, als welche zur Zeit, da die Helvetier diese Lande verliessen, der Meinung, in Provence und Languedoc eine bessere Wohnung zu erobern, von ihnen selbst mit Feuer angesteckt, und zu Grund gerichtet worden.  
  Die Nahmen besagter zwölf Städten haben einige Historien-Schreiber wissen, oder vielmehr errathen wollen, da sie nehmlich folgende nennen:  
 
  • Tigurum oder Zürch;
  • Aventicum, am obern Ende des Murter-Sees, da nun Wifflispurg gelegen;
  • Vindonissa, Windsch;
  • Tugium, Zug;
  • Solodurum, Solothurn;
  • Vittodurum, Alt-Winterthur;
  • Aquae Helvetiae, Baden an der Limat;
  • Gaunodurum, Stein am Rhein oder Costnitz;
  • Neidenolex, Neuenburg am See;
  • Ebrodunum, Yverdun;
  • Lausodunum, Lausanne;
  • Nevidunum, Nyon am Genffer-See.
 
  Mit den meisten hat es eine ziemliche Wahrscheinlichkeit, und sind dieselbige hernach wiederum aus der Asche erhoben und angebauet worden, nebst vielen andern, wie denn auch viele neue durch die Römer angeleget, und mit Italiänern besetzet worden, als  
 
  • Tribunal Caesaris, Käyserstuhl;
  • Forum Tiberii, Zurzach;
  • Aquila, Aigle gegen Wallis;
  • Arbor Felix, Arbon am Boden-See;
  • Bremgarden,
  • Rheinau,
  • Pfyn an der Töß,
  • Payerne,
  • Bevay,
  • Moudon,
  • u.a.m.
 
     
  Alte Regiments-Forme:  
  Aus des Cäsars Beschreibung ist noch weiter abzumercken: daß die alte Helvetische Regiments-Forme mit der heutigen, so unten mit mehrern vorkommt, eine ziemliche Gleichheit gehabt. Die 4 Göw und deren Städte waren durch Bündniß zusammen gethan, sie hatten auch ihre gemeine Landes-Herkommen und Gewohnheiten, nach denen sie verfahren und gerichtet, wie solches aus des Orgetorix oder Hordrichs Handel, den Cäsar ausführlich beschrieben hat, unschwehr abzunehmen.  
  Es scheinet auch, daß die benachbarte Rauracher, Klettgöwer und Breyßgöwer sich nach Art  
  {Sp. 361|S. 194}  
  der zugewandten Orte und Länder zu denen Helvetiern gehalten haben, da sonsten ein jeder Ort für sich souverain und von alleiniger Beherrschung irgendeines Landes-Herrn frey wäre, obwohlen sichs aus denen Merckmahlen freylich ergiebet, daß der Adel, das ist, nach damahligem Verstand, Männer, die sich nach dem Exempel ihrer Vor-Eltern zum gemeinen Besten des Vaterlandes in allerhand Vorfallenheiten durch Tugend, Klugheit und Tapfferkeit herfürgethan, unter ihnen in hoher Achtung gestanden, sonderlich, wo diese zugleich wohlbegütert gewesen, als dessen der angezogene Hordrich wiederum ein Beyspiel giebet; jedoch alles ohne Nachtheil der edlen bey ihnen so theuer geschätzten Freyheit.  
  In nachgehender Zeit erlitte zwar dieser Ruhm der Helvetier durch dasjenige widrige Schicksal einen gewaltigen Stoß, so ihnen mit Jul. Cäsar, und nachhero noch mehr mit des Kaysers Vitelli General A. Cäcinna, zugestossen; und noch ferner, da die Burgunder und Fränckische Könige, Merowingischer und Carolingischer Linie, auch endlich nachmahls die zweyte Linie der Burgundischen Könige vom Jahr 888 bis 1033, und die unter selbigen sowohl als nachgehends unter den deutschen Kaysern empor gekommene Landes-Herren aus dem hohen und niedern Adel, denen dasigen theils von den alten Helvetiern noch übrig gebliebenen, theils von den Burgundern, Francken und Deutschen abstammenden Land-Leuten ein schweres Herrschaffts-Joch aufgeleget.  
  Was aber denjenigen Theil dieses Volcks betrifft, so da auf denen Alp-Gebürgen und denen nahe herum gelegenen Gegenden ihren Sitz gehabt, als da waren die von Ury, Schweitz, Unterwalden, wie auch die Walliser und Häßlethaler, so erscheinet aus der Historie, daß solche jederzeit in ziemlicher Freyheit geblieben: obwohl sie in der That die jetztgedachte Könige und Kayser als ihre rechtmäßige Ober-Herren ebenfalls erkennet, wie sie denn von selbigen nebst mehrmahlen wiederhohlten schönen Zeugnissen erwiesener Treu, Gehorsams und Tapfferkeit, auch öfftere Bestätigung ihrer Freyheiten erhalten, wie solches absonderlich von dem grossen in dem Land selbst gebohrnen Schweitzer-Freunde, Kayser Rudolpho, aus dem Gräflichen Hause von Habspurg, geschehen.  
  Allein nach Absterben dieses Kaysers, als dessen Sohn Albertus I das Scepter des Reichs in die Hände bekommen, gewanne es auch mit der Beherrschung dieses Volcks ein anderes und ihren Freyheiten sehr nachtheiliges Ansehen, da sonderlich bey denen Reichs-Vögten und dem Adel des Landes, der Ubermuth und die Tyranney auf das höchste zu steigen begunte. Als nun das arme Volck unter diesen Pressuren einige Zeit vergeblich geseuffzet, und die darwider geführte vielfältige und wehmüthige Klage selbst an dem Kayserlichen Hof zur behörigen Abstellung nichts verfangen wollen, wurden endlich die noch unter der Asche glimmende Funcken der alten Helvetischen Tapfferkeit und Freyheits-Liebe durch die Ungedult aufgeweckt, und zu Entschüttung dieser schwehren Bürde eine hefftige Flamme entzündet.  
  Der erste Grund zu der nachhero erfochtenen Freyheit wurde gelegt durch die im Jahr 1307 den 17. Oct. im Land Ury geschehene Zu-  
  {Sp. 362}  
  sammen-Verschwöhrung zwischen Wernher Stauffacher, einem Schweitzer, Walther Fürst, von Ury, und Arnold von Melchthal, aus Unterwalden, siehe Ury.  
  Hierzu kame der bekannte Handel Wilhelm Tells mit Land-Vogt Geyßlern oder Gryßlern, siehe Tell, (Wilhelm).  
  Hierauf wurden im Jahr 1308 die Thätlichkeiten mit Einnehmung der Schlösser, und Ausschaffung der Tyrannen gemeinsamlich angefangen. Doch mochte die bis hieher gebrachte Freyheit annoch auf schwachen Füssen stehen, und wohl einer mehrern Befestigung bedürffen, als welche auch im Jahr 1315 durch den wider den Ertz-Hertzog Leopold am Morgarten erfochtenen Sieg, sehr glücklich eingetroffen. Wobey noch zu mercken, daß an diesem Werck auf Seiten der Eydgenossen nicht nur etwan schlechte Land-Leute, sondern auch ansehnliche im Land seßhaffte Geschlechter Adelichen und Freyherrlichen Standes getreulich und eifrig mit geholffen. So sind auch selbst die nachfolgende Kayser, als Heinrich VII, Ludwig V, Carl IV, und Siegmund I, von der Billigkeit dieses neuen zu nöthiger Handhabung der edlen Freyheit und Gerechtigkeit abgesehenen Bundes so vest überzeuget gewesen, daß sie denselben öffentlich bestätiget.  
  Von einigen nachfolgenden Kaysern aber, als Friedrich III, und dessen Sohn Maximilian I, wurde den Eydgenossen in dem entstandenen Zürich- und Schwaben-Krieg so wohl als in den nachfolgenden Zeiten mit Feindseligkeiten hart zugesetzet; wodurch diese endlich unumgänglich gezwungen worden, da sie zu Rettung und Erhaltung ihrer wohlhergebrachten Freyheit und Rechte von Seiten des Reichs keine Hülfe hoffen mochten, der Kayser über sie noch bis dahin beybehaltener Authorität sich gäntzlich zu entziehen, und sich nach Art einer freyen Republick aufzuführen; wie denn auch ihre Gesandte auf dem im Jahr 1471 gehaltenen Reichs-Tag deswegen hertzhaffte Reden von sich hören lassen.  
  Von dieser Zeit an, und zwar absonderlich nach den herrlichen wider den Burgundischen Hertzog Carln im Jahr 1476 und 77, so auch wider Kayser Maximilian I und den Schwäbischen Bund im Jahr 1499, wie nicht weniger wider Franckreich in Italien öffters befochtenen Victorien haben hohe Potentaten, Könige und Stände angefangen, je einer nach dem andern die Eydgenoßschafft als eine freye Republick zu erkennen.  
  Den Anfang machte Kayser Maximilian selbst im Jahr 1499 in dem damahligen zu Basel geschlossenen Frieden, und ferner im Jahr 1511, durch die errichtete Erb-Vereinigung, welche auch in nachfolgender Zeit vielfältig erneuert worden. Diesem Exempel folgte Franckreich durch Errichtung des ewigen Friedens im Jahr 1516, und des Bundes im Jahr 1521. Ein gleiches thate Pabst Julius II, worauf sodann noch weiter erfolget, daß sowohl Kayser als Könige, Chur- und andere Fürsten ihre Characterisirte Bothschaffter bey allerhand Vorfallenheiten öffters an sie abgesandt, auch hinwiederum die Eydgenoßische Abgesandte mit aller gegen einen freyen und souverainen Staat Ehr-Bezeugung empfangen und gehalten worden.  
  Endlich wurde auch diese der Eydgenossen wohlhergebrachte Frey-  
  {Sp. 363|S. 195}  
  heit, Exemtion vom Reich und Souverainitäts-Besitz, so wohl durch die im Jahr 1647 publicirte Kayserliche Declaration, als auch im Jahr 1648 durch den Münsterischen Friedens-Schluß Art. 6. zu allem Uberfluß erkennet, und bestätiget, wie nicht weniger auf alle der Eydgenoßschafft zugewandte Orte erstrecket. Noch eine merckliche Anzahl anderer zum Beweiß dieser Rechts-gegründeten Freyheit dienender Nachrichten und Vorkommnissen, sind in Waldkirchs Eydgenoß. Bunds- und Staats-Historie anzutreffen. Die  
  Gemüths- und Lebens-Art  
  der alten Eydgenossen war schlecht und recht. Sie wohnten grossentheils in geringen Hütten, und einem rauhen bergichten Lande, arm, sparsam und mit wenigen vergnügt. Sie waren arbeitsam, hart gewöhnet, u. musten recht in dem Schweiß ihres Angesichts ihr Brod essen.  
  Gleichwie sie bey solchem einfältigen und niederträchtigen Wandel an dem Vorrath ihres Landes ein Gnügen hatten, und von dem unmäßigen Hunger nach fremder Ehre, Gold und Geld nicht hefftig gereitzet worden, also gaben sie auch um einen schnöden Gewinns und grosser Herren Gunst willen nicht viel glatte Worte, da sie hingegen zur Behauptung ihrer Nothdurfft, und absonderlich des Vaterlandes nothleidender Freyheit das Schwerdt bisweilen gewetzet, und sich in steter Bereitschafft hielten, auch nicht minder behertzt, geschickt und behende waren, selbiges auf ereignenden Fall gegen ihre Feinde mit Nachdruck zu gebrauchen.  
  In Haltung der einmahl gethanen Zusage erwiesen sie sich so getreu und standhafftig, daß auch Eydgenoßische Treu und Redlichkeit in ein gemeines Sprichwort erwachsen. Dieses alles war mit einem überaus starcken und das gröste Ungemach ausdaurenden Leibes-Temperamente, grosser und recht gravitätischer Statur und einer ungemeinen Leibes-Stärcke vereinbahret.  
  Solche an der Schweizerischen Nation hervorblickender, den Feinden schreckhaffte, den Freunden aber ersprießliche Qualitäten und Eigenschafften waren auch der Grund, wodurch fremde Potentzen gar bald, zumahlen nachdem Hertzog Carl von Burgund unter ihren Waffen erliegen müssen, bewogen wurden, ihre Hülff und Freundschafft zu suchen, und zu dem Ende durch Bündnisse sich mit ihnen zu vereinigen; und so gelangte dieses Volck in der Welt nach und nach zu einem höhern Glantz, Ehre und Ansehen, kriegte auch neben andern schönen Vortheilen einen reichen Gold- und Geld-Schatz in die Hände.  
  Allein das an solche Dinge bisher ungewohnte, und viel mehr zum einfältigen, niederträchtigen und verborgenen Leben geartete Schweitzer-Gemüth wuste sich in diese neue Glückseligkeit eben nicht beym besten zu finden, sondern verfieng sich damit unvermerckter Weise. Gewiß ist, daß in folgender Zeit nicht wenige Mißbräuche und Unordnungen eingerissen sind; worunter sonderlich das sogenannte Pensioniren und Kriegs-Lauffen, als deme durch öffentliche Gesetze gesteuret werden müssen. So kan auch wohl die auf so lange und fast immerwährende Kriegs-Troublen ungewohnte Ruhe und Stille an Verderbniß den Alt-Väterischen guten  
  {Sp. 364}  
  Sitten dieses Volcks nicht wenige Schuld haben. Das  
  Christenthum  
  betreffend, so ist selbiges in diesem Lande frühzeitig, obwohlen nicht auf einmahl, auch nicht ohne Müh und Blutvergiessen eingeführet worden; dessen uns ein Beweißthum geben, die in so alten Zeiten aufgerichtete Bißthümer zu Avenche, zu Windisch und zu Augst in der Rauracher Landschafft; wiewohl aus denen Legenden St. Fridolins, St. Beats, St. Columbans, St. Gallens u.a.m. in so weit nehmlich denenselbigen Glauben zuzustellen, erhellet, daß noch in dem 6 und 7 Jahrhundert das Heydenthum allda starcke Wurtzeln gehabt habe.  
     
  Heutige Grentzen:  
  Die heutige Eydgenoßische Lande haben fast die gleiche Gräntzen, wie die obbeschriebene Gegend der alten Helvetier, ausser was längst dem Boden-See bey der Stadt und Stifft Costnitz davon abgegangen; da sich hingegen diese an andern Orten erweitert; Also haben die Eydgenossen ihren Fuß bey Schaffhausen und Basel über den Rhein, in Wallis und bey Genff aber über den Rhodan gesetzet; ferner sind sie bey der Stadt und Stifft Basel, (welche Gegend zu Cäsars Zeiten die Rauracher, und zum Theil auch die Sequani bewohnt haben) über den Jura-Berg hinunter und gegen Mittag über die hohe Lepentische Alp-Gebürge geschritten: also, daß die Lande, welche die heutige Eydgenossenschaft umgeben, sind:  
   
  Die Länge mag etwas über 30, und Breite etwa 24 Schweitzer-Meilen ausmachen.  
     
  Heutige Eintheilung.  
  Die Städte, Länder und Völcker, welche die heutige Eydgenoßschafft nach ihrem weitern Begriffe in sich schliesset, sind in 3 Classen abgetheilet, als  
 
1) die XIII verbündete Haupt-Orte, sonsten die XIII Cantons genannt, deren jeder sein besonderes Wappen hat, und welche ihrem in öffentlichen Zusammenkünfften üblichen Rang nach die folgende sind:
 
 
 
  • Zürich,
  • Bern,
  • Lucern,
  • Uri,
  • Schweitz,
  • Unterwalden,
  • Zug,
  • Glarus,
  • Basel,
  • Freyburg,
  • Solothurn,
  • Schaffhausen und
  • Appenzell.
 
 
  Diese werden wiederum abgetheilet
 
 
 
a) in die alten und neuen, oder letzte Orte.
 
 
 
  Die alten sind entweder die 7 erstern, Bern ausgeschlossen, oder die 8 erstern, Bern mit begriffen. Die neuen sind die 5 letztern.
 
 
 
b) In Städte und Länder.
 
 
 
  Die Städte sind
 
 
 
 
  • Zürich,
  • Bern,
  • Lucern,
  • Zug,
  • Basel,
  • Freyburg,
  • Solothurn und
  • Schaffhausen.
 
 
 
  Die Länder sind
 
 
 
 
  • Ury,
  • Schweitz,
  • Unterwalden,
  • Zug das Amt, genannt das äussere,
  • Glarus und
  • Appenzell.
 
 
 
  Das Haupt einer jeden Stadt wird entweder genennet Bürgermeister, wie zu Zürich, Basel und Schaffhausen, oder Schultheiß, wie zu Bern, Lucern, Freyburg und Solothurn. In den Ländern aber führet das Haupt den Nahmen Land- Ammann, dergleichen auch zu Zug in der Stadt ist.
 
 
 
  In den Städten stehet die höchste Gewalt bey klein- und grossen Räthen, oder Räthen und Bürgern: in den Län-
 
  {Sp. 365|S. 196}  
 
 
  dern aber bey der Lands-Gemeind, darzu alle so wohl ledige als verheyrathete Land-Männer, die nur 15 oder 16 Jahre alt, beruffen werden.
 
 
 
c) In Catholische, Evangelische und vermischte.
 
 
 
 
  • Die gantz Catholische sind
    • Lucern,
    • Ury,
    • Schweitz,
    • Unterwalden,
    • Zug,
    • Freyburg und
    • Solothurn.
  • Die gantz Evangelische,
    • Zürich,
    • Bern,
    • Basel und
    • Schaffhausen.
  • Die vermischte sind
    • Glarus und
    • Appenzell.
 
 
II. Die Zugewandten Orte, die um Schutz und Schirms willen entweder mit allen, oder nur mit einigen der 13 Cantonen verbunden, aber im niedrigerm Rang sind, auch nicht jedesmahl auf die Eydgenoßische Tag-Satzungen beruffen werden, ausser (nach altem Herkommen,) dem Abt und der Stadt St. Gallen, wie auch der Stadt Biel; dennoch aber, die untengemeldte ausgenommen, zu Hause freye Orte, und keinem der andern unterworffen sind. Und diese sind folgende:
 
 
  • Abt und Stadt St. Gallen,
  • die 3 Länder oder Bünd in hohen Rhätien oder Churwahlen:
  • Der Bischoff zu Sitten im Walliserland zusamt der Republick Wallis;
  • die Stadt Mühlhausen,
  • Biel, Neuenburg und Genf;
  • wie auch der Bischoff und das Stifft Basel.
 
 
III. Die Eydgenoßische gemeine Unterthanen oder Vogteyen, so da von mehr oder wenigern Orten Abwechselungs-Weise regieret werden.
 
 
Solchergestalten werden von denen 12 erstern Orten bevogtet, die 4 Vogteyen in Italien,
 
  • Lugano,
  • Locarno,
  • Mendrisio,
  • und Val Maggia.
 
 
Ein Land-Vogt bleibet da 2 Jahr; und reisen die Ehren-Gesandten eines jeden regierenden Orts alljährlich um Jacobi an diese Ort hin zu dem sogenannten Syndicat, oder Verhör der Appellationen, wie auch die Jahr-Rechnung und andere Sachen abzuthun. Von diesem Collegio gehet sodann die Appellation weiter an den regierenden Ort selbst, und zwar je von einem zu dem andern; und so wird endlich die Sache durch die übereinkommende Stimmen der mehrern Orten entschieden. An dem Malefitz- und Land-Gerichte in Thurgöw haben neben den 8 ersteren Orten auch Freyburg und Solothurn Antheil.
 
 
Von den 8 alten Orten werden regieret
 
  • das Thurgöw,
  • die Grafschafft Sargans,
  • die freyen Ämter, oberhalb der neuen March-Linie,
  • und das Rheintal, woran jedoch auch Appenzell Theil hat.
  Zürich, Bern und Glarus bevogten
 
  • die Stadt und Grafschafft Baden,
  • wie auch Bremgarden, Mellingen, Rappenschweil und die freyen Ämter, unterhalb der neuen Marsch-Linie.
  Die 3 Länder Uri, Schweitz, und Unterwalden, setzen einen Land-Vogt nach Bellentz.
  Die 4 Vogteyen Murten, Granfon, Schwartzenburg und Tscherlitz werden von Bern und Freyburg alle 5 Jahre Wechselsweise besetzt. Ingleichen das Gastal und Utznach, von den Ländern Schweitz und Glarus.
 
  Die Eydgenoßische  
  Regiments-Forme  
  belangend, kan man nicht sagen, daß da eine einige ordentliche und unter einem Haupt stehende Republick sey, so wie es etwa vor Zeiten zu Rom, zu Athen oder Carthago gewesen, oder wie sichs heut zu Tage bey Venedig, Genua etc. befindet; sondern es ist dieses Corpus eigentlich ein Systema civitatum foederatarum, oder ein gemeines aus vielen kleinen für sich selbst freyen und souverainen Stän-  
  {Sp. 366}  
  den bestehendes und durch Bündnisse zur gemeinen Sicherheit und Erhaltung zusammen gefaßtes Wesen zu nennen, ungefehr von der Art, wie vormahls die zwölff verbundene Griechische Städte und wie noch auf heutigen Tag die sieben Niederländische vereinigte Provintzien sind: Daher auch der Titul Republick der gesammten Eydgenossenschafft nicht übel zugelegt, und ihre unter der Zahl der übrigen Republicken der Rang gleich nach Venedig, als der ältern, gegeben wird; zumahlen da zu Verhandlung der gemeinen Angelegenheiten ein gemeiner aus Abgesandten von allen Städten und Ländern bestehender Nations-Rath, unter dem Präsidio eines dieser Orten bestimmet, auch sonsten, vermöge Bündnisses, alle und jede gehalten sind, in allen Nöthen und Vorfallenheiten, als Bürger einer nehmlichen Stadt, einander mit Rath und That getreulich und brüderlich bey zu springen, zu welchem Ende auch die Hochwachten, und Losungs-Feuer auf den Bergen durch das gantze Land angestellet sind, durch deren Anzündung ein Ort dem andern seine Noth und Gefahr zu verstehen giebet, worauf der allgemeine Land-Sturm erfolget, und die Hülffe beschleunig herbey eilet, also, daß in weniger als 24 Stunden schon über 30000 Mann beysammen seyn können.  
  Daß aber, wie gemeldt, ausser dem ein jeder Ort für sich selbst souverain, und einer von des andern, so wohl als alle andern Oberherrschaft frey und independent sey, erstrecket sich auf alle und jede, so wohl der 13 Haupt- als der übrigen Zugewandten Orten, Biel und Neuenburg allein ausgenommen, als die auf gewisse Weise einen Landes-Fürsten über sich erkennen. Und so ist, zu Folge der habenden höchsten Gewalt, auch ein jeder Ort befugt, seine sonderbahre Regiments-Forme nach Belieben abzuthun und zu ändern, so ferne solches nicht dem ewigen Bunde zuwider, und also mit Nachtheil und Gefahr der übrigen Orten geschiehet; welchenfalls solche Einhalt zu thun berechtiget, wie sichs im Jahr 1444 an Zürich, und im Jahr 1587 an Mühlhausen erwiesen.  
  Noch ist an diesem Ort ferner zu mercken, daß, vermöge dieses Eydgenoßischen Bundes, den 5 letztern Orten in einem und dem andern Schrancken gesetzet, da den 8 alten Orten ihre Freyheit gelassen; als daß sich jene ohne Wissen und Willen der alten Orten mit Niemanden weder in fernere Bündnisse, noch in einen Offensiv-Krieg einlassen können, und wo sich es ja zuträget, daß die alten Orte mit einander in Kriege verfallen, sind die neuen vermöge der Bündnisse schuldig, ausser dem Fall, da der Krieg um der Religion willen geführet würde, stille zu sitzen, und keinem Theile zu helffen; wohl aber zwischen die kriegende Partheyen zu reiten, und den Frieden getreulich zu mitteln, wie auch im Jahr 1656 und 1712 würcklich geschehen.  
  Die obenangeregte Zusammenkunfft der 13 Haupt- und auf deren Gutbefinden, auch der Zugewandten Orten wird die Tagsatzung geheissen, und ist zur Abhandlung der allgemeinen, die Wohlfahrt des gesammten Volcks angehenden Lands-Sachen angeordnet: Als da sind  
 
  • neue, oder Erneuerung der alten Bündnisse mit benachbarten Staaten, Kriegs- und Friedens-Sachen (wobey zu bemer-
 
  {Sp. 367|S. 197}  
 
  cken, daß, wenn die Orte einmahl in einen Krieg eingetreten, keinem erlaubt sey, ohne die übrigen in einigen Frieden oder Anstand sich einzulassen.)
 
 
  • Neutralitäts-Angelegenheiten,
  • Besetzung der Gräntzen,
  • Erneuerung und Instruction abgehender Gesandten und Repräsentanten,
  • Anhörung fremder Ambassadeuren,
  • Durchzüge fremder Völcker,
  • Errichtung heilsamer und allgemeiner Landes-Gesetzen und Ordnungen, so da alle Orte und deren absonderliche Unterthanen binden, wie z.E.
    • die so genannte Verkommniß zu Stantz vom Jahr 1481;
    • die Eydgenoßische Kriegs-Ordonnantz vom Jahr 1393;
    • der so genannte Pfaffen-Brief vom Jahr 1370;
  • Müntz-Ordnungen,
  • Volcks-Aufbrüche und Werbungen,
  • Rechnungen über die Einkünffte der gemeinen Vogteyen;
  • Ordnungen wider die Zigeuner, Bettler und Landfahrer
  • etc.
 
  Eine solche Zusammenkunfft wird gewöhnlich des Jahres einmahl, um St. Johannis-Tag, angestellet, und nimmet eigentlich ihren Anfang auf Sonntags nach St. Petri Paul. Diese wird auch mit dem besondern Nahmen der Jahr-Rechnungs-Tag-Satzung beleget; immassen da die Rechnungen über die Einkünffte gemeiner Vogteyen abgenommen werden. Jedoch aber werden solche Zusammenkünffte iezuweilen auf ereignenden Nothfall, da es von irgend einem Potentaten oder Canton verlanget wird, auch ausserordentlich gehalten.  
  Der von alten Zeiten her hiezu bestimmte, auch für allseitige Partheyen bequemste Ort ist die Stadt Baden, darinnen auch der Frantzösische Ambassadeur, so wohl als der Canton Bern ihr eigenes Hauß haben. Seit dem Jahr 1712 aber sind die Tag-Satzungen mehren theils zu Frauenfelden im Thurgöw gehalten worden.  
  Der ausschreibende Ort ist von Alters her Zürich, welcher auch in der Versammlung das Präsidium führet, und von deme, was da zu verhandeln, den Vortrag thut; die Umfrage aber hält der zugegen stehende Land-Vogt des Ortes.  
  Nach geendigter Tag-Satzung wird der in Schrifften verfaßte Abschied, d.i. alles abgeredete, verhandelte und geschlossene, einem jeden Ort zu seinem Unterricht und Verhalt zugeschickt. Wo es aber allenfalls geschiehet, daß die Tag-Satzung in einem der 13 Orthen selbst gehalten wird, (als welches sich in alten Zeiten mehrmahlen, heut zu Tage aber selten ereignet,) so wird dem nemlichen Ort das Präsidium ehrenhalber überlassen.  
  In Sachen, die gemeinen Vogteyen betreffend, gehet da der Schluß nach Mehrheit der Stimmen, und wo sich diese zugleich getheilet finden, so giebet die Stimme des umfragenden Land-Vogts den Ausschlag. Wo es die Religion betrifft, so muß die Sache zu Folge des letztern Land-Friedens vom Jahr 1712 durch gleiche Sätze oder Schied-Richter von beyderley Religion zugethanen abgehandelt, und gütlich verglichen werden.  
  In andern Staats-Sachen, als da sind  
 
  • Bündnisse mit auswärtigen Fürsten,
  • Volcks-Begehrungen,
  • Aufnehmung in den Bund oder Schutz
  • etc.
 
  ggilt keine Mehrheit der Stimmen, sondern es ist einem jeden Ort zugelassen, nach freyen Willen mit einzutreten, oder davon auszubleiben, dessen von Alters viele Exem-  
  {Sp. 368}  
  pel vorhanden. Obschon auch gemeiniglich von jedem Ort 2, und von Unterwalden 3 Ehren-Gesandte auf solche Tag-Satzungen abgeschicket werden; so haben sie doch zusammen nur eine Stimme.  
  Uber dieses halten auch zuweilen die Catholischen sowohl als die Reformirten ihre besondere Conferentzen, je nachdeme da der unterschiedlichen Religions-Angelegenheiten, oder auch etwa einer besonderen von fremder Potentz an den einen oder andern Theil abgehenden Gesandtschaft wegen, absonderliche Unterredungen zu halten, und dieses geschiehet insgemein Catholischer Seits zu Lucern oder Zug; Evangelischer Seits aber zu Arau.  
     
  Natürliche Beschaffenheit des Landes:  
  In der Schweitz geniesset man bey dasiger erhabenen Landes-Gegend fast durchgehends eine reine, leichte und gesunde Lufft, obwohl solche auch an etlichen Orten, wegen daselbst befindlicher Seen und Sümpffen etwas gröber und so gesund nicht ist, wie an andern; gleichwie sie auch in dem Theile mehr als in übrigen rauh und kalt ist.  
  An Ertragenheit und Fruchtbarkeit ist das Land nach seinen unterschiedenen Gegenden auch sehr unterschiedlich, wovon die eigentliche Nachricht bey eines jeden Cantons besondern Artickel nachzusehen stehet.  
  Inzwischen kan es doch zu dieser Zeit überhaupt nicht unfüglich ein gutes, fruchtbares und Nutzbringendes Land geheissen werden.  
  An Korn trägt es in verschiedenen ziemlich weiten Landes-Strichen einen genugsamen, auch wohl überflüßigen Vorrath für deren Einwohner, sonderlich wo das Land in der Ebene gelegen, wie in Aergöw, Pais de Vaud etc. obwohl es auch an vielen andern fremder Zufuhr bedarf.  
  Der Feld-Bau ist fast durchgehends, sonderlich an den Bergen, da der Pflug hin und wieder bis auf die höchsten Gipffel gebracht wird, ziemlich mühsam und kostbar, ja an mehrern Orten des unbequemen Bodens halber gantz unmöglich, wie denn hier und da Käse und Molcken die Stelle des lieben Brods vertreten müssen.  
  Mit dem Wein-Stock ist es in diesem Land schon um ein ziemliches besser bestellet, als der den Einwohnern seine Frucht nicht nur in grosser Fülle, sondern auch an vielen Orten in vortrefflicher Qualität giebet. Also haben Bern, Schaffhausen, Graubünden, Neuenburg, und das Thurgöw, auch nicht minder Zürich, Basel, Wallis, Biel, Baden, Sargans und das Rheintal meistens einen starcken, und vornehmlich die ersten, auch einen niedlichen Weinwachs. Noch ist über das eine starcke Zufuhr von guten und gesunden Weinen aus denen angräntzenden Landen, sonderlich dem Elsaß und Marggrafthum Baden, dahingegen auch die Schweitzer den Schwaben und andern Nachbarn aus ihrem Vorrath mittheilen.  
  Am allermeisten aber rühmet sich die Schweitz ihrer guten Vieh-Weyde, und damit verknüpffter schönen Vieh-Zucht, so nicht nur in fetten groß- und kleinem Mast-Vieh, sondern auch an einigen Orten in guten und starcken Pferden bestehet. Dabey sind auch die niedliche Molcken, Käse und Butter, wie nicht weniger allerhand gute  
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  und wohlgeschmackte Baum-Früchte, als wovon vieles ausser Landes verführet wird. So mangelt es endlich auch nicht vornehmlich auf denen höchsten Gebürgen an allerley gutem, und sonst anderwärts raren Gewild und Geflügel, als da sind die Gemsen, Steinböcke, wilde Geissen, Fasanen, Stein- und Berg-Hüner, Auerhahne etc.  
  Die Beschaffenheit dieses mit Wiesen- und Vieh-Weyden so wohl versehenen Landes ist grossentheils, sonderlich gegen Morgen und Mittag, Berg und Thal, worunter die Schweitzerische hohe Alpen- Eiß- und Schnee-Gebürge sehr merckwürdig sind, bey deren vielen die Vieh-Weyden auf den höchsten Gipffeln zu finden, darauf das Vieh in der Sommers-Zeit gewöhnlich 3 Monathe lang gehen kan, da sie sonst in ihrem Umfang sehr wild, rauch, hoch und jähe, auch die übrige Jahrs-Zeit mit Schnee bedeckt sind, so daß sie gleich denen, da der Schnee immer bleibet, einen recht schreckhafften Anblick geben.  
  Es hat noch über das einiges Ansehen, ob wäre in dem Eingeweyde dieser Schweitzer-Gebürgen ein reicher Gold-Schatz verborgen, alldieweilen etliche aus selbigen entspringende Flüsse, als der Rhein, die Aare, die Emmen, u.a.m. einigen Gold-Sand führen.  
  Zur Glückseligkeit dieses Landes helfen ferner  
 
  • die im Lande befindlichen Bley- und Eisen-Gruben,
  • die ergiebige Saltz-Brunnen im Bernerischen Amt Aehlen, samt der nahe dabey gelegenen Schwefel-Mine,
  • die im Grindel-Wald neu entdeckte Crystall-Mine,
  • die hin und wieder befindliche Turff- und Stein-Kohlen;
  • die viele heilsame mineralische Wasser und warme Bäder, auch andere gesunde Brunnen- und Wasser-Quellen;
  • hauptsächlich aber die grosse Anzahl schöner Seen, Flüssen, Bächen u.s.f. welche dem Lande sowohl der Schiff-Fahrt, als des Fisch-Fangs halber einen nicht geringen Vortheil geben,
 
  und ist an diesen letzten Wassern besonders merckwürdig, daß viele solcher Flüsse, nachdem sie aus den Gebürgen herunter und in der Ebene eine Weile fortgerauschet, ihr wildes Wasser gleichsam zu Bezähmung der ungestümen Art in eine stille See hinein, und bis zu deren Ende hindurch führen, wonach sie auch mit einer sanfftern Bewegung ihren Lauff weiter fortsetzen. Also durchzieht  
 
  • der Rhein den Boden-See;
  • der Rhodan den Genffer-See;
  • die Aar den Thuner-See;
  • die Reuß den Lucerner-See;
  • die Limmat den Zürich See;
  • die Broye den Murter-See;
  • die Zeyl den Neuenburger- und Bieler-See;
  • die Adda den Comer-See;
  • die Tessin und die Tosa den Locarner-See.
 
  Noch andere solcher Seen und Wassern in der Schweitz, obwohl geringer als die itztgenannten, sind  
 
  • die Emmen,
  • die Thun,
  • die Sitter,
  • die Töß,
  • die Wigger,
  • die Glatt,
  • die Sana,
  • die Sensen,
  • die Birß,
  • die Meyra,
  • die Kander;
  • der Wallenstädter-See,
  • der Sur-See,
  • die Balldecker- Hallweiler- Züger- Pfefficker- Greyffen-See,
  • u.a.m.
 
  Diese und andere hier und da auf denen höchsten Bergen befindliche Seen, die Crystalle und andere seltsame Mineralien von allerhand Farben und Figuren; tieffe Dampf- und Wind-Löcher in den Bergen, wunderbare Perspectiven, plötzliche Wasser-Fälle von abscheulichen Höhen,  
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  viele Römische Alterthümer; in die höchsten Felsen eingehauene Wege, kunstreiche Brücken; zumahlen die sogenannte Teufels- und Panten- Brücke; die Hunger- und Mayen-Brunnen, fürnehmlich der auf Engstlen u.a.m. sind so viele Zeugnisse, daß die Schweitzerische Lande nicht unbillig eine reiche Qvelle und Schatzkammer seltsamer Natur- und Kunst-Wunder, vornehmlich aber vieler und wunderbarer Wasser genennet werden können.  
  Mit  
  Einwohnern  
  ist dieses Land heut zu Tage fast durchgehends wohl besetzet, und mag an vielen Orten der reiche Kinder-Seegen unter dessen vornehmste Gaben mit gezehlet werden; daher es auch kommt, daß immer eine ziemliche Anzahl Schweitzer sich ausserhalb Landes niederlässet.  
  Derselben Sitten und Natur:  
  Das schon vor langen Zeiten in denen Sitten eingerissene Ubel findet sich zwar nicht gehoben; doch sind die Fußstapffen der guten Alt- Eydgenoßischen Art an mehr als einem Ort noch wohl zu mercken. Dem Leibe nach sind sie immerfort, sonderlich auf dem Lande, von gesunder, starcker und harter Complexion, auch, wo die gute fette Nahrung dazu kommt, mehrentheils einer grossen und wohl untersetzten Statur.  
  Von den Speisen der Schweitzer siehe einen besondern Artickel, nehmlich Schweitzer-Speisen.  
  Es mangelt ihnen also nicht an guter Disposition und Neigung zu allerhand, auch der schwersten Arbeit, wie nicht minder zum Kriegs- Wesen, wie sie denn auch in Friedens-Zeiten theils zu Hause durch stäte und regulirte Exercitien, theils ausserhalb, daß sie immer bey vielen tausenden in fremder Kriegsdiensten stehen, in den Waffen eine unabläßige Ubung haben; Es werden auch die Schweitzerische Leib- Gardes an verschiedenen Europäischen Höfen annoch unterhalten; so daß es in der Schweitz zu keiner Zeit an einer mercklichen Anzahl guter und geübter Soldaten und sonderlich erfahrener Officiren ermangelt.  
  Es hat auch da die alte Freyheits-Liebe bis auf den heutigen Tag in denen Gemüthern noch viele Gewalt.  
  Was von der Schweitzerischen tummen und groben Art annoch herum getragen wird, mag wohl nicht allerdings, auch der Städte zu geschweigen, nicht einmahl von den Land-Leuten den besten Grund haben, und dürffte da zuweilen ein Fremder in der That erfahren, daß eine rauhe und harte Ausrede, hohe Berg und tieffe Thäler, ein gesundes Urtheil, eine gute gezähmte Lebens-Manier, Leutseligkeit und Dienstfertigkeit noch wohl beysammen wohnen können.  
  Zu Erlernung  
  Guter Künste und Wissenschafften  
  ist die Schweitzerische Nation eben nicht die unfähigste, welches mehrere Exempel guter Künstler, kluger Staats- und anderer in allerhand Wissenschafften trefflich gelehrter Männer in alten und neuen Zeiten zur Gnüge beweisen, zu deren Fortpflantzung auch unter denen Evangelischen die hohe Schule zu Basel, die Academien zu Zürich, Genf, Bern, Lausanne u.s.w. noch täglich bemühet sind.  
  Wie da nicht weniger unter denen Catholicken die Jesuiter ihre Collegia zu Lucern, Freyburg und Solothurn angerichtet, und sowohl als  
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  die hin und wieder befindliche Benedictiner- Klöster nicht nur in vorigen Zeiten eine schöne Anzahl gelehrter Geistlichen hervorgebracht, sondern auch zu gleichem Ende noch auf heutigen Tag ihre ordentliche Lehrer in der Philosophie und Theologie bestellet haben.  
  In der  
  Kauffmannschafft  
  haben sich auch die Schweitzer von geraumer Zeit her durch ihre Leinwand- Seiden- und Wollen-Fabriquen, auch mit gold- und silbernen Galaunen, Uhren und andern Waaren auf einen guten Fuß gesetzet, wovon sonderlich die Städte Zürich, Basel, Genf und St. Gallen zeugen können, welche Gewerbe auch in denen um diese Orte gelegenen Gegenden dem Landmann zu grossem Theil seine Nahrung geben, siehe mit mehrern den Artickel: Schweitzer-Waaren und Handlung.  
  Was endlich ein Schweitzer zu Erlernung seiner Kunst, Gewerb oder Wissenschafft ausserhalb besser als in seinem Vaterlande, zu finden vermeinet, da lässet er sich keine Mühe dauern, solches durch Reisen, auch in denen weit entlegensten Ländern zu erjagen.  
  Von der Glaubens-Reformation, wie auch denen sowohl in- als ausländischen Kriegen, und darinnen vorgegangenen Feld-Schlachten der Eyd-Genossen, sodenn von dem Adel des Landes ist ein mehrers unter denen besondern Artickeln eines jeden Orts nachzusehen.
  • Bullinger, Tschudy Annal. Helvet. …
  • Hafner, Bucelini, Scheuchzer hist. Helvet. nat.
  • Cysat.
  • Etterlin.
  • Merian. Topogr. Helv.
  • Joh. Stumphens Schweitzer-Chronica, Zürch 1545 in Fol.
  • Bilibaldi Pirkheimers Historia belli Helvetici a prima sui origine ad annum 1498.
  • Josias Simler vom Regiment der Eydgenossenschafft, Zürch 1645 in 8.
  • Michael Stetlers Schweitzer-Chronicke, Bern 1624 in 2 Folianten.
  • Frantz Guillimannus de rebus Helvetiorum, Friburg. 1598. 2 Bände, wieder aufgelegt 1710.
  • Der grosse Helvetische Bund, Nürnberg in 12.
  • Johann Heinrich Swizers Chronologia Helvetica, Hanov. 1607 in 4.
  • Steiners Grund-Zeichnung des alten Deutschen Spatier, d.i. Schweitzer-Lands, Rotweil 1680 in 12.
  • Leibnitz Cod. Jur. gent. diplom. …
  • Lünigs Reichs-Archiv Part. spec. im Anhange der ersten Fortsetzung cont. I. Absatz 4 …
  • Conring de fin. imper. …
  • Schweders theatr. Praetens. …
  • L'Etat de la Suisse, Amsterdam 1714 in 8, von welchem Tractate, dessen Verfasser Stanian seyn soll, findet man eine ausführliche Recension in den Deutschen Actis Eruditorum
  • Johann Heinrich Rahns Eydgenoßische Geschicht-Beschreibung, Zürch 1690 in 8.
  • Joh. Rudolphs von Waldkirch Einleitung zu der Eydgenoßischen Bunds- und Staats-Historie, Bern 1720 in 8.
  • Johann Jacob Grassers Itinerarium Helveticum historico- politicum, Basel 1624 in 8.
  • Respublica Helvetiorum, Leidae 1627 in 4.
  • Martin Zeilers Topographia Helvetiae, Frf. 1654 in Fol.
  • Johann Bapt. Plantini Helvetia antiqua et nova, Bern 1656 in 8.
  • Johann Heinrich Hottingers Spe-
  {Sp. 372}  
   
  culum Helvetico-Tigurinum, Tiguri 1665 in 12.
     

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Stand: 9. Oktober 2016 © Hans-Walter Pries