HIS-Data
Home | Suche
Zedler: Staats-Wissenschafft HIS-Data
5028-39-707-12
Titel: Staats-Wissenschafft
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 39 Sp. 707
Jahr: 1744
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 39 S. 367
Vorheriger Artikel: Staats-Übel
Folgender Artikel: Staatz
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

  Text  
  Staats-Wissenschafft, Staats-Lehre, Politica publica, Prudentia publica, wir wollen hier zweyerley untersuchen: erstlich nach der Theorie, was die Staats-Lehre sey? Hernach nach der Praxi, wie sie vorzutragen und zu erlernen sey?  
  Erstlich haben wir nach der Theorie zu sehen, was die Staats-Lehre sey? Man pflegt dieses Wort in weitern und engern Verstande zu nehmen, und verstehet nach jenem dadurch denjenigen Theil der practischen Philosophie, welcher zeiget, wie man sich in allen Ständen klüglich aufführen, und seinen Nutzen auf eine rechtmäßige Art befördern soll.  
  Weil sie ein Theil der practischen Philosophie, so handelt sie von der Menschen Thun und Lassen; Indem sie aber nur einen Theil ausmachet, so handelt sie auch nur in gewisser Absicht davon, nehmlich so ferne es nach den Regeln der Klugheit einzurichten, welche die Mittel zeigen, wie ein Mensch seine vernünfftigen Absichten erreichen, und seinen Nutzen befördern soll.  
  Die Menschen befinden sich in verschiedenen Ständen, wie  
  {Sp. 708}  
  dieses der Artickel vom Stand ausweiset, und deswegen sind auch die Absichten unterschieden. Sie gehet auf die Glückseligkeit der Menschen, und zwar nur auf die äusserliche.  
  Im engern Sinne verstehet man durch die Staats-Lehre denjenigen Theil der Klugheits-Lehre oder Politick, welcher insonderheit lehret, wie ein Staat oder Republick klüglich zu regieren. Es kommen dabey verschiedene Absichten für, und dazu sind auch verschiedene Mittel nöthig, daraus die besondern Stücke dieser Klugheit entspringen. Denn da handelt man von der Klugheit  
 
  • in Gesetzen und Gerichten,
  • in Straffen und Belohnungen,
  • die Ämter wohl zu besetzen,
  • den Schatz zu vermehren,
  • einen Staat aufzuhelffen,
  • das Religions-Wesen zum Nutzen des Staats einzurichten,
  • Krieg zu führen,
  • Alliantzen und Bündnisse zuschliessen,
  • Gesandten zu schicken,
  • u.s.w.
 
  von welchen Materien die Ausführung unter den gehörigen Artickeln zu suchen.  
  Was vor das andere die Praxin betrifft, wie die Staats-Lehre vorzutragen, und zu erlernen sey, so ist selbige auf verschiedene Art gelehret worden, und die Bücher, die man hierinnen hat, sind nicht nach einerley Form eingerichtet. Man findet von denselbigen eine Nachricht in  
 
  • Gabrielis Naudäi bibliographi politica, davon die zu Halle 1712 heraus gekommene Edition wegen der beygefügten Anmerckungen des Gladovs die beste ist;
  • Conrings Dissert. de civili philosophi ejusque optimis ac praecipuis scriptoribus, Helmst. 1673.
  • Joh. Andr. Bosii tr. de comparanda prudentia et eloquentio civili, welche 1698 Schubart heraus gegeben;
  • Cornelii a Beughems bibliographia politica et juridica;
  • Caroli Arndii bibliotheca politico-heraldica, und bibliotheca aulico-politica;
  • und Wagners Staats-Bibliotheck.
 
  Diesen können beygefüget werden, welche entweder überhaupt von der Historie der Gelehrsamkeit, oder insonderheit von philosophischen Büchern geschrieben, als  
 
  • Morhof in polyhistore
  • Reimmann in der Einleitung zur histor. liter. der Deutschen …
  • Stolle in der Anleitung zur Historie der Gelahrheit …
  • Bolduanus in bibl. philos. …
  • Lipenius in bibl. philosoph. …
  • Struve in bibl. philos. …
 
  Wir mercken davon nur soviel an, daß die Staats-Schrifften entweder göttliche, oder nur menschliche Bücher sind. Jene sind zweyerley Art. Denn einige sind historische Bücher, als das Buch der Richter, Josuä, absonderlich Samuelis und der Könige. Zu den Lehr-Büchern muß man vornehmlich die Schrifften Salomonis rechnen. Zu bessern Verstand und Ordnung der vortrefflichen Lehren dieses weisen Königs dienen  
 
  • Schuppens Salomo oder Regenten-Spiegel, der in seinen zusammen gedruckten lehrreichen Schrifften gleich voran anzutreffen;
  • Joseph Halls Regierungs-Kunst Salomons, welche Andreas Beyer aus dem Englischen in das Deutsche übersetzet, und zugleich mit dessen Haushaltungs- und Sitten-Kunst heraus gegeben;
  • und eines ungenannten Salomons Königliche Anleitung zur wahren Klugheit. Es ist dieses nur eine deutsche Übersetzung von einem frantzösischen Werck: les conseils de la sagesse etc. Paris, 1677, so auch vermehrter gedruckt worden. Der Übersetzer ist D. Carl Gottfried Za-
 
  {Sp. 709|S. 368}  
 
  pfe.
 
  Die menschlichen Schrifften sind auf verschiedene Arten eingerichtet. Denn in einigen ist die Staats-Klugheit systematisch tractiret. Unter den Alten hat Plato zehn Bücher von der Republick geschrieben; es ist aber schon längst erinnert worden, daß er in practischen Dingen gar zu speculativisch geschrieben habe. Der erste, welcher hierinnen ein Systema verfertiget, ist Aristoteles, dessen politische Bücher geringer geachtet werden, als sie in der That verdienen. Unter denen Alten aber übertrifft alle Plutarchus.  
  Von den neuern giebts zwey Sorten. Denn etliche haben sich sectirisch aufgeführet, und an die Principia des Aristotelis gebunden als Althusius, Balthasar Cellarius, Arnisäus, Müller und viele andere; einige hingegen haben ihre eigene Meditation zu Hülffe genommen, als Becmann in meditationibus politicis; Hertius in elementis prudentiae civilis; Buddeus in dem dritten Theile der philosophiae practicae, nach dessen Principiis Rüdiger, die Klugheit zu Leben und zu herrschen, ediret, so eines der besten Bücher hierinnen ist. Es sind auch bekannt, Lipsii sechs Bücher politicorum, und Boxhornii institutiones politicae, anderer nicht zu gedencken.  
  Andere haben die Methode erwehlet, daß sie solche politische Lehren in Fabeln und Erdichtungen zu verstecken gesucht, von welcher Art Thomä Mori Utopia; Campanelli civitas solis, nebst mehrern sind, von denen insonderheit Fabricius in bibliographia antiquar. … und Paschius in diatr. de fictis rebus publicis Nachricht gegeben haben.  
  Noch andere haben die Historie mit der Staats-Lehre verknüpfft, und in ihren Erzehlungen allerhand politische Anmerckungen mit einfliessen lassen. Unter den alten Griechen sind deswegen Thucydides und Polybius bekannt, sonderlich der letztere, welcher so viel von der Staats-Klugheit eingemischet, daß auch einige gemeynet, er habe die Grentzen eines Historien-Schreibers überschritten. Unter den Römischen ist Tacitus berühmt, der immer zeiget, wie die Staats-Machine beweget worden. Man hat besondere politische Anmerckungen, so berühmte Männer über diesen Autorem geschrieben.  
  Solche Historien-Schreiber hat man auch zu den neuern Zeiten gehabt, als an dem  
 
  • Francisco Bacone de Verulamo
  • Gvil. Cambdeno,
  • Bartholomäo Grammondo,
  • Hugone Grotio,
  • Sleidano,
  • Pufendorffen
  • und andern.
 
  Endlich haben welche kurtze Staats-Regeln gegeben.  
  Von den zwey beruffenen Secten der Machiavellisten und Monarchomachorum haben wir in besondern Artickeln gehandelt.  
  Es haben auch einige besondere Anweisung zur politischen Weisheit geschrieben. Denn man hat  
 
  • Coleri epistolam de studio politico ordinando, welche in des Crenii Sammlung de eruditione comparanda … stehet;
  • Böclers dissertationem epistolicam posthumam de studio politico bene instituendo, welche Tom. III. … oper. zu finden, auch dessen Anweisung, wie man die auctores classicos tractiren soll, angedruckt.
 
  Es ist aber an keinem nicht viel.  
     

HIS-Data 5028-39-707-12: Zedler: Staats-Wissenschafft HIS-Data Home
Stand: 20. Februar 2013 © Hans-Walter Pries