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Zedler: Staats-Recht (Deutsches) HIS-Data
5028-39-679-2
Titel: Staats-Recht (Deutsches)
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 39 Sp. 679
Jahr: 1744
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 39 S. 353
Vorheriger Artikel: Staats-Recht (Dänisches)
Folgender Artikel: Staats-Recht (Englisches)
Siehe auch:
Hinweise: Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel

  Text Quellenangaben
  Staats-Recht (Deutsches) Teutsches oder  
 
  • Römisch Deutsches Staats-Recht,
  • oder auch Staats-Recht des Heil. Röm. Reichs Deutscher Nation,
  • Jus Publicum Germanicum,
  • Jus Publicum Romano Germanicum,
  • oder Jus Publicum Sacri Imperii Romano Germanici,
 
  ist, nach unserer gegenwärtigen Absicht, eine Wissenschafft der Grund-Gesetze des Heil. Röm. Reichs, und deren Application auf die darinnen  
  {Sp. 680}  
  vorfallende Reichs-Händel.  
  Es ist aber unstreitig, daß keine Nation und keine Republick ein so weitläufftiges Staats-Recht, als unser Deutschland, so wohl in Ansehung seiner vielen öffentlichen Gesetze, als auch seiner gantz ausnehmenden Freyheit, habe. Wie denn auch in andern Republicken schon der Nahme des Staats-Rechts nicht einmahl so bekannt ist, als bey den Deutschen, weil absonderlich unter denen letztern so gar die Rechtsgelehrten nicht ermangeln, so wohl auf denen hohen Schulen öffentlich darüber zu lesen, als auch dasselbe in Schrifften zu erklären; da hingegen in andern Reichen dasjenige, was bey denen deutschen das Staats-Recht heisset, nur eine Staats-Wissenschafft oder Staats-Klugheit genennet wird. Indessen scheinet uns wenig oder nichts daran gelegen zu seyn, man nenne es, wie man wollte, weil doch am Ende und in der Haupt-Sache beydes auf eines hinaus läufft. Daher wir auch nicht ermangeln wollen, von einer ieden derer vornehmsten Europäischen Republicken und Reiche ihrem Staats-Rechte oder Staats-Wisenschafft unter besondern Artickeln, so wie gegenwärtig von unserm Deutschlande kürtzlich zu handeln.  
  Es sind aber die Stücke, so man absonderlich zur Abhandlung des letztern aussetzet, ungefehr folgende;  
 
1) des Römischen Reichs Ursprung, Grentzen, Eintheilung, auch Regiments-Forme;
2) die Reichs-Creyße, und deren Verfassung;
3) die Reichs-Gesetze, die güldene Bulle, die Kayserliche Wahl-Capitulationen, die Reichs-Abschiede, die Friedens-Schlüsse, und das Reichs-Herkommen;
4) der Kayser, dessen Wahl, schon erwehnte Capitulation, Crönung, Verwaltung des Reichs, und Reservate;
5) der Römische König;
6) das Zwischen Reich, und die Reichs-Vicarien;
7) die Reichs-Stände, und deren Ausziehung;
8) die Chur-Fürsten;
9) die Reichs-Fürsten, Grafen, Herren, Prälaten;
10) die Reichs-Städte;
11) die freye und unmittelbare Reichs-Ritterschafft;
12) die Reichs-Unterthanen;
13) die Majestät, und deren Rechte oder Regalien, davon ferner viele besondere Titel gemacht werden;
14) die Landes-Fürstliche Hoheit oder Landes-Obrigkeit;
15) der Reichs-Tag, die Creyß- Deputation- Probation- Chur-Fürsten- Fürsten- Städte- Ritter-Täge, und andere Versammlungen;
16) die Reichs-Anlagen und Reichs-Matrickel;
17) die Reichs-Gerichte und Austräge;
18) die Achts-Erklärung.
 
  Gleichwie wir nun von allen diesen Dingen bereits unter besondern Artickeln hin und wieder mit mehrerm gehandelt haben; also kan auch hiervon das nöthigste an gehörigen Orte nachgesehen werden.  
  So viel übrigens die hieher gehörigen Schrifften anbelanget, darinnen theils von dem gantzen Reichs-Staate überhaupt, theils auch von einem und dem andern dahin einschlagenden Puncte insbesondere, gehandelt werden; so hat man deren bereits eine so erstaunende Menge, daß es nicht allein an und vor sich selbst schon allzuweitläufftig wäre, dieselben sammt und sonders gegenwärtig nur zu nennen, sondern es auch einem bey nahe eben  so schwer und fast unmöglich seyn sollte, blos die besten und vornehmsten daraus zu wählen.  
  Wie  
  {Sp. 681|S. 354}  
  denn nur allein von denen zur Erläuterung des Deutschen Staats-Rechts dienlichen Schrifften Struv in Bibliotheca Juris selecta c. 14 bey nahe 300 gantze Seiten angefüllet hat. Dererjenigen, welche nach der Zeit erst zum Vorscheine gekommen, und noch tagtäglich ans Licht treten, nicht zu gedencken. Sonst aber kan hierbey auch noch des erstbemeldeten Struvs Bibliotheca Historica c. XVI. u.ff. zu Rathe gezogen werden.
  Nur können wir nicht umhin, beygehend noch die von vielen Publicisten aufgeworffenen, und zum Theil bejahete, zum Theil auch verneinete Frage zu beleuchten, ob es nehmlich wohl eine erlaubte Sache sey, von dem Staats-Rechte öffentlich zu reden und zu schreiben? Und ist, so viel insonderheit unser Deutschland anbelanget, hierauf ohne Bedencken mit ja zu antworten. Wie denn auch gedachter massen nicht allein auf denen hohen Schulen öffentlich darüber gelesen und disputiret, sondern auch noch immer eine Schrifft über die andere ans Licht gestellet wird, ohne daß es von Seiten ihrer hohen Principalen und Landes-Fürsten untersaget würde. Nur muß es freylich, wie sich von selbst verstehet, mit vieler Behutsamkeit geschehen, und absonderlich nichts mit darunter einfliessen, was der allerhöchsten Landes-Obrigkeit verkleinerlich und nachtheilig seyn kan. Und so lange dieses letztere, wie allerdings nöthig und billig, unterbleibet; so kan alsdenn ein jeder davon ungescheuet reden und schreiben. Besiehe hierbey mit mehrerm
  • Carpzov in Jurispr. Constit. … und in Synops. Jur.
  • Limnäus
  • Schweder in Introd. ad Jus Publ. …
  • und andere mehr.
  Sonst hat man zwar mit unterschiedenen Gründen, die theils aus dem Corpore Juris, theils aus der Erfahrung hergenommen waren, darthun wollen, was vor ein grosser Schaden dem Staate daraus erwachsen könne, wenn dessen Geheimnisse gar zu gemein und bekannt würden. Aus dem Römisch-Bürgerlichen Rechte wurde z.E. L. 3. C. de Crim. sacril. angeführet ; aus der Erfahrung aber erwiesen, was vor einen grossen Schaden es der Spanischen Monarchie unter Phillip II zugezogen habe, da von Peterz dessen geheimden Staat bekannt gemacht; ingleichen dem Deutschen Reiche unter Ferdinand II, als Otto Peck eines und das andere ausgeplaudert hatte.  
  Gleichwie aber der angeführte Fall nicht von denen, die innere und geheime Staats-Verfassung eines Landes bekannt machen, sondern von solchen Leuten zu verstehen ist, die über dasjenige, so der Fürst gethan hat, disputiren und critisiren; also haben auch Peterz und Peck nicht blosse Rechte sondern geheimde Consilia bekannt gemacht, und dadurch denen Herren, welchen sie zuvor gedienet hatten, gewissermassen geschadet.  
  Man muß solchergestalt vielmehr umgekehrt sagen: Woferne das Staats-Recht eine Klugheit oder Wissenschafft ist, die Reichs-Grund-Gesetze der deutschen Nation recht zu erklären, und auf alle vorkommende Fälle zu appliciren; so ist es auch höchst nöthig,  
  {Sp. 682}  
  daß nun erwehnte Gesetze denen zukünfftigen Staatisten bey guter Zeit bekannt gemacht werden. Denn sonsten dürffte es ihnen gehen, wie denen jungen Ärtzten, welche Anfangs viel verderben, ehe sie die Kranckheiten recht erkennen und curiren lernen.  
  Im übrigen muß allerdings im Lehren und Schreiben des Vitriarii Erinnerung wohl beobachtet werden: adsit modestia, et de Imperatore Statuumque majestate reverens sermo. Das heißt: Man muß nur mit gehöriger Bescheidenheit und Ehrfurcht von Staats-Recht, Kayserlichen Majestät und derer hohen Reichs-Stände Ansehen reden und schreiben. Und diejenigen Schrifftsteller, von welchen etweder dem Kayser zur Ungebühr geschmeichelt, oder die Rechte derer Reichs-Stände höher, als sie an sich selbst sind, erhaben worden, haben dadurch die Leser zwar irrig, im Reiche aber dessentwegen doch keine Veränderung gemacht.  
  Diese Frage ist hingegen etwas schwerer zu beantworten: Ob man auch von Staats-Sachen auf Universitäten etwas lernen könne? Es gehöret allzuviel zu einem rechten Publicisten, davon er das wenigste in denen Büchern finden kan.  
  Er soll 1) reisen, und einen Staat mit dem andern vergleichen lernen. Dieses aber können etliche nicht thun; andere thun es nicht auf die rechte Weise; und noch andere thun es zur Unzeit. Zum wenigsten wird der Information auf hohen Schulen dadurch nicht geholffen.  
  Er soll 2) die Correspondentz mit denen Örtern, wo die Staats-Geschäffte tractiret werden, fleißig unterhalten. Das scheinet wiederum bey denen meisten gar zu mühsam, kostbar und gefährlich zu seyn.  
  Dies macht auch nicht wenig Schwierigkeiten, daß wir bey Erlernung des Staats-Rechts insgemein nur überhaupt auf die Verfassung, welche zwischen Haupt und Gliedern im Deutschen Reiche sind, gewiesen werden; da doch ein jeglicher Reichs-Stand in seinem Lande und Gebiete hinwiederum seine eigene Verfassungen, und, so zu sagen, sein absonderliches Staats-Recht hat, von welchem aber bis jetzo noch gar wenig geschrieben worden, auch vieler dabey vorfallender Umstände wegen, nicht wohl geschrieben werden können.  
  Gleichwohl siehet ein Publiciste, welcher seine Weißheit bloß auf Universitäten eingenommen hat, nicht anders als ein Advocate aus, welcher durch sein blosses Bürgerliches Recht bey allen Processen unüberwindlich zu werden gedencket. Und man darff sich hernach nicht wundern, wann ihre Rathschläge denjenigen gleich sehen, so dem Churfürsten von der Pfaltz bey dem Frantzösischen Einfalle in seine Länder 1673 ertheilet wurde: Er solle den König von Franckreich nur ex Lege Aquilia belangen.  
  Es rühret ferner eine grosse Schwierigkeit auch daher, weil zuerst gar zu wenig, zuletzt gar zu viel von dem Deutschen Staate geschrieben worden, daß man fast nicht weiß, welches unter so vielen unterschiedenen Meynungen die beste sey. Alle Nationen haben in diesem Stücke eher Hand angeleget, als die Deutschen. Nachdem aber das Werck einmahl angegriffen, und  
   {Sp. 683|S. 355}  
  dessen Nutzbarkeit erfunden worden; so urtheilet Severin von Monzambano in seinem Tract. de Statu Imp. Germ. und zwar in seiner Epistola ad Laelium de Monzambano, welche bald nach der Vorrede darzu befindlich ist, nicht unrecht: Teutonicos homines insatiabile scribendi cacoethes tenere; die Deutschen hätten eine gantz unersättliche Begierde zum Bücher-Schreiben.  
  Dabey gedencken ihrer viel mit der Philosophischen Weißheit am glücklichsten fortzukommen, und verdunckeln die herrliche Lehre von dem Staats-Rechte mit ihren überflüßigen Divisionibus und Abstractionibus, da sie dieselbe erklären sollten. Wir reden aber mit guten Bedachte von einer überflüßigen Philosophie. Denn daß dieselbe gantz und gar nicht verworffen werden könne, ist ausser allem Zweifel, und ergiebet sich auch bey Abhandlung derer dahin gehörigen Materien von selbst mehr als zu viel. Es sagen uns solches auch die Acten, welche noch täglich in Regenspurg, und nunmehr in Franckfurt, bey der daselbst angestellten öffentlichen Reichs-Versammlung, oder sonst verfertiget werden.  
  Noch schlimmer war es vor diesem, da man den gegenwärtigen deutschen Staat nach der alten Römischen Monarchie abmessen und dergestalt die Käyserliche Wahl-Capitulation Legem Regiam, die Churfürsten aber Praefectos praetorios nennen wollte; oder wenn man den Leuten eine gantze Menge Regeln hersagte, und dieselben gleichwohl aus der Historie, davon der Lehrmeister selbst keine grosse Wissenschafft hatte, niemahls zu erklären begehrte. Denn, daß diese bey Abhandlung und Erlernung des Staats-Rechts gantz unentbehrlich sey, kan man bloß daher wissen, weil sich der Staat in unserm Reiche täglich verändert, und dergestalt ein Zuhörer wunderliche Dinge lernen würde, welcher nur ohne die Geschichte der letzten funfzig Jahre die Deutschen Reichs-Händel hören sollte. Viel Sachen sind auch also beschaffen, daß wir bey nahe nicht sagen können, wie es mit denselben gehalten werden soll. Dahin gehörete in vorigen Zeiten die Verfertigung der Kayserlichen Wahl-Capitulation, das Reichs-Vicariat in Betrachtung Pfaltz und Bayern, u.s.w.  
  Indem auch die unterschiedenen Religionen bey denen so vom Staats-Rechte etwas geschrieben, unterschiedene Absichten auf ihr Interesse verursachet haben; so muß man alle Bücher mit grosser Behutsamkeit lesen, und sonderlich zum Voraus wissen, wo die Verfasser derselben gelebet haben, und was vor eines Glaubens sie gewesen sind, wo das Buch gedruckt worden, u.s.w. Fast eben auf den Schlag, wie die Englischen, Frantzösischen, Holländischen, und andere auswärtige Rechte bey ereigneten Unruhen von einem immer anders als von dem andern beschrieben worden. Daraus aber siehet man schon, um was vor Hülffs-Mittel sich vornehmlich einer zu bekümmern hat, der in dieser Art zu studiren was rechtschaffenes vor sich bringen will.  
  Weil es ein Recht ist; so muß er wohl nothwendig die übrigen Gattungen derer Rechte daneben verstehen lernen. Zuerst wird das Recht der Natur erfordert. Wie ein Gelehrter überhaupt dasselbe  
  {Sp. 684}  
  ohnmöglich entbehren kan; so wird absonderlich ein Publiciste ohne dasselbe nicht weit fortkommen: weil er in vielen Entscheidungen und Aussprüchen auf die natürliche Billigkeit zu sehen hat.  
  Er muß hernach auch in dem Römisch-Bürgerlichen, und Canonisch-Päbstlichen, oder geistlichen Kirchen-Rechte bewandert seyn. Zum Exempel dienen die Streitigkeiten wegen der Münsterischen Erb-Männer-Sache und des Bißthums Lübeck. Ein anders aber ist es, das Bürgerliche und Canonische Recht wissen und verstehen; ein anders aber die  öffentlichen Staats Geschäffte daraus beurtheilen und entscheiden. Wie unentbehrlich ferner das Lehn-Recht bey dem Staats-Rechte sey, das hat in vorhergehenden Jahren die Succeßion in dem Mantuanischen gewiesen; da über die rechte Auslegung des Textes 2 Feud. 24 genug gestritten worden.  
  Nächst diesem muß er auch in der Politic oder Staats-Kunst wohl erfahren seyn. Ihrer viele, welche sehen, wie genau das Staats-Recht mit der Staats-Kunst verbunden sey, daß jenes ohne diese ohnmöglich erlernet werden kan, haben bey nahe aus beyden eins machen wollen; da sie doch in den meisten Haupt-Eigenschafften von einander unterschieden sind. Es kan auch wohl seyn, daß auf etlichen Universitäten der Streit daher entstanden, ob sich die so genannten Philosophen auch um das Staats-Recht bekümmern dürffen oder nicht.  
  Er muß ferner in den Geschichten wohl bewandert seyn. Ohngeachtet nun zwar die Geschichte der fremden Länder eigentlich nicht hierher gehören; so können sie doch auch nicht gäntzlich auf die Seite gesetzet werden: weil zwischen denselben und der Deutschen Historie eine beständige Verbindung ist. Und wie man sonst sagt: Ein recht gründlich gelehrter Mann muß alles wissen; so heißt es auch hier: wer den Deutschen Staat recht verstehen will, muß sich in allen Historien, zu welchen auch die Geographie, Chronologie und Genealogie gehören, wohl umgesehen haben.  
  Zu denen Historien rechnet man erstlich die alten Römischen Geschichte. Denn wo will man sich sonst in die Schrifftsteller finden, welche von denenselben das meiste in dem Staats-Rechte, ob wohl nicht auf eine allzu gute Weise, hergeleitet haben, daß sie den Deutschen Staat der älter, mittlern und neuen Zeit beschrieben haben. Und gehören also vornehmlich  
 
  • zur alten Zeit
    • Cluver,
    • Conring,
    • Schutzfleisch und
    • Mabillon;
  • zur mittlern Zeit
    • Schardius,
    • Pistorius,
    • Reuberus,
    • Fischer,
    • Urstisius,
    • Reinerus,
    • Reineccius,
    • Meibom,
    • Leibnitz und
    • Schilter;
  • Zur neuern Zeit
    • Hortleder,
    • Sleidanus,
    • Seckendorff,
    • das Theatrum und Diarium Europaeum,
    • Pufendorf und
    • Valckenier,
    • und andere mehr.
 
  Es müsten auch nothwendig die Instrumente und Acten von denen letztern Friedens-Schlüssen hieher gerechnet werden, welche nebst andern Urkunden eine vollkommene Wissenschafft in Staats-Affairen zu erlangen höchst nöthig sind.  
  Man möchte aber wohl noch eine neue Art darzu setzen, und dieselbe die neueste Historie nennen, welche denjenigen, die in ihrer Lehr-Art die Historie zu studiren  
  {Sp. 685|S. 356}  
  nicht altväterisch werden wollen, zwar unentbehrlich, in Ermangelung aber gnugsamer Hülffs-Mittel, weit schwerer, als die andern, zu erlernen ist. Hierbey ist nicht zu läugnen, daß man den Staat des Deutschen Reichs zwar von solchen Schrifftstellern, die in Deutschland selbst gelebet haben, am gewissesten begreiffen könne. Man muß aber auch gestehen, daß Fremde und Ausländer in gefährlichen und verdrüßlichen Materien offtermahls am aufrichtigsten geschrieben, und sich dergestalt erwiesen haben, wie Tacitus von ihnen fordert, sine ira et studio, das heist ohne Zorn und Partheylichkeit, auch, welches eben so nöthig ist: sine timore, ohne Scheu und Furcht.  
  Es ist im übrigen nicht zu vermuthen, daß jemand das Staats-Recht ohne die Reichs-Grund-Gesetze werde zu erlernen begehren. Welche bereits oben nahmhafft gemacht worden, woraus aber zur Gnüge erhellet, wie man das Staats-Recht nicht anders, als das sonst so genannte Privat-Recht, in ein Geschriebenes, und Ungeschriebenes, eintheilen müsse.  
  Es ist ferner daraus zu schliessen, daß man die Deutsche Historie und das Staats-Recht nicht allein zusammen tractiren könne, sondern auch bey nahe müsse. Zwar ist uns ein sonst nicht ungelehrter Mann bekannt, welcher beständig zu sagen pfleget: Man könne auf Universitäten nicht das Staats-Recht, sondern nur die Historie von demselben, erlernen. Und dannenhero habe auch unter andern der gelehrte Böcler sehr wohl gethan, daß er sein Buch nicht Jus publicum, sondern nur Notitiam S.R.J. genennet. Im übrigen wird es wohl einerley seyn ob man das Staats-Recht zu erst setzet, und solches mit der Deutschen Historie erkläret, oder umgekehret sich zu erst um die Deutschen Geschichte, und zuletzt um das Staats-Recht so daraus geschossen ist, bekümmert.  
  Von denen hieher gehörigen Schrifften ist bereits oben Meldung geschehen.  
     

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Stand: 28. März 2013 © Hans-Walter Pries